Wie divers ist die deutsche Musikbranche?
Wenn ich eins nicht erwartet hätte, dann, dass Mine mal Aufzugsmusik gemacht hat. Ihr Musikstil ist besonders und wird immer sehr abenteuerlich beschrieben. Ich wollte von ihr wissen, welche Musik sie in ihrer Jugend im Ländle geprägt hat und wie ehrlich sie in ihren Texten sein will. Wir sprechen über Helene Fischer, Mines aufwändige Musikvideos und ihre riesige Brillensammlung. Ob Hörgeräte auch mal Modeaccessoires werden und wie es um Diversity in der Musikindustrie wirklich steht – das erfahrt ihr in dieser Aufzugsfahrt mit Mine.
Mines Herzensangelegenheit:
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der Dank an die Supporter*innen Monika, Evelyn, Regina, Randolph,
Xaver, Ingo und Claudio. Danke für eure Unterstützung. Und schon geht’s
los mit der Folge. Wenn ich eins nicht erwartet hätte, dann, dass Mine mal
Aufzugsmusik gemacht hat. Ich bin Fan von ihr und nach unserem
persönlichen Treffen noch sowieso viel mehr. Ihr Musiksinn ist besonders
und wird immer sehr abenteuerlich beschrieben. Ich wollte von ihr wissen,
welche Musik sie in ihrer Jugend im Ländle geprägt hat und wie ehrlich
sie in ihren Texten sein will. Wir sprechen über Helene Fischer, Mines
aufwendige Musikvideos und ihre riesige Brillensammlung. Ob Hörgeräte
auch mal Modeaccessoires werden und wie es um Diversity in der
Musikbranche wirklich steht, das erfahren wir in dieser Aufzugsfahrt mit
Mine. Die Tür geht auf und wer kommt rein? Ich freue mich sehr, weil ich
stiller Fan bin. Heimlicher Fan, neuer Fan vor allem. Ich habe meiner
Frau deine YouTube-Videos gezeigt und deine Songs und sie ist inzwischen
auch ein Fan. Herzlich willkommen, Mine im Aufzug.
00:01:54.000
Mine: Hallo, danke, dass ich da sein darf. Ich freue mich sehr, bin sehr
gespannt.
00:01:57.000
Raúl Krauthausen: Gab es schon mal einen Awkward-Moment, den du im
Aufzug erlebt hast?
00:02:00.000
Mine: Ne, Awkward bestimmt, der mir gerade nicht einfällt. Als erstes
muss ich an Aufzugmusik denken, weil ich mal Aufzugmusik gemacht habe
mit Kolleginnen. Als ich studiert habe, da haben wir ein akustisches
Klavier in zwei verschiedene Aufzüge gestellt und haben Hintergrundmusik
gespielt.
00:02:23.000
Raúl Krauthausen: Wie geil, also die klassische Aufzugsmusik, dieses
Gedudel.00:02:27.000
Mine: Gedudel ist wirklich das perfekte Wort dafür. Das war es nämlich.
Wie oft beim Jazz ist es ja wirklich, vor allem wenn man über
akademischen Jazz spricht, dann ist das ja, also die Musik macht am
meisten Spaß denjenigen, die es selber gerade machen. Weil es viel mit
Improvisation zu tun hat. Das sehe ich bei Jazz aus den 50ern, 60ern
anders oder halt 20ern, 30ern je nachdem. Also frühere Jazzmusik. Aber
jetzt so die Jazzmusik, die so modern interpretiert wird von Leuten, die das
in Unis lernen, da geht das Gefühl schon meistens in diese Richtung, finde
ich leider. So ein bisschen seelenlos.
00:03:10.000
Raúl Krauthausen: Das finde ich total spannend, was du sagst. Weil ich
bekomme regelmäßig Gänsehaut, wenn ich sehe, wie jemand, der seine
Kunst macht, selber gerade richtig Spaß hat.
00:03:20.000
Mine: Ja.
00:03:21.000
Raúl Krauthausen: Also ich finde das mega ansteckend. Das überträgt sich
und das kann auch total absurd sein. Aber wenn ich sehe, dass die Person
einfach selber total aufgeht darin, dann steckt mich das an.
