Im Aufzug mit Daniel Bröckerhoff

Wie funktioniert Journalismus mit Haltung?

In dieser Zeit voller Rechtspopulismus wollte ich von Daniel Bröckerhoff wissen, wie er über Wahlempfehlungen im Journalismus denkt. Wir sprechen darüber, ob alle Journalist*innen links sind und wie er überhaupt vom Fernsehgarten zum Journalismus kam. Daniel ist aber nicht nur Journalist, er ist vor allem auch Vater. Zwei seiner Töchter haben Behinderungen. In ihrem Familien-Alltag müssen alle Zahnräder perfekt ineinandergreifen, damit das System nicht zusammenbricht. Der Bürokratie-Krieg und das marode Bildungssystem bringen ihn noch dazu regelmäßig an den Rande der Verzweiflung. Und er macht sich Gedanken über die Zukunft seiner Töchter mit Autismus und einer Muskelschwäche. Deswegen diskutieren wir auch über die Vor- und Nachteile von Behindertenwerkstätten. Viele schwere Themen, aber trotzdem lässt mich dieses Gespräch inspiriert zurück. Hört selbst: Aufzugtügauf für Daniel Bröckerhoff.

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Daniels Herzensangelegenheit:

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Krautreporter

Die Chefredaktion

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Werbung: Wer bei Raul in den Aufzug steigt, kann sich auf spannende Gespräche mit inspirierenden Gästen freuen. Spannende Geschichten rund um den Aufzug können wir bei Schindler auch erzählen. Schließlich bewegt Schindler mit seinen Aufzügen und Fahrtreppen täglich 2 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt. Und das seit 150 Jahren. Wusstest du zum Beispiel, warum es in vielen Aufzügen Spiegel gibt? Die Antwort erfährst du am Ende dieser Folge. Jetzt viel Spaß mit Raul im Aufzug wünscht Schindler. 

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Ehrlich gesagt spreche ich gerne mit Journalistinnen, gerade in dieser Zeit voller Rechtspopulismus. Deswegen wollte ich von Daniel Bröckerhoff wissen, wie er über Wahlempfehlungen im Journalismus denkt und wie er die Veränderungen der Medien durch Social Media sieht. Wir sprechen darüber, ob alle Journalistinnen links sind und wie er überhaupt vom Fernsehgarten zum Journalismus kam. Daniel ist aber nicht nur Journalist, er ist vor allem auch Vater. Zwei seiner Töchter haben Behinderungen. In ihrem Familienalltag müssen alle Zahnräder perfekt ineinander greifen, damit das System nicht zusammenbricht. Der Bürokratiekrieg und das marode Bildungssystem bringen ihn noch dazu regelmäßig an den Rande der Verzweiflung. Und er macht sich Gedanken über die Zukunft seiner Töchter mit Autismus und einer Muskelschwäche. Deswegen diskutieren wir auch über die Vor- und Nachteile von behinderten Werkstätten. Viele schwere Themen, aber trotzdem lässt mich dieses Gespräch inspiriert zurück. Hört selbst. Aufzug Tür auf für Daniel Bröckerhoff. Herzlich willkommen Daniel Bröckerhoff, schön, dass du in meinem Aufzug gelandet bist. 

00:02:45.000 

Daniel Bröckerhoff: Hallo Raul, wohin fahren wir denn? 

00:02:48.000 

Raúl Krauthausen: Wo du hin willst, egal wohin, wir werden überall gebraucht. 

00:02:51.000 

Daniel Bröckerhoff: Also ab in den einmillionsten Stock, ist das eine lange Aufzugquart habe ich gehört. 

00:02:55.000 

Raúl Krauthausen: Genau und Aufzüge zeigen uns den Weg, wie es nach oben geht oder nach unten, wie mit der Bildzeitung. 

00:03:00.000 

Daniel Bröckerhoff: Oh, da habe ich gerade schon eine Aufzugstory für dich. 

00:03:02.000 

Raúl Krauthausen: Erzähl. 

00:03:03.000 

Daniel Bröckerhoff: Was mir am Wochenende passiert ist, ich war das erste Mal in der Elbphilharmonie mit meinen Töchtern. Ganz aufregend, weil meine Mittlere, die Achtjährige, die ist ja Autistin und ich wusste nicht, ob das mit ihr gut funktioniert, mit so vielen Leuten und so. Und ich habe festgestellt, Elbphilharmonie, tolles Gebäude, ein Alptraum für Menschen mit räumlichen Orientierungsschwierigkeiten. Vor allem, weil sie Aufzüge eingebaut haben, die zwischendurch einfach mal sagen, ich fahre jetzt nicht mehr weiter. Ich bleibe hier auf dem Stockwerk stehen und du kannst auf mir rumdrücken, wie du willst. Ich fahre aber nicht mehr. Ich dachte, geil. 

00:03:39.000 

Raúl Krauthausen: Warum? 

00:03:40.000 

Daniel Bröckerhoff: Konnte niemand so richtig sagen. Ich habe eine Mitarbeiterin im Aufzug gehabt, die meinte, ja, das ist so, wenn du auf ein Stockwerk drückst, wo du eigentlich nicht rein darfst. Also man darf teilweise mit einem Aufzug nicht bestimmt Stockwerke anfahren, aber jemand drückt trotzdem drauf. Dann sperrt der Aufzug sich und dann kann halt keiner mehr weiterfahren. Das ist total geil. 

00:04:00.000 

Raúl Krauthausen: Das macht überhaupt keinen Sinn. 

00:04:01.000 

Daniel Bröckerhoff: Absolut. Vor allem mit diesem milliardenschweren Gebäude. Also das ist wirklich so, wir bauen uns das krasseste Ding in Hamburg hin, aber der Aufzug, der funktioniert nicht. 

00:04:10.000 

Raúl Krauthausen: Ich habe da manchmal das Gefühl, dass solche Dinge dann auch gebaut werden von Leuten, die einfach nie die Konsequenz tragen müssen, die nie zu benutzen. 

00:04:16.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, sowieso. Zum Glück gibt es einen Aufzug daneben. Also wenn du dann da mit zehn Leuten nicht reingequetscht hast oder mit zwei Rollstühlen, dann feststellst du, nach 15 Minuten das Ding fährt doch nicht, weil es dir keiner gesagt hat. Dann kannst du zumindest in den anderen daneben gehen. Toll. 

00:04:31.000 

Raúl Krauthausen: Oh man, aber wart ihr nur auf die Aussichtspunkt oder wart ihr wirklich in einem Konzert? 

00:04:35.000 

Daniel Bröckerhoff: Wir waren wirklich in einem Konzert, in einem Kinderkonzert. 45 Minuten hat das gedauert. Das war eine perfekte Länge, das hätte auch nicht länger funktioniert, aber beide Kinder haben sehr gespannt zugehört. Die Große noch mehr als die Kleine, die war so ein bisschen irritiert, weil es war sehr avantgardistisch für ein Kindermusiktheaterstück. Aber es hat total gut funktioniert.

00:05:00.000 

Raúl Krauthausen: Ich weiß noch nicht mal, was avantgardistisch heißt, aber… 

00:05:03.000 

Daniel Bröckerhoff: Freaky? 

00:05:08.000 

Raúl Krauthausen: Ich habe mit meinem Cousin früher, als unsere Eltern uns durch Museen geschliffen haben, haben wir das Spiel gespielt. Wir kopieren die Dialoge der anderen Erwachsenen, die vor den Kunstwerken stehen. 

00:05:18.000 

Daniel Bröckerhoff: Tolles Spiel. 

00:05:20.000 

Raúl Krauthausen: Ja, so lange, bis andere Erwachsene uns bemerken und dann so Kommentare machen wie „So schlaue Kinder, so geduldig!“ 

00:05:31.000 

Daniel Bröckerhoff: Aber das muss man sagen, es ist eine sehr schlaue Idee, das zu tun. 

00:05:34.000 

Raúl Krauthausen: Und vor allem ist es super gut, also gegen Langeweile. Wir haben natürlich nichts gelernt und nichts uns gemerkt, aber es hat Spaß gemacht. 

00:05:42.000 

Daniel Bröckerhoff: Das ist das Beste. Ich habe mich auch in Museen früher gelangweilt. 

00:05:45.000 

Raúl Krauthausen: Es gibt aber richtig geile Museen. Es gibt überhaupt die Disziplin, also wenn ich noch mal studieren würde, dann glaube ich, würde ich das studieren, Museumspädagogik. 

00:05:54.000 

Daniel Bröckerhoff: Das ist eine tolle Idee. Also das einzige Museum, was mich als Kind fasziniert hat, war das Salvador Dalí Museum in Barcelona. Das ist glaube ich echt abgefahren, weil da gibt es so viel zu entdecken, weil der Typ ja komplett crazy war. Aber wenn ich dir was noch empfehlen darf, mit dem du auch mal Aufzug fahren solltest, wenn du dich für sowas interessierst, ist Jakob Schwertfeger. Ganz toller Typ, der macht ja Kunstcomedy quasi. Der hat es geschafft, Kunst und Kunsthistorik mit Comedy zu verweben. Und mit dem habe ich mich auch dieses Jahr schon einmal in das Hamburger Kunstmuseum, das wir da haben. Ich weiß gar nicht, was heißt das? Also eins von diesen Hamburger Riesen Kunstmuseen, Kunsthalle, Hamburger Kunsthalle, genau. Ich kenne mich hier nicht aus. Gewagt. Und dass der dir zu einem Bild erzählen kann, ist irre. Also das ist echt ganz toll. Da habe ich richtig dann Bock gehabt, ok, Jakob, wenn du mir jedes Bild erklärst, dann bin ich dabei. Aber sonst nicht. 

00:06:52.000 

Raúl Krauthausen: Ja, einfach so als Babelfisch im Ohr. Supergeil. 

00:06:56.000 

Daniel Bröckerhoff: Total. 

00:06:57.000 

Raúl Krauthausen: Ja, der kommt auf jeden Fall auf die Liste. Das ist eine coole Idee. Was ich bei Hamburg und der Elbphilharmonie immer so beeindruckend finde, also natürlich das Gebäude als solches, aber auch so, dass irgendwann irgendjemand gesagt haben muss, wir bauen uns ein Wahrzeichen. 

00:07:14.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, das gönnen wir uns. 

00:07:15.000 

Raúl Krauthausen: Oder einfach so Gönnung. Und zwar nicht im 17. Jahrhundert, sondern einfach jetzt aktuell. 

00:07:20.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, total. 

00:07:22.000 

Raúl Krauthausen: Also was für ein Ego muss das gewesen sein?

00:07:26.000 

Daniel Bröckerhoff:  Ja, aber ich bin da ganz ehrlich. Ich bin ja als Journalist, bin ich ja immer eher auf der Meckel- und Meckerseite und sage immer alles, was alles doof ist. Und ich hatte an der Elbphilharmonie extrem viel zu Meckel und zu Meckern. War auch nicht schwierig, weil das Ding ja einfach sehr sehr teuer geworden ist. Aber ich muss schon sagen, es ist schon ganz geil geworden und man sieht auch, wie viele Leute es anzieht, wie viele Hamburger da auch hingehen. Und ich finde das Konzept, was sie dann umgesetzt haben, dass auch da tatsächlich Konzerte stattfinden, die nicht nur für die Wrackträger sind, sondern tatsächlich für alle. Das haben sie gut gemacht. 

00:08:07.000 

Raúl Krauthausen: Aber nur solange die Besuchsplattform kostenlos ist. Die wollen ja irgendwann Geld dafür nehmen. Dann würde ich mich ärgern. 

00:08:13.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, das stimmt. Aber das ist tatsächlich, ich finde es immer noch zu teuer. Also ich weiß nicht, ob die Kosten wirklich den Benefit rechtfertigen. Aber als Journalist korrigiert man sich ungern. Aber ich muss sagen, es ist nicht ganz scheiße geworden. 

00:08:35.000 

Raúl Krauthausen: Ist das gleich sogar so eine Journalistinnenkrankheit, dass man ungern sich korrigiert bzw. Fehler eingesteht? 

00:08:43.000 

Daniel Bröckerhoff: Klar. Also man wird ja Journalist aus, ich glaube, es gibt viele Gründe, warum Menschen Journalist werden. Aber ich glaube, einige davon sind a) dass man sich gerne mit Sachen intensiv beschäftigt, aber auch dann gerne da versucht, die Fehler zu finden. Wir sollen ja auch so ein Korrektiv sein. Das heißt, zu begeistert sollte man definitiv nicht werden für eine Sache, sonst kriegt man auch ganz schnell diesen PR-Vorwurf. Also man muss schon jemand sein, der gerne den Fehler sucht, das Haar in der Suppe. Dafür brauchst du einen Charakterzug, den man bösartig als Klugscheißen bezeichnen könnte. Oder wo du einfach sagen möchtest, du möchtest es halt gerne auch recht behalten und möchtest anderen zeigen, wo sie einen Fehler gemacht haben, bis halt das Korrektiv oder sollst du sein in der Gesellschaft. Und dann sich einzugestehen, dass man sich geirrt hat, ist natürlich doppelschwierig. 

00:09:42.000 

Raúl Krauthausen: Ich glaube das höchste Gefühl des kritischen Journalismus, das sagen wir mal, mehr oder weniger im Mainstream angekommen ist, wo Medien sich selbst hinterfragen ist, wenn sie bei irgendeinem Terroranschlag oder bei irgendeiner aktuellen Lage gesagt wird, was wir nicht wissen. 

