Im Aufzug mit Ole Liebl

Ist die Ehe noch zeitgemäß?

Ole ist Autor, macht erfolgreich Buchkritiken auf Social Media (auch von meinem) – und er liebt seine Freunde. Die Bedeutung von Freundschaft und das Thema Freundschaft Plus spielen in seinem Leben eine große Rolle.

Deswegen hat er direkt Deutschlands erstes Sachbuch darüber geschrieben. Wir sprechen in dieser Folge viel über Queerness, Sexualität und Dating. Deswegen könnte man überrascht davon sein, dass Ole die Ehe für eine sehr moderne Institution hält.

Er erzählt mir, was er an der Ehe sinnvoll findet und warum er selbst geheiratet hat. Ole ist kein Schwarzmaler und das finde ich auch mal total angenehm. Diese Fahrt ist eine bunte Mischung an Themen und sie hat mir sehr Spaß gemacht. Hört selbst: Aufzugtür auf für Ole Liebl.

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Ole’s Buch: Freunde lieben

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In diesem Podcast trifft Raul jede Folge auf spannende Gäst*innen. Aber

wen würdest du gerne mal im Aufzug begegnen? Das haben wir uns bei

Schindler auch gefragt und eine Studie gemacht. Denn seit 150 Jahren

beschäftigen wir uns mit Aufzügen und Fahrtreppen, innovativen

Technologien und eben auch den ganz normalen Aufzugsgedanken. Welche

Person die Befragten am liebsten treffen würden, hörst du am Ende dieser

Folge. Jetzt viel Spaß mit Raul im Aufzug, wünscht Schindler.

Raúl Krauthausen: Eine gute Aufzugsfahrt ist ganz schön aufwendig. Mit

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Informationen findest du auf im-aufzug.de. Ein herzliches Dankeschön geht

diese Woche an die großzügigen Unterstützer*innen Melanie und Marc.

Wir schätzen eure Hilfe wirklich sehr. Und jetzt geht es los mit einer

brandneuen Folge. Ole ist Autor, macht ziemlich erfolgreiche Buchkritiken

auf Social Media, auch von meinem Buch, und er liebt seine Freunde. Die

Bedeutung von Freundschaft und das Thema Freundschaft+ spielen in

seinem Leben eine große Rolle. Deswegen hat er Deutschlands erstes

Sachbuch über Freundschaft+ geschrieben. Wir sprechen in dieser Folge

viel über Queerness, Sexualität und Dating. Deswegen könnte man

überrascht davon sein, dass Ole die Ehe für eine sehr moderne Institution

hält. Er erzählt mir, was er an der Ehe sinnvoll findet und warum er selbst

geheiratet hat. Ole ist kein Schweißmaler und das finde ich auch mal total

angenehm. Diese Fahrt ist eine bunte Mischung an Themen und sie hat mir

sehr viel Spaß gemacht. Hört selbst Aufzugtür auf für Ole Liebe. Die Tür

geht auf und wer kommt rein? Ach, wie freue ich mich. Ole Liebl, schön,

dass du da bist.

00:02:24.000

Ole Liebl: Hallo.

00:02:25.000

Raúl Krauthausen: Gab es schon mal einen awkward Moment, den du in

einem Aufzug hattest?

00:02:29.000

Ole Liebl: Ist nicht jeder Moment in einem Aufzug irgendwie ein bisschen

awkward?00:02:31.000

Raúl Krauthausen: Irgendwie schon, ja.

00:02:33.000

Ole Liebl: Also ich gucke dann meistens einfach nur zu Boden und bin

aber jetzt auch nicht so veranlagt, dass mir jetzt so enge Räume was tun.

Ich bin einfach höflich distanziert.

00:02:41.000

Raúl Krauthausen: Aber ich finde das ja so abgefahren, dass so ein Aufzug

so ein Ort ist, wo man quasi gesellschaftlich akzeptiert ist jemandem nah

zu sein. Aber diese Nähe würden wir ja beim Stadtbild nicht wollen.

00:02:53.000

Ole Liebl: Ich weiß nicht, also für mich sind Aufzüge ein bisschen so wie

U-Bahn fahren, vor allem wenn sie voll ist. Da ist ja eine ähnliche, das ist

ein bisschen unangenehm, aber da ist eine ähnliche Form von

Kontaktvermeidung, also Augen werden eher niedergeschlagen und so.

Man versucht jetzt nicht irgendwie in eine Kommunikation in den

Austausch zu treten, sondern man weiß, man ist hier ganz kurz zusammen

und es ist gleich zu Ende. Muss man halt durch.

00:03:15.000

Raúl Krauthausen: Kennst du die Kreuzung in Tokio, die angeblich größte

Kreuzung der Welt, wo pro Minute 1000 Menschen drüber laufen?

00:03:23.000

Ole Liebl: Die habe ich vermutlich schon mal in irgendwelchen

Internetvideos gesehen.

00:03:25.000

Raúl Krauthausen: Das ist ein klassisches Video über Tokio. Shibuya Station

ist die. Und ich bin da einmal gewesen, was wirklich auffällig ist, dass

obwohl tausend Menschen diese Kreuzung überqueren, berühren die sich

nicht. Also auch nicht die Schultern, die Taschen oder so.

00:03:42.000

Ole Liebl: Aber Menschen sind ja erstaunlich gut drin. Also sozusagen

diese Bewegungen so abzuschätzen, in welche Richtung und das können

ganz verschiedene Punkte sein, also Objekte, Menschen, Tiere, was,

whatever. Und ja,schaffen es irgendwie.

00:03:53.000

Raúl Krauthausen: Das ist wirklich faszinierend. Und man denkt immer, ja,

tausend Leute, aber nur zur Rush Hour. Nee, das ist einfach permanent so.00:04:00.000

Ole Liebl: Ich würde ja auch gerne mal in Tokio leben.

00:04:02.000

Raúl Krauthausen: Warst du mal?

00:04:03.000

Ole Liebl: Ich bin ja überhaupt kein Reisemensch. Also gar nicht.

00:04:06.000

Raúl Krauthausen: My home is my castle.

00:04:08.000

Ole Liebl: So schon. Also ich war mal im Leben zweimal im Urlaub. Also

jetzt außerhalb meiner Kindheit. Wir sind schon als Kinder im Urlaub

gefahren. Aber jetzt so für mich als erwachsene Person wirklich so richtig

gesagt, ich fahre jetzt in den Urlaub und dann bin ich jetzt auch weg. Und

ich war einmal an der Ostsee für fünf Tage und einmal in Brandenburg für

vier.

00:04:23.000

Raúl Krauthausen: Und das hat dich hart gestresst, oder was?

00:04:25.000

Ole Liebl: Der Urlaub selber ist schon okay, aber ich finde diese

Planungen, das stresst mich fürchterlich. Ich hasse das. Ich finde auch

Reisen vergleichsweise schlimm. Also dieses, du musst jetzt einen Zug

bekommen, du musst jetzt hier einen Anschluss kriegen und so. Immer

wenn ich Stress habe, habe ich diese Stressträume. Also weißt du,

irgendwie ich sitze in einem Schiff, was mich zu einem Zug bringt, der

mich zu einem Flughafen fährt. Also diese Kopplung an

Verkehrsknotenpunkten, das ist für mich der pure Stress. Und ich weiß

auch nicht so genau. Und auch diese Planungen, wo wir jetzt was wie

machen und essen gehen und frag mich nicht was. Nee, also Reisen ist

nicht so meins. Aber wenn ich irgendwo sein möchte, dann bin ich da auch

länger. Ich habe ein Jahr in Russland gelebt. Als ich 17 war, war es ein

Schüleraustausch, aber trotzdem, das fand ich super. Mitte 20 habe ich in

Neapel für ein halbes Jahr gelebt. Und könnte mir das auch noch mal

vorstellen zu sagen, okay, ein paar Monate Tokio. Halt nicht immer nur für

eine Woche, sondern wirklich da mal für eine Weile leben.

00:05:18.000

Raúl Krauthausen: Ich war zehn Tage in Paris vor zwei Jahren. Und da

habe ich gemerkt, also zehn Tage für so eine große Stadt reicht dann auch.00:05:25.000

Ole Liebl: Oder eben gerade nicht. Also das ist…

00:05:27.000

Raúl Krauthausen: Genau. Also wenn du jetzt länger bliebst, dann musst du

Leute kennenlernen und dann auch länger bleiben. Dann ein halbes Jahr.

00:05:33.000

Ole Liebl: Das ist eher so mein Style. Ich bin so eine Sozialnudel. Also

nicht unbedingt im Aufzug, aber wenn ich irgendwo länger bin.

00:05:41.000

Raúl Krauthausen: Weil du gerade gesagt hast, mit dem Schiff zum Bahnhof,

zum Flughafen, ich finde es auch so absurd, wie diese Knotenpunkte, also

Bahnhöfe oder Flughäfen, wahrscheinlich ist es bei Häfen genauso, dass

das sind ja Orte, ich glaube man nennt das Unorte oder so, wo man

einfach nicht gerne ist. Und die einfach nur wollen, dass du konsumierst.

Und Flughäfen sind inzwischen so optimiert, dass sie zwar wissen, wo das

Flugzeug sein wird, an welchem Gate, sie es dir aber nicht verraten, damit

du noch lange schoppen gehst.

00:06:14.000

Ole Liebl: Super.

00:06:15.000

Raúl Krauthausen: Und das ist halt so ein Arschlochmove.

00:06:17.000

Ole Liebl: Ja, aber so sind ja diese ganzen, das heißt glaube ich heißt das

nicht irgendwie defensive Architektur, wo die dann überall auch diese

Dornen und sinnlosen Armlehnen hinzimmern, damit da bloß keine

Obdachlosen sind. Ich denke so, ey sorg dir dafür, dass keine Obdachlosen

mehr da sind. Und zwar nicht mit Armlehnen, sondern mit, weiß ich nicht,

kreativen Maßnahmen.

00:06:35.000

Raúl Krauthausen: Aber wenn du jetzt in Neapel und in Russland warst?

00:06:37.000

Ole Liebl: Also in Russland war ich in Petersburg.

00:06:38.000

Raúl Krauthausen: In St. Petersburg, wie hast du denn dann für dich

gemerkt, dass jetzt, jetzt fühle ich mich hier zu Hause oder wohl?00:06:46.000

Ole Liebl: Ich würde gar nicht sagen, dass das mein Anspruch ist, wenn

ich in anderen Städten bin. Ich muss mich ja nicht zu Hause fühlen, also

weil ich ja auch nicht dauerhaft leben möchte. Ich möchte mich schon auf

eine gewisse Weise einrichten, aber ich habe einfach das Gefühl, ich bin

neugierig auf das Land oder auf die Stadt oder auf die Kultur und möchte

ja einfach ein bissche kennenlernen. Und das ist dann mehr so von Neugier

auch getrieben und gar nicht so von dem Willen, es mir unbedingt

heimisch zu machen. Das ist okay.

00:07:11.000

Raúl Krauthausen: Bist du dann eher so Team Airbnb oder Team Hotel?

00:07:13.000

Ole Liebl: Also in diesem Falle hatte ich mir halt Wohnungen, hatte, hatte,

habe ich halt in Wohnungen gelebt, deswegen. Ansonsten jetzt bin ich ja

doch öfter auf Reisen, habe so Vorstellungen auch und da bin ich definitiv

Team Hotel. Ich finde es ultra. Diese verrückten Räume, ich meine, weiß

ich nicht, man macht irgendwas so, keine Ahnung, also man fügt der

materiellen Welt eine Veränderung zu, indem man zum Beispiel das Bett

verkrustelt oder irgendwie, weiß ich nicht. Und dann geht man raus und

durch Geisterhand, natürlich durch ausgebeutete Arbeitskräfte, aber naja,

wir blenden das kurz mal die ökonomischen Sachen aus, kommst du zurück

und die, die, die, die, die ist so zurückgesnapt, so, weißt du, so, so ping und

es ist alles wieder blitzeplang und du denkst dir so wow, hatte ich

überhaupt, war ich überhaupt da, wer bin ich eigentlich und wo bin ich

und das war nicht so…

00:08:00.000

Raúl Krauthausen: Und warum, wer hat meinen Schlafanzug richtig

hingelegt, in der Zeit?

00:08:03.000

Ole Liebl: Ich würde den niemals zusammenlegen. Ich weiß nicht, welche

Leute ihren Schlafanzug zusammenlegen, das finde ich steil.

00:08:09.000

Raúl Krauthausen: Wenn, wenn es ordentlicher aussieht als zu Hause.

00:08:11.000

Ole Liebl: Ja, das ist, das ist nicht so fair.

00:08:14.000

Raúl Krauthausen: Du hast gerade gesagt, dass du öfter jetzt unterwegs bistauf Tour oder Netzestour, wie nennst du das? Lesereise?

00:08:20.000

Ole Liebl: Ja, Lesereise kann man sagen, ja.

00:08:21.000

Raúl Krauthausen: Also sind das vor allem Lesungen?

00:08:23.000

Ole Liebl: Das waren Lesungen maßgeblich, ja. Ich habe hier und da mal

eine Podiumsdiskussion gehabt in so, Südtirol, das war ganz witzig auch,

mit einer Sozialforscherin, die so Online-Dating macht, also für die, die es

jetzt gerade nicht wissen im Podcast. Ich habe ein Buch über Freundschaft

Plus geschrieben, ein Sachbuch und genau, dann saß ich da mit einer

Online-Dating-Forscherin und mit einem katholischen Moraltheologen.

00:08:43.000

Raúl Krauthausen: Oh mein Gott.

00:08:43.000

Ole Liebl: Durchaus konservativen Südtirol. Und das war, da die Leute

kamen natürlich, es war auch relativ voll, wahrscheinlich weil die gedacht

haben, jetzt fliegen hier die Fetzen. Aber es war dann doch

erstaunlicherweise eine sehr friedfertige und auch zugewandte Diskussion.

Ich glaube, das liegt einfach allgemein an so einem humanistischen

Menschenbild.

00:09:02.000

Raúl Krauthausen: Ja und wahrscheinlich haben dann so Leute auch

verstanden, dass es gar nichts bringt zu fronten, wenn die Gesellschaft sich

auch weiterentwickelt hat, ne?

00:09:12.000

Ole Liebl: Ja oder wir auch einfach in unseren Bereichen gesehen haben,

also jetzt, ob das jetzt der Theologe war mit seiner Paarberatung, eher so

Ehrberatung, ob das jetzt die Sozialwissenschaftlerin war mit, oder sie ist

Psychologin, ja, mit ihrem Online-Dating, also dass da Leute irgendwie

ge-ghosted werden und so einen unglaublichen Stress haben, sich die

ganze Zeit vergleichen zu müssen. Oder ich jetzt im Sinne von, ja, diese

Zwischenform, Zwischen Partnerschaft und Freundschaft, dass sich da

ganz neue Intimitäten entwickeln können, aber Leute auch unsicher sind

und Unverbindlichkeit eine Sache ist, dass wir überall feststellen,

Menschen leiden unter den gegenwärtigen Bedingungen und unter den

Unsicherheiten, die das mit sich bringt und wollen was dagegen tun. Undsetzen uns halt ein für eine andere Langsamkeit, für ein anderes

Miteinander und ich denke, da kommt man auch über Konfessionsgrenzen

auch ganz gut zusammen. Also bei uns hat es auf jeden Fall geglückt.