00:03:33.000
Mine: Ja, das fühle ich. Also das kann ich voll nachvollziehen. Allerdings
finde ich, wenn man sieht, dass es Sport ist, dass es quasi eher, dass es
nicht darum geht, dass derjenige gerade im vollen Flow-Moment ist. Weil
das kenne ich auch voll gut, dass wenn ich auch Musik höre, die ich
eigentlich nicht so, die mich eigentlich nicht so kriegt, weil ich noch nicht
genug Hörerfahrung dafür habe, dann kann das mir schon reichen, wenn
die Band miteinander gerade so krass zusammenspielt, dass sie sich selber
so euphorisieren, dass das auf mich auch total abfärbt. Aber wenn ich
merke, dass es darum geht, so schnell wie es geht, in allen Tonarten giant
steps runter zu dudeln, weil es halt voll krass ist, dass man das jeden Tag
acht Stunden geübt hat, dann fühle ich dabei tatsächlich ziemlich wenig.
00:04:19.000
Raúl Krauthausen: Also dieser Leistungsaspekt quasi.
00:04:21.000
Mine: Genau.00:04:23.000
Raúl Krauthausen: Ja, genau, da gebe ich dir recht. Ich finde es auch toll,
wenn Künstlerinnen Fehler machen.
00:04:24.000
Mine: Ja, voll. Also das heißt, ich finde halt, es sollte nicht um Fehler
gehen.
00:04:29.000
Raúl Krauthausen: Genau.
00:04:30.000
Mine: Also Fehler sind halt egal. Genau. Weil es geht am Ende um den
emotionalen Zugang bei Musik.
00:04:36:000
Raúl Krauthausen: Ich war neulich bei einem Theaterstück im Deutschen
Theater, wo Songs von Fanny van Dannen, dem Singer-Songwriter, als
Bühnenstück aufgeführt wurden. Und die Songs von Fanny van Dannen,
die sind ja oft sehr absurd.
00:04:51.000
Mine: Ich kenne ihn gar nicht.
00:04:52.000
Raúl Krauthausen: Du kennst ihn gar nicht? Okay, also der singt sehr
absurde Texte, so ein bisschen wie, ja, habe keinen Vergleich.
00:05:00.000
Mine: Macht nix.
00:05:02.000
Raúl Krauthausen: Aber englisch sprachig. So ein bisschen wie Rainer
Klewe. Und bei Fanny van Dannen, der ist auch Singer-Songwriter, unter
anderem für die Toten Hosen.
00:05:12.000
Mine: Ach.
00:05:13.000
Raúl Krauthausen: Und die Songs sind oft sehr absurd und
gesellschaftskritisch. Und die Schauspieler*innen, die das gespielt haben,
die haben teilweise auf der Bühne lachen müssen, weil das einfach so
absurd war, dass das definitiv nicht Teil des Stücks war, dass die gelachthaben. Und das ganze Publikum hat einfach mitgelacht, weil es einfach so
absurd war.
00:05:34.000
Mine: Das finde ich gut.
00:05:35.000
Raúl Krauthausen: Das finde ich richtig schön.
00:05:36.000
Mine: Ich auch. Aber war das dann Teilimpro Theater auch? Oder?
00:05:39.000
Raúl Krauthausen: Nee, also der hat halt super viele Songs geschrieben und
die Songs wurden dann quasi zu einer Geschichte zusammengedichtet. Und
dann haben wir eigentlich die ganze Phase Musical ohne Tanz.
00:05:50.000
Mine: Voll krass. Und welches Theater war das?
00:05:52.000
Raúl Krauthausen: Im deutschen Theater.
00:05:54.000
Mine: Ach so, das heißt so. Ich mag Theater eigentlich total gerne, aber
ich muss sagen, ich kenne noch total wenige Theater in Berlin. Ich fange
jetzt gerade richtig an, ich gehe morgen früh um 10 Uhr ins Theater.
00:06:06.000
Raúl Krauthausen: Echt morgen früh? Und was guckst du dir an?
00:06:09.000
Mine: Ich gucke mir „Was ihr wollt“ an, weil da mein guter Freund Henry
Jacobs spielt und da habe ich Bock drauf. Der hat auch die Musik dafür
gemacht und ja, ich finde es auch voll geil, dass morgens um 10 Uhr
Theater gespielt wird.
00:06:22.000
Raúl Krauthausen: Voll.
00:06:24.000
Mine: Das ist eigentlich wohl vor Schulklassen, aber das ist genau meine
Zeit. Ich bin so ein Tagmensch.
00:06:28.000
Raúl Krauthausen: Kommst du aus Berlin?00:06:30.000
Mine: Nee, ich bin in der Nähe von Stuttgart aufgewachsen.
00:06:33.000
Raúl Krauthausen: Auf dem Land, ne?
00:06:35.000
Mine: Ja, in so einem Dorf. Richtig ländlich ist das. Also schon ein Dorf,
aber halt nicht abgeschnitten, weil es halt in der Nähe von Stuttgart noch
war. Ja, bin dann schnell weggezogen.