00:09:58.000 

Daniel Bröckerhoff: Das stimmt. Also ich sehe auch, dass durch Social Media ganz viele furchtbare Sachen passiert für den Journalismus und auch für die Gesellschaft an sich. Aber auch gute Sachen. Und das ist etwas, was ich schon seit, seitdem ich eigentlich Journalist bin und angefangen habe mit Social Media zu arbeiten, also seit 2009 ungefähr, immer wieder gesagt habe, wir können hier total viel lernen. Und wir haben das erste Mal einen direkten Feedback-Kanal von unserem Publikum, den du sonst nicht hast. Also ich fand das auch immer ganz, ganz merkwürdig, als ich angefangen habe Journalist zu sein. Ich habe ja vor allem Fernsehen gemacht. Du machst ein Stück, dann Beitrag oder später machst du eine Moderation, habe ich eine Moderation gemacht. Und du kriegst überhaupt kein Feedback. Also du kriegst keinen Applaus. Du wirst aber nicht ausgeboot. Niemand klopft dir auf die Schulter, außer deine Kollegen. Und Kollegen sagen sich ja vor allem gerne, was sie alles toll fanden. Und man macht sich ungern gegenseitig fertig. Und es ist so, es ist halt wirklich so, als ob du mit einer Wand sprichst teilweise. Und als dann Feedback angefangen ist bei mir auch zu ploppen auf Social Media, da fand ich das total geil. Weil auf einmal wusste ich, war was gut, war was schlecht. Da haben Leute was gefeiert oder halt auch nicht. Und das finde ich total wertvoll. Und das erzähle ich meinen Kolleginnen und Kollegen seit Jahren. Wir können da ganz viel rausholen und ganz viel von lernen. Und weil wir häufig, glaube ich, ein Produkt machen, wo wir gar nicht so genau wissen, wie das bei den Leuten ankommt. Auch so Zeitungsmacher zum Beispiel. Jetzt können sie halt sehen durch die Clicks auf ihre Webseite, welchen Artikel gut funktionieren oder nicht. Vorher mussten sie raten. 

00:11:40.000 

Raúl Krauthausen: Biergt aber auch so ein bisschen die Gefahr, dass man den Leser*innen oder Zuschauer*innen nach dem Mund redet oder schreibt. 

00:11:47.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, also klar, das ist sowieso eins der großen Probleme im Journalismus, dass du natürlich für ein Publikum schreibst. Und die Öffentlich Rechtlichen, für die ich arbeite, die versuchen es immer allen recht zu machen. Das ist ganz, ganz schwierig und gelingt nie. Und andere Medien haben es ein bisschen leichter, weil die sich ein Zielpublikum aussuchen. Also ich meine, wer die FAZ abonniert hat, der hat wahrscheinlich in den seltensten Fällen noch ein Bild- Abo oder ein Taz-Abo. Das sind wenige Leute. Das heißt, da ist schon eine gewisse Klientel vorhanden oder eine gewisse Denkrichtung. Und da merkst du schon, dass natürlich die Redaktionen aus der einen oder anderen Perspektive auf ein Thema gucken. Und das finde ich aber auch in Ordnung, solange es genug Redaktionen gibt, die verschiedene Blickwinkel anbieten. Aber als Öffentlich-Rechtlicher ist es total schwierig, weil du immer in einem Spagat stehst, dass irgendjemand sagt, das finde ich aber doof, was du jetzt gemacht hast. Oder dass du das Thema gemacht hast oder nicht gemacht hast oder Videos gemacht hast. 

00:12:44.000 

Raúl Krauthausen: Ich freue mich so, endlich mal mit einem Journalisten zu reden. Ganz oft rede ich ja mit Aktivisten oder mit Künstler*innen hier im Podcast. Und ich habe so viele Fragen auch zum Journalismus. 

00:12:55.000 

Daniel Bröckerhoff: Hau raus. 

00:00:57.000 

Raúl Krauthausen: Zum Beispiel gibt es ja irgendwie sehr schnell diese Aussage „Ja, wir müssen neutral bleiben“ von Journalist*innen. Und dann denke ich so, wer hat das eigentlich gesagt? Wo steht das geschrieben? Und ist das nicht einfach auch feige, dass man sich vielleicht nicht die Mühe machen will, Position zu beziehen oder genauer zu recherchieren, dass man es dann oft auch bei einer oberflächlichen Neutralität lässt? 

00:13:20.000 

Daniel Bröckerhoff: Oh, da hast du jetzt ein Thema angestochen. Da könnten wir zwei Stunden drüber reden. Es ist eine riesen Debatte im Journalismus. Und durch das Auftauchen von bestimmten Parteien und bestimmten Denkrichtungen in den letzten Jahren noch viel mehr, die immer das Gefühl haben, sie werden angegriffen und man ist böse zu ihnen. Und ich sage immer, also wir kommen da in so eine Debatte Erkenntnistheorie, wie objektiv kann ein Mensch überhaupt sein? Gar nicht. Wir sind alles Subjekte. So eine Redaktion kann sich bemühen, sich einer gewissen Objektivität anzunähern, indem es mehrere Subjekte mit unterschiedlichen Erfahrungen und unterschiedlichen Blickwinkeln bündelt und die sich gegenseitig kontrollieren. Das macht Journalismus im Netz vor allem auch sehr, sehr anstrengend und langsam, weil ich bin immer so neidisch. Manchmal auch Leute, die so aktivistisch unterwegs sind, die können sich einfach von der Kamera setzen, irgendwas raushauen. Da braucht es kein Faktschecking, da musst du nicht überlegen, wie du das formulierst. Die können einfach ihre Meinung sagen. Die mag falsch sein oder die mag blöd sein, aber das ist erstmal egal. Als Journalist geht das nicht so einfach. Und natürlich, wenn ich etwas schreibe, dann muss das immer noch jemand abnehmen. Da muss man sich darüber unterhalten. Kann man das so sagen oder nicht? Manchmal sind wir sehr weit auseinander und müssen uns einigen. Das dauert. Aber es hat den Vorteil, dass du tatsächlich so eine Art erste Qualitätskontrolle natürlich hast. Und dadurch wird es ein bisschen objektiver. Aber du wirst es nie schaffen, ein journalistisches Produkt zu erstellen, wo alle Leute sagen, damit bin ich hundertprozentig einverstanden. Da ist alles drin, was ich finde, was für dieses Thema wichtig ist. Es gibt Leute, die sagen, dass das geht. Ich bin nicht der Meinung. Und das mit der Neutralität. Ich versuche das immer so zu sagen. Wirklich neutral kannst du auch ganz schwierig sein, weil du ja auch immer durch eine bestimmte Brille guckst. Das ist ja auch bei Gerichten so. Oder bei Schiedsrichtern. Und ich vergleich unsere Rolle immer so ein bisschen so damit. Du versuchst natürlich neutral zu sein, nicht voreingenommen. Im Endeffekt heißt das ja, dass du unvoreingenommen bist gegenüber einem gewissen Thema. Aber natürlich bringst du immer Erfahrungen mit. Das heißt, es ist schwierig, wenn eine rechtspopulistische Partei wieder irgendeinen Quark raushaut, zu sagen, ich gucke jetzt da drauf, als ob ich noch nie was von denen gehört hätte. Das geht natürlich nicht. Soll ja auch gar nicht sein, weil du musst ja dieses Wissen mitbringen, um einschätzen zu können, was die da eigentlich tun. Aber trotzdem muss es sein, dass du es auch immer wieder versuchst, erstmal fair zu bleiben. Und das ist glaube ich der große Unterschied zwischen Journalisten und Aktivisten. Aktivisten müssen nicht fair sein. Journalisten sollten fair sein und sachlich. Und in der Sache argumentieren. Aktivisten dürfen emotional werden. Und die Neutralität heißt für mich, ich kann auch hart in der Sache sein und ich kann dann auch zu einem Urteil kommen. Und das ist ein ganz großes Missverständnis, das viele haben. Das neutral sein heißt, dass ich nicht urteile. Das ist ja Quatsch. Ich kann ja trotzdem ein Urteil bilden und zu einer Conclusio kommen. Ich muss nur vorher wirklich mir alle Sachen angeguckt haben und die Sache von allen Blickwinkeln mir angeschaut haben, damit ich sicher sein kann, dass mein Urteil auch tatsächlich fair ist und ausgewogen. 

00:16:41.000 

Raúl Krauthausen: Und nicht von vorneherein schon auf eine Sache hinaus will. 

00:16:43.000 

Daniel Bröckerhoff: Genau. Und als Aktivist kannst du sehr gerne alles, was ein bestimmter Politiker oder eine bestimmte Partei fordert, erstmal scheiße finden. Weil das einfach von denen kommt. Steht dir frei. 

00:16:56.000 

Raúl Krauthausen: Ich lebe so, als ob Christian Lindner was dagegen hat. 

00:1700.000 

Daniel Bröckerhoff: Richtig. Und das ist ein Motto, das darf ich nicht haben. Und das habe ich auch nicht. So. Und das ist halt auch ein Christian Lindner hat mal Recht. Das haben manche Leute nicht gerne. Und das andere, was so anspricht, ist ja diese Haltungsdebatte. Auch ein ganz schwieriger Begriff. Was heißt das eigentlich? Haltung. Und für mich heißt Haltung, dass ich gewisse Grundwerte einfach habe. Also dass ich nicht Menschlichkeit vergesse, dass ich nicht Demokratie, Gleichberechtigung vergesse, dass ich nicht Fairness vergesse. Sowas. Und wenn das mal eine Grundhaltung ist, dann gucke ich natürlich auf bestimmte Sachen anders, als wenn ich sage, ja also ob jetzt jemand Euthanasie fordert oder das Bürgergeld für alle, das ist erstmal auf einem Level für mich. So. Und damit haben aber auch viele Leute ein totales Problem, wenn sie gewisse Grundwerte halt so nicht teilen. Und dann versuchen sie dich anzugreifen. Das Wort Haltungsjournalist ist in diesen Kreisen mittlerweile schon ein Schimpfwort, weil sie uns unterstellen, dass wir von vorneherein Sachen aus einem bestimmten Grund Scheiße finden, weil sie aus einer Richtung kommen. Das stimmt aber nicht. 

00:18:12.000 

Raúl Krauthausen: Oder öffentlichrechtlich oder was auch immer. 

00:18:13.000 

Daniel Bröckerhoff: Oder öffentlich-rechtlich sind. Genau. Ich finde Sachen nicht gut, die aus einer bestimmten Denkhaltung kommen. Zum Beispiel die sagen, wie Björn Höcke, AfD Thüringen, der meint, Kinder in der Inklusion würden die nicht behinderten Kinder aufhalten in ihrer Entwicklung und würden alles verzögern. Ich als Vater von behinderten Kindern sage natürlich, was soll der Scheiß. Das ist klar. Da bin ich dann auch nicht mehr völlig neutral, weil ich auch betroffen bin. Das ist dann auch immer schwierig. Da muss man ein Stück zurücktreten. Aber ich glaube, das, was du dir vielleicht, also würdest du dir wünschen, dass Journalisten, weiß ich nicht, zu Demos aufrufen, zu Petitionen aufrufen, Stimmung machen gegen bestimmte Gesetze? 

00:18:57.000 

Raúl Krauthausen: Also nicht so wie TikTok in den USA. Jetzt versucht es, eine User*innen zu mobilisieren gegen ein TikTok-Verbot. So vielleicht nicht. Aber ich würde mir zum Beispiel schon wünschen, dass Medien Wahlempfehlungen aussprechen, kurz vor der Wahl. In den USA ist das ja üblich, dass das einige Medien machen, dass sie einfach sagen, also sorry, mit Trump wird alles schlimmer. Kann ich mir durchaus vorstellen, dass unseren Medien gut tätte auch diese, wie soll ich mal sagen, diese Relativierung von Aussagen von Nazi-Parteien oder auch Konservativen, die die damit auch hochschreiben. Verstehst du, was ich meine? 

00:19:40.000 

Daniel Bröckerhoff: Also eine Wahlempfehlung, also eine Aussage zur Relativierung, finde ich auch falsch und ich finde, habe auch ein ganz großes Problem damit, wenn einfach populistische O-Töne, ist es egal aus welcher Richtung die kommen oder extremistisch oder radikale Ansichten, einfach uneingeordnet gesendet werden oder abgedruckt werden, ohne dass man sagt, das ist eine schwierige Haltung, weil so mindestens schwierig. 

00:20:03.000 

Raúl Krauthausen: Trotzdem glaube ich, dass selbst mit Einordnung ist es gesagt worden und vielleicht muss man einfach Dinge gar nicht mehr reproduzieren. 

00:20:10.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, ich glaube aber, das ist eine Illusion. Das war so, als wir, als diese ganzen Medien noch nicht eigene Kanäle und eigene Medienimperien hatten, dass man ja einfach feststellen muss, dass die teilweise sehr, sehr erfolgreich sind durch Social Media, was ich ja anfangs sagte, total gut sein kann für Journalismus, aber das ist halt wirklich so ein unfassbares Challenge, so gegen diese Medienmacht mittlerweile anzustinken und das wieder einzufangen. Das ist wirklich sehr schwierig. Ich versuche das immer wieder. Ich habe das erst vor zwei Wochen versucht und habe eine Newsrecherche, also von diesem Julian Reichelt rechtspopulistischen Portal, der sich von einem Millionär finanzieren lässt, dass er jetzt in meinen Augen keinen Journalismus mehr macht, sondern tatsächlich Aktivismus. Die haben halt Sachen behauptet gegenüber dem Öffentlich-Rechtlichen, die nach einer gründlichen Recherche so nicht haltbar waren. Dann haben wir sehr ausführlich beim Zapp Medienmagazin, für das ich auch arbeite, beim NDR ein Gegenvideo, also ein Video gemacht, die Recherche dargelegt und es ist egal, weil die Leute, die es nicht glauben wollen, die glauben es halt einfach nicht und die finden dann zehn Gründe, warum das doch nicht stimmt. Sie verdrehen dann wieder Tatsachen. Wenn du eine Behauptung widerlegt hast, kommen sie mit zwei neuen und ich habe, es gibt ja dieses, kennst du dieses Bild von mit Tauben Schach spielen? 