00:10:00.000

Raúl Krauthausen: Was ich so interessant finde, dass du dann schon

manchmal in einem Podcast, wo du über dein Buch sprichst, oft so gefragt

bist, als ob du jetzt hier die neue Normalität, sagen wir mal, bewirbst und

alle sollen jetzt nach diesem Konzept leben. Aber das sagst du ja nicht.

00:10:19.000

Ole Liebl: Nein, an keiner Stelle.

00:10:20.000

Raúl Krauthausen: Aber du bist ständig so gefragt.

00:10:22.000

Ole Liebl: Ja, ich bin mir nicht ganz sicher, ob das so eine Medienlogik

auch ist, damit man irgendwie draufklatschen kann. Ohne Liebe steht für

die neue Revolution der Lieb oder das ganz andere Leben und jetzt müssen

wir das genau. Und da denke ich immer so, Gott, das will ich, als ob ich

hier irgendwie wieder Mose von Berg Sinai, ihr mit den zehn geboten, wie

sie jetzt eine Freundschaft plus zu führen haben, das würde mir ganz

fernliegen. Ich werde sowieso auf verschiedene Weisen gefragt. Also

manchmal werde ich als Privatperson gefragt, das ist auch heiß, so dann

kriege ich einfach so, und wie machst du das? Und ich denke, ich habe ein

Sachbuch geschrieben. Und ich meine, das ist ja nicht keine Autobiografie.

Ich meine, wenn du irgendwie, wie heißen die Ärzte, die für

Verdauungszuständigkeit sind? Gastro, Entro, irgendwas mit Gastro? Die

werden ja auch nicht nach ihrem Stuhlgang gefragt. Also ich finde das so

ein bisschen absurd. Naja, und dann wird man manchmal als

Paartherapeut, der ich auch nicht bin, angefragt. Und meistens werde ich,

also ich würde mir manchmal wünschen, so ein bisschen mehr als Experte

gefragt zu werden. Aber na gut, das ist ja so Medien, ich meine, die haben

auch nicht viel Zeit. Die Leute müssen irgendwie das ganze Buch von

vorne bis zum Ende lesen. Das wird meistens irgendwie einmal quer

geschossen. Und da stellt man so ein, zwei Fragen, die einem gerade so in

den Kopf kommen. Und das sind dann halt meistens dieselben. Ist auch

okay.

00:11:29.000

Raúl Krauthausen: Wie weit hat denn deine Recherche zu diesem Sachbuchdein eigenes Leben neu bewertet? Also muss ja nicht, wie ich geändert

habe, mein Verhalten, aber hast du gedacht so, ach krass?

00:11:42.000

Ole Liebl: Also Schreiben ist ja schon auch ein abgefahrener Prozess. Also

ich meine, es hat jetzt, auch wenn man jetzt erstmal so von außen „nur“

Sachthemen recherchiert, natürlich versuche ich Verbindungen

herzustellen von irgendwie historischen Entwicklungen und von

Geschlechterverhältnissen und von weiß ich nicht was allem zu den

Beziehungsrealitäten der Gegenwart. Und natürlich versuche ich das auch

abzubilden, was sehe ich so in meinem Bekannten- und Freundeskreis, was

sehe ich in meiner eigenen Beziehung. Und plötzlich tue ich da so Sachen

auf, also gerade zum Beispiel was so Ehe angeht, ich habe einen Kapitel

über Ehegeschichte, wo ich wirklich anfange so mit Luther, einfach weil

ich Nerd bin, also ich bin da gerne so ein bisschen zu detailliert, würde ich

sagen. Und habe einfach mal mir überlegt, so hey, was ist denn eigentlich

so in der Ehe passiert? Also ich meine, dass wenn Sexualität so lange

innerhalb nur der Ehe stattfinden durfte, dann muss sich ja offensichtlich

ja noch was verändert haben, auch an der Bewertung von außererlischer

Sexualität, damit wir heute etwas freiere Formen der Beziehung leben

können. Also habe ich mir eben die Ehegeschichte angeschaut und dann

auch einfach überraschenderweise gemerkt, wie unfassbar viel da passiert

ist. Und ich bin selber verheiratet und das hat so ein bisschen angefangen

als so eine Corona-Schnaps-Idee. Und so kann man ja mal machen und

wir sind eh so Fashion- Leute und dann war so, wie könnte man das so

kleiden und so, wie kann man das irgendwie so queer und cool und weiß

Gott was alles machen. Und plötzlich wird das so eine Realität und wir

waren da vielleicht auch ein bisschen blauäugig, einfach das zu machen

und dann erst im Prozess zu merken, was für ein krasser Vertrag das auch

ist und was für eine Geschichte der auch hat. Also wie viele Kämpfe da

eingeflossen sind, damit die Ehe so aussieht, wie sie heute aussieht. Also

das finde ich, das hat mich sehr beeindruckt. Und das Schreiben an sich

und nochmal vielleicht auf die Hauptfrage zurückzukommen, vielleicht ein

bisschen genereller, ist natürlich auch eine Tätigkeit, die immer wieder

zum Nachdenken und zur Selbstkritik auch einlädt. Und natürlich macht

das was in der Art und Weise, wie ich mich mit Menschen dann auch

verbinde oder verbinden möchte oder dass ich das auch nochmal anders zu

schätzen weiß, wenn ich merke, okay, für mich ist wirklich so eine

freundschaftliche Verbindlichkeit ein ganz wichtiger Punkt, um jetzt eine

sexuelle Freundschaft auch zu funktionieren zu bringen, wenn man das so

nennen möchte. Dann fange ich an, meine Freundschaften auch anders zuschätzen. Also nicht nur meine sexuellen, sondern allgemeinen

Freundschaften für ihre Verbindlichkeit, für ihre Stabilität, für die Liebe

und die Zuneigung und die Wärme, die sie einem entgegenbringen.

00:14:03.000

Raúl Krauthausen: Das finde ich total interessant, weil du hast in einem

Podcast mit Tara Witwer, glaube ich war das, hast du gesagt, dass wenn

Ehe so lange so dominant war und man nur innerhalb der Ehe Sex haben

soll, dann galt das ja für homosexuelle Menschen, die ja lange Zeit nicht

heiraten durften. Da musste man ja eine Lösung finden, wie man dann

trotzdem Sex haben kann. Und dann war das irgendwie, keine Ahnung, wie

hast du gesagt, Mitbewohner und ein Freund. Aber das war ja ein Tabu,

Sex mit Freunden, wenn du nicht verheiratet bist.

00:14:37.000

Ole Liebl: Ja, überhaupt, das ganze homosexuelle Begehren war ein Tabu.

00:14:40.000

Raúl Krauthausen: Genau, und das letztendlich, dass ja diese Freunde

lieben, ihren Ursprung vielleicht dann sogar in der queeren homosexuellen

Bewegung hatte.

00:14:50.000

Ole Liebl: Also ich würde dem deutlich zustimmen, dass da ganz andere

Formen von Intimität auch gepflegt worden sind und ein anderes

Bewusstsein auch drüber herrscht. Und gerade wenn es um dieses

Verdeckte geht, was eben nicht stattfinden darf, finde ich es auch immer

ganz interessant, sich anzuschauen, wie Hannah Arendt über Freundschaft

gesprochen hat, die jüdische Philosophin, die ja nun wirklich unter

Naziherrschaft gelehrt und gelebt und auch geschrieben hat. Und für die

Freundschaft ein Ort war, in dem man sich auch in einer politischen

Widerständigkeit öffnen konnte. Das waren Orte des Vertrauens und der

Wärme in einem Umfeld, das so feindlich war, dass es wirklich bis in den

Tod die Leute getrieben hat. Und da haben Freundschaften plötzlich einen

ganz anderen Wert, der jetzt nicht nur irgendwie so ein bisschen

Psychologie und ein bisschen Stress reduzieren, sondern das wäre eine

existenzielle Beziehung und in jedem Sinne des Wortes. Und ich glaube,

dass es sehr ähnlich war, also in queeren Kulturen sehr lange.

Freundschaften waren der Ort, wo man sich so öffnen konnte, wie man

war. Und zwar auch nicht nur im Sinne des Outings, sondern wirklich auch

im Sinne seiner Begehren und seiner Lüste.00:16:00.000

Raúl Krauthausen: Und dann vielleicht auch Eifersucht eine ganz andere,

kleinere Rolle vielleicht auch spielte.

00:16:05.000

Ole Liebl: Ich meine, Eifersucht ist natürlich immer ganz eng mit dem

Besitzdenken verknüpft. Das können wir uns auch, glaube ich, gar nicht

anders denken in einer Welt, die alles zum Produkt macht oder zu einer

Ware, die zu Eigentum werden kann. Dass da Beziehungen ähnlich

gedacht werden und insbesondere Beziehungen, wo auch Eigentum

dranhängt. Also vor allem Ehe. Ich meine, da geht es um Erdmassen, da

geht es irgendwie um Vermögenswerte, die von A nach B geschoben

werden. Da geht es um Familienplanungen und so. Also wirklich auch,

dass zwei Familien zu einer Familie werden und so. Das ist ja schon

immer begleitet gewesen von ökonomischen Überlegungen, wie man das

halt machen soll oder eben nicht machen soll. Dass da natürlich so etwas

wie Eifersucht, also jetzt in diesem, dass man das eher so als Besitzdenken

fasst, natürlich florieren kann, ist ja selbstverständlich. Ja klar. Und da

haben die Queers einfach gesagt, so, gibt eh keine Kids, ihr gibt eh keine

Familien, wir müssen eh alles im Geheimen machen. Dann ist auch

irgendwie auch egal. Also ist der Ruf fest ruiniert, lebt man sich ganz

ungeniert.

00:17:03.000

Raúl Krauthausen: Mir ist vor ein paar Jahren klar geworden, es gibt ja

Kulturen oder Länder und da müssen wir gar nicht weit schauen, wo

Mitbewohner*innen gar nicht so weit verbreitet ist wie in Deutschland.

Und für mich, ich habe mein ganzes Leben in WGs.

00:17:22.000

Ole Liebl: Ja, ich auch.

00:17:23.000

Raúl Krauthausen: Für mich ist irgendwie das aus so einem geiler

Familienersatz geworden, ohne die Familie nicht zu mögen. Einfach so,

mein Selbstfamilie fort, aber mit anderen Menschen. Da kann natürlich

auch alles passieren, wie in Familien ja auch. Und ich fand das irgendwie

so schön und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, immer noch

mit 40 bei meinen Eltern zu wohnen. Und es gibt Länder, in denen das

noch so ist.

00:17:47.000

Ole Liebl: Ob man mit seiner Wahlfamilie wohnt oder mit seiner Familie,

könnte man ja einwenden, ist jetzt erstmal gar nicht so der großeUnterschied. Hast du familiäre Gefühle gehabt zu den Leuten, mit denen

du in der WG gewohnt hast? Würdest du das so beschreiben?

00:17:58.000

Raúl Krauthausen: Nee, nicht unbedingt Familie, aber enge Freundschaften.

Also so wie Cousins vielleicht.

00:18:04.000

Ole Liebl: Cousins, ich finde Cousins ist sowieso ein guter, das ist wie so

Onkel oder Tante oder so. Kann alles so ein bisschen sein. Cousins ist ja

so gleichaltrig, im echten Sinne ist es mehr so Onkel-Tanten-Vibes. Voll.

00:18:17.000

Raúl Krauthausen: Und das habe ich irgendwie ganz gut gehört. Hast du in

deiner Arbeit, bei den Recherchen auch irgendwas herausgefunden? Ich

habe vor Jahren einen Artikel dazu gelesen, dass Tinder oder Plattformen

wie Tinder und diese ganzen Online-Dating-Plattformen auch

gesellschaftlich etwas machen, weil sich plötzlich Klassen treffen können

oder Menschen treffen können aus verschiedenen sozioökonomischen

Kontexten, die sich vorher nie begegnet werden.

00:18:40.000

Ole Liebl: Das stimmt auf der einen Seite. Da muss man natürlich mehr

differenzieren zwischen Stadt und Land. Also ich meine, ich bin auf dem

Dorf groß geworden. Also wenn du Tinder anwirfst, da bist du halt nach

fünf Swipes 30 Kilometer entfernt, so ungefähr. Also das ist auf jeden Fall

eine andere Realität. Aber bleib mal in einem eher städtischen Kontext,

sag ich jetzt mal. Ja, da gibt es diese Option, dass man Leute trifft, die man

sonst nie kennengelernt hat. Aber es gibt sehr, sehr große Untersuchungen

dazu, wo Online-Dating-Daten von eHarmony, von Hinge, also

Plattformen von Millionen von Leuten auch über Jahre hinweg

ausgewertet worden sind, um zu schauen, wie match es und wie match es

nicht. Und zum Beispiel so was wie Betriebssystem, also gleiches

Betriebssystem zu haben, erhöht die Matching-Rate.

00:19:24.000

Raúl Krauthausen: Du meinst Mac OS oder Windows oder was?

00:19:26.000

Ole Liebl: Android, ja. Weil schlicht und ergreifend natürlich sind, also

das mag erstmal absolut klingen, weil du siehst die ja auch nicht klar, aber

Leute mit Apple-Fonds haben tendenziell einen höheren

sozioökonomischen Status. Und das ist auf jeden Fall ein Hinweis darauf,

dass auch so ein Klassendenken nicht verschwunden ist. Also sehr schnellwerden Leute auch schon bewertet nach ihrem Äußeren, wie sie sich eben

darstellen können auf ihren Fotos, ob da Reisen zu sehen sind oder nicht.

Aber auch welche Aktivitäten dann man einfach nachgeht oder nachgehen

kann. Also wenn ich jetzt irgendwie Dates maßgeblich daraus bestehen zu

konsumieren, ja weiß ich nicht, ob ich das, wenn ich jetzt da aus einer

wirklich niedrigen ökonomischen Schicht komme, ob ich mir das so leisten

kann und will. Bin ja auch anders gewohnt vielleicht zu daten.