00:06:49.000
Raúl Krauthausen: Wolltest du unbedingt weg?
00:06:50.000
Mine: Ja, ich wollte unbedingt weg.
00:06:51.000
Raúl Krauthausen: Warum?
00:06:53.000
Mine: Boah, es hat viele Gründe gehabt, aber ich glaube vor allem, weil
aus meinem Gefühl raus waren die Leute als sehr kleinkariert
wahrgenommen irgendwie und habe da nicht so richtig Anschluss
gefunden, so in allen Bereichen, so menschlich.
00:07:10.000
Raúl Krauthausen: Was hat dich denn zu der Person werden lassen, die
nicht kleinkariert ist?
00:07:13.000
Mine: Ich weiß es nicht. Ich glaube, weil ich mich selber wahrscheinlich
immer so nicht zugehörig gefühlt habe, war ich auch meistens mit
Menschen umgeben, die das geteilt haben. Und so lernt man natürlich
sehr, sehr viel über verschiedene Perspektiven kennen. Und das erweitert
den Horizont. Und ich denke, dadurch kann man sich auch von manchen
Denkstrukturen nicht lösen, aber doch so weit distanzieren, wie es denn die
Psyche zulässt.
00:07:43.000
Raúl Krauthausen: Du hast in einem relativ aktuellen Musikvideo deine
Schule besucht. Ist das ein aktuelles Video, wo du rückwärts durch das
ganze Gebäude laufst?
00:07:53.000
Mine: Ja, genau.00:07:55.000
Raúl Krauthausen: Das war dich total beeindruckend. Und in einem
Interview, ich glaube, es war mit Markus Kavka, hattest du erzählt, dass du
in der Schule auch gar nicht nur gute Erfahrungen gemacht hast.
00:08:05.000
Mine: Ja, wenig.
00:08:07.000
Raúl Krauthausen: War das so eine Art, wie sagt man, Versöhnung mit der
Schule oder Abrechnung?
00:08:12.000
Mine: Ne. Ne Abrechnung würde ich es nicht sagen, weil…
00:08:16.000
Raúl Krauthausen: Es war ja kein böser Text.
00:08:18.000
Mine: Ja, genau. Also es ging mir eher so darum, wenn diese
Konfrontation so ein bisschen rein ging, glaube ich.
00:08:23.000
Raúl Krauthausen: Für dich.
00:08:24.000
Mine: Ja, für mich selber. Also so aus dem künstlerischen Gedanken
heraus. Also die Produzentin, mit der ich das Video zusammen gemacht
habe, die sagte auch, „Wieso, machst was, mach um, geh mir denn nach
Stuttgart, das ist übelst weit weg, kostet voll viel Geld, lass uns das doch
hier einfach in Berlin in der Schule machen.“ Aber, weiß nicht, es ging mir
halt auch in den Text um so Sachen, die so ein bisschen damit zu tun haben
in der Schulzeit und ich fand das irgendwie cool, das dann auch da zu
machen. Und ich war auch seit dem Abi nicht mehr da und fand es
irgendwie crazy, da halt nochmal hinzugehen.
00:08:53.000
Raúl Krauthausen: Das ganze Video läuft rückwärts, du läufst rückwärts
durch die Schule, trotzdem sind aber deine Lippen synchron zum Text. Wie
hast du das geübt?
00:09:03.000
Mine: lange und intensiv. Ich habe den Song halt rückwärts gelernt. Also
ich habe erst mal transkribiert und dann nachgebessert, immer wieder
Videos aufgenommen und sie mir selbst angeguckt und geguckt, ob dieLippen so aufeinander passen und dann halt einfach geübt. Ich hatte aber
tatsächlich sehr wenig Zeit, also ich glaube acht Tage und dann habe ich
aber wirklich auch nichts anderes gemacht, viele Nachtschichten eingelegt.
00:09:26.000
Raúl Krauthausen: Boah krass. Also ich habe echt da gesessen und gedacht
so „äh?“ oder „wann nur diese Stellen vorgesungen?“ und ich habe
wirklich gerätselt, wie ihr das gebaut habt. Aber dasselbe ist mir sofort
aufgefallen.
00:09:36.000
Mine: Ja, ich muss halt sagen, ich bin nicht ganz zufrieden. Ich habe so
viel geübt und sehe Fehler, die da gemacht worden sind, aber am Ende
macht es das ja auch aus, Rock’n’Roll.
00:09:48.000
Raúl Krauthausen: Was war denn die Musik, die es auf dem Dorf oder auf
dem Land in der Nähe von Stuttgart so gab, die dich berieselt hat?