00:21:32.000 

Raúl Krauthausen: Nein, noch nicht. 

00:21:34.000 

Daniel Bröckerhoff: Das mit Populisten und Radikalen oder Extremisten diskutieren, ist wie der Versuch mit einer Taube Schach zu spielen. Die schmeißen dir die ganze Zeit die Spielfiguren um, kacken dir aufs Brett, fliegen dann weg und behaupten sie haben gewonnen. Weil sie halten sich einfach null an Spielregeln und das ist das große Problem. Aber dann eine Wahlempfehlung auszusprechen, finde ich trotzdem, also ein freies Pressemedium kann das tun. Tats kann das von mir aus machen oder die junge Freiheit oder wer auch immer oder die Welt. 

00:22:08.000 

Raúl Krauthausen: Aber manche öffentlich-rechtliche dann eher weniger. 

00:22:10.000 

Daniel Bröckerhoff: Nein, auf keinen Fall. Das ist nicht unsere Aufgabe. Das würde allem widersprechen, weil wir sollen den Leuten die Informationen bieten, damit sie sich selber eine Meinung bilden können, was uns ja auch oft vorgeworfen wird, dass sie das nicht ausreichend tun. Weil natürlich Journalisten wählen aus und wenn du ein Rechtspopulist bist, dann hättest du ganz gerne immer nur deine Wahrheit hiedergespiegelt und die anderen möchtest du am liebsten in die Mülltonne treten. Aber das ist unser Job, also Wahlempfehlungen aussprechen. Ich halte mich da komplett zurück und alle anderen auch. 

00:22:41.000 

Raúl Krauthausen: Und wie erlebst du denn den Journalismus als solche? Ich nehme an, die Arbeit wird schwieriger, wird anstrengender, wird komplexer, herausfordernder. Und dann gibt es da noch diesen konstruktiven Journalismus, den man auch machen kann, bzw. vielleicht sogar als Lösung gegen dieser Empörungstournalismus anbieten kann. Das ist aber ja noch mehr Arbeit, weil man quasi jetzt auch noch die Lösung recherchieren muss, die vielleicht oft gar nicht existiert bzw. noch nicht existiert. Und man selber ja auch nur ein Journalist ist und nicht Armutsexperte oder Bildungsforscher oder… Also das kann ja sehr schnell sehr komplex werden. Den Israel-Palestinern-Konflikt, ich habe keine Ahnung, was da ein konstruktiver Lösungsansatz sein kann, dass das vielleicht auch ein bisschen zu viel abverlangt wird vom Journalismus. 

00:23:28.000 

Daniel Bröckerhoff: Das stimmt, der Journalismus ist aber auch teilweise selbst schuld daran. Ich glaube, Journalismus hat einfach jahrzehntelang den Leuten vorgegaukelt, dass sie die Welt erklären können, dass sie alles wissen, dass sie die Wahrheit ans Licht bringen. Und das sind ja, das sind so große Worte und das sind völlig überzogene Ansprüche und auch Erwartungshaltungen, die da aufgebaut wurden. Und dass auch dieser Spruch, ich weiß nicht, warst du mal im Spiegelgebäude in Hamburg, warst du im Foyer? 

00:24:00.000 

Raúl Krauthausen: Nein, noch nicht. 

00:24:02.000 

Daniel Bröckerhoff: Im Spiegelgebäude in Hamburg steht ein großes Zitat im Foyer vom Gründer Augstein. „Sagen, was ist“, klingt total toll. „Sagen, was ist“, aber was ist denn? Eigentlich ist alles. Du kannst aber nicht alles sagen. Du musst immer Sachen selektieren. Und da fängt das schon an. Das heißt, da hat sich der Journalismus teilweise wirklich selbst eine Grube gegraben. Eigentlich müsste das Zitat heißen „Sagen, was ist, aber mit Einschränkungen. Wir können nur ein Heft füllen oder „Solang ist eure Aufmerksamkeitsspanne nicht“. 

00:24:36.000 

Raúl Krauthausen: Oder sagen, was wir glauben, was ist. 

00:24:37.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, oder das, genau. Oder sagen, was sein könnte, weil wir es nicht schlussendlich 100 Prozent sagen können. Und das ist tatsächlich schwieriger geworden, eben durch das Aufkommen von Social Media und dem Internet, weil im Endeffekt jetzt jeder, der möchte, ein Podcast machen kann, eine Webseite, Videos, Snippets, irgendwie so. Und du hast erstens eine große Konkurrenz, die sich teilweise nicht an die Regeln hält, die wir uns gegeben haben, die auch teilweise gar nicht kennt, wo du große Schwierigkeiten hast, dann aber den Leuten zu erklären, warum die Regeln Sinn machen und warum wir das so machen und warum das andere einfach nicht tun müssen, aber wir schon. Weil das natürlich, so ist es aktivistischer Content oder pseudojournalistischer Content, der aktiviert ja viel mehr Emotionen, klickt sich besser, guckt sich besser. Hauptsache Aufregung. Hab heute noch einen TikTok gesehen von so einem Ami, der hat irgendwie also wirklich unfassbar viele Abos und der hat auch so ein Video gemacht über den TikTok-Ban, wie du gerade angesprochen hast, anderthalb Millionen Likes und der Typ schreit einfach zweieinhalb Minuten lang in die Kamera. Faktisch, das ist alles okay, was der so sagt tatsächlich, würde ich sagen, ist nicht angreifbar, aber der brüllt einfach zweieinhalb Minuten lang wie diese heute Showfigur Gernot Hasknecht, aber noch viel emotionaler. Das kann Journalismus alles nicht bringen, so also höchstens als Kunstfigur, aber guckt sich halt total gut und das macht es natürlich total schwierig, sachlichen, ausgeruhten Journalismus zu machen, weil du auch teilweise auf die Bestätigung von Informationen warten musst, dann fragst du bei der Pressestelle nach oder beim  Ministerium, dann antworten die nicht sofort, dann kommt die Antwort einen Tag später. In der Zeit sind sie auf Social Media aber schon drei Hoppelhasen weiter 

00:26:39.000 

Raúl Krauthausen: zwei Aufregungswellen sind einfach leer, es gibt ja auch so eine Nichtantwort. 

00:26:43.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, ja oder es kommt keine Antwort genau und dann denkst du, okay, mache ich das Video noch, weil die Aufregung ist eigentlich drei Tage her, aber jetzt habe ich eine Antwort gefunden auf die Frage, die ich hatte. Das ist auf jeden Fall herausfordernder geworden, aber ich glaube trotzdem, dass es gerade in der Zeit, in der wir gerade leben, mit so viel Desinformation und Spaltung und Aufregung wichtig ist, dass wir das machen, weil ich immer noch hoffe, dass es genug Leute da draußen gibt, die eben das anders haben wollen. 

00:27:15.000 

Raúl Krauthausen: Was ich so spannend finde, es gibt ja immer mal wieder Studien, wo untersucht wird, was für ein Typ eigentlich Journalist in wird, also was für ein Typ Mensch und da gibt es ja auch schon, sagen wir mal, Untersuchungen, die dann sagen, das sind dann eher linke, also politisch links, akademisch, weiss, oft männlich, vor allem in Führungspositionen, was ja auch einen gewissen Bias dann automatisch beinhaltet, weil man bestimmte Themen vielleicht gar nicht auf dem Schirm hat und dann ja diese neuen Medien, Podcasts, Newsletter und Study und Patreon und Co., um das Ganze zu finanzieren, ja auch, aber es wieder um ermöglicht, an eben genau diesen Geldkeepern vorbei eigene Themen zu setzen und ich zum Beispiel als Aktivist zum Thema Inklusion und Barrierefreiheit habe schon das Gefühl, dass diese Themen jetzt eher gehört werden, weil sie eben an der Chefredaktion vorbei auch Öffentlichkeiten finden, als es früher der Fall war, wo eine Journalistin immer dachte, ja interessiert doch keinen. 

00:28:18.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja total, also das ist für Leute wie dich unheimlich wertvoll, dass du jetzt diese Möglichkeiten hast, so vor 20 Jahren hättest du, ich erinnere mich noch, wir haben uns ja kennengelernt, unter anderem als du dich da an der Brücke am Reichstag festgekettet hast, da haben wir ja mal einen Livestream gemacht und klar, das wäre eine Aktion gewesen, da hätten Medien auch so mal hingeguckt, ach ist ja interessant, der kettet sich da fest und bleibt da jetzt irgendwie drei Tage sitzen, aber dann wäre die Aufmerksamkeit auch eine Woche später wieder weg gewesen, das heißt du hättest dich für die nächste Sache hättest du dich mit dem Rolli vom Fernsehturm stürzen müssen, mit einem Bungee Seil oder so, oder hättest, keine Ahnung, dich festkleben, das war damals noch nicht so, aber du hättest halt immer krassere Aktionen bringen müssen, um die Aufmerksamkeit zu kriegen und selbst dann wäre das nicht garantiert gewesen, man brauchte viel Lobbyarbeit, viele Connections und trotzdem das Thema Behindertenrechte, Inklusion, das ist halt auch heute noch ein Nischenthema, obwohl es da draußen so viele Leute gibt, die sich damit beschäftigen, aber deswegen, also ich bin dir da total dankbar, ich war dir dankbar als Journalist, dass du dir auch eine Plattform oder eine Stimme geholt oder verschafft hast und das ist ja auch das Absurde, als Journalist suchst du ja immer nach Oton-Partnern und nach Leuten mit einer klaren Haltung, mit einer Forderung, weil die davon leben Medien, aber es ist halt schwierig gewesen früher die zu finden und heute bieten sie sich halt an, oder müssen sich anbieten, was es natürlich aber auch für dich als Aktivist total schwierig macht, weil du musst ganz viel kostenlose Arbeit reinstecken, damit du gehört wirst, ist auch unfair, aber was du zu dem Beiß sagtest, das mit dem Links, das ist immer schwierig, so sind Journalisten alle links, es gibt da so Erhebungen, erstmal bei Volunternen vom WDR war das glaube ich, das war nicht repräsentativ, glaube ich schon, dass Leute, die eher weltoffen sind und eher neugierig auf was anderes und wissen wollen, wie die Welt funktioniert, eher Journalisten werden, das sind natürlich eher liberale Menschen, aber es gibt auch ganz viele super konservative Leute, ich meine, guck dir das an, was wir da draußen haben, allein die Karriere von Julian Reichelt, so konservativer kannst du eigentlich gar nicht sein, mittlerweile rechtspopulistisch in meinen Augen.   

00:30:42.000 

Raúl Krauthausen: Aber so jemand hätte doch im NDR Info oder so einen sehr, sehr schweren Stand. 

00:30:46.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, aber nicht, weil er konservativ ist, weil Konservative gibt es natürlich auch im ZDF und im NDR und im WDR, sondern wegen seiner Methoden und wegen seiner Art, also das ist eher das, das ist nicht das Konservative, ich habe mit vielen konservativen Leuten zu tun und auch Chefs zu tun und Chefinnen, also das ist, tatsächlich ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor allem so in seiner Struktur viel konservativer als es immer angenommen wird, so, aber dass du gerade zur Diversität sagst, das ist ein Riesenproblem, ich habe in Vorbereitung auf unser Gespräch überlegt, wie viele behinderte Journalisten ich eigentlich kenne. Keinen. Also doch eine Kollegin jetzt, aber die kenne ich persönlich, die beim NDR jetzt moderiert und im Rollstuhl sitzt. Ansonsten kenne ich den Inklusionsbeauftragten des NDR, der ist aber kein Journalist, der ist Cutter. 

00:31:42.000 

Raúl Krauthausen: Ja, Rene. 

00:31:44.000 

Daniel Bröckerhoff: Genau, super Typ. Und sonst? Ich kenne halt ganz viele Journalisten mit ADHS, was ich interessant finde. Also es gibt viele neurodivergenten Journalisten und ich kann mich jetzt da, kann mich jetzt hier mal outen, das habe ich noch nicht so öffentlich getan, das mache ich jetzt bei dir. Ich gehöre auch dazu, also ich habe vor kurzem meine Diagnose bekommen, ich hatte den Verdacht schon sehr lange, meine älteste Tochter hat ADHS oder ja und meine mittlere Tochter ist Autistin, also da ist viel Neurodivergenz in meiner Familie und bei mir war der Verdacht auch da und ich bin definitiv auch im ADHSSpektrum, die Diagnose habe ich jetzt. Da sind erstaunlich viele Menschen in der Medienwelt vertreten, ich glaube, weil die Medienwelt super ist für Leute, die so dopaminsüchtig sind wie wir ADHSler. Aber ansonsten, ich meine, wie viele Journalist*innen kennst du, die eine Behinderung haben?

00:32:38.000 

Raúl Krauthausen: Also wenn, dann freie, ne? Da ist Andrea Schöne beispielsweise, die viel zum Thema Klima und Inklusion macht, also Klimaschutz und Inklusion. Rebecca Maskos, die ja auch Wissenschaftlerin ist und viel journalistisch tätig ist, viele Texte schreibt, jetzt gerade auch ein Buch rausgebracht, der hat zusammen mit einigen anderen Aktivist*innen bzw. einen Artikel, ein vierer Kapitel da geschrieben hat. Ein Buch heißt „Unlearn Patriot 2“, also ja, ist aber auch ein bisschen aktivistisch vielleicht. Ja, sonst muss ich natürlich auch noch bei den Nachdenken, also bei uns in der Redaktion sitzen natürlich welche, Jonas Kapa, Karina Sturm von „Die neue Norm“, aber ja, man müsste die eigentlich viel mehr miteinander vernetzen und auch… 

00:33:22.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, sichtbar machen, so, also dass es halt völlig normal ist, dass jemand mit einer Handfehlbildung auch Nachrichten moderieren kann. Why not? 