00:20:10.000

Raúl Krauthausen: Also Tinder ist ja vielleicht auch so die harte Plattform,

wie alle kennen. Aber es gibt ja so Nischen-Plattformen, oder die ein

bisschen mehr auf Diversity setzen, wie OkCupid oder…

00:20:20.000

Ole Liebl: Ich bin ja großer Fan von Feeld, Doppel E. Das ist halt einfach,

die Plattformen unterscheiden sich ja alle de facto gar nicht. Also meine

Güte, ob man da jetzt hier eine Frage macht oder hier noch irgendwie eine

Audiooption, also Jacke wie Hose. Ich glaube, das sind eher, dass sie mit

einer gewissen Ästhetik oder so, oder vielleicht auch ein bisschen mehr

durch Zufall in eine gewisse Zielgruppe reinrutschen, wo man sich dann

eher so findet. Also weiß ich nicht. Bumble hat für mich immer so einen

leichten Business-Touch. Feeld ist halt zumindest in Berlin wahnsinnig

queer, keine Ahnung warum. Aber es ist halt so, finde ich auch immer

spannend, in welche Milieus man da abrutscht. Aber ich glaube, die Leute

sind müde von Online-Dating. Weil es ist halt echt Arbeit. Also es macht

Dinge anders. Also bei der Große Hype ist vorbei. Also seit Corona,

wirklich 2021, wo die Online-Dating-Plattformen auch an ihrer Spitze

waren, weil anders ging es halt irgendwie nicht, weil die öffentlichen

Räume waren halt dicht. Sind auch die Börsenwerte relativ

zusammengesackt. Das ist zwar immer noch notwendig, weil die

öffentlichen Räume sich ja auch teilweise nicht wieder geöffnet haben oder

sich immer weiter verkleinern. Also wo trifft man sich denn heute?

00:21:19.000

Raúl Krauthausen: Ohne Kommerz.

00:21:19.000

Ole Liebl: Ohne Kommerz, genau. Und bitte, also in Deutschland flirten.

Boah. Als ich in Italien war, ich bin ja total die Flirt-Nudel. Ich liebe das.

Ich finde das ist wirklich was, was man wieder kultivieren kann. Also geht

es nicht um billige Anmachen, einfach ein bisschen blicken, ein bisschen

lächeln, meine Güte. Also…00:21:37.000

Raúl Krauthausen: Also du redest da sehr gespannt drüber. Du hast

geheiratet, ich meine.

00:21:40.000

Ole Liebl: Ach so, naja, okay. Also ich für eh eine offene Beziehung schon

immer. Also das wäre jetzt auch nicht so der Punkt. Und Flirting hat ja

auch nicht damit zu tun, dass man jetzt mit anderen Leuten unbedingt in

die Kiste springen möchte. Ich finde Flirting hat einfach mit einem

allgemeinen Frohsinn und einer Zugewandtheit auf fremden Leuten

gegenüber zu tun. Ich kann auch mit Leuten flirten, also weiß ich nicht, 60,

70 Jahre, das ist mir noch egal. Wenn die irgendwie frisch sind und

irgendwie Bock haben und irgendwie durch die Welt gehen und ein Eis

schlecken und die Sonne anlachen, dann lache ich sie auch an. Und wird

geflirtet. Klar.

00:22:10.000

Raúl Krauthausen: Ich habe mich immer gefragt bei diesen Online-

Plattformen von e-Darling über Tinder, also Smartphone oder Laptop, ist

das dann auch egal? Du kannst ja letztendlich deinen Partner so mehr

oder weniger zusammenklicken, ne? Also welche Haararbe, wie groß…

00:22:22.000

Ole Liebl: Na ja, erstmal digital, aber dann kommt das reale Treffen.

00:22:24.000

Raúl Krauthausen: Ja, ja, ja, genau. Aber du konntest nirgends sagen, ich

weiß noch nicht, ob sich das geändert hat, ob dein Partner eine

Behinderung haben kann. Du kannst sagen, die Person kann bi sein, ist mir

egal, oder welche Haarfarbe ist mir egal, welche Größe ist mir egal. Du

kannst nicht sagen, dass es einem egal ist, ob er oder sie eine Behinderung

hat.

00:22:41.000

Ole Liebl: Das wird in den Profilen ja auch gar nicht angegeben. Das

findet einfach nicht statt.

00:22:45.000

Raúl Krauthausen: Wenn dir alles egal sein kann, aber nicht das Merkmal

Behinderung, was sagt das über…

00:22:49.000

Ole Liebl: Es ist ja immer so ein zweischneidiges Schwert, ja? Also die

Plattformen würden sich vielleicht nicht rausreden mit, naja, also wennwir das einführen würden, dann würden ja Leute irgendwie einfach alle

Menschen mit Behinderung einfach sofort rausstreichen.

00:23:00.000

Raúl Krauthausen: Ja, aber macht man ja bei weißen oder schwarzen oder

blauäugigen vielleicht auch. Und du musst es ja nicht angeben.

00:23:06.000

Ole Liebl: Mir ist das wahnsinnig suspekt bei solche Plattformen. Also

wenn die das abfragen, ich geb das einfach nie an, weil ich das frech finde.

00:23:12.000

Raúl Krauthausen: Was gibst du nicht an?

00:23:14.000

Ole Liebl: Alle. Also alle Daten außer Alter, geb ich eigentlich einfach

nicht an.

00:23:18.000

Raúl Krauthausen: Egal. Wie viel wiegst du egal?

00:23:21.000

Ole Liebl: Oh und Raucher. Das finde ich wichtig. Das finde ich wichtiger

als alle Sachen. Ich könnte nicht mit einer Raucherin oder einer Raucherin

zusammen sein.

00:23:27.000

Raúl Krauthausen: Ach so, also nicht Raucher?

00:23:28.000

Ole Liebl: Ja, das wäre mir schon wichtig.

00:23:32.000

Raúl Krauthausen: Aber du verstehst, was ich meine.

00:23:33.000

Ole Liebl: Aber ich verstehe ja schon.

00:23:34.000

Raúl Krauthausen: Weil ich hab sehr lange geglaubt in meiner

aktivistischen, persönlichen Biografie, dass der Jackpot der Inklusion eine

Partnerin ohne Behinderung ist. Ich dachte so, dann hab ich alles erreicht.

Dann fiel mir auf, ich war Single, dann hab ich halt gegoogelt, dann werd

ich Plattform ausprobiert. Ich konnte das nirgends angeben und dann

musstest du es selber in deine Biografie schreiben oder in deinem Kurzbio.

Und dann war natürlich die Ausleserate für andere extrem hoch. Also vonanderen extrem hoch. Und dann hab ich das irgendwann nicht gesagt, auf

einmal hatte ich mehr Dates, aber dann beim ersten Treffen war natürlich

auch klar, die Leute sind vom Kopf gestoßen, weil sie es nicht vorher

wussten. Und dann dachte ich, ok, da hab ich keinen Bock mehr drauf und

hab dann aufgehört mit Online Dating. Dann hatte ich irgendwann Glück,

lernte jemanden kennen.

00:24:24.000

Ole Liebl: Analog dann aber?

00:24:24.000

Raúl Krauthausen: Analog, durch Zufall auf einer Veranstaltung sowieso.

Immer das Beste, wenn man Leute echt trifft.

00:24:30.000

Ole Liebl: Und auch riecht. Also wirklich mit den Sinnen Menschen

wahrnimmt. Auch ihre Bewegungen und ihre Haltungen.

00:24:36.000

Raúl Krauthausen: Das Kribbeln ist ein ganz anderes. Also genau. Und

dann hatte ich diese Beziehungen und ich hab gemerkt, mal scheitert es

tatsächlich an der Behinderung, mal aber auch nicht an anderen Dingen,

dass dann Leute datet, die auch eine Behinderung haben, was lange

wirklich No-Go für mich war, dass da eine Welt ist, die jemand ohne

Behinderung nur sehr, sehr schwer erreichen kann. Also mir diese

Erleichterung zu geben, nicht das Gefühl zu haben, eine Last zu sein, das

fünfte Rad am Wagen, das ist das, was ich meine. Das fand ich total

faszinierend. Ich hab das mit, keine Ahnung, wie alt war ich da? Mitte 30

zum ersten Mal erlebt, dass da noch

mal eine Welt ist.

00:25:18.000

Ole Liebl: Und wie hat sich das dann abgebaut, dieser Gedanke, dass es

diesen Jackpot gibt? War das dann einfach durch die Lebenserfahrung?

Ich meine, klar, wenn man auch älter wird, dann ist es auch einfach

irgendwann so.

00:25:29.000

Raúl Krauthausen: Ja, also wirklich durch diese Lebenserfahrung einfach zu

merken, da ist noch meine Welt. Ich würde es nicht ausschließen. Ich

meine, ich habe jetzt geheiratet, also ich würde es jetzt im Moment schon

ausschließen. Also ich würde nicht sagen, dass Menschen ohne

Behinderung das nicht erreichen können.00:25:45.000

Ole Liebl: Aber es ist einfach ungleich schwerer.

00:35:46.000

Raúl Krauthausen: Aber es ist wirklich schwieriger. Deswegen verstehe ich

auch, wenn ich dann im Stadtbild sehe, dass Menschen dann doch auch

eher, also Schwarze untereinander, sich eher daten oder so. Ich finde das

auch traurig auf der anderen Seite, weil ich denke, ach man, warum ist das

so schwierig?

00:26:04.000

Ole Liebl: Ja, ich würde sagen, ist man wieder bei dem, was ich gerade

zum Online-Dating gesagt habe, dass sich halt diese öffentlichen Räume

schließen, dass sie immer kleiner werden. Weil ich meine, natürlich können

ganz viele Dinge abgebaut werden schlicht und ergreifend durch Orte der

Begegnung. Aber wo begegnet man sich denn heute?

00:26:15.000

Raúl Krauthausen: Ja, genau. Sport und Kirche.

00:26:18.000

Ole Liebl: Und ich meine, das nicht nur im Dating-Kontext, sondern

einfach allgemein. Sport und Kirche. Ja, Sport und Kirche.

00:26:24.000

Raúl Krauthausen: Ja, das ist das Einzige, was wir eins wählen. Das nicht

Konsum ist.

00:26:27.000

Ole Liebl: Nee, aber auch allgemein. Das können ja verschiedene

politische Organisationen sein, ob das jetzt in Gewerkschaften ist oder von

mir ist es auch in der Kneipe oder so.

00:26:35.000

Raúl Krauthausen: Aber dann ist wieder Kontext, aber, gut, Kneipe nicht,

aber das Konsum. Gewerkschaft ist Arbeit.

00:26:40.000

Ole Liebl: Okay, aber Kneipe, ich meine jetzt vielleicht eher in einem

etwas älteren Sinne. Also ich meine, heute ist ja ultra krasse Regularien

und so. Ich meine, es ist eher in einem Dorf oder so. Wir hatten ja früher

auf den Dörfern, das war jedes Dorf, egal wie klein, das war halt

irgendwas zwischen drei und zehn Kneipen. Das waren einfach

stinknormale Orte, wo Leute zusammenkommen und für ein Apfel und ein

Ei irgendwie ein kühles Getränk bekommen haben. So ohne groß jetztdamit hier noch Gewerbe und da noch Steuern und hier noch. Also das war

so ein bisschen, wie gesagt, das kann ja alles sein. Und wenn es die

Feuerwehr ist, ist es mir völlig egal. Aber zunehmend herrscht einfach der

Gedanke, es wird alles irgendwie besorgt. Es wird alles per Dienstleistung

irgendwie geregelt. Also mir fällt es irgendwie schwer.

00:27:16.000

Raúl Krauthausen: Lieberando. Aber dein Name Ole Liebl ist ja auch ganz

geil.

00:27:21.000

Ole Liebl: Der ist super. Also mein Geburtsname ist ein anderer. Ich habe

ja den Namen meiner Partnerin angenommen, weil ich das mir Ole Liebl,

hallo, also das klingt einfach wie ein Filmname. Sofort.

00:27:31.000

Raúl Krauthausen: Ein anderes Phänomen, das ich öfter auch besprochen

habe mit marginalisierten Menschen, Menschen mit

marginalisierungserfahrung, ist, dass die manchmal das Gefühl hatten,

beim Dating eigentlich eine Art Trophäe zu sein.

00:27:44.000

Ole Liebl: Naja, also ich kann gewissermaßen Relaten, was Dating angeht,

dass ich auch Schwierigkeiten habe, heterosexuelle Menschen zu daten.

Also in meinem Fall betrifft das heterosexuelle Frauen. Also ich merke

einfach, dass da ist, gerade wenn es jetzt irgendwie um eine sexuelle Ebene

geht, da merke ich, dass es ein ganz anderer Umgang irgendwie da ist,

eine andere Weise männliche Körper zu berühren oder von ihnen auch

Berührungen zu erwarten. Also dann denke ich mir so, ich weiß auch nicht

so genau, irgendwie würde ich, also diese Körperlichkeit und diese

Sensibilitäten, die sich da herausbilden, die haben sich einfach aus einer

ganz anderen Sexualkultur entwickelt, die auf Norm immer nicht so viel

gegeben hat und wo sowieso immer alles ein bisschen anders lief und

manchmal auch einfach, dann date ich lieber queere Leute.

00:28:35.000

Raúl Krauthausen: Ist einfacher.

00:28:36.000

Ole Liebl: Ist ein bisschen einfacher. Also da geht es auch wieder, definitiv

jetzt nicht so krass wahrscheinlich wie im Falle von Behinderungen, aber

trotzdem, also es ist einfach ein bisschen schwieriger für heterosexuelle

Menschen einen ähnlichen Zugang zu dieser freieren Form von

Körperlichkeit zu haben beim Sex.00:28:52.000

Raúl Krauthausen: Und wenn sie es dann machen, weil es dann so eine Art

Trophäe ist. Ich hatte auch mal Sex mit jemandem der.

00:29:00.000

Ole Liebl: Ja, also das kann ich natürlich nicht beurteilen, weil ich bin

dann dann meistens nicht dabei. Also ich will es ihr jetzt nicht böse

unterstellen.

00:29:05.000

Raúl Krauthausen: Also ich hatte dann oft das Gefühl, es ist dann eher so

eine One-Night-Stand-Nummer, dass so eine Trophäe sein. Also es war

schon nett mit ihr, aber eine ganze Beziehung mit ihr vorstellen, das kann

ich nicht.

00:29:16.000

Ole Liebl: Ja, das ist natürlich total die krasse Herabwürdigung. Man

denkt so, wow, danke, dass ich benutzt worden bin für diese Funktion.

00:29:21.000

Raúl Krauthausen: Das war schon schön. Das war jetzt nicht unbedingt

eine…

00:29:23.000

Ole Liebl: Nö, aber darum geht es ja nicht. Also es bittet sich einfach… es

gibt so einen Beigeschmack, der einfach so ist. Ja, genau.

00:29:28.000

Raúl Krauthausen: Das ist schon wirklich unangenehm.

00:29:30.000

Ole Liebl: Ja, weil das ja die Begegnung entwertet, die da real

stattgefunden hat. Also ich meine, warum begegnet sich Menschen?

Warum tun sie sich Gutes? Weil sie sich mögen und weil sie sich

zueinander zugewandt sind und nicht weil sie gegenseitig ihr Ego pushen

wollen. Also zumindest in meiner Vorstellung.