00:09:55.000
Mine: Na, ich war schon sehr abhängig von den großen Medien auch. Also
ich bin mit MTV groß geworden und viel, was mein Vater halt gehört hat.
Der ist ja leidenschaftlicher Musikhörer und der kommt so aus dem
Artrock bisschen, aber war auch immer sehr offen für viel Weltmusik
gehört tatsächlich auch. Und ich bin eher so mit Rap aufgewachsen, weil
ich viel im Jugendhaus war, als ich Teenager war und gleichzeitig aber
hatte ich auch eine Metalphase. Ich habe diese Identitäten irgendwie
immer so ein bisschen getrennt. In der Schule habe ich so Metal gehört
und in meiner Freizeit eigentlich nur Rap.
00:10:34.000
Raúl Krauthausen: War das dann geheim?
00:10:35.000
Mine: Nein, also heimlich habe ich tatsächlich nur Popmusik gehört. Ich
habe ziemlich viel, also Madonna zum Beispiel, „Ray of Light“, daran
werde ich mich immer erinnern. Oder sehr deprimierende Musik,
Cranberries und so. Das habe ich alles für mich gehört, weil ich das nicht
so exposen wollte, dass ich das höre. Jetzt denke ich mir, warum? Aber
damals war schon dieser Zugehörigkeitsdruck einfach. Als Teenie kennt er
jeder Mensch.
00:11:03.000
Raúl Krauthausen: Ja, verstehe ich. Und dann nach der Schule wolltest DuLehrerin werden?
00:11:08.000
Mine: Ja, aber ich wollte halt was mit Musik machen und Musikerin habe
ich jetzt nicht als Beruf gesehen. Also wusste ich nicht, dass es sowas gibt,
diese Möglichkeit. Deswegen habe ich gedacht, okay, ich mache jetzt
Aufnahmprüfung für Schulmusik mit Klassischklavier, aber ich war zu
schlecht und bin durchgefallen.
00:11:28.000
Raúl Krauthausen: Oh.
00:11:29.000
Mine: Ja, kein Problem.
00:11:32.000
Raúl Krauthausen: Und wie bist Du dann zur Musik als Beruf mit der Zeit
gekommen?
00:11:37.000
Mine: Das ist aus Versehen passiert. Also ich habe eigentlich gedacht,
dass ich das nicht so richtig vereinen lasse, weil ich schon künstlerisch frei
arbeiten will. Und ich dachte, das lässt Dich nicht vereinen mit, vor allem
je mehr ich über das Business so herausgefunden habe, wie das so
funktioniert.
00:11:54.000
Raúl Krauthausen: Was ja auch krass im Wandel war oder ist, ne?
00:11:56.000
Mine: Ja, das auch immer, aber auch, wie man als Künstlerin so arbeitet,
wie man am besten Songs rausbringt. Und habe ich schon gemerkt, das
kann ich irgendwie nicht so richtig mit dem Verein, wie ich mir das so
vorstelle. Deswegen dachte ich eigentlich, dass das nicht zu meinem Beruf
wird, sondern dass ich das so als Hobby mache. Aber über die Jahre ist
das einfach immer so ein bisschen größer geworden. Und irgendwann
habe ich gemerkt, ich habe in den letzten sechs Monaten gar keinen
anderen Job gemacht. Und irgendwie hat sich dann so entwickelt, das war
echt ziemlich magisch irgendwie. Klingt cheesy, ist aber so.
00:12:29.000
Raúl Krauthausen: Und nebenbei dann immer gejobbt oder?
00:12:31.000
Mine: Ja, genau.00:12:33.000
Raúl Krauthausen: Hattest Du viel Support?
00:12:35.000
Mine: Ne, ne. Ich habe immer viel gearbeitet, schon seit ich 13 war.
Deswegen war das für mich aber auch gar kein Problem.
00:12:40.000
Raúl Krauthausen: Was zum Beispiel?
00:12:42.000
Mine: Ich habe ziemlich alles gemacht.
00:12:44.000
Raúl Krauthausen: Zeitung austragen?
00:12:45.000
Mine: Ja, damit hat es so angefangen. Aber da war ich noch jünger, da
war ich glaube ich sogar noch so fünfte Klasse oder so. Ne, angefangen,
mein erster richtiger Job war im Freibad Eis verkaufen in den Ferien und
halt nach der Schule. So und dann hatte ich alles mitgekellert. Ich habe
auch mal lange gespült im Café, weil ich noch nicht 16 war und noch nicht
vorne arbeiten durfte. Ich habe auch geputzt eine Weile lang. Ich habe in
meinem Vater in einer Metallfirma gearbeitet, gestanzt, so Schlosskästen
zusammen