00:33:28.000 

Raúl Krauthausen: Ja klar. Und auch mal über was anderes geht als über Inklusion. 

00:33:31.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, genau, so, das ist halt, das finde ich echt schwierig, aber das ist bei ganz vielen Themen so. Also wir haben viel zu wenig Menschen mit Migrationshintergrund in den Redaktionen sitzen, was teilweise daran liegt, wie du sagtest, dass es vor allem ein akademisches Milieu ist, was in die Redaktionen geht, was auch wieder schwierig ist, weil da bestimmte Perspektiven dann fehlen, so, ne, also wenn, dann musst du ein Arbeiterkind sein, was es quasi in die akademische Welt geschafft hat. 

00:34:07.000 

Raúl Krauthausen: Ja. 

00:34:08.000 

Daniel Bröckerhoff: Die haben aber ganz oft mit Impostor- Syndrom zu tun, also mit diesem, mit dem Gefühl, sie tun nur so als ob, so, sie gehören eigentlich gar nicht dazu und natürlich, also die meisten Chefredakteure sind von mittelalten, weißen Männern besetzt. Das ist, im ZDF ändert sich das gerade so, mit einer Chefredakteurin Bettina Schauston und einer Abteilungsleitung der Hauptabteilung „Aktuelles“, Gallyneck, die ich, also ich auch ganz super finde, das ist langsam so, aber für ganz viele ist da auch wieder dieses große Problem, wie vereinbare ich diesen Beruf, der eigentlich überhaupt nicht familienfreundlich ist, mit einem Familienwunsch, so. Und das ist, viele müssen sich entscheiden, entweder werde ich eine Führungskraft im Journalismus oder auch woanders, das haben wir ja bei der ganzen Gesellschaft das Problem, oder ich kriege Familie. Also das merke ich auch ganz hart, dass halt Journalist*innen somit, die, sie sind, du hast viel mehr Journalist*innen am Anfang, so in den Journalistenschulen, in den Volontariat und so was und mit, fängst an und dann werden die, so um die 30, da kriegen die Akademiker*innen in der Regel ihr erstes Kind und dann fallen die weg, erstmal. Und wenn sie wiederkommen, arbeiten sie vielleicht Teilzeit. Das finde ich auch total schwierig, weil das sind, und dann ziehen halt die Männer, die nicht Teilzeit haben, an ihnen vorbei und machen die Karriere. 

00:35:34.000 

Raúl Krauthausen: Genau. Was ich ja ganz spannend finde, sind so Projekte wie „Salon 5“ von „Korrektiv“ oder „Bremen Next“ und „Radio Bremen“, wo man quasi versucht, ganz spezifisch nach Leuten zu suchen, die Journalismus machen wollen, ohne jetzt sagen, ein gewisses Alter haben zu müssen oder eine akademische Laufbahn eingeschlagen zu haben. Und die machen ja auch gute Arbeit und nicht trotzdem, sondern einfach mit einer anderen Perspektive. 

00:35:55.000 

Daniel Bröckerhoff: Total. Und das ist total irre, weil eigentlich, also bin 

ich der Meinung, um ein guter Journalist oder Journalistin zu sein, musst du eine gewisse Lebenserfahrung mitbringen. 

00:36:06.000 

Raúl Krauthausen: Genau. 

00:36:07.000 

Daniel Bröckerhoff: Und das finde ich ganz schwierig auch, dass viele junge Menschen gerne was mit Medien machen wollen, das ist ja schon fast so ein geflügeltes Wort. 

00:36:16.000 

Raúl Krauthausen: Ist das noch so? 

00:36:17.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, fast schon nicht mehr, aber war vor zehn Jahren mal so. Ich bin ja auch älter geworden. Und dann aber so ein Medienstudium machen, ein Journalistikstudium und dann sofort mit 20 ein Volontariat und mit 22 sagen sie so, jetzt bin ich Journalist oder Journalistin oder mit 23. Und da aber ganz viel Lebenserfahrung fehlt, ganz viele Perspektiven, die man noch nicht hat, also noch nicht haben kann, ganz einfach. Und was du so eben angesprochen hast, wo du sagtest, man kann ja nicht auch Wirtschaftsexperte sein oder irgendwie Agrarökonomin. Doch, davon brauchen wir eigentlich viel mehr Leute, die wirklich sich mit einem Themenfeld richtig gut auskennen, bis in die letzte Haarspitze quasi, Inklusion zum Beispiel, und dann sofort reagieren können oder anderes eben, wenn da was passiert. So, das ist häufig nicht unbedingt so. Das heißt, wenn jetzt jemand zuhört, der oder die gerne Journalistin werden würde, würde ich immer sagen, studiere nicht Journalismus, studiere nicht Medienwissenschaften. Es sei denn, du möchtest Medienjournalist werden, wie ich es ja bin teilweise. Also ich mache ja auch Medienjournalismus und von daher macht es total Sinn, dass ich Medienwissenschaften studiert habe. Aber studiere irgendwas anderes, Jura, Volkswirtschaften, Ökonomie, mache eine Ausbildung in einer Bank, es ist egal. Hauptsache, du hast viele Perspektiven in dir drin. 

00:37:39.000 

Raúl Krauthausen: Seit wann weißt du denn, dass du Journalist werden willst? 

00:37:43.000 

Daniel Bröckerhoff: Eigentlich der Klassiker, weiß ich nicht, wie alt ich war, drei oder vier Radiorekorder, die wir damals noch hatten. Wir sind ja ungefähr gleich alt, wo man dann selber auf Tapes was aufnehmen konnte. Und da habe ich schon die ersten Radiosendungen gespielt und habe mich selber interviewt und Musik gemacht. Und ich glaube, da fing das schon an. Und ich hatte immer so zwei Gleise, entweder wollte ich was mit Musik, Schauspiel machen, so der Klassiker. Ich werde Popstar oder ich gehe in die Medienbranche. Dann wollte ich auch eine Zeit lang, war ich von Show und sowas total fasziniert, fand Thomas Gottschalk total toll. So als 10, 8, 9, 10-Jähriger oder Rudi Carell. Also ich wollte schon immer irgendwie raus auf eine Bühne sichtbar werden, was für Leute machen, mit Leuten machen. Und ich habe ganz lange zweischneidig, also zweigleisig gemacht, habe Musik gemacht und dann aber auch immer was mit Medien. Also habe Praktika gemacht in einer Pressestelle und habe dann irgendwie angefangen mit Anfang 20 tatsächlich bei Bild.de, bei Bild.de online, wie es damals noch hieß, als studentische Aushilfskraft zu arbeiten. So würde ich heute nicht mehr machen, war aber auch eine interessante Erfahrung, einfach mal in diesen Laden reinzugucken, wie das funktioniert. Aber ich hatte keine redaktionelle Verantwortung, da kann ich mich heute immer rausreden. Ich war quasi nur so ein kleiner Werksstudent. 

00:39:10.000 

Raúl Krauthausen: Also es gibt ja sowieso den Spruch unter Journalisten, wenn du was werden willst, musst du bei Bild.de gewesen sein. 

00:39:15.000 

Daniel Bröckerhoff: Es mag sein, ja den kenne ich so nicht mehr tatsächlich, aber ja durchaus möglich, weil Bild.de einfach unfassbar große, unfassbar mächtige Redaktion ist. 

00:39:25.000 

Raúl Krauthausen: Aber auch weil es darum geht, komplexe Sachverhalte so zu verdichten, zu reduzieren, dass sie in der Überschrift „Wir sind Papst“ endet. 

00:39:33.000 

Daniel Bröckerhoff: Genau, das ist Arbeit, das ist extreme Denkarbeit, das ist vor allem auch kreative Arbeit, das unterschätzt man häufig. Also wenn die Bild.de nicht so viele Sachen falsch darstellen würde und nicht diese Kampagnen fahren würde, wie das der Kai Diekmann auch zugegeben hat in seinem letzten Buch und den Interviews drum herum, der ehemalige Chefredakteur, dann hätte ich vor dieser Zeitung auch viel mehr Hochachtung, weil sie tatsächlich es schafft, Sachen zu verdichten und auf einen Punkt zu bringen und auch „entertaining“ rüber zu bringen. Aber halt diese ständige Empörung, diese Skandalisierung, diese Verdrehung von Sachen, das Weglassen von Fakten, das klare Kampagnen fahren gegen bestimmte Sachen, das macht diese Zeitung halt so, ich sag mal diplomatisch, schwierig. Aber es war gut zu sehen, wie die funktionieren. Ich hab da auch ein Praktikum gemacht bei der Bild. Hamburg und bin dann, hab studiert, was ich erst auch nicht wollte, aber dann das doch gemacht habe, hatte noch so eine Ausbildung als Mediengestalter angefangen und bin dann mit Ende 20 hab ich dann gemerkt, so okay, das mit der Musik und mir wird nichts mehr, weil ich bin jetzt schon Mitte 20, ich bin immer noch kein Popstar. Außerdem meine Versuche irgendwie Berufsmusiker zu werden, waren relativ frustrierend. Also ich hab ein paar bezahlte Sachen gemacht, ich hab viel Percussion gemacht damals und hatte dann einen bezahlten Gig im Fernsehgarten im ZDF. Und da musste ich zu voll Playback auf Schrott rumtrommeln und das fand ich so frustrierend, dass ich gesagt hab, okay, das kann jetzt nicht mein Beruf werden. 

00:41:07.000 

Raúl Krauthausen: Das war heilsam. 

00:41:08.000 

Daniel Bröckerhoff: Das war heilsam, ja. Andrea Kiewel hat mich geheilt. Und dann hab ich halt geguckt, wo kann ich nach dem Studium quasi meine journalistische Ausbildung machen. Hab mich beim NDR beworben und beim WDR für ein Volo, die haben mich beide noch nicht mal in die erste Runde gelassen. Wahrscheinlich vermute ich jetzt einfach mal, weil in meiner Vita drin stand, ich arbeite bei Bild.deonline und ich hab ein Praktikum bei Bild. Hamburg gemacht, aber auch bei der BBC in Wales und bei RTL Nord und das war dann irgendwie vielleicht schon zu privatwirtschaftlich, keine Ahnung. Und dann bin ich zur RTL gegangen, zur RTL Journalistenschule. 

00:41:47.000 

Raúl Krauthausen: Und möchtest du immer noch so eine Art eigene Plattform haben, weil auf Instagram bist du ja nicht untätig, sehr untriebig. Du hast einen Account, der heißt DrDub, Good Morning Deutschland, wo du mit 117.000 Followern überhin ja schon auch, sagen wir mal, ein ganz eigenes Format entwickelt hast. 

00:421:11.000 

Daniel Bröckerhoff: Genau, also ich wollte schon immer irgendwie das Eigenes machen, so auch einfach weil ich auch wahrscheinlich ADHS-bedingt kreativ immer denke und so out of the box und irgendwie kann man das nicht anders machen. Und ich hab einfach diesen Kanal, also ich hab Instagram für mich entdeckt, weil ich das am Anfang total toll fand, wie man da die Storys machen konnte. Also ich hätte schon, ich hab mich oft geärgert, dass ich nicht so auf die erste YouTube-Welle mit aufgesprungen bin, weil da war ich schon Journalist und ich hätte quasi die erste Generation YouTuber werden können in Deutschland. Aber mir war das zu aufwendig, dieses Drehen und Aufnehmen und Schneiden und da hab ich das bei mir zu frickelig und bei Instagram konnte man mit den Storys schnell toll Content machen, ohne großartig erst was aufnehmen zu müssen und dann zu schneiden und Pipapo, weißt du? Und da hab ich einfach angefangen so ein bisschen zu gucken, was die Leute sehen wollen, hab zuerst gedacht, es reicht, dass ich ZDF-Moderator bin, dass die dann sich meine Selfies angucken und dann festgestellt, nee, das reicht nicht. Interessiert keine Sau. Und mein Erweckungsmoment hatte ich, wann war das? 2014 glaube ich, vor 10 Jahren? Nee, später. Mein Erweckungsmoment hatte ich, muss man nachgucken, das war die Wahl von dem Kemmerich, dem FDPler in Thüringen zum Ministerpräsidenten, der so aus… 

00:43:32.000 

Raúl Krauthausen: Oh Gott, die drei Tage, die er da… 

00:43:43.000 

Daniel Bröckerhoff: Genau, nur aus Versehen mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Ich glaube, das war 2016 oder 2017, ich weiß es nicht mehr so genau. Es verschwimmt alles in meinem Kopf. Und da hab ich erklärt auf Instagram, warum das jetzt so ein Eklat ist und wie das überhaupt dazu kommen konnte in meiner Story und auf einmal prasselten von überall her Empfehlungen für diese Story ein. Weil ich was erzählt hab, erklärt hab, was andere Medien so nicht erklärt haben. Und da hab ich gemerkt, okay, da hab ich ne Goldader getroffen. Und das hat total viel Spaß gemacht. Und das ist total geil, wenn du dann dieses direkte Feedback bekommst, hab ich ja gesagt so. Du moderierst eine Fernsehsendung für ein paar hunderttausend Leute und kriegst kein Feedback, gehst nach Hause und es ist so, als ob nichts passiert wäre und du machst ne Story und dann reagieren da auf einmal hunderte von Menschen drauf. Sind zwar viel weniger, aber für mich fühlt sich das total toll an. Voll der Dopaminen-Rush. Und dann hab ich angefangen, darauf weiter runter zu denken und hab dann angefangen, dieses Format irgendwann zu entwickeln und arbeite jetzt auch mit Redaktionen

zusammen im NDR. Also ich mach halt Videos für die, fürs Medienmagazin Zapp und für NDR Info, die dann bei denen im Feed auftauchen und auf meinem Kanal. So. Und mach aber zwischendurch mein eigenes Zeug und es ist dann auch wieder total cool, weil das ist ja das, was ich eingangs meinte, ich dann einfach nicht nochmal diese Abnahmeschleife brauche. Das ist manchmal, ist es risky so, weil da ist halt auch niemand, der mich korrigieren kann. Das heißt, wenn ich dann Mist behaupte, dann geht’s voll auf meine Kappe. 