00:29:39.000

Raúl Krauthausen: Ich mache jetzt meine Confession. Also meine Frau weiß

das, aber ich habe sehr, sehr lange mir nicht vorstellen können, einem

Mann körperlich nah zu sein. Und erst in den letzten zehn Jahren oder so,

als ich immer mehr queere Menschen kennengelernt habe, habe ich auch –

und ich glaube, das hat noch eine andere Dimension, dazu komme ich

gleich – habe ich auch gelernt, wie schön es ist, einfach jemanden zu

Umarmen des gleichen Geschlechts. Einfach nur diese Umarmung. Und eshat aber auch was damit zu tun, dass ich grundsätzlich als kleiner Mensch

mit Behinderung selten umarmt wurde. Weder von Männern, wie von

Frauen, weil die Leute haben Angst, mir was zu zerbrechen oder… Ich

muss es selber auch erstmal annehmen, lernen. Vielleicht habe ich auch

etwas ausgestrahlt, das ich mich nicht so einfach umarmen kann. Auf jeden

Fall Umarmung habe ich dann natürlich erst von Frauen bekommen und

dann später aber auch von Männern. Und inzwischen schließe ich nicht

aus, irgendwann in meinem Leben auch mal was mit dem Typen körperlich

zu haben, mehr als Umarmung.

00:30:52.000

Ole Liebl: Und ich meine, das sind ja auch… das ist ja alles, wenn wir

reden so ewig in Zeiten von irgendwie „Alles ist ein Spektrum“, also

gerade für psychische Sachen, immer in verschiedenen Ausprägungen.

Also ich meine, was heißt denn, körperlich miteinander intim zu werden?

Das ist erst mal nur, sich nahe zu kommen, verschiedene Formen der

Erregung zuzulassen, aber auch eben des Abflauens von Erregung. Das ist

auch okay. Also das ist ein Kommen und Gehen. Und wenn es nur um und

um ist oder ein, zwei Küsse, dann ist es auch schön. Also ich meine…

00:31:20.000

Raúl Krauthausen: Voll, aber frag mal, heterosexuelle Männer…

00:31:23.000

Ole Liebl: Ja, I know, okay.

00:31:25.000

Raúl Krauthausen: Ich habe gemerkt, das eine ist so, ja, das kannst du in

einem Buch lesen, die Theorie, also intellektuell habe ich das glaube ich

durchdrungen. Aber das selber zu spüren, ist doch eine ganz andere

Nummer.

00:31:36.000

Ole Liebl: Voll, also ich meine, ich habe mich bis ich 25 war relativ

exklusiv als Schwul verstanden. Also das kam mir gar nicht in den Sinn.

Ich meine, ich bin jetzt mit einer Frau verheiratet. Und das hat sich dann

irgendwie so mehr zufällig als irgendetwas anderes ergeben.

00:31:47.000

Raúl Krauthausen: Oh, du bist gerade da, wollen wir heiraten?

00:31:49.000

Ole Liebl: Nein, nein, nein. Also ich habe angefangen mit Frauen zu

schlafen. Das war, ich muss jetzt nicht ausrollen, das ist ein bisschen zuprivat, aber es war die totale Überforderung. Ich wusste gar nicht, wo

oben und unten ist. Also weiß ich nicht, halt einfach andere Körper. Und

wo ich auch gar nicht so weiß, ob ich die so begehrenswert finde. Aber es

ist erstmal was anderes und ich war einfach wahnsinnig neugierig. Ich bin

eh neugieriger Mensch. Und mir so eine andere Körperlichkeit auch auf

andere Weisen zu erschließen. Also ich meine, gerade so in Pubertät, wo

so die ersten Regungen ja sich auftun, läuft ja sehr viel über das Visuelle.

Klar, du musst erstmal gucken, bevor du anfasst oder überhaupt in die

Position kommt, dass du überhaupt etwas berühren kannst. Das heißt,

Sexualität entwickelt sich erstmal maßgeblich über so die Optik. Und das

war bei mir halt bei weiblichen Körpern nicht so. Also ich hab die

angesehen und war so, okay, mach jetzt nicht so viel mit mir. Körper halt.

Aber wenn man diese Körper plötzlich berührt und merkt, okay, da ist

irgendwie eine andere Form und eine andere Weichheit, weiche, das

weiche. Also eine andere Art weich, aber auch auf viele Arten sehr

ähnlich. Die Wärme der Haut, die Schwere des Körpers und so weiter.

Natürlich weiß ich das erst mal abstrakt, dass alle Leute irgendwie in

dieser Hinsicht ähnlich sind. Aber das zu spüren ist noch was anderes.

00:33:14.000

Raúl Krauthausen: Genau.

00:33:14.000

Ole Liebl: Und so konnte ich mir irgendwie auch den weiblichen Körper,

sag ich jetzt mal, anders erschließen. Nämlich mehr über Berührungen,

über Begegnungen, über Bewegungen und auch so was wie Brüste. Also

wo ich andenke, so ja, keine Ahnung, macht halt nichts. Aber ich kann

mich nicht anfassen, weil ich so, das ist ja der Hammer, das ist ja total toll.

Und plötzlich war das irgendwie auch, konnte sich darauf basierend auf

diesen sinnlichen, wirklich realen Erfahrungen ein Begehren entwickeln.

Also das ist ein Wechselspiel. Ich hatte natürlich, das sind sexuelle

Orientierungen für viele Leute sehr fixiert, aber eben nicht für alle und das

kann man ja auch erst mal anerkennen.

00:33:51.000

Raúl Krauthausen: Wie frag ich das jetzt? Also ich mein, ich will ja

eigene Diskriminierungserfahrungen nicht absprechen. Manchmal habe

ich das Gefühl, dass die Leute, die dich dann in der Öffentlichkeit äußern,

zu Liebe, zu Körper, Body Shaming und so oder Body Positivity, das sind

dann doch Leute, die nach einer gewissen Norm, einer gewissen

Attraktivität entsprechen. Also du bist ja auch ein attraktiver Mann. Fälltes dir natürlich vielleicht leichter, über solche Themen zu reden, als wenn

du jetzt vielleicht nicht so attraktiv wärst?

00:34:24.000

Ole Liebl: Also Attraktivität würde ich jetzt in diesem Sinne nicht als was

Objektives betrachten, weil ich finde, alle Menschen könnten auf ihre

Weise schön sein und auf ihre Weise hässlich. Also selbst die hübschesten

Leute, wenn sie einen miesen Charakter haben, also das zieht vielleicht

beim ersten Mal, am zweiten treffen sie schon viel weniger und im dritten

denkst du, das ist der hässlichste Mensch, den ich je gesehen habe. Also

das vorausgeschickt ist es natürlich so, wenn Menschen von vielen anderen

Menschen als nicht attraktiv wahrgenommen werden und deswegen auch

einfach seltener sexuellen Kontakt haben und das auch einfach nicht so

einen Stellenwert in ihrem Leben hat, dann ist das total erstmal

verständlich, das kann man mal haben, nimmt einfach nicht so einen

Stellenwert ein. Ich weiß, dass ich vergleichsweise attraktiv bin, ich komme

sozusagen an Menschen mit, die mit mir schlafen wollen und mit denen ich

schlafen möchte und ich mach das auch sehr gerne und es tut mir auch

sehr gut und deswegen hat das in meinem Leben einen relativ hohen

Stellenwert. Also das ist was, was mich etwas angeht, was meinen Körper

irgendwie, was meine Verhältnisse mit meinem Körper irgendwie

verändert, wo ich mich in mich selber fallen lassen kann, wo ich irgendwie

in ein Vertrauen hinein bewege, was mich verankert in der sinnlichen Fülle

dieser Erde. Das ist was ganz Wertvolles.

00:35:41.000

Raúl Krauthausen: Also vielleicht wie so ein Privileg, das man aber nicht

teilen kann. Du kannst ja nicht einen Teil deiner Attraktivität abgeben,

damit andere Leute attraktiver sind, so wie du Geld abgeben könntest oder

Wissen oder keine Ahnung, Kontakte oder Reichweite.

00:35:55.000

Ole Liebl: Das stimmt. Ich kann nur hoffen, dass die Art und Weise, wie

ich Sexualität als etwas in Verbundenheit, als etwas eben sinnlich

verankertes wahrnehme, dass ich das in einer Tiefe erfahren habe und die

ich auch zur Sprache bringen kann, um andere Menschen hoffentlich dazu

zu bewegen und zu ermutigen, das weiter zu entwickeln. Ich meine, ja klar,

also Leute haben auf Online-Dating sehr unterschiedliche Ausgänge, was

so ihren Erfolg angeht, aber die meiste Sexualität findet doch in

Partnerschaften statt. Das ist einfach statistisch so. Und es gibt sehr, sehr

viele Menschen durch alle Atraktivitätsstufen, sag ich mal hinweg, dieverpartnert sind. Also Sexualität ist nicht nur den Reichen und Schönen

vorenthalten.

00:36:42.000

Raúl Krauthausen: Ja, das stimmt natürlich. Aber die haben es oft leichter.

00:36:45.000

Ole Liebl: Das stimmt.

00:36:46.000

Raúl Krauthausen: Du hast Philosophie studiert.

00:36:48.000

Ole Liebl: Das merkt man manchmal.

00:36:50.000

Raúl Krauthausen: Das wäre jetzt wirklich meine Frage gewesen. Wie weit

hat dir dein Studium der Philosophie beim Recherchen oder beim

Recherchieren oder beim Erarbeiten dieser Themen, vielleicht auch deine

eigenen Themen, geholfen?

00:37:04.000

Ole Liebl: Also ich habe Philosophie und Informatik gemacht und das sind

erst mal zwei Studiengänge, die sehr abstrakt sind, die sich aber auch

gleichzeitig in allen Wissensbereichen bewegen, was mich immer

interessiert, weil ich einfach wirklich ein wissbegieriger Mensch bin, also

in jedem Sinne. Diese Studien haben mich befähigt, mir sehr schnell sehr

diverses Material anzueignen. Das ist erstmal was, was ich allgemein an

diesen beiden Disziplinen wahnsinnig schätze. Und bei der Philosophie

noch wesentlich stärker kommt es eben auch noch darauf an, Dinge auf

den Begriff zu bringen. Ich möchte Dinge wirklich mit präzisen Worten

beschreiben, weil ich glaube, dass es einfach die Welt, die oft verwirrend

ist und diffus, ein bisschen klärt und man etwas freiere Sicht hat auf die

Horizonte, die sich einem da im Leben so eröffnen. Mir fehlt auch oft

gerade in Büchern über Beziehungen eine etwas sauberere Begriffsarbeit.

Da bin ich vielleicht ein bisschen penibel, so einfach aufgrund meiner

Vorbildungen her. Aber warum eigentlich nicht? Also gerade

Beziehungswelten sind nochmal doppelt diffuser, nebulöser, verwirrender

als viele andere Dinge in der Welt. Also gerade da braucht es meiner

Ansicht nach einfach eine klare Sprache, die immer noch ein Gefühl dafür

hat, dass menschliche Beziehungen sehr vielfältig sind. Also die jetzt nicht

so ein regides irgendwie so ein Programm irgendwie runterschreibt, so

muss es sein, kann nicht anders, aber ja.00:38:37.000

Raúl Krauthausen: Gleich geht’s weiter. Wenn Du diesen Podcast

unterstützen möchtest, dann kannst Du das mit einem kleinen monatlichen

Beitrag tun. Im Gegenzug kannst Du alle Folgen vorab hören und Du

wirst, sofern Du das möchtest, hier im Podcast namentlich genannt. Alle

Infos findest Du unter www.im-aufzug.de. Ende der Service-Durchsage.

Viel Spaß beim zweiten Teil der Folge.

00:39:05.000

Raúl Krauthausen: Das finde ich total interessant. Also wenn Du in Deinem

Studium quasi jetzt irgendwie gesagt hast, ich erweitere auch meinen

eigenen Horizont, man erweitert seinen Horizont, man hinterfragt Dinge,

die man immer viel gegeben hielt. Ich hab mal einen Film gesehen, der

hieß „Frohes Schaffen“, ein Film zur Reduktion der Arbeitsmoral.

00:39:24.000

Ole Liebl: Super Titel? Oder war das jetzt deine Zusammenfassung?

00:39:27.000

Raúl Krauthausen: Nein, da geht’s halt darum, dass wir arbeiten gehen,

nicht mehr hinterfragen. Dass wir das betrachten wie eine Religion, ist

halt so. Und wenn wir auf der Straße Leute fragen, warum gehen sie

arbeiten, dann benutzen die irgendwelche Gründe, die keine Gründe sein

sollten. So was wie, ja man braucht ja was zu tun. Ja, aber

warum musst Du arbeiten? Das kann ja auch ganz auf Bilder malen. Oder,

weil mir sonst langweilig ist. Ja, dann mach doch was Schönes. Und als

ich diesen Film sah, habe ich mich so ertappt gefühlt, weil ich so viel Zeit

meines Lebens in Arbeit stecke, bis heute, und das nie hinterfragt habe.

Und das ist ja vielleicht bei Ehe genauso. Es gibt Emilia Roig, die

das Buch geschrieben hat, „Das Ende der Ehe“, die auch einfach die Dinge

noch mal anders betrachtet. Ist das jetzt einfach wichtig, dass wir das…

00:40:20.000

Ole Liebl: Ich meine, gerade bei Arbeit wollte ich dann mal ein bisschen

auf das, also wenn wir jetzt schon darüber einsteigen, nochmal auf diesen

Punkt kommen, dass insbesondere Menschen, die unter Diskriminierung

leiden oder unter sehr starren Normen der Mehrheitsgesellschaft, gerade

in einer so strikten Arbeitsgesellschaft wie der Deutschen, und ich meine,

jede kapitalistische Gesellschaft wird auf Kürze oder lange eine

Arbeitsgesellschaft, weil das ist halt die Quelle des Reichtums für manche.

Dass da natürlich ein unglaublicher Druck auch herrscht. Also die Leute

gehen nicht arbeiten, weil man das immer schon so gemacht hat, sonderndie gehen arbeiten, damit sie als integriert, damit sie als normal, damit sie

als anständig gelten.

00:40:55.000

Raúl Krauthausen: Wohnung, essen.

00:40:56.000

Ole Liebl: Ja, also neben ihren materiellen Dingen, die sie sowieso kaufen

müssen. Aber ich meine, wenn ich jetzt höre, wie, also was heißt jetzt, in

den letzten Jahren oder Jahrzehnten über Migration gesprochen wird,

ausschließlich im Kontext von Arbeit, von Verwertbarkeit von Menschen.

Und das sind nur dann gute Migranten, gute Ausländer, wenn sie hier hart

und ehrlich arbeiten und nicht weich und unehrlich, was auch immer das

heißen soll. Aber ja, das finde ich immer wieder faszinierend. Und wenn

man dann schwenkt zu der Ehe, ist es ja ganz ähnlich. Also für viele

Menschen ist es auch einfach eine Notwendigkeit, eine Ehe zu führen. Mit

dem, was sie materiell zur Verfügung haben, mit ihrem Aufenthaltsstatus,

mit ihrer Nationalität, die also kein anderes Mittel haben, als in eheliche

Verhältnisse zu gehen. Und das finde ich ein Problem.

00:41:47.000

Raúl Krauthausen: Absolut. Ich bin überhaupt nicht auf dem Laufenden.

Aber es gab doch jetzt in den letzten Monaten, seit wir diese Regierung

haben, die Ampelkoalition, eine Veränderung, wo gesagt wurde, sowas wie

eine Verantwortungsgemeinschaft soll jetzt auch gelten. Was war dein

Kritikpunkt an der aktuellen Lösung?

00:42:10.000

Ole Liebl: Also was heißt Kritikpunkt? Ich habe ja gegen Emilia Roig, die

das Ende der Ehe fordert, eine Zerschlagung und radikale Neudenkung,

wo ich manchmal nicht so genau weiß, was sie damit eigentlich meint, eine

etwas andere Sicht auf die Ehe aus einer sehr historischen Betrachtung

heraus gewonnen, dass ich die vielleicht etwas provokante Ansicht

vertrete, dass ich die Ehe für eine sehr moderne Institution halte. Da sie

eigentlich ein Musterbeispiel ist, wie in einem liberalen Staat Gesetze sich

die ganze Zeit ändern hin zu einer zunehmenden Gleichberechtigung. Das

heißt nicht, dass wir am Ende sind, das heißt nicht, dass alles schon

erledigt ist. Aber die Ehe ist nun wirklich krass. Also was die in den

letzten, sagen wir mal, 150 Jahren an Entwicklungen durchgemacht hat,

das muss man erstmal suchen. Und das würde ich vorschlagen, als ein

Vorbild zu nehmen. Also da kann man ja auch sagen, Staat müssen wir

abschaffen und so weiter. Dann ist man aber wieder in einem anderen

politischen Feld. Aber solange wir eben einen Rechtsstaat haben undPrivateigentum und so weiter, finde ich die Ehe erstmal ein sinnvolles

Vorbild, die ja wirklich von der Wiege bis zur Ware alles einmal

durchdekliniert. Also ob das jetzt schichtenergreifend Einkommen,

Vermögen, Rente, aber auch Pflege, Kinder, Erziehung, Krankheit und so.

Das wird alles. Und wenn Leute in Not geraten, dann hat man ja auch

Verpflichtungen als Ehepartnerin. Das finde ich, und auch

Unterhaltszahlungen, gerade Trennungen und wer wie was machen muss

und so. Das kann man ja als Vorbild nehmen, wie so eine Art

Modulbaukasten, den ich mir auch wünschen würde, in Freundschaften zu

haben. Also dass ich sagen möchte, hey, ich kann mich mit dir vorstellen,

weil wir seit Jahren uns kennen und wir würden uns eine Hand ins Feuer

legen dafür. Lass uns gemeinsam ein Kind großziehen oder lass uns

irgendwie, oder keine Ahnung, wenn du ein Pflegefall wirst oder ich, wir

möchten die ersten Ansprechpersonen sein. Wir haben ja gesehen bei

Corona, wie notwendig das ist. Und dafür gibt es keine richtigen

rechtlichen Vereinbarungen. Das kann man alles privatrechtlich irgendwie

regeln, aber es kostet ja auch Geld. Und also sich einen Anwalt oder eine

Anwältin zu holen, halt nur dafür, da würde ich mir schon wünschen, dass

ein Staat einfach wie bei der Ehe ein festgelegtes Rahmenwerk, das kann

man immer noch individuell anpassen, aber im Prinzip zahlst du 30 Euro,

gehst zum Amt, machst eine Unterschrift und dann ist es geregelt. Finde

ich super. Finde ich wirklich super.

00:44:21.000

Raúl Krauthausen: Und wenn man jetzt quasi das öffnet für die Ehe für alle,

was Sie ja gemacht haben, dann geht das quasi für dich in die richtige

Richtung.

00:44:28.000

Ole Liebl: Das geht für mich in die richtige Richtung. Also

Familienverantwortung oder ja, wie Sie es genannt haben, ist ja de facto

das. Also dass eben auch in Freundschaften eine Familienverantwortung,

also die Sorge und Pflege von Kindern mit allen Rechten und Pflichten, die

mit einhergehen, passieren darf. Das muss man natürlich aufpassen, also

gerade mit so einer FDP in der Regierung kippt das natürlich schnell in so

einen, naja, da können wir jetzt den Sozialstand wegkürzen und halt, also

oder im Sinne von wir müssen jetzt nicht das dringend notwendige Geld in

Pflege und Krankenwesen stecken, sondern das können jetzt Familie und

Freunde übernehmen, das natürlich nicht der Weg, den ich gehen möchte.

00:44:05.000

Raúl Krauthausen: Die Arbeit und so, genau.00:44:07.000

Ole Liebl: So übrigens auch in die AfD gehen möchte, nur um das mal kurz

anzumerken, weil da zu wenig über Sozialpolitik gesprochen in der AfD.

Da muss man sich natürlich gegen wehren, aber an sich finde ich es eine

total sinnvolle Entwicklung.

00:45:15.000

Raúl Krauthausen: Aber da bist ja dann mit Emilia gar nicht so weit

auseinander.

00:45:19.000

Ole Liebl: Vermutlich nicht. Ich wollte mich auch schon immer mal mit ihr

zusammen treffen, hat sich bisher nicht ergeben.

00:45:24.000

Raúl Krauthausen: Wie Großartig. Also ich unterhalte mich sehr gerne mit

ihr. Ich glaube ihr Konfliktpunkt ist ja einfach das Patriarchat, das da drin

steckt. Das ist alles sehr männlich dominiert ist und immer noch.

00:45:35.000

Ole Liebl: Das stimmt, das kann man ja auch sagen. Also ich sehe es nur

etwas weniger streng als sie. Also ich glaube ich erkenne viel mehr die

Erfolge an und die Leistungen von feministischen Befreiungskämpfen. Und

bin jetzt nicht so ein Fan, das dann immer so festzuschreiben. Da gehören

beide Seiten dazu. Also nicht zu sagen, jetzt alles Friede, Freude,

Eierkuchen. Da bin ich voll auf Linie mit, weiß ich nicht, Shetta Kurt,

Emilia Roig und so. Aber ja, ich bin vielleicht auch einfach meiner Art

nicht so der schwarzmalerische Typ.

00:46:09.000

Raúl Krauthausen: Aber das finde ich total, gerade in Zeiten wie diesen, wo

ich das Gefühl habe, dass wir ja eigentlich nur noch unterscheiden, in

richtig falsch, like, nicht like. Dass ja eigentlich auch total wichtig ist

wieder diese persönliche. Muss man nicht immer alles davon anzünden,

muss auf da wieder ein bisschen Gelasseneit reinzubringen.

00:46:31.000

Ole Liebl: Ja, man kann sich auch ein bisschen Zeit lassen, bevor man was

anzündet. Wir werden alle 100 so. Meine Güte.

00:46:39.000

Raúl Krauthausen: Hitch hat mir gesagt, das fände ich auch interessant,

einfach auch mal zulassen, dass man es gerade nicht weiß.00:46:46.000

Ole Liebl: Ja, oder dass man falsch liegt oder falsch gelegen hat. Ich

würde mir eh wünschen, dass sich mehr Menschen darüber Gedanken

machen, was eigentlich von ihren politischen Grundüberzeugungen die

sind, die sie am stärksten anzweifeln. Das würde mich sehr interessieren.

Ob du dir spontan einer politischen Grundüberzeugung einfällt, die du am

meisten anzweifelst oder wo du am meisten unsicher bist, ob sie wirklich

stimmt.

00:47:10.000

Raúl Krauthausen: Boah, geile Frage. Also ja, ich kämpfe für Inklusion und

setze mich da sehr stark für das Thema ein. Und ich glaube, dass wir in

unserer eigenen Blase das mag man zu sehr verklärt haben als so eine Art

Bolabü oder Regenbogen Einhorn. Wir müssen uns da alle lieb haben und

dann klappt das schon. Und ich glaube, Inklusion bedeutet auch, dass wir

uns streiten werden, dass nicht alles super ist und dass es wahrscheinlich

auch konträre Meinungen zum Thema Barrierefreiheit gibt. Und dass wir

eher lernen müssen, damit umzugehen und diese Konflikte auch

auszuhalten und auszutragen, so wie Feministinnen sich ja auch nicht in

allem eilig sind. Und dass wir uns selber keinen Gefallen tun, wenn wir

immer sagen, ja, wir müssen es nur wollen. Weißt dz, was ich meine? Es

gibt auch diese Idee

00:47:59.000

Ole Liebl: Wir verfolgen doch eigentlich das gleiche Ziel. Vielleicht auch

mich.

00:48:02.000

Raúl Krauthausen: Ja, genau. Oder auch, es heißt ja immer Experte in

eigener Sache. Und da denke ich, nee, ich bin kein Experte im

barrierefreien Bauen. So, ich sitz im Rollstuhl zum Beispiel ja und was?

Ich weiß, was ich brauche, wenn ich ein Haus betrete. Aber wenn ich jetzt

ein Haus bauen müsste, sind froh, dass ich es…

00:48:18.000

Ole Liebl: Wo man das wie anbringen kann, muss, soll oder so. Der

Aufzug, Kaps klappt nach hinten und…

00:48:24.000

Raúl Krauthausen: Also, deswegen, dieses Experte in eigener Sache greift

mir manchmal ein bisschen zu kurz, weil wir haben auch ein paar zu noch

Expertinnen und idealerweise in eigener Sache auch. Aber eine

rollstuhlfahrende Architektin kann ja wahrscheinlich mehr überbarrierefreies Bauen sagen als eine nichtbehinderte Architektin. Aber nur

behindert zu sein, macht dich nicht zur Architektin.

00:48:44.000

Ole Liebl: Ja. Ich glaube, gerade in dieser Art über politische

Bezeugungen zu sprechen, erlaubt ja auch gerade in so aufgeheizten

Debatten auch eine viel klarere Meinung zu vertreten, weil du deine

Schwachpunkte und so die Kritik eigentlich schon mitlieferst. Und das ist

ja dann verzeihlicher. Dann trittst du eben nicht auf, wie jetzt der große

Apologet und sagen, so ist es und anders kann es nicht sein, sondern du

sagst, das verdreht dich in diesem Augenblick und wenn ihr an dieser oder

jener Stelle eure Einwände habt, dann sind sie wahrscheinlich berechtigt.

Aber ich habe noch keine gefunden.

00:49:16.000

Raúl Krauthausen: Aber was ich nicht mehr mache und das habe ich früher

so oft gemacht, ich widerspreche nicht mehr in der Öffentlichkeit. Ich

widerspreche nicht in der Öffentlichkeit. Ich sage jetzt nicht, Aktivist in XY

liegt falsch. Sondern ich versuche dann den direkten Kontakt oder in DMs

oder so meine Perspektive zu sagen, aber wir tun den anderen einen

Gefallen, also den Nicht-Inklusionsbefürworter*innen, wenn wir das

Gefühl vermitteln, wir sind uns selber nicht einig.

00:49:51.000

Ole Liebl: Ja, ja. Aber das ist ja dann auch irgendwie dein strategischer

Punkt und jetzt gar nicht so sehr, dass es jetzt deine tiefsten

innersten Überzeugungen betrifft.

00:49:58.000

Raúl Krauthausen: Nein, nein, einfach nur so im Umgang mit Kritik und ich

wünsche mir, dass man mich auch persönlich erstmal anschreibt, bevor

man mich öffentlich irgendwie ankackt.

00:50:05.000

Ole Liebl: Ist das schon passiert?

00:50:06.000

Raúl Krauthausen: Ja klar, passiert auch.

00:50:08.000

Ole Liebl: Also aus der Community sozusagen?

00:50:10.000

Raúl Krauthausen: Auch aus der Community, ja und ich denke so, ey du

kennst mich doch gar nicht. Guck mich doch mal an, lass mal Kaffeetrinken. Aber ja, es gibt dann so Dinge, die sich dann so verbreiten. Wie

gehst du denn mit der Öffentlichkeit um? Ich meine, du bist jetzt noch gar

nicht so lange im Online-Game.

00:50:22.000

Ole Liebl: Nee, seit eineinhalb Jahren mache ich das jetzt.

00:50:24.000

Raúl Krauthausen: Bist du aber Rocket-mäßig gestartet?

00:50:27.000

Ole Liebl: Voll. Ich meine, ich bin jetzt gerade auch in einer Phase, ich

habe den letzten Monat eigentlich kein Video gemacht, weil ich auch

gerade gemerkt habe, ich bin eigentlich in der Recherchephase.

00:50:37.000

Raúl Krauthausen: Hä? Du hast sechs Monate kein Video gemacht?

00:50:39.000

Ole Liebl: Nee, den letzten Monat.

00:50:40.000

Raúl Krauthausen: Ach, den letzten Monat, okay.

00:50:41.000

Ole Liebl: Was es ja für Internetzeiten oder TikTok Zeiten ist, ist das ja

wahnsinnig viel. Also wahnsinnig lang.

00:50:45.000

Raúl Krauthausen: Ja voll.

00:50:46.000

Ole Liebl: Praktisch bin ich schon nicht mehr existent. Gleichzeitig ist es

aber für mich ein Ansatz, dass wenn ich halt nichts zu sagen habe oder das

Gefühl habe, dass ich gerade nichts sagen möchte oder sage, dann lasse

ich es. Dass ich lieber Sachen gut recherchiere und mir sicher sein kann,

dass die auch stimmen und dann mache ich halt erst Videos.

00:51:07.000

Raúl Krauthausen: Stimmt, du bist Mr. Quellen-Nachweis.

00:51:09.000

Ole Liebl: Genau, das ist mir auch wichtig. Ich finde gerade in Zeiten, wo

man so viel behaupten kann, sind Quellen-Nachweise wichtig. Das heißt

nicht, dass ich Quellen immer perfekt lese bzw. perfekt interpretiere oder

so. Aber ich mache mich wenigstens, da sind wir wieder bei diesem Punkt,

halt offen für Kritik. Ich kann irgendwer sagen, wo es herkommt und dakönnen Leute sagen, hey, das muss man aber so und so lesen oder hier gibt

es die Studio oder so und dann hat man irgendeine Basis. Und ich glaube,

weil ich allgemein von meinem Naturell her so freundlich distanziert bin,

auch bei harten Themen und grundsätzlich auch so eine gewisse

Besonnenheit ausstrahle, zusätzlich einfach auch zumindest versuche, so

sachlich wie möglich, Sachen darzulegen, habe ich es nicht so krass mit

Hate, muss ich sagen. Also selbst aus dem gegnerischen Lager gibt es auch

einige, die mir zwar nicht zustimmen, aber wo ich doch auch regelmäßig

Nachrichten bekomme von so, hey, ich finde irgendwie alles scheiße, was

du sagst, aber du bist irgendwie sympathisch und versuchst ruhig und

objektiv zu bleiben. You try und deswegen gucke ich dir auch gerne zu und

das finde ich irgendwie, ja, es geht. Also man muss in der Welt nicht immer

nur polarisieren und ideologisieren, um ein Publikum zu erreichen und

auch hoffentlich zu begeistern.

00:52:14.000

Raúl Krauthausen: Aber es ist schon auch krass, also ich hatte ja auch

andere Leute zu Gast im Aufzug, Gazelle zum Beispiel, die so viel Hass

abbekommt.

00:52:23.000

Ole Liebl: Ja, aber Gazelle ist trans. Also da kann Gazelle ja machen, was

sie will, da kann sie sich auf den Kopf stellen mit den Füßen wackeln, das

ist völlig wumpe.