00:45:09.000 

Raúl Krauthausen: Aber du hast ja schon auch Erfahrung. Wahrscheinlich passieren hier weniger Fehler als jemanden, der das nicht… 

00:45:15.000 

Daniel Bröckerhoff: Ich hoffe, klar. Aber mir passieren auch Fehler. So. Und ich hab aber gelernt, dass es besser ist, dann diese Fehler zuzugeben und einzuräumen, als die zu vertuschen zu wollen. Und das Publikum, das eher wertschätzt, wenn sie sagen, okay, der Bröckehoff, der macht doch mal, haut doch mal daneben, aber dann gibt es zu, räumt es ein und dann das Bild baut Vertrauen auf. Und das finde ich halt total wertvoll. So. Und deswegen macht es mir total Spaß, da Sachen zu veröffentlichen, auch weil ich dann da was machen kann, was ich wichtig finde und nicht erst an der Redaktion vorbei muss, die dann auch sagt, ja, das finden wir auch wichtig. Mach das mal das Thema. So. 

00:45:55.000 

Raúl Krauthausen: Gleich geht’s weiter. Wenn du diesen Podcast unterstützen möchtest, dann kannst du das mit einem kleinen monatlichen Beitrag tun. Im Gegenzug kannst du alle Folgen vorab hören und du wirst, sofern du das möchtest, hier im Podcast namentlich genannt. Alle Infos findest du unter www.im-aufzug.de. Ende der Service-Durchsage. Viel Spaß beim zweiten Teil der Folge. 

00:46:24.000 

Raúl Krauthausen: Ich habe viel recherchiert im Vorfeld, auch über deine Person, ich habe viele Podcasts mit dir gehört. Und du bist ja so ein dankbarer Gesprächspartner, weil… 

00:46:35.000 

Daniel Bröckerhoff: Ich laber. 

00:46:37.000 

Raúl Krauthausen: Ja, und keine Ja und Nein Antworten gibt’s, also dann ist es dann irgendwie auch ein Ordnis und sehr anschlussfähig bleibt. Und es ist gar nicht schwer für mich eine Brücke zu schlagen, vom Thema Journalismus zum Thema Inklusion. Du hast das Thema selber ja schon mehrfach aufgebracht. Trotzdem habe ich eine Brücke vorbereitet. 

00:46:53.000 

Daniel Bröckerhoff: Dann los. 

00:46:55.000 

Raúl Krauthausen: Die Brücke lautet, eine Frage, die mich als Mensch mit Behinderung während der Corona-Zeit am meisten erreichte, war die Frage, wie geht es Menschen mit Behinderung in der Corona-Zeit? Und ich würde die Frage gerne den Journalistinnen zurückstellen. Wie ging es Journalistinnen in der Corona-Zeit? 

00:47:13.000 

Daniel Bröckerhoff: Beschissen. Also es war einerseits journalistisch eine super aufregende Zeit, weil auf einmal alles anders war. Und wir anders produzieren mussten, aber auch die ganze Zeit, es war Krise, es war Megakrise. Und das ist jetzt, das ist tatsächlich, es klingt jetzt vielleicht ein bisschen pervers, aber natürlich ist eine Krise für den Journalisten erstmal das Dankbarste überhaupt, weil du wirst gebraucht. Und Leute wollen wissen, was los ist. Du bist die ganze Zeit unter Vollstrom. Aber schnell ist es halt umgekippt, dass diese ganzen Verschwörungserzählungen aufkamen und die Skepsis und das Beschweren. Und auch zu Recht so, und die Diskussionen und ganz viel Verunsicherung, die wir nicht einfangen konnten, weil wir im Endeffekt auch nicht mehr wussten. Und das ist natürlich sehr unbefriedigend, wenn Leute dich die ganze Zeit fragen, ja was ist denn nun? Wie ist es denn jetzt? Und das sagt ich ja dieses Versprechen der Journalismus, wir haben die Weisheit mit Suppenkellen gefressen, nicht einlösen kannst. Weil weiß ich es auch nicht. Ich habe genau wie du diesen Drostenpodcast gehört. Und dann habe ich nochmal Mikrobiologen angerufen und dann habe ich nochmal versucht, mit der Medizinerin zu telefonieren. Die wussten auch alle nicht mehr. So was soll ich euch sagen? Und das ist halt unbefriedigend als Journalist, wenn du immer in diesem, es könnte, hätte, weiß ich auch nicht sein, fischst und dann irgendwann natürlich waren wir isoliert. Ich habe irgendwie in Mainz die Sendung moderiert. Meine Familie war in Hamburg. Ich habe die teilweise drei Wochen lang nicht gesehen, weil es so schwer war hin und her zu kommen. 

00:48:48.000 

Raúl Krauthausen: Man wusste ja auch nicht, wie ansteckend das ist. 

00:48:50.000 

Daniel Bröckerhoff: Wir wussten nicht, wie ansteckend das ist. Meine jüngste Tochter hat eine Muskelschwäche. Wir wussten nicht, die hat meine, meine Frau hat sich mit den beiden Kindern komplett isoliert. So, die hat gar niemanden mehr gesehen, weil wir halt nicht wussten, wie sich Corona auf ein Kind mit einer Muskelschwäche auswirkt. Und dann, ich habe halt, ich habe halt echt 23 Stunden in meinem Apartment gehockt, habe über Vico mit der Redaktion telefoniert, habe meine Moderation geschrieben, bin in den Sender, habe mich da umgezogen, habe mich alleine geschminkt, bin in dieses einsame Studio, habe die Sendung gemacht und bin wieder in das Apartment gefahren. Also es war unfassbar deprimierend. 

00:49:25.000 

Raúl Krauthausen: War das ganz… Hat das etwas gemietet oder war das ein Firmenapartment? 

00:49:28.000 

Daniel Bröckerhoff: Das ist ein Firmen, also ein Apartment, was das ZDF dann für mich organisiert hat und Zeit hat, ja. Weil ich konnte das Thema irgendwann nicht mehr hören, ey. Also wirklich schon wieder, schon wieder, schon wieder. Und du wusstest doch nie mehr, was du sagen solltest, weil es im Endeffekt immer dasselbe war. 

00:49:43.000 

Raúl Krauthausen: Beziehungsweise wir wissen, was wir nicht wissen, ist dann auch irgendwann zu Ende erzählt. 

00:49:46.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, total. Und ich meine, klar, also ich habe dann Livestreams moderiert, da diese Ministerpräsident* innenkonferenz auf einmal dann 30.000 Leute parallel im Livestream waren, das war schon cool so. Moderierst dann irgendwie so vier Stunden lang durch, das hat Spaß gemacht, aber trotzdem war das eine unfassbar weirde Zeit. Sie hat mir viel Aufmerksamkeit gebracht, so viele Leute sind da auf mich aufmerksam geworden in der Zeit, weil ich viel auf Social Media gemacht habe und versucht habe, das zu erklären. Aber es war unfassbar anstrengend und verunsichernd und auch nervig und ich hätte da gern darauf verzichtet, auf diese Erfahrung, die alle, glaube ich. 

00:50:27.000 

Raúl Krauthausen: Wenn ich das richtig verstanden habe, arbeitest du nicht mehr in Mainz beim ZDF? 

00:50:30.000 

Daniel Bröckerhoff: Genau. 

00:50:32.000 

Raúl Krauthausen: Dann bist du jetzt wieder zurück nach Hamburg gezogen, wo ihr auch wohnt, also spart dir die ganze Pendelei? 

00:50:37.000 

Daniel Bröckerhoff: Nee, leider nicht, weil die Redaktion, für die ich arbeite, ich moderiere die Spätnachrichtensendung im NDR, in der Info um 21.45 Uhr. Yes, Name gedroppt, schaltet alle ein. Ich weiß, ihr habt kein Fernseher mehr. Aber gibt es doch in der Mediathek. Die ist in Hannover, die Redaktion, deswegen pendel ich immer noch nach Hannover. Also ich bin auch gerade in Hannover und bin immer noch jede zweite Woche ein paar Tage von meiner Familie getrennt. Was nicht einfach ist für meine Frau, weil sie dann die Pflege quasi alleine wuppen muss. Wir haben viele Hilfskräfte dafür, aber ist schwierig. Das weiß jeder, der mit Kindern mit einem höheren Pflegebedarf zu tun hat, der weiß das. 

00:51:19.000 

Raúl Krauthausen: Weil ihr seid beide berufstätig, richtig? 

00:51:22.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, wir sind beide berufstätig. Meine Frau ist Sonderpädagogin. Was auf eine Art und Weise ein Glücksfall ist, auf der anderen Art und Weise auch merkwürdig, dass die Frau, die sich ihr Leben lang mit Kindern mit besonderen Herausforderungen, Bedürfnissen und anderen Lernbedingungen beschäftigt hat, dann selber Kinder kriegt, die damit zu tun haben. Das wirft uns auch immer wieder. 

00:51:44.000 

Raúl Krauthausen: Kann aber auch von Vorteil sein. 

00:51:45.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, ich sage, das ist ein riesen Vorteil. Also wir haben auch wieder, also von den Unterprivilegierten sind wir die Privilegierten. Total, weil sie kennt jedes Gesetz, sie kennt jede Möglichkeit. Wir haben alles ausgeschöpft, was man für ein Kind mit Behinderung in Hamburg kriegen kann. Aber natürlich, du stößt auf die ganzen Widerstände, die deine Eltern… 

00:52:05.000 

Raúl Krauthausen: Ja, die Bürokratie bleibt die gleiche Scheiße. 

00:52:06.000 

Daniel Bröckerhoff: Genau, die Bürokratie bleibt die gleiche Scheiße. Sehr genau. So kann man sich aufs T-Shirt drucken. Die Widerstände der einzelnen Institutionen, ja, aber ich versuche weiterhin, meinen Lebensmittelpunkt irgendwann komplett nach Hamburg zurückzuverlagern.

00:52:26.000 

Raúl Krauthausen: In einem Podcast, den ich gehört habe, „Eltern ohne Väter“, bei „Geschehr Rundfunk“, wo du vor zwei Jahren zu Gast warst, da hörte sich das so an, als ob ihr komplett durchstrukturiert, durch-organisiert seid und dann alles wie so ein Zahnrad funktioniert bei euch in der Familie mit den ganzen Unterstützungskräften, die ihr habt, die bedürftigt werden auch, dass ich mir schon auch vorstellen kann, dass diese Struktur einem ja Halt gibt, aber dann quasi ein Zahnradhäkchen, das vielleicht ruckelt, ausreicht, um das ganze Kartenhaus implodieren zu lassen, wenn man zwei Meter von dem gleichzeitig bedient zu können. 

00:53:04.000 

Daniel Bröckerhoff: Absolut. Das kann man besser nicht zusammenfassen. Also wir haben es mit viel Arbeit und Mühe und Blutschweiß und Tränen geschafft, uns ein tolles Hilfssystem um uns herumzubauen, so. Aber wie du sagst, ein Zahnrädchen, ein Sandkorn im Getriebe reicht, um die ganze Maschine aufzuhalten. Und das ist dann kann von Assistentin wird krank. So das ist für uns der Worst Case, wenn die Assistentin, also die Schulbegleitung, Schulbegleitungassistentin unserer älteren Tochter mit Autismus, wenn die krank wird, weil dann ist alles aufgehalten. Dann können wir überlegen, ob wir versuchen, das Kind ohne Assistentin in die Schule zu geben. Das geht ein, zwei Tage gut und dann irgendwann nicht mehr. Im meisten Fall muss dann jemand von uns zu Hause bleiben und muss sich krankmelden oder Jobs absagen. Ich bin ja freier Journalist. Das heißt, wenn ich da nicht arbeiten gehe, kriege ich kein Geld. Oder wenn andere Hilfskräfte, also wir haben insgesamt mittlerweile fünf noch Mini-Jobber*innen um uns herum, die uns mit Bürokratie helfen und mit der Kinderbetreuung und so was. Wenn da einer ausfällt, dann ist halt auch so, dann hast du auf einmal 30 Prozent mehr Workload. Und das ist auch noch mehr sehr anstrengend, weil du natürlich diese ganzen Leute auch organisieren musst. Ich meine, das kennt jeder Mensch, der behinderten Kindern zu tun hat oder selber behindert ist. Das ist immer die Frage. Ich weiß, du machst das über eine Firma, glaube ich. Du hast kein persönliches Budget und stellst dir selber ein. 

00:54:38.000 

Raúl Krauthausen: Genau, zum Pflegedienst. 

00:54:40.000 

Daniel Bröckerhoff: Andere machen das und suchen sich die Leute selber aus. Aber es ist immer eine Frage, wie wichtig es einem ist, die Leute selbst auszusuchen. Aber bei uns zum Beispiel kriegst du Kinderpflegedienste, kriegst du niemanden, gibt es quasi fast nicht. Und dann brauchst du auch noch jemanden, der mit autistischen Kindern umgehen kann. Und nicht so der Klassiker, das Kind hat eine Bauchsonde oder das Kind sitzt im Rollstuhl oder so was oder hat eine Spastik. Sondern das ist eine unsichtbare Behinderung, wo du sehr individuell gucken musst. Klar musst du bei jedem Menschen, aber bei Autist*innen halt nochmal besonders. Wie reagiert er, wo sind die Sensibilitäten, wie kommuniziert der Mensch? Das dauert lange und wir haben viel frustrierende Erfahrungen gemacht mit Hilfskräften, die gesagt haben, ja, ja, alles super und toll und dann zweimal gekommen sind und gesagt haben, nee, ist mir doch zu viel. Oder habe ich mir anders vorgestellt, weil ich habe doch, meine Schwester ist auch behindert mit einer Muskelkrankheit. Ich habe gedacht, ich könnte das, aber ach nee, ich stelle jetzt fest, ein autistisches Kind ist halt eine völlig andere Nummer. Also nicht schwieriger, sondern einfach anders. 