00:52:31.000

Raúl Krauthausen: Wie schlimm.

00:52:32.000

Ole Liebl: Einfach nur als Transperson bist du Teil eines so krass

aufgeladenen Kulturkampfes.

00:52:37.000

Raúl Krauthausen: Wie schlimm, aber auch aus den eigenen Reihen.

00:52:39.000

Ole Liebl: Ja, das finde ich immer wieder ein bisschen absurd. Also ich

habe es gesehen, ob irgendwie Gazelle jetzt trans oder nicht und ich war

so, what the f***. Wo sind wird hier gelandet.

00:52:50.000

Raúl Krauthausen: Aber sowas hast du noch nicht mitbekommen bei dir, ob

du queer genug bist oder?00:52:55.000

Ole Liebl: Ja, natürlich gibt es auch Leute, die sagen, was hältst du dich

hier mit Frauenthemen auf als Typ und so und dann denke ich mir so, ja,

keine Ahnung, das ist halt immer die absolute Minderzahl und einmal das

wurde ein bisschen übel genommen, da werde ich auch seither von meiner

Familie mit aufgezogen, vor allem von meinen Brüdern. Ich habe mal in

einem Video gesagt, da habe ich über den Begriff Flinta gesprochen, also

Frauen lesben intertrans, der ja oft dann einfach so an Räumen steht, so

Flinta only und dass man dann halt nur eben Frauen lesben intertrans und

non-binary halt reinkommen. Genau und die waren wichtig, die nonbinary,

das habe ich mir vergessen, weil ich gesagt habe, na ja, wenn ich und mein

Vater uns morgen entscheiden nichtbinär zu sein, das wurde nicht gut

aufgenommen. Also unabhängig davon, dass ich mich zu meiner

geschlechtlichen Identität öffentlich nie äußere, also wenn ich jetzt eine

Pistole an die Brust halten würde, würde ich mich als nicht-binär

bezeichnen, ich habe einfach gar kein Geschlechtsempfinden. Also ich

verstehe, ich beschäftige mich theoretisch sehr viel damit, aber real in

meinem Leben, ich verstehe das nicht. Ich habe überhaupt keinen Bezug zu

meiner Männlichkeit, Weiblichkeit, das ist einfach keine Kategorie, die ich

mich heimisch fühle oder die irgendwas mit mir macht.

00:54:02.000

Raúl Krauthausen: Aber du zweifelst deinen Namen nicht an.

00:54:03.000

Ole Liebl: Bitte?

00:54:04.000

Raúl Krauthausen: Du zweifelst deinen Namen nicht an.

00:54:06.000

Ole Liebl: Nö, ich weiß nicht, ich finde es manchmal auch ein bisschen, ich

würde jetzt nicht irgendwie meine Nicht-Binarität so sehr nach außen

kehren wollen und auch öffentlich machen und sagen, das ist mir jetzt

wahnsinnig wichtig, weil das meiner Ansicht nach auch ein männliches

Privileg verdeckt. Dass ich als Mann wahrgenommen werde und als

solcher in der Öffentlichkeit stehe und spreche, das ist mit einem

bestimmten Statusgewinn verbunden und den jetzt irgendwie so zu

verdecken und zu sagen, ich werde zu diskriminiert, weil ich nicht-binär

bin, ist nicht mein Style, das mache ich nicht. Und das wurde mir auf jeden

Fall ein bisschen böse ausgelegt, aber naja.00:54:43.000

Raúl Krauthausen: Wir haben vorhin über Arbeit geredet, wie würdest du

dich dann bezeichnen, was du beruflich machst?

00:54:47.000

Ole Liebl: Also mittlerweile würde ich sagen, ich bin Autor und Content-

Creator, das sagt man ja heute so. Influencer ist ja ein böses Wort, vor

allem wenn man Sachbücher schreibt, damit wird man gleich nicht ernst

genommen. Es ist auf jeden Fall ein Thema. Ich habe aber die letzten

Jahre in einem Pflegebetrieb IT gemacht.

00:55:03.000

Raúl Krauthausen: Das heißt, IT ist immer noch dein?

00:55:04.000

Ole Liebl: Ich würde mal sagen, ich kann das machen, aber wenn ich es

nicht machen muss, ist auch gut. Also es gibt mir gewisse Skills, die ich

jetzt auch so in meinem jetzigen Arbeitsleben verwenden kann. Ich arbeite

meiner Ansicht nach sehr schnell an meinem Rechner und sehr effizient

und sehr aufgeräumt und das ist wahnsinnig wichtig für alle möglichen

Dinge, ob das bei der wissenschaftlichen Recherche ist oder bei Steuer

oder Videoschnitt oder bei was allem, kann ich mit meinen Geräten sehr

gut arbeiten. Und das ist mir einfach so mitgegeben, weil ich ein gewisses

technisches Verständnis habe. Ich habe keine Angst vor Maschinen, was

die Grundvoraussetzung ist für IT-Jobs. Aber als ITer, das sich vielleicht

ein bisschen zu unbekannt wettet, da machen Leute anderen Shit. Das

würde ich mir nicht zutrauen.

00:55:44.000

Raúl Krauthausen: Aber wie bist du denn dazu gekommen, zu sagen, ey ich

mach jetzt meinen TikTok Insta-Kanal und rede über Feminismus,

Literatur, Bücher?

00:55:54.000

Ole Liebl: Naja, niemand wollte mein Buch verlegen. Man hat zuvon

gesagt, ey mach doch einfach TikTok. Kannst doch reden, das ist so eine

Kassette. Und ich war so, naja, wird schon passen. Und hab das gemacht

und es lief von Anfang an sehr, sehr gut. Und dann hab ich das so weiter

gemacht. Das ist ja auch so eine gewisse intellektuelle Eigenständigkeit,

die sich da herausbildet mit der Zeit.

00:56:13.000

Raúl Krauthausen: Und ist das noch so was, deine Haupteinnahmen Quelle?00:56:17.000

Ole Liebl: Ja, ich mache jetzt Videos für andere auch. Also jetzt,

abgesehen davon, dass man für Bücher auch ein bisschen Geld bekommt.

Nicht Wahnsinnig viel. Also einfach, das ist ein schlechter Job, wie viel

Zeit man reinsteckt. Aber ich meine, ich kann Bücher schreiben, das gibt

dafür Geld. Das ist erstmal schon auch schön. Und naja, ich mache jetzt

halt Videos, wo ich Bücher vorstelle für LinkedIn. Die sind auch öffentlich

zu sehen.

00:56:37.000

Raúl Krauthausen: Ja, darüber werden wir reden.

00:56:40.000

Ole Liebl: Genau, für die Rosa Luxemburg Stiftung mache ich jetzt noch

Videos. Genau. Und das ist erstmal, das trägt erstmal.

00:56:48.000

Raúl Krauthausen: Also ich folg dir ja schon viele, viele Monate. Und

irgendwann hat dann meine Frau mir ein Video geschickt über mein Buch.

Das ist so für LinkedIn gemacht. Irgendwie ist das mein Algo nicht

aufgetaucht.

00:57:00.000

Ole Liebl: Ja, das kann ich kurz sagen, wie es dazu kam überhaupt. Weil

LinkedIn kam auf mich zu und hat gesagt, hey, mach doch irgendwie

Buchvorstellungen für uns, die Bücher sollen irgendwie mit Arbeit zu tun

haben. Und das war erstmal alles, was sie wollten. Und ich war so, ja und

welche Bücher? Und die so, schlag doch mal was vor. Und ich war so,

well. Und dann habe ich mir gedacht, dann möchte ich doch bitte auch die

Themen ranbringen, die ich interessant finde, wenn wir über Arbeit

sprechen. Und habe dann, also wie gesagt, Bücher, die eher aus der

feministischen Seite kommen. Und ich fand eben auch gerade sowas wie

Klasse einen sehr wichtigen Punkt, der oft unterschätzt wird. Also einfach,

wie Leute überhaupt in die Lage versetzt werden, Vermögen aufzubauen

oder eben auch nicht. Und was es auch macht mit Chancen auf dem

Arbeitsmarkt, wie prekär oft Arbeit ist. Und da Behinderung gehört auf

jeden Fall auch dazu. Und deswegen war das für mich klar, es muss ein

Buch dabei sein, was das Thema behandelt. Und da hat es

glücklicherweise eins geschrieben, was noch nicht allzu lang her war, weil

ich ein bisschen aktuelle Bücher besprechen möchte. Und dann dachte ich,

so ist Gesetz und habe es vorgeschlagen und sofort genommen.00:58:04.000

Raúl Krauthausen: Und meine Frau meinte so, du hast nur drei von fünf

Sternen bekommen.

00:58:07.000

Ole Liebl: Nein, naja sieben von zehn.

00:58:09.000

Raúl Krauthausen: Oder sieben von zehn.

00:58:11.000

Ole Liebl: Ich bin aber ein harter Kritiker.

00:58:12.000

Raúl Krauthausen: Ja, das meinte sie auch, aber macht dir nichts aus, das

passiert öfter bei Büchern, die sie gut fand. Ich muss sagen, deine Kritik

kann ich voll nachvollziehen. Du hattest dir gewünscht, dass es mir in die

Tiefe geht.

00:58:23.000

Ole Liebl: Es wirkte für mich, weil natürlich geht es so ein großes

Themenspektrum eben auf. Und es gibt auch sehr viele Stimmen, die dann

zu Wort kommen in Interviews, in Gesprächen und so weiter. Und es hat

manchmal so ein bisschen den Charakter von einer sehr, sehr

ausführlichen und fundierten Broschüre. Weißt du, was ich meine? Also

Broschüre ist gar nicht so abwertend, sondern wirklich.

00:58:44.000

Raúl Krauthausen: Ja, ja. Es ist eher so ein Einblick.

00:58:46.000

Ole Liebl: Genau. Und das liegt vielleicht auch ein bisschen an der Art

und Weise, wie ich gerne Bücher lese oder warum ich Bücher lese. Weil

ich finde schon allein, also ich meine, ich habe mir jetzt in der Kritik, oder

was heißt Kritik, da habe ich auch ein bisschen vorgestellt, einen Punkt,

den ich besonders bemerkenswert fand, den ich sehr interessant fand, wo

ich immer so Ahnung hatte, dass das so ungefähr existiert, aber nichts

davon mitbekommen habe, halt für Werkstätten für behinderten Menschen.

Und ich dachte mir, hey, das ist so krass, also eigentlich hätte ich mir am

liebsten ein Buch darüber gelesen.

00:59:11.000

Raúl Krauthausen: Gibt es auch, aber eher klar. Genau.00:59:14.000

Ole Liebl: Aber das ist sozusagen, das ist ja, also aus dieser Perspektive

heraus natürlich auch als persönlicher Leser habe ich das Buch auch

kritisiert.

00:59:23.000

Raúl Krauthausen: Ja, finde ich fair enough, ehrlich gesagt. Und was wir

damals beim Schreiben des Buchs gedacht haben, war, erstmal wollen wir

Expertinnen, die nicht mehr Expertinnen in eigener Sache sind, sondern

auch echte Experten in dem Bereich sind, zu Wort kommen lassen. Also mit

Barbara Sima Rummel, die Architektin im Rollstuhl.

00:59:41.000

Ole Liebl: War ein super Interview.

00:59:42.000

Raúl Krauthausen: Ja, so. Und das war gar nicht so leicht, die zu finden.

Und dann musste das Buch aber so sein, dass es irgendwie auch jeder

versteht. Und dann hast du nur 256 Seiten und dann ist der Moment voll.

Aber ich verstehe voll.

00:59:54.000

Ole Liebl: Aber planst du noch?

00:59:55.000

Raúl Krauthausen: Ich habe jetzt ehrlich gesagt meine Leidenschaft entdeckt

für Kinderbücher.

00:59:59.000

Ole Liebl: Uh, sehr schön.

1:00:02.000

Raúl Krauthausen: Das ist nochmal eine ganz andere, ganz eigene Welt.

Und da hatten wir jetzt gerade ein erfolgreiches Kinderbuch draußen, als

Ela das All eroberte, über ein Mädchen im Rollstuhl, die Astronautin

werden möchte. Und die Erwachsenen haben Zweifel, aber sie nicht. Es

erzählt nicht, dieses jeder kann es schaffen, du musst nur an dich glauben.

01:00:21.000

Ole Liebl: Ja, das ist auch ein bisschen…

01:00:23.000

Raúl Krauthausen: Das ist auch nicht so einfach. Aber es erzählt eben, wann

wirst du eigentlich gestoppt und war das ein Recht, gestoppt zu werden.

Und gibt es nicht auch andere Wege, dass das vielleicht trotzdem gehenkann. Und das ist so erfolgreich, dass wir jetzt ein zweites Buch machen

werden.

01:00:37.000

Ole Liebl: Voll gut.

01:00:38.000

Raúl Krauthausen: Oder hätte ich auch nicht gedacht, dass ich jetzt

irgendwann in meinem Leben Kinderbuchautor.

01:00:43.000

Ole Liebl: Und wie ist das so, ich finde das, also jetzt aus so einer

Perspektive jetzt von Autor zu Autor, also das Schreiben für Kinder, also in

der Sprache, die man wählt, so in den Bildern, die man verwendet. Wie

kannst du dich in diesen Raum so begeben?

01:00:57.000

Raúl Krauthausen: Ja.

01:00:58.000

Ole Liebl: Stellst du dir immer vor, du würdest es vorlesen?

01:01:00.000

Raúl Krauthausen: Genau, kürzere Sätze, das ist immer wichtig, weniger

Fachbegriffe. Aber das kürzt man dann am Ende alles raus. Wir haben

vom Verlag eine ganz gute Struktur vorgegeben bekommen, dass du gesagt

hast, Lars, machst du irgendwie so 6, 7 Kapitel und du hast irgendwie 100

Seiten oder 96. Und dann hast du halt, sagen wir mal, 20 Seiten pro

Kapitel. Und das reduziert dann. Und dann am dritten Kapitel muss dann,

sagen wir mal, der Climax kommen und dann irgendwie so. Und dann

strukturiert sich die Geschichte von selbst und du kannst also so 2, 3, 4

Botschaften unterbringen, pädagogische Botschaften, wenn du welche

hast. Und dann überlegst du dir halt, wer ist der Antagonist, wer ist der

Protagonist und passt das jetzt gerade oder passt das eben nicht. Und

meine Kollegin, Adina Herrmann und ich, wir sitzen beide im Rollstuhl,

wir haben beide eine Behinderung und wir wollten einfach ein Kinderbuch

schreiben, das wir selber als Kinder gerne gelesen hätten.

01:01:59.000

Ole Liebl: Ja, das ist immer ein schöner Ansatz. Ich meine, ich mach die

Videos ja auch so, wie ich sie gerne selber sehen würde, als ich nichts

darüber wusste. Also Bücher, also glaube ich, ist ein guter Ansatz.

01:02:09.000

Raúl Krauthausen: Und das klingt so pathetisch, ne?01:02:11.000

Ole Liebl: Aber es ist genau das, was es ist.

01:02:12.000

Raúl Krauthausen: Ja und wenn man sich anguckt, was für schlechte Bücher

über Behinderung es gibt, die alle von Erwachsenen, von Eltern

geschrieben wurden, die selber nie wissen.

01:02:20.000

Ole Liebl: Also Kinderbücher über.

01:02:20.000

Raúl Krauthausen: Genau, über Behinderungen, die selber nicht wissen, wie

das ist.

01:02:24.000

Ole Liebl: Und woran merkt man das?

01:02:25.000

Raúl Krauthausen: Also kennst du Vorstadtkrokodile?

01:02:27.000

Ole Liebl: Nee, also ich kenne gar keine, deswegen freue ich mich an ein

Beispiel, weil mir einfach keiner.

01:02:32.000

Raúl Krauthausen: Genau, weil ich kenne es daran, dass immer die

Geschichte eingeführt wird mit einem Außenseiter. Also Person mit

Behinderung ist Außenseiter, das irgendeine Heldentat vollbringen. So, die

Heldenreise, ne?

01:02:43.000

Ole Liebl: Und dann wird es plötzlich anerkannt, das du Krokodil warst?

01:02:45.000

Raúl Krauthausen: Genau, aber nur weil du irgendwie Held warst. Und

dann denkt man mir so, nee, so haben wir das selber als Kinder gar nicht

erlebt. Also natürlich gab es auch Niederlagen und auch Mobbing und so,

aber wir wurden nicht immer gemobbt und wir waren auch nicht immer

traurig und es war nicht immer alles scheiße.

01:03:02.000

Ole Liebl: Und gerade bei Kindern, also ich meine, ich kann mich

erinnern, auf den Dorf hat unser Kindergarten dann auch so umgestellt auf

„wir wollen jetzt inklusiver sein“ und das war, ich meine, ich bin 92er

Jahrgang, also ich war und war Mitte der 90er. Und meine Mutter hat mirerzählt, dass ich eines Tages nach Hause kam und hab gemeint, ey, wir

haben ein neues Kind im Kindergarten, das ist total krass, das kann mit

seinen Füßen essen. Also das Kind würde ich heute sozusagen, als er

erwachsen ist, würde ich nach Hause kommen und sagen, das Kind hatte

keine Arme. Und Kinder waren erstmal so krass, sitzen auf dem Tisch,

kann mit den Füßen essen. Wild.

01:03:34.000

Raúl Krauthausen: Und alle probieren einmal aus.

01:03:36.000

Ole Liebl: Ja, so ungefähr. Also ja, genau. Und das fand ich irgendwie

eine süße Geschichte, an die ich mich nicht erinnern kann, aber ja.

01:03:44.000

Raúl Krauthausen: Genau. Und diese Perspektive gibt es halt gar nicht. Also

auch wenn du illustrierte Rollstühle siehst in Kinderbüchern, die sind

immer viel zu klobig, viel zu groß.

01:03:54.000

Ole Liebl: Hat das diese Illustration auch so ein, dieses Symbol?

01:03:59.000

Raúl Krauthausen: Das Problem.

01:04:59.000

Ole Liebl: Das Problem, der Rollstuhl. It’s present.

01:04:03.000

Raúl Krauthausen: Genau. Und das hilft einfach, ne. Und jetzt haben wir

eine zweite Kinderbuchidee. Ähm, erzähl ich jetzt nicht, aber Fortsetzung.

Und da arbeiten wir einfach an andere Themen, die uns als Kinder genervt

haben. Also eine Idee erzähl ich. Zum Beispiel, guck mal da drüben ist

auch jemand im Rollstuhl, befreundet euch doch mal. Guck mal da drüben

sind auch Kinder, spielt doch mal. Aber wenn die Scheiße spielen, bin ich

doch nicht…

01:04:28.000

Ole Liebl: Ja voll. Also ich meine, man wird ja nicht so ein besserer

Mensch.

01:04:31.000

Raúl Krauthausen: Ne. Ja, also wenn die Person kein Lego mag, ich aber

schon.01:04:39.000

Ole Liebl: Voll.

01:04:41.000

Raúl Krauthausen: So, dann spiele ich doch nicht mit der. Genau.

01:04:45.000

Ole Liebl: Ach das ist jetzt so absurd, wenn man kriegt so Beispiele nicht,

wenn ich höre, da denkt man einfach eine Sekunde drüber nach und dann

denkt man eigentlich Quatsch

01:04:51.000

Raúl Krauthausen: Und vor allem, dann gibt es doch diese andere

Phänomen. Es gibt ein sehr berühmtes Kinderbuch, das heißt irgendwie

anders. Allein dieses Othering ist ja schon ein Problem, aber…

01:05:00.000

Ole Liebl: Das es halt so abgefeiert wird auch.

01:05:00.000

Raúl Krauthausen: Genau. Und irgendwie anders ist alleine zu Hause, hat

kleine Freunde und eines Tages klingelt ein seltsames Etwas. Und

irgendwie anders und das seltsame Etwas werden beste Freunde. Und

dann denke ich so, muss ich jetzt erst andere Außenseiter kennenlernen,

um Freunde zu haben? Also was erzählen wir denn da Kindern?

01:05:19.000

Ole Liebl: Ja, die Freaks können nur mit den Freaks zusammenkommen.

01:05:21.000

Raúl Krauthausen: Genau. Das ist doch problematisch.

01:05:23.000

Ole Liebl: Das ist doch nicht ganz unwahr. Aber ja.

01:05:26.000

Raúl Krauthausen: Aber das ist eigentlich problematisch.

01:05:28.000

Ole Liebl: Ja, eigentlich schon.

01:05:32.000

Raúl Krauthausen: Weil das legitimiert den allen anderen, die keine

Außenseiter sind, mit denen ist ja nichts zu tun.

01:05:32.000

Ole Liebl: Und vor allem, ich meine, es sind ja auch gewissermaßen sehrmutlose Geschichten dadurch. Die Freundschaft, also explizit die

Freundschaft über alle Klassen und Stände und Konfessionen und weiß

Gott was, Körperlichkeiten hinweg, ist doch Vermögen, Bande zwischen

Menschen zu knüpfen. Also was, wenn nicht die Freundschaft?

01:05:54.000

Raúl Krauthausen: Und was zum Beispiel auch fehlt, aber vielleicht hat ein

Hörer, Hörerin da ein Buchtip für mich. Also Bücher über Sexualität,

okay. Gibt doch Bücher über Sexualität und Behinderung, okay.

01:06:05.000

Ole Liebl: Also für Erwachsene oder wie?

01:06:06.000

Raúl Krauthausen: Genau. Aber mich würde mal interessieren, ein Buch

über fortschreitende Behinderung oder Erkrankung, dass eher über das

Thema Akzeptanz geht, als über das Thema Schmerzen und Leid.

01:06:21.000

Ole Liebl: Also fortschreitend im Sinne von sowas wie MS oder sowas

würde es sein.

01:06:25.000

Raúl Krauthausen: Ja, Muskelschwund, ja. Und ich kenne so viele Leute, die

diese Erkrankung haben, die an Energie nicht verlieren, obwohl ihr

Körper abbaut. Also verstehst du, was ich meine? Und diese Anpassung,

die da drin stattfindet in diesen Menschen, natürlich bei all der Trauer und

bei all den Schmerzen, die ich ja nicht wegreden will, aber diese Kraft der

Anpassung.

01:06:50.000

Ole Liebl: Aber sind nicht Bücher über das Alter, also Sexualität im Alter,

nicht ähnlich? Weil da auch einfach Menschen, also es geht halt nicht

mehr so, wie man es immer gemacht hat.

01:07:02.000

Raúl Krauthausen: Ja, vielleicht muss man in die Richtung gehen.

01:07:03.000

Ole Liebl: Ja, das könnte man natürlich gut in Verbundenheit denken, das

wird wahrscheinlich nicht gemacht. Ja. Aber ich glaube, da ist auf jeden

Fall, also da sehe ich jetzt so spontan Verknüpfungen, was mit dem

Umlernen zu tun hat, Überlebensphasen.01:07:14.000

Raúl Krauthausen: Ich habe das noch in einem Workshop und da sagt der

eine, das ist auch ganz interessant, dass es leichter ist, mit Behinderung alt

zu werden, als im Alter behindert. Also bei als behinderter Mensch.

01:07:28.000

Ole Liebl: Ja, ja, ich muss nur darüber nachdenken.

01:07:29.000

Raúl Krauthausen: Du lernst ja, dass dein Körper sich irgendwie anders

verhält als andere Körper. Und damit alt zu werden, fällt dir vielleicht

leichter, weil du hast gelernt, dass dein Körper irgendwie anders

funktioniert. Aber wenn du als alter Mensch plötzlich eine Behinderung

bekommst, dann hast du ja so viel, dass du vermissen kannst oder dass

du… verstehst, was ich meine?

01:07:50.000

Ole Liebl: Ja, ich versuche es gerade auch noch zu sehen, wie es bei

meinen Großeltern auch war. Weil da hatten wir irgendwie so zwei

Entwicklungen irgendwie so. Meine eine Oma, väterlicherseits, Jahrgang

1927, also war eine richtig alte Schachtel, die kleine Oma. Die hatte sie ja,

bis sie also 94 war, sich standhaft geweigert, irgendeine Form von

Gehhilfe zu nehmen, weil sie, glaube ich, also ich meine, sie hatte meinen

Großvater lange gepflegt. Er war, hatte dann, ich glaube Ende der 80er, so

die Ecke rum, einen Schlaganfall gehabt. Und dann hat sie ihn bis, also

keine Ahnung, 15 Jahre oder was halt gepflegt oder mit gepflegt. Und für

sie war das, glaube ich, so, wenn sie da jetzt einmal, also ihre Autonomie

war ihr das Wichtigste. Und der Rollator war für sie ein Sinnbild von,

wenn ich da einmal dran bin, dann komme ich nie wieder los. Wenn ich

einmal meine Wohnung aufgebe, kann ich nie wieder einen Haushalt

haben. Und das hat sie wirklich eisernd verteidigt, also diese Form von

Autonomie, auch wenn sie eigentlich gar nicht so gut getan hat. Also es

war schon auf dem Level, dass man sie überreden musste, Mittagsschlaf zu

halten. Schon das hat sie irgendwie als Einschränkung erfahren. Das ist so

dieses Bewusstsein, es gibt kein Zurück mehr. Also ich glaube, das hat viel

gemacht irgendwie. Und gleichzeitig habe ich irgendwie gesehen, so bei

meinem Opa, mütterlicherseits, also meine Oma ist dann, also während

der Corona-Jahre sind meine Großeltern alle gestorben leider. Meine Oma

hat Krebs bekommen und das ging dann sehr, sehr schnell. Eigentlich

hatten wir gedacht, dass Opa vorher stirbt, weil der hatte eine diabetische

Nekrose und hat halt wirklich, das ging halt nicht mehr. Die mussten die

Beine abgenommen werden, also unterhalb der Knie, beide. Und plötzlich

war halt irgendwie, okay, Rollstuhl, wir müssen diese ganze Wohnungumbauen und so weiter mit dem Bad und so. Und im Gegensatz, super

dreckig teilweise, also wirklich so zwei Amputationen direkt untereinander,

das ist schon einfach auch für den Körper krass, wenn du alt bist. Dann

hat er dann noch eine richtige Grippe bekommen, also eine richtige

Influenza und so. Also der war kurz, so kurz davor. Und als er dann wieder

einigermaßen auf dem Dampfer war und dann meine Oma gestorben ist,

dann wäre er so, okay, und jetzt erst recht. Und ich so, und er so, ich

werde auf jeden Fall noch in Urlaub fahren und keine Ahnung, das kann

mir niemand nehmen. Und die Wohnung, naja, sie hat umgebaut, meine

Gebüte bringen ja auch nix und so. Und dann, ich kann jetzt nicht mehr so

viel rumfahren, aber ich will mir jetzt so ein fettes Vogelhotel vor das

Fenster bauen, damit ich jeden Tag Vögel gucken kann, bis ich nicht mehr

möchte. Und das hat bei ihm total viel freigesetzt. Also er hat auch einfach

nochmal gemerkt, dass er anders auf Menschen angewiesen ist, aber dass

es auch gut so ist und dass er das auch sich irgendwie nehmen darf und

also, und da überhaupt nicht… Ja, und auch irgendwie sagen kann, das ist

halt jetzt so. Ich meine, er war auch selber, also auch Arzt, da ist man

vielleicht in etwas pragmatischeres Verhältnis zum Körper, will ich mal

sagen. Also meine Güte, ja, beinahe, was hier da hat, gell. Aber das waren

so zwei ganz interessante Bewegungen in verschiedene Richtungen.

01:10:42.000

Raúl Krauthausen: Ja, spannend.

01:10:44.000

Ole Liebl: Ja. Obwohl ich zur Ehrenrettung hier meiner alten Oma noch

kurz sagen muss, also die, also in der Hinsicht war sie ein bisschen

verbissen, aber in der anderen Hinsicht war sie, glaube ich, der lustigste

Mensch, den ich je kennengelernt habe. Ich meine, die letzten Worte

meiner Oma waren ein Joke. Die hat einen Herzinfarkt bekommen, lag im

Bett, hatte, glaube ich, einen Ruhepuls von, keine Ahnung, 25 oder

irgendwas, also wahnsinnig niedrig. Und hat dann meinen Vater

angerufen und gesagt, er braucht Hilfe und so, der hatte sofort gewusst, da

ist was, kam der Notarzt in einem Drum und Dran, da waren sechs, sieben

Leute in ihrem Schlafzimmer und sie guckt sich einfach nur so etwas

benebelt um und sagt so, so viele fremde Männer in meinem Schlafzimmer

und das in meinem Alter und dann hat sie weggeschlafen und das war von

ihrer letzten Worte und ich war so, ey Oma, das gibt’s ja wohl nicht.

01:11:26.000

Raúl Krauthausen: Geiler Move.01:11:27.000

Ole Liebl: Was für ein Move. Also das wollte ich kurz hier noch mit zum

Besten geben, also ja.

01:11:31.000

Raúl Krauthausen: Hast du denn eine Kinderbuchempfehlung zu Themen,

die dir wichtig sind?

01:11:36.000

Ole Liebl: Nein, ich schreibe viel über Sexualität, das ist natürlich ein

bisschen ein Feld, was sich erst später auftut. Also, ja, ich war, I know, ich

weiß nicht, was du jetzt sagen möchtest, was möchtest du entwenden?

01:11:42.000

Raúl Krauthausen: Das ist ja auch gesellschaftliche Norm.

01:11:50.000

Ole Liebl: Ja, das stimmt.

01:11:52.000

Raúl Krauthausen: Das heißt nicht, dass wir Sex mit Kindern haben sollen,

aber dass Kinder irgendwie ihre Sexualität ja auch haben.

01:11:56.000

Ole Liebl: Ja, ja, absolut.

01:11:58.000

Raúl Krauthausen: Entdecken, ausprobieren.