00:55:49.000 

Raúl Krauthausen: Was wiegt denn für euch schwerer als Familie, die Vorurteile im Eiland durchbegegnen oder die Bürokratie, die er teilweise wirklich überfordert und monströs ist? 

00:55:58.000 

Daniel Bröckerhoff: Die Bürokratie ganz definitiv. Also ich kann mit den Vorurteilen, also sagen wir mal so, auch da sind wir bei den Unterprivilegierten wieder privilegiert, weil wir sind quasi oder unsere Tochter ist weiß und dunkel blond und außerdem ist sie ziemlich niedlich so in ihrer Art und Weise. Das kann ich, sage ich als Vater natürlich, sage ich das als Vater, aber kriege ich auch gespiegelt, sodass ihr ihre autistischen Verhaltensweisen immer noch verziehen werden, sage ich mal. Ich bin gespannt, wie das wird, wenn sie älter wird, also in die Pubertät kommt. Keine Ahnung, wie sie sich dann verhält und wie das dann aussieht. Aber da sind wir noch relativ verschont geblieben davon. Natürlich triffst du Vorurteile auch in Systemen, vor allem von Systemen gegenüber den Kindern. Also es sind vor allem Schulen und Kindergärten, die Vorurteile haben. Weniger im Alltag. Die Bürokratie bringt uns um, die killt uns. Also was wir an Kämpfen haben mit der Beihilfe, weil eine Frau Beamtin ist und der Zusatzversicherung, der privaten, was wir Kämpfer haben mit der Inklusionsbehörde, mit den Schulen, mit Kindergärten hatten, also das ist mit der Schulbehörde, das ist unfassbar. Das ist einfach echt. Man hat das Gefühl, oder ich habe das Gefühl in Deutschland, und das wird glaube ich fast jeder bestätigen, der damit zu tun hat, es gibt ganz viele Hilfsmöglichkeiten und sie machen es einem so schwer wie möglich, sie nicht zu bekommen. 

00:57:27.000 

Raúl Krauthausen: Ja. Also was mich so ärgert als Mensch mit Behinderung ist, dass die Leute, die für die Bürokratie verantwortlich sind, also Politiker*innen, Verwaltungen und so weiter, dass die dann sich immer davon stehlen mit so Aussagen wie „Ja wir müssen die Vorurteile abbauen, wir müssen die Barrieren in den Köpfen senden“ und damit letztendlich das Thema so ein bisschen derailen, also auf ein anderes Thema lenken. Dabei glaube ich, geht es gar nicht so sehr um die Vorurteile und Ängste, die wir die Leuten teilweise auch unterstellen. Es geht wirklich um die fehlende Begegnung. 

00:57:58.000 

Daniel Bröckerhoff: Total. 

00:57:59.000 

Raúl Krauthausen: Und die scheitert an der Bürokratie, die scheitert an fehlenden Aufzügen, fehlenden Assistenzkräften, fehlende Unterstützung. 

00:58:05.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, sie scheitert oft auch an Ängsten tatsächlich, also das merke ich auch. Es war nicht einfach für unsere jüngste Tochter, die eine Muskelschwäche hat, einen Kindergarten zu finden, weil klar war, die brauchen ein kleines System und kein offenes System. Also in Hamburg gibt es halt so die Elb-Kitas, da sind halt 200 Kinder in offenen Systemen und die rennen sich gegenseitig über einen Haufen. Das heißt, die werden alle 10 Sekunden von ihrem Kind umgerannt worden. Das heißt, es geht nicht. Die brauchen ein kleines System, wo Erzieher*innen einen guten Blick drauf haben, wie viel Unterstützung sie braucht. Also sie braucht im Verhältnis zu anderen Kindern mit Muskelschwäche wenig Unterstützung, aber im Verhältnis zu Kindern ohne Muskelschwäche immer noch genug. Also sie ist langsamer, sie läuft langsamer, sie kann nicht gut klettern, sie fällt viel. So dieses Thema. Also großes System ging nicht und die kleinen Kindergärten um uns herum, die haben dann gesagt, nee, wissen wir nicht, ob wir das schaffen, keine Ahnung. Also immer diese Angst, ob wir das schaffen. Ich glaube, ich weiß nicht, ob wir das schaffen. 

00:59:09.000 

Raúl Krauthausen: Ja, aber ich denke halt immer, bei sowas, gerade in dem Bereich Bildung, ich rede jetzt weniger von euch als Familie, in dem Bereich Bildung erlebe ich solche Aussagen oft, die Leute einfach keinen Bock mehr auf Wand haben. 

00:59:22.000 

Daniel Bröckerhoff: Ich kann das auch teilweise verstehen, Raul. 

00:59:23.000 

Raúl Krauthausen: Ja, aber sie haben nicht das Mandat. 

00:59:28.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, das Problem ist nur, wir haben unsere Bildungssysteme so krass an die Wand gefahren, dass die Leute schon mit normalen, in Anführungszeichen, also nicht behinderten Kindern, ohne Einschränkungen, die neurotypisch sind und maximal verhaltensauffällig, schon extrem am Limit laufen. 

00:59:48.000 

Raúl Krauthausen: Total, aber dass das nicht sanktioniert wird, dass Kitas sowas sagen oder nicht Geld zur Verfügung gestellt wird, wenn Kitas sowas machen, also Kinder aufnehmen, das ist ja das Problem. Wenn Dinge sagbar bleiben, werden sie auch weiter gesagt und wandern dann wirklich wie so ein Pilz hoch in die Struktur, in die Verwaltung, in die Politik und dann sagen plötzlich Bildungssenatorinnen, Inklusion ist gescheitert. 

01:00:13.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, aber die Inklusion ist gescheitert, weil sie gerade im Bildungsbereich ein völlig falsches Versprechen abgegeben hat. Also ich kann das jetzt nicht faktisch nachweisen, da muss ich jetzt vorsichtig sein in dem, was ich sage. Aber das, was meine Frau mir erzählt hat, was ich, wie ich das verstanden habe, war vermutlich, ich bin jetzt ganz vorsichtig in der Formulierung, eine Illusion vor allem der Politik in Hamburg, die ja sehr früh die Inklusion in die Schulen gebracht hat, damit können wir Ressourcen sparen oder es kostet maximal genauso viel wie das, was wir bis jetzt machen mit den Sonderschulen. Und das ist halt eine komplette, also ich weiß nicht, ob es Ignoranz war oder Unwissen oder Wunschdenken, dass Inklusion exorbitant mehr Geld kostet. Das war offensichtlich niemandem so richtig klar. Und dass du nicht einfach Lehrkräften, die 20 Jahre lang mit nichtbehinderten Kindern zu tun hatten, denen jetzt einen Autisten, einen Spastiker im Rollstuhl und jemanden mit einer Bauchsonde hinsetzen kannst und sagst, hier bitteschön, viel Spaß damit, wir geben dir noch eine Assistenzkraft, die ist doch irgendwie ausgebildet, dass die schreiend weglaufen, da kann ich noch nicht mal sauer auf die sein, also auf diese Person selber. Ich kann auch, also ich habe zwei Schulleiterinnen zitieren lassen mit dem Qualitätsmanagement der Hamburger Schulbehörde, weil die beide unsere autistische Tochter diskriminiert haben. Und haben mit denen ein Gespräch geführt. Es hat natürlich nichts geändert. Und das Absurdeste war, dass die eine Schulleiterin, die sogar Sonderpädagogin war, einfach massiv sich dagegen gewehrt hat, einzusehen, dass sie diskriminierend war, indem sie gesagt hat, bringen sie ihre Tochter nicht hierhin, wir können das nicht leisten, sie ist hier nicht gut aufgehoben, gehen sie lieber woanders hin. Das verstößt gegen das Hamburger Schulgesetz, weil jedes autistische Kind darf in jede Schule, die es möchte. Das ist eine Ausnahme auch. 

01:02:22.000 

Raúl Krauthausen: Da würde ich als Aktivist sagen, dann hätte die Schulbehörde dagegen das sanktionieren müssen. 

01:02:27.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, aber das tun sie nicht. Stattdessen hast du dann Leute gesitzen, das ist ein totales Versagen, aber die wissen halt auch, die müssen ihre Schulleiter*innen bei Laune halten, weil es gibt nicht mehr so viele Menschen, die diesen Job machen wollen. Ich will wirklich keine Schulleiter*innen bashen, weil es ist ein unfassbar anstrengender Job. Das ist ein Job wie ein Management von einem mittelständischen Unternehmen. Die arbeiten sich den Arsch ab und kriegen dafür nicht ein vergleichbares Gehalt. Die verdienen gut, auf jeden Fall, aber wenn du ein Unternehmen mit 60 bis 80 oder 100 Mitarbeiter*innen leitest, dann verdienst du exorbitant mehr in der Regel, wenn du es gut machst und hast mit so vielen Problemen zu tun. Von daher, ich bin da immer so zwiegespalten, ich würde da auch gerne, ich haue da auch mal drauf und bin da sauer und fluche und schimpfe in meinen Bart hinein, aber ich weiß auch, dass der Fehler eigentlich im System steckt und nicht bei denen. Das macht es aber für uns als Familie total schwierig. Wenn ich dann weiter gucke, das ist ein Thema, mit dem ich mich mit dir auch noch ein bisschen streiten wollte. Du bist ja sehr klar in deiner Haltung gegenüber den Werkstätten, die ich total nachvollziehen kann. Also absolut. Ich glaube, die haben ein falsches Versprechen, dieses Versprechen, wir bringen die Leute in den ersten Arbeitsmarkt. Das ist halt Bullshit. Ich weiß aber auch, dass ich meine 8-jährige Tochter angucke und mich frage, was wird aus der? Ich kann das bis heute nicht sagen. Wenn die sich so in dem Tempo weiterentwickelt wie jetzt, dann wünsche ich mir sehr, dass sie autonom wird und ausziehen kann und arbeiten kann irgendwo. Ich glaube, dass mit jedem Lebensjahr verliere ich aber ein paar Prozent Satz dieser Hoffnung, muss ich ganz ehrlich sagen. Man muss da immer dranbleiben, damit man da keine self-fulfilling prophecy daraus macht. Aber deine Eltern werden sich die Frage auch gestellt haben. Das ist, glaube ich, normal. Oder? 

01:04:29.000 

Raúl Krauthausen: Absolut. Lass mich kurz, bevor ich da vielleicht mit dir drauf einsteige, noch eine Frage kurz dazwischen schieben. Inwieweit ist denn, sagen wir mal, deine Erfahrung als Familie mit behinderten Kindern auch Inhalt deiner journalistischen Arbeit? 

01:04:44.000 

Daniel Bröckerhoff: Wenig. 

01:04:45.000 

Raúl Krauthausen: Aus Gründen, so wie Wolfgang Schäuble sagt, er sagte, er möchte mit dem Thema Behinderung politisch nicht als Finanzminister mehr Aufmerksamkeit geben als anderen Themen? 

01:04:58.000 

Daniel Bröckerhoff: Nee, also erstmal, weil ich Nachrichtenjournalist jetzt bin und Medienjournalist und das Thema da nicht so häufig auftaucht. Aber wenn es mir begegnet und ich sehe, dass es in eine Nachrichtensendung oder in eine Medienmagazinsendung passen würde, dann bewerbe ich das natürlich auch und schiebe das nach vorne. Aber ich finde das aus journalistischen Gründen schwierig, weil ich halt, ich bin Betroffener. So. Und als Betroffener dann journalistisch zu arbeiten zu einem Thema, da vermischen sich zwei Rollen. Und das wird für mich ganz schwierig, die voneinander zu trennen. 

01:05:32.000 

Raúl Krauthausen: Und dann bietet er aber auch Insights, die der normale Journalist nicht haben. 

01:05:34.000 

Daniel Bröckerhoff: Total. Aber dann muss ich halt immer offenlegen, dass ich betroffen bin und dass ich eigentlich aus einer betroffenen Perspektive spreche. Und ich biete mich dann lieber als Interviewpartner an oder als Protagonist, wie wir das sagen, als derjenige zu sein, der das Thema umsetzt. Weil da, also ich würde einfach sagen, da bin ich befangen. Weil ich aber auch kein Aktivist werden möchte, weil mir dafür einfach die Zeit und auch die Power fehlt, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich lasse ich das häufig sein, aber ich nutze halt meinen anderen InstagramKanal, um da Aufklären zu betreiben. Nicht aktivistisch oder selten aktivistisch, aber halt so ein bisschen Insights zu bieten. Das ist so was quasi das, was ich mache. Aber ich würde jetzt keine Doku drehen über das Leben mit autistischen Kindern oder über die Inklusion in Hamburg oder irgendwie sowas. Weil wenn, wenn, dann müsste ich es total offenlegen. Ich bin der betroffene Vater und ich möchte da jetzt mal einen Blick drauf werfen und die Betroffenen, die Leute konfrontieren. Und dann wäre das okay. Also das könnte ich machen. Aber einfach jetzt so als neutraler Journalist in Anführungszeiten aufzutreten und zu sagen, ich gucke mir jetzt mal an, was da in der Schule schiefgelaufen ist. Das ist eine Rollenvermischung für mich, die ist schwierig. 

01:06:49.000 

Raúl Krauthausen: Zu deiner Frage wegen den Werkstätten und so. Wir haben hier zwar insofern eine gewisse Komplexität auch mit dem Thema Bildung, ist das ja ähnlich, dass wir immer. Also es gibt ganz schnell so was wie eine anekdotische Evidenz, wo dann gesagt wird, ich kenne Leute, da ist es gelungen und ich kenne Leute, da gelingt es nicht. Und dann bleibt man sehr schnell in der Gegenwart. Und dann gibt es aber Phänomene, die man ja statistisch gesehen über Jahre beobachten kann, dass Werkstätten immer größer werden und der Arbeitsmarkt sich kaum verändert und so. Oder ich blicke meistens aus dieser Perspektive auf das Thema, was natürlich sehr einseitig ist. Das ist mir schon klar. Und ich werde sehr oft missverstanden und ich glaube, da muss ich auch an meiner eigenen Kommunikation arbeiten, als derjenige, der partout alle in den allgemeinen Arbeitsmarkt wissen möchte und die Werkstätten abschaffen will und die, die da drin sind, in Zukunft arbeitslos sein sollen. Das ist so das, was denen zumindest in den Werkstätten erzählt wird über mich und über Aktivistinnen wie mich, die sich in dem Bereich engagieren. Und das ist auch so eine Abmobilisierung, die stattfindet gegen uns, gegen Aktivistinnen, die ich sehr anstrengend finde. Und ich meine, wir sind ja beide Kommunikatoren, wo wir halt auch wissen, nur mit einer steilen These, das überhaupt gehört. Wenn ich jetzt sage, von Anfang an, wir müssen relativieren und ja, es ist kompliziert und so, dann interessiert sich auch keiner mehr dafür. Und wenn ich sage, wir müssen an der Abschaffung der Werkstätten arbeiten, dann ist es eine These. Das ist eine Zuspitzung natürlich. Dahinter steckt aber auch die Frage, müssen wir überhaupt alle arbeiten? 

01:08:28.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, also das ist eine gute Frage, aber ich würde zum Beispiel sagen, ich glaube auch Menschen mit einer starken kognitiven Einschränkung und also die, die mehrfach behindert sind. Ich sag mal, ich denke da immer, die kennst du auch, Kerstin Heldt, viele kennen sie auch im aktivistischen Umfeld, Pflegemutter von mehreren Kindern mit Behinderung. Die hat die älteste Tochter von ihr, Nora. Die ist mehrfach behindert, die ist Autistin, die ist kognitiv stark eingeschränkt. Ich glaube, die hat auch Epilepsie, ich bin mir nicht ganz sicher. Die kann nicht, die kann keiner Werktätigkeit nachgehen. Das ist unmöglich so. Aber ich glaube schon, dass sie braucht einen geregelten Tagesablauf und sie braucht irgendwie auch irgendwas, wo sie weiß, da geht sie hin und sie gammelt halt nicht nur zu Hause rum, sondern hatten auch irgendwie einen Sinn, warum sie morgens aufsteht und irgendwo hingehen könnte. 

01:09:22.000 

Raúl Krauthausen: Genau, das meine ich mit Verwertschöpfung, Wertarbeit, als Wertschöpfende Arbeit. Natürlich bedeutet Inklusion nicht, wir inkludieren nur die, die verwertbar sind im kapitalistischen Sinne. Inklusion bedeutet natürlich auch, jeder oder jede soll sich so entfalten können, wer oder sie es möchte und kann. Ja, aber ich glaube, mit Arbeit kann auch Kunst sein oder Tanz oder Musik. Es muss nicht am Fließband oder in einem Büro sein. 

01:09:52.000 

Daniel Bröckerhoff: Also ich frage mich halt, ich finde den Grundgedanken der Werkstätten, und ich habe mich ehrlich gesagt mit dem Thema einfach, weil das bei uns noch nicht so akut ist, noch nicht so intensiv beschäftigt wie du, aber der Grundgedanken der Werkstätten, wir schaffen für Menschen mit Behinderung einen Ort, wo sie eine regelmäßigen Tätigkeit nachgehen können. Das strukturiert ihren Tag, das gibt ihrem Leben auch einen Sinn, sie haben soziale Kontakte, sie haben das Gefühl, dass sie auch was selber schaffen, das ist ja ganz wichtig für die Selbstwirksamkeit. Finde ich erstmal total super. Ich habe auch in Werkstätten schon gedreht und habe da sehr zufriedene Menschen getroffen. Und ich muss mir natürlich überlegen, ob das irgendwie in 10, 12 Jahren auch auf uns zukommen könnte, dass unsere, also meine Mittlere mit meiner zweiten Frau, die älteste Tochter, auch in eine Werkstatt geht. Oder irgendwie anders was macht, weil sie so viel Betreuung braucht, dass sie keiner selbstständigen Arbeit nachgehen kann. Das ist das Problem mit den Werkstätten, das ich jetzt sehe, damit die irgendwie rentabel und profitabel sind, müssen die halt Leute, die in Anführungszeichen mehr leisten können als andere, glaube ich, bei der Stange halten. Die beuten sie dann aus. Und da habe ich noch keine Lösung für gefunden, dass natürlich Leute sagen, ich habe auch solche Menschen getroffen, in der Nachbarschaft auch Tochter kognitiv leicht eingeschränkt, aber kann als Pflegekraft arbeiten, so Hauswirtschaftstätigkeiten nachgehen und wird halt von ihrem Träger, wo sie ist, in meinen Augen ausgebeutet. Weil das, was sie macht, die ist dann in so einem Café und macht diese Cafésachen so, das macht die gut, zu Zufriedenheit von allen, aber die verdient halt nur einen Apple-50. Und das finde ich, und ich habe aber keine Lösung dafür, weil… 

01:11:34.000 

Raúl Krauthausen: Ja, das ist genau die Herausforderung, worüber wir aber in diesem ganzen, wir können das jetzt gerade nicht ändern, weil der allgemeine Arbeitsmarkt will ja nicht, die ganze Zeit untergeht. Und es gibt ja Strategien und Einsätze auch aus anderen Ländern, die zumindest ein Anfang sein können. Ich sage nicht, dass es die ultimative Lösung ist, aber ich glaube, man kann ja daran arbeiten, dass die Anreizmodelle andere sind. Also, dass Werkstätten so oder so finanziert sind und nicht durch das, was sie verkaufen. Und dass sie vielleicht sogar dafür belohnt werden, wenn sie die Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt hinbekommen und dadurch, dass sich auch ein Anreiz entsteht. Und da, wo man feststellt, die Menschen sind vielleicht wirklich nicht in der Lage, am Fließband zu arbeiten oder Arbeit zu tätigen, die verwertbar ist, dass man dann da Strukturen schafft, die man mit dem Geld theoretisch auch stemmen könnte, die dann andere Tätigkeiten sind, wie zum Beispiel Kunst oder starke Struktur bieten. Das muss ja dann nicht am Fließband sein. Und was mich immer wieder schockiert ist, in diesen Werkstätten vor allem, dass die ja Tätigkeiten machen, die immer von nicht Behinderten bestimmt wird. Also, was wird gemacht, was wird produziert, warum ist es eine Bonbon-Manufaktur, warum ist es eine Kaffee Rösterei dabei und wollen wir das überhaupt oder ist das einfach das einzige, was es gibt? Und das wird mir manchmal ein bisschen zu wenig in der Frage, weil ich glaube nicht, dass Deutschland noch eine Kaffee-Rösterei braucht oder eine Bonbon-Manufaktur. Das ist dann oft eher so eine Art Charity, die ich problematisch finde. Und ich bin sehr begeistert von so Ansätzen wie zum Beispiel der persönlichen Zukunftsplanung, wo garantiert keine Probleme 100% gelöst werden können, aber zumindest Wege zeigen können, was einer Person vielleicht auch mit einer komplexen Behinderung liegt. Das höre ich auch erst einmal im Podcast immer wieder raus. Oder dann Texten, dass du ja schon deine Kinder auch siehst in ihren Talenten und ihren Wünschen und Träumen und was ihnen gefällt. 

01:13:44.000 

Daniel Bröckerhoff: Ich hoffe. Also es war auch ein Grund, warum ich mit denen ins Konzert gegangen bin, weil… meine autistische Tochter halt total Musik liebt. Und ich wusste, das wird sie faszinieren. So und ich habe null Erwartungen. Also das Ding ist, ich glaube das Wichtigste ist für Eltern mit behinderten Kindern keine Erwartungen haben, keine Vorstellungen, aber auch keine negativen Erwartungen. Also einfach zu gucken, was macht das Kind aus sich heraus, wo können wir es unterstützen, auch fordern, das ist ja auch manchmal… Ich habe gerade noch so ein Video gesehen von einer jungen Frau mit Down-Syndrom. 

01:14:27.000 

Raúl Krauthausen: Ach diese kanadische, so DownSyndrom. 

01:001429.000 

Daniel Bröckerhoff: Genau, das ist glaube ich gerade viral gegangen. Die halt immer sagt, ihr geht halt davon aus, ich trinke keinen Margarita, also trinke ich auch keinen Margarita, ihr geht davon aus, ich kann nicht alleine Leben, also lebe ich nicht alleine. Und das ist natürlich genau das Richtige, dieser Ansatz zu gucken, was wollen die eigentlich aus sich heraus. Das ist natürlich schwierig mit Menschen, die nicht so kommunizieren können, wie wir das neurotypisch gewohnt sind. Aber ich glaube auch, dass das geht. So Raul, ich möchte jetzt mit dir gerne, ich drehe nochmal kurz die Rolle um, eben weil du gesagt hast, immer dieses Gelaber über Inklusion. 

01:15:05.000 

Raúl Krauthausen: Ja gerne. 

01:15:07.000 

Daniel Bröckerhoff: Lass uns doch nochmal ein paar Minuten einfach über ein Thema reden, was dich gerade komplett umtreibt. Welches Thema beschäftigt dich gerade, abgesehen von diesem ganzen Inklusionskram? 

01:15:17.000 

Raúl Krauthausen: Ganz ehrlich, das sind zwei Themen, ein Thema ist, lohnt es sich eigentlich, über Klimaschutz zu reden, über Inklusion zu reden, über Gendergerechtigkeit und so, wenn Nazis vor der Tür warten. Müssten wir nicht als allererstes dieses Problem lösen, weil mit Nazis in der Regierung werden wir keinen Klimaschutz hinbekommen und keine Inklusion und keine Gendergerechtigkeit. Sind wir da vielleicht auch vor lauter Überforderung und Verzweiflung ein bisschen in so einen, wie nennt man das, in so einen Stillstand geraten, dass wir quasi sehenden Auges auf diese Wand zu fahren. 

01:15:53.000 

Daniel Bröckerhoff: Das heißt, du würdest zuerst die Rechtspopulisten verhindern wollen, weil das das für dich dringendere Thema ist? 

01:16:00.000 

Raúl Krauthausen: Ja, das ist einfach der Shortcut, um alles kaputt zu machen. 

01:16:02:000 

Daniel Bröckerhoff: Das stimmt und das beobachte ich bei mir auch selber, dass wir gerade mit total vielen auch schwierigen Meldungen zur Klimakatastrophe, wie ich sie mittlerweile nur noch nenne, konfrontiert werden, die auch völlig untergehen gerade, weil sich aber auch die Öffentlichkeit sehr mit diesen Rechtspopulisten beschäftigt, weil es aber auch einfacher ist. Das ist auch, also man kann sich mit diesen Leuten einfacher beschäftigen, weil sie auch diesen Aufmerksamkeitshype so hochhalten und man sich so schön darüber aufregen kann oder sie demaskieren kann und sich mit einer Klimakatastrophe zu beschäftigen, ist halt viel komplexer und führt auch eher zum Fatalismus. Ich glaube… 

01:16:41.000 

Raúl Krauthausen: Aber wir reden nur darüber, wir bearbeiten es nicht. Das ist das, was mich nervt. 

01:16:44.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, das stimmt. Ich glaube aber ,dass, ich glaube man kann diese Kämpfe nicht voneinander trennen. Das ist ja das Problem, weil gerade diese ganzen Sachen, die du angesprochen hast, also das Bestreben nach mehr Gerechtigkeit, nach mehr Diversität, nach Gleichberechtigung und aber auch eben gegen der Kampf gegen die Klimakatastrophe, die diese Multikrisen, wie das ja mittlerweile genannt wird, haben ja auch dazu geführt, dass Rechtspopulisten überall auf der Welt so stark geworden sind. Also ja nicht nur bei uns, sondern auch in Europa und in anderen Ländern, in Brasilien, in den USA, weil die Menschen einfach überfordert sind von dieser Welt und ich kann das auch nachvollziehen, ich bin auch oft überfordert von dieser Welt. 

01:17:25.000 

Raúl Krauthausen: Aber ich glaube uns fehlen halt positive Perspektiven und eine positive Perspektive, die niemand bearbeitet, die aber dringend nötig wäre, wäre zum Beispiel die Problematik, eine Wohnung finden, einen bezahlbaren Wohnraum finden und wenn du kein Dach überm Kopf hast oder unzufrieden bist in deinem Nazidorf oder irgendwie deine, ja weiß ich nicht, viel zu kleinen Wohnraum, als Familie wohnt und die Kinder älter und größer werden oder du einen Job wechseln musst, aber du findest keine Wohnung, du studierst, eine Ausbildung hast, aber du findest keine Wohnung, Beziehungenweise kannst du dir nicht leisten und da gibt es, soweit ich weiß, weltweit keine Perspektive, wie man dieses Problem lösen könnte außer durch Enteignung und ich finde es hoch problematisch, dass wir als Gesellschaft Gefahr laufen, ärmer zu werden, weil wir jetzt immer mehr Geld in Mietungen stecken und so weiter und immer mehr Leute verlieren, die sich das überhaupt leisten können. Das ist nicht verwundert, wenn Menschen dann einfache Wahrheiten suchen. 