01:11:59.000

Ole Liebl: Glücklicherweise setzt sich das auch einfach durch, da gibt’s ja

immer mehr Bücher, die sich auch mit einer kindlichen Geschlechtlichkeit

auseinandersetzen und dass Kinder ihren Körper irgendwie entdecken und

entdecken wollen und so. Das ist aber so krass, also es gibt kaum ein

Thema, was krasser tabuisiert ist als das. Also da wird ja wirklich mit

Frühsexualisierung von Kindern auch gerade von rechter Seite oder so

richtig Druck gemacht und ich denke mir so, ey, wir haben jetzt in jeder

Kita ein sexuellpädagogisches Konzept. Das ist ein wahnsinniger

Fortschritt, wenn man sieht, was das noch vor 20 Jahren der Fall war.

Und das ist in jeder Hinsicht zu begrüßen, dass da eine andere Offenheit

verherrscht, also dass es so was wie eine kindliche Sexualität gibt, die es

natürlich niemals auf andere Personen bezieht und die völlig

selbstbezogen ist. Also da gibt es da keine sexuelle Gemeinschaft. Ist ja

klar, das weiß man nach 120 Jahren. Also spätestens als Psychoanalyse istdas doch Gang und Gäbe. Ich finde das immer wieder erstaunlich, wie

umkämpft dieses Thema noch ist.

01:12:50.000

Raúl Krauthausen: Als ich neun war, habe ich mich mit meiner

Klassenlehrerin verliebt. Also ich weiß nicht, wann ist man kein Kind

mehr?

01:12:57.000

Ole Liebl: Naja, also ich glaube wirklich mit dem langsamen Beginn der

Pubertät fängt die Sexualität an, eine kindliche, die sie eben selbstbezogen

ist, auf die eigene Lust fokussiert, auf den eigenen Körper, sich an, auf

andere zu richten. Und zwar nicht nur, also auch Kinder können andere

Kinder dazu zwingen, sexuelle Handlungen mit ihnen zu verüben. Das ist

auch ein großes Problem, was Übergrifffigkeiten angeht. Aber auch das ist

ja keine Sexualität, die in irgendeiner Weise mit der Lust und der Erregung

des oder der anderen zu tun hat. Sondern die sich nicht nur darauf richtet,

dass ich das jetzt möchte, weil es sich für mich gut anfühlt.

01:13:27.000

Raúl Krauthausen: Mhm, so meinst du das.

01:13:28.000

Ole Liebl: Und in der Pubertät verändert sich das. Und plötzlich empfinde

ich einen Lustgewinn an deiner Lust. An der Lust des oder der anderen.

Dass es mir Lust bereitet, dich in Erregung zu sehen oder dir Lust zu

bereiten. Und dass ich sie auf eine Weise empfangen möchte, die uns als

eine soziale Beziehung näher zusammenbringt. Also die ein Verhältnis

stiftet und nicht nur eine Bedürfnisbefriedigung ist.

01:13:55.000

Raúl Krauthausen: Aber wo ziehst du die Grenze? Aber du hast ja trotzdem

auch als Kind Freundschaften gehabt, die jetzt nicht sexuell waren, aber

du hattest Freundschaften, die sich so ähnlich angefühlt haben, dass es dir

schon was bedeutet hat, dass die Person dich genauso mag.

01:14:09.000

Ole Liebl: Ja, aber das würde ich sagen ist die Fähigkeit zu lieben. Aber

die Fähigkeit, in einem erwachsenen Sinne sexuell zu begehren, hat damit

zu tun, dass ich Lust an der Lust des anderen empfinde. Dieses Verhältnis

kriegen Kinder nicht auf die Kette und das ist auch gut so.

01:14:25.000

Raúl Krauthausen: Aber das ist jetzt auch nicht so, dass man sagt, das fängtmit 12 an.

01:14:28.000

Ole Liebl: Nein, das ist bei den früheren, bei den alten später und bei

manchen Leuten einfach gar nicht.

01:14:33.000

Raúl Krauthausen: Oder gar nicht, genau.

01:14:34.000

Ole Liebl: Also Kinder erfahren ja auch die Erregung von anderen

Personen oder auch Sexualität oft als etwas sehr Beängstigendes, das sie

überhaupt nicht einordnen können, weil ihnen auch dieses Verständnis

dafür fehlt, dass es auch eine Form von Beziehung ist, die da gestiftet wird.

Oder auch einfach eine Form von Umgang, die sie sonst einfach nie

machen. Und ich finde es doppelt wichtig, völlig unabhängig davon, wie

Leute das jetzt irgendwie empfinden. Ich meine, wir müssen uns mit der

Realität auseinandersetzen, dass Kinder ab der zweiten Klasse harte

Pornografie konsumieren. Nicht in der Mehrheit, da fängt das an, aber es

fängt da an und wir haben es nicht verhindert und wir werden es auch, es

zeichnet sich zumindest nicht ab, dass wir es in den nächsten Jahren

verhindern können.

01:15:06.000

Raúl Krauthausen: Es geht auch, psychologisch gar nicht wirklich.

01:15:08.000

Ole Liebl: Kriegt man erstmal nicht mehr eingefangen, diese Büchse der

Pandora, die man da geöffnet hat und ich finde, damit müssen wir es

auseinandersetzen. Und deswegen ist eine sehr früh einsetzende

pädagogische Bildung von Kindern über Sexualität, über

Geschlechtlichkeiten wahnsinnig wichtig. Vielleicht wäre es in der anderen

Welt nicht nötig, aber es ist leider nötig.

01:15:24.000

Raúl Krauthausen: Und was wäre dein Kinderbuch-Tipp?

01:15:27.000

Ole Liebl: Achso, ich habe in der Tat keinen, ich weiß es nicht. Ich muss

ja mal gucken. Ich habe keine Kinder, deswegen. Und irgendwie in meinen

Freundschaften weigert man sich Kinder zu kriegen.

01:15:37.000

Raúl Krauthausen: Aber magst du Kinder? Kannst du mit Kindern?01:15:39.000

Ole Liebl: Ich kanns mit Kindern. Ich komme aus einer Großfamilie und

so, ich finde Kinder toll. Aber nur gut.

01:15:46.000

Raúl Krauthausen: Aber da wäre mal Zeit, dein Kinderbuch zu schreiben mit

deiner eigenen Neugier.

01:15:49.000

Ole Liebl: Ja, we’ll see. Das nächste Buch wird erstmal kein Kinderbuch,

wird noch ein Sachbuch für Erwachsene.

01:15:54.000

Raúl Krauthausen: Ich wollte gerade fragen, was wäre denn der nächste

Buch?

01:15:56.000

Ole Liebl: Wird sehr viel über Emotionen gehen, das wird sich noch

genauer schärfen. Ich bin mit dem Verlag im Kontakt. Genau. Nochmal

ausüben, aber ich bin da Guter Dinge.

01:16:07.000

Raúl Krauthausen: Ich habe jetzt nicht auf die Uhr geguckt.

01:16:08.000

Ole Liebl: Ich auch nicht, keine Ahnung?

01:16:09.000

Raúl Krauthausen: Vom Bauchgefühl würde ich sagen, der Aufzug kommt

langsam an.

01:16:14.000

Ole Liebl: Ja, wir haben auch gut abgekriegt. Also wir sind auch weit

gesprungen.

01:16:17.000

Raúl Krauthausen: Macht doch immer Spaß mit dir zu quatschen. Gibt es

irgendeine Organisation, ein Unternehmung, verein, die du unseren

Hörerinnen und Hörern eins Herz legst, sich mal damit

auseinanderzusetzen?

01:16:31.000

Ole Liebl: Ja, auf jeden Fall. Und zwar ja eigentlich eure hauseigene

Gewerkschaft. Also wenn ihr mit, wenn ihr arbeiten geht, bitte, bitte, bitte

tretet in die Gewerkschaft ein. Es ist wirklich, es ist absoluter Standard.

Wir kriegen Rechtsschutz. Die Leute sind freundlich. Man lernt wirklichviel über das Leben und über das Arbeitsleben. Das wäre mein Tipp. Ich

finde es wirklich, die Lohnerhöhen der letzten Jahre sind, also des letzten

Jahres sind maßgeblich auf Gewerkschaftsarbeit zurückzuführen. Und das

ist ein Erfolg, den man sich nicht wieder nehmen lassen sollte.

01:16:59.000

Raúl Krauthausen: Bist du ein Gewerkschaftsmitglied?

01:17:00.000

Ole Liebl: Also jetzt, da ich selbstständig bin, bin ich in keiner

Gewerkschaft mehr.

01:17:03.000

Raúl Krauthausen: Kannst ja trotzdem aus Solidarität.

01:17:04.000

Ole Liebl: Ja, ja, ja, das stimmt eigentlich. Ich meine, ja. Ja.

01:17:10.000

Raúl Krauthausen: Aber.

01:17:10.000

Ole Liebl: Nee, nicht, aber ja, es stimmt absolut. Aber ich, also als ich in

Anstellung gearbeitet habe, war ich einfach im Tag 1 in der Gewerkschaft.

Das ist einfach wahnsinnig wichtig. Und ich habe auch

Betriebsratsvorsitzender. Da war ich auch die, fast die ganze Zeit, wo ich

dort gearbeitet habe. Ich finde ich einfach auch, gehört dazu.

01:17:18.000

Raúl Krauthausen: Ich hatte mal ein ganz spannendes Gespräch mit Ori

Mittenmaier, der war früher Rider in Köln für eine dieser Essens-Fahrrad-

Lieferservices. Und der ist ein schwarzer Mann mit Hörbehinderung. Also

ich sage jetzt mal in der Kette. Ganz unten. Und dann gab es zu

Weihnachten, da wurde der Lohn nicht ausgezahlt. Und der hat sich so

schwach und so ohnmächtig gefühlt, dass er einfach andere Rider*innen

gefragt hat, wie macht ihr das wirklich damit um? Und wir haben

gemeinsam dann bei der Gewerkschaft für Ernährung und Gaststätten eine

Unterabteilung für Lieferant*innen.

01:18:13.000

Ole Liebl: Und das ist so wichtig, weil gerade die Gewerkschaften scheuen

sich auch aus nicht ganz unverständlichen Gründen total vor diesen

Arbeitern, weil die sind ganz kurz nur, also oft angestellt. Die sprechen oft

einfach zig Sprachen, aber nicht, die die Gewerkschaft anbieten kann. Das

ist für Gewerkschaften unsichere Beitragszahler, das sind sehr schwierigeVerhältnisse. Die Firmen sind meistens irgendwelche multinationalen

irgendwas. Das ist nicht easy, aber man muss es trotzdem schaffen.

01:18:38.000

Raúl Krauthausen: Aber er hat es jetzt geschafft, da bei der Gewerkschaft

eine Abteilung aufzumachen.

01:18:44.000

Ole Liebl: Schön.

01:18:45.000

Raúl Krauthausen: Und er sagt, das muss man machen, das ist so wichtig.

Gewerkschaftsarbeit ist viel nachhaltiger, als jeder einzelne Pubsaktivist,

wie wir beide sind. Also was bleibt denn, wenn wir gehen? Was bleibt

denn, wenn morgen der Algo uns abdreht?

01:19:02.000

Ole Liebl: Die sind halt einfach Partikel, die so durch das Internet strömen

und meistens wieder vergessen werden. Vielleicht bleibt bei mir das eine

oder andere Argument hängen.

01:19:08.000

Raúl Krauthausen: Ja klar, aber du weißt, was ich meine, die Offizierbarkeit.

Wir leben ja auch so von der Hand in den Mund als Konzentratur*innen.

Wenn wir in den Urlaub gehen, dann bestraft uns der Algorithmus. Das ist

schon auch alles ganz schön heftig. Eine Frage bleibt mir dann doch noch.

01:19:27.000

Ole Liebl: Ja.

01:19:28.000

Raúl Krauthausen: In schwierigen Zeiten wie diesen, was macht ihr

Hoffnung?

01:19:33.000

Ole Liebl: Das klingt jetzt ein bisschen bescheuert, weil ich ein Buch über

Freundschaft geschrieben habe, aber ich meine es wirklich todernst.

Freundschaften. Also Menschen, die mir da sind, die mich lieben und die

mir vertrauen und den ich nahe, die ich liebe und den ich vertraue. Das

schafft eine Hoffnung, die wirklich unzerstarrbar ist.

01:19:51.000

Raúl Krauthausen: Die Gegenargumentation wäre jetzt, das wäre aber der

Rückzug ins Private.01:19:55.000

Ole Liebl: Es bildet die Basis dafür, dass ich die Kraft habe und die

Energie und den Schwung und den Rückhalt überhaupt öffentlich tätig zu

sein. Also das gehört für mich zusammen.

01:20:06.000

Raúl Krauthausen: Das heißt, je mehr Freunde, desto mehr Aktivismus.

01:20:08.000

Ole Liebl: Um Gottes Willen. Das lasse ich mal unkommentiert.

01:20:14.000

Raúl Krauthausen: Also je besser die Freundschaften sind, desto mehr Kraft

kann man tanken, desto mehr Aktivistisch kann man sein.

01:20:18.000

Ole Liebl: Da würde ich zustimmen.

01:20:20.000

Raúl Krauthausen: So meinte ich das. Lieber Ole, das hat mir großen Spaß

gemacht.

01:20:24.000

Ole Liebl: Ja mir auch.

01:20:25.000

Raúl Krauthausen: Wenn du auch einen Podcast hast, ich komme gerne mal

vorbei.

01:20:27.000

Ole Liebl: Wir werden sehen, was auch noch kommt.

01:20:28.000

Raúl Krauthausen: Ja, schön, dass du da warst. Bis bald.

01:20:31.000

Ole Liebl: Gerne. Tschüss.

01:20:31.000

Raúl Krauthausen: Ciao.

01:20:34.000

Raúl Krauthausen: Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese

Folge Spaß gemacht hat, bewertet diese Folge bei Apple Podcasts, Spotify

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eine Produktion von Schönlein Media. Ich freue mich auf das nächste Mal

hier im Aufzug. In Rauls Aufzug entstehen immer spannende und

inspirierende Gespräche. Bei unserer Umfrage, welchen Prominenten die

Befragten gerne mal im Aufzug treffen würden, liegt dieser Mann auf Platz

1. Unser Bundeskanzler Olaf Scholz. Direkt danach folgen die

Sängerinnen Lena Mayer-Landrut und Helene Fischer. Am allerliebsten

fahren die Befragten aber in einer anderen Konstellation Aufzug – ganz

allein. Willst du noch mehr über Aufzüge erfahren? Dann steig bei uns ein.

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Das Bild zeigt Ole Liebl, der vor einem roten Hintergrund steht. Er trägt ein weißes T-Shirt und hat kurze dunkle Haare. Ole hat einen Schnurrbart und lächelt in die Kamera. Über ihm steht der Titel der Serie “IM AUFZUG”. Daneben ist sein Zitat zu lesen: „Ich halte die Ehe für eine sehr moderne Institution.“ Darunter stehen sein Name und die Folgenummer: „Ole Liebl - Folge 56“. In der unteren rechten Ecke steht: „Finanziert durch Steady Mitglieder“.

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Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann

Coverart: Amadeus Fronk

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