01:18:25.000 

Daniel Bröckerhoff: Total, also ich glaube schon, dass es Ansätze gibt, was man da machen kann, ich meine wir hatten die in Deutschland, wir haben sie halt zurückgefahren und die große Katastrophe, die die Welt vor 30 Jahren ereignet hat oder vor 40 Jahren eigentlich genauer gesagt, also so vor 40 Jahren als angefangen, ist der Neoliberalismus. Das ist die und das ist eine stille Katastrophe, die niemand wirklich wahrgenommen hat, wo es ganz spannende Perspektiven drauf gibt. Es gibt eine britische Soziologin, die hat sich angeguckt, warum das Vereinigte Königreich eigentlich so den Bach runtergeht gerade und hat festgestellt, dass es große Parallelen gibt zwischen der Sowjetunion und dem Vereinigten Königreich, weil beide das Problem hatten, dass sie von einem, einer marktwirtschaftlichen Ideologie ausgegangen sind, die den Menschen als fixe, starre Größe sieht. Wenn man Menschen verhalten sich so und so, wenn man dies und dies tut, dann machen Menschen dies und das und dann geht es allen gut. Das ist der Irrtum der kommunistischen Ideologie, also dieser marktkommunistischen Ideologie, das ist ja eigentlich kein Kommunismus an sich, aber dieser Planwirtschaft und im Endeffekt sagt sie, auch der Neoliberalismus ist Planwirtschaft mit anderen Mitteln, weil er davon ausgeht, Menschen verhalten sich immer gleich und dieser Neoliberalismus hat uns so in eine tiefe Krise gestürzt, weil er das Vermögen ungleich verteilt hat, weil er zu Ungerechtigkeit geführt hat, weil diese, diese, diese Lüge der trickle down economic, wenn es den Leuten oben gut geht, geht es den Leuten unten auch gut, die stimmt ein bisschen. Also wir haben weniger Arme auf der Welt, wir haben weniger Hungernde auf der Welt im Vergleich zu 100 Jahren, wir haben weniger Krankheiten und so weiter, das stimmt alles so, aber halt nicht in dem Maße wie es sein könnte und es gibt da schon, es gibt da schon Ansätze, was man da machen kann, aber die haben sich noch nicht so breit durchgesetzt, das ist das Ding, es fehlt quasi die große Idee. 

01:20:20.000 

Raúl Krauthausen: Genau, diese Vision, wie könnte es aussehen, also so Bernie Sanders zum Beispiel, der das mal versucht hat oder auch der frühere griechische Finanzminister, Barofakis, die haben es ja mal versucht, Dinge auch komplett in Frage zu stellen, aber die scheiterten irgendwie an Liberalismus und diese, also das ist jetzt auch eine einfache Wahrheit, das ist mir schon klar, aber es gibt auch Untersuchungen, die sagen, dass die Erfindung des faulen Arbeitslosen oder des CO2-Fußabdrucks, den wir alle haben, ja auch ganz gezielt platziert wurden von Marksreputature oder von BT. 

01:21:00.000 

Daniel Bröckerhoff: Klar, das ist die Individualisierung so, du als Individuum bist verantwortlich auf einmal für alles und das macht einen riesen Druck auf das Individuum und führt aber dazu, dass Leute sich auch fügen, weil sie halt merken, sie sind eigentlich alleine machtlos und dann versuchen sie mit dem System sich irgendwie anzufreunden und irgendwie klarzukommen, was total normal ist, das haben alle Menschen in allen Systemen immer gemacht, aber wir haben die Macht als Gruppe, unser System zu verändern und ich glaube, dass wir haben, das ist das Problem, es gibt gerade eine große Gruppe von Leuten, die dabei ist oder den Wunsch hat, das System zu verändern, das sind die Rechtspopulisten, weil die haben eine Vision, wie es aussehen könnte, dass die Vision eine Lüge ist und nicht funktionieren wird und ein Taschenspielertrick, das ist jetzt erstmal zweitrangig, weil die haben zumindest eine Vision und das ist das Problem, dass die haben die Vision, dass sie einfach, wenn man 50 Jahre zurückgeht, dann wird alles wieder gut. 

01:21:50.000 

Raúl Krauthausen: Und vor allem, da sind wir wieder beim Anfang, deswegen bin ich für Wahlempfehlung, also wenn ihr nicht wollt, dass Nazis irgendwann an der Macht sind, dann empfehle ich dringend, nichts rechts von der SPD zu wählen und das schließt auch FDP und CDU/CSU mit ein, weil die ja diese Narrative eher reproduzieren, meinetwegen ein bisschen weichgespülter, aber selbst bei SPD habe ich schon große Bauchschmerzen, wenn ich solche Wahlempfehlungen ausspreche und es bringt nicht, das hat Thomas Laschyk in meinem Podcast ja auch schon erzählt, es bringt eigentlich nichts davon oder zu hoffen, dass wir die Nazis nur davon überzeugen müssen, dass die AfD sie eigentlich alle übers Ohrs ziehen will, indem sie behaupten, sie würden ihre Rechte vertreten, wenn man sich ihr Wahlprogramm anschaut, dann da so krass neoliberale, ultrakapitalistische Ideen drin sind, bis hin zur Abschaffung der Rente und so, dass es die Nazis, die eigentlich Angst haben um ihr eigenes Leben haben, um ihre Zukunft und so weiter, so überhaupt nicht Probleme lösen würden. 

01:22:55.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, also das ist das Faszinierende schon wieder an der Partei, ich habe da schon fast Hochachtung vor, keine gute, aber schon fast Hochachtung, dass sie es schafft, jedem das zu erzählen, was er oder sie hören möchte. 

01:23:08.000 

Raúl Krauthausen: Dabei steht schwarz auf weiß in deren Wahlprogramm drin, was sie vorhaben. 

01:23:12.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja und dann aber dann sagen sie auf ihren Feinschaltungen noch mal Sachen, die dem widersprechen und das noch verschärfen oder also das ist einfach wirklich eine komplette Chimäre und das ist ein bisschen wirklich wieder versucht, einen Pudding an die Wand zu nageln. Du kriegst es nicht gegriffen, weil es dir immer wieder entgleitet, weil sie sich dann doch wieder wenden nach links und rechts und das wird eine Herausforderung für die nächsten Jahre, aber ich glaube das Wichtige ist, dass man, dass wir, da hast du schon recht, eine Vision entwickeln, wie eine andere Gesellschaft aussehen kann und die fehlt gerade, die fehlt gerade noch so und die Vision, wir entwickeln uns zurück, die kann es nicht sein. 

01:23:41.000 

Raúl Krauthausen: Genau, das weißt du, um deine Frage zu beantworten, mich gerade am meisten umtreibt und dann denke, ja klar können wir einen Tampon entwickeln, der aus Algen besteht. Ich weiß nicht, ob das jetzt das größte Problem ist. 

01:23:58.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja, wahrscheinlich nicht. 

01:24:00.000 

Raúl Krauthausen: Wenn ich noch eine Frage stellen darf, dann wäre das die, die ich all meinen Gästen stelle. Gibt es eine Organisation, die nicht deine eigene ist, die du empfiehlt, die dich unsere Hörerinnen und Hörer anschauen könnten, die man unterstützen kann? 

01:24:15.000 

Daniel Bröckerhoff: Ja und da ich jetzt ja als Journalist von dir vor allem eingeladen wurde, würde ich drei empfehlen tatsächlich, weil das sind alles drei, keine Organisation in dem Sinne, aber Redaktionen, die versuchen auf dem freien Medienmarkt klarzukommen, die für mich in meinen Augen wirklich gute Arbeit leisten, die ich unterstützenswert finde, aber die halt immer struggeln, weil jedes Abo bringt die nach vorne und das sind einmal die Crowdreporter, die werden wahrscheinlich viele kennen, die stehen noch am besten da von allen, machen hervorragende Arbeit. Ich finde das Prinzip ganz ganz toll, so einen Community-basierten Journalismus zu machen, der auch wirklich wichtige Fragen grundlegend beantwortet. Dann gibt es eine Redaktion, die ist noch nicht so bekannt, aber die muss dringend bekannter werden, das ist Perspective Daily. Das ist genau das, was du angesprochen hast, die machen konstruktiven Journalismus, die suchen nach Lösungen und bieten dort immer wieder tolle Einsichten, tolle Ansichten an und das dritte ist ein Projekt aus Österreich, das ist die Chefredaktion nennt die sich, vor allem auch ein Insta-Projekt, weil das sind junge Medienmacher*innen, auch sehr divers, die bis vor kurzem eine Redaktion hinter sich hatten, die sie dann hat gehen lassen, in Anführungszeichen, die selber gucken müssen, wie sie klarkommen und die brauchen auch wirklich jedes Abo, um weiter bestehen zu können und die bieten einen jungen, vor allem feministischen Journalisten an, den ich sehr wertvoll finde und wo ich einfach euch empfehlen würde, guckt euch diese drei Redaktionen an auf Insta oder auf welchem Medium auch immer ihr unterwegs seid und überlegt, ob ihr denen ein Abo auf Steady, also Crowdreporter, Perspective Daily und die Chefredaktion, weil ich habe große Hochachtung vor jedem, der in diesem journalistischen Feld sich quasi frei versucht zu bewegen. 

01:26:^3.000 

Raúl Krauthausen: Ich danke dir sehr, weil witzigerweise ich letzte Woche Abonnent von die Chefredaktion wurde, als ich las, dass sie letztendlich ihren Auftraggeber bzw. Geldgeber verloren haben. Und ich würde gerne als vierte ergänzen, andererseits die Redaktion auch aus Österreich mit Journalistinnen mit und ohne Behinderung, die das Thema Inklusion journalistisch nochmal anders beleuchten und schon großartige Dokus gemacht haben, eine über Klimaschutz, Katastrophenschutz und Behinderung und eine über die skandalöse Spendengala Licht ins Dunkel in Österreich, wo behinderte Menschen instrumentalisiert werden für Charity Zwecke und jetzt nämlich das Plan zum Thema Gewalt in Behinderteneinrichtungen und das finde ich total wichtig, das auch zu unterstützen. 

01:27:05.000 

Daniel Bröckerhoff: Sehr gut, die kann ich noch nicht, gucke ich mir gleich an. 

01:27:08.000 

Raúl Krauthausen: Super, da haben wir uns gegeneinander Tipps gegeben, sehr gut, vielen Dank. Vielen Dank auch für deine Zeit, lieber Daniel. 

01:27:13.000 

Daniel Bröckerhoff: Sehr gerne, danke, dass du mich eingeladen hast. Ich finde es immer sehr wertvoll und ich hasse dieses Wort, aber es wäre kein anderes Wort. Inspiriert? Nee, es ist einfach schön mit dir zu reden. Ich finde deine Perspektiven immer sehr besonders und sehr anregend und das ist schön, dass es da draußen Menschen wie dich gibt. 

01:27:30.000 

Raúl Krauthausen: Danke, gleichfalls. Ich hoffe, wir sehen uns mal persönlich wieder. Berlin, Hamburg ist ja auch nicht so weit, Hannover auch nicht. Ich richte das mal ein. 

01:27:40.000 

Daniel Bröckerhoff: Das ist toll. Bing, bing, ich steige dann mal aus. 

01:27:42.000 

Raúl Krauthausen: Genau, liebe Grüße. Tschüss.

01:27:44.000 

Daniel Bröckerhoff: Danke dir, tschüss. 

01:27:48.000 

Raúl Krauthausen: Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese Folge Spaß gemacht hat, bewerte diese Folge bei Apple Podcasts, Spotify oder wo auch immer ihr zuhört. Alle Links zur Folge sowie die Menschen, die mich bei diesem Podcast unterstützen, findet ihr in den Show Notes. Schaut da gerne mal rein. Wenn ihr meine Arbeit unterstützen möchtet, würde ich mich freuen, euch bei Steady zu begrüßen. Mit einer Steady-Mitgliedschaft bekommt ihr exklusive Updates von mir und die Gelegenheit, mich zweimal im Jahr persönlich zu treffen. Im Aufzug ist eine Produktion von Schönlein Media. Ich freue mich auf das nächste Mal hier im Aufzug. 

Diese Folge wurde dir präsentiert von Schindler. Am Anfang der Folge haben wir uns gefragt, warum es in vielen Aufzügen Spiegel gibt. Hier kommt die Antwort. Ganz praktisch sorgen sie zum einen für mehr Barrierefreiheit. Die Spiegel machen das Ausparken für Rollstuhlfahrende einfacher, weil sie wie ein Rückspiegel funktionieren. Außerdem soll es Vandalismus vorbeugen, weil sich Menschen durch Spiegel beobachtet fühlen und so besser verhalten. Und nicht zuletzt lassen Spiegel den doch eher kleinen Raum im Aufzug größer wirken und machen die Fahrt so entspannter. Willst du noch mehr über Aufzüge erfahren, dann steig bei uns ein. Unter schindler.de/karriere findest du viele Möglichkeiten, um mit uns ganz nach oben zu fahren.

ALT-Text: Das Bild zeigt einen jungen Mann mit dunkelbraunen Haaren. Er trägt einen dunkelblauen Pullover und blickt nachdenklich in die Kamera, während er sich mit der rechten Hand an die Stirn fasst. Über ihm steht in weißer Schrift „IM AUFZUG“ und unter ihm das Zitat „Es fehlt gerade die Vision, wie eine andere Gesellschaft aussehen kann.“ Daniel Bröckerhoff, Folge 52. Unten rechts befindet sich ein Hinweis auf die Finanzierung durch Steady Mitglieder.

Hier findest du mehr über mich:

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Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann

Coverart: Amadeus Fronk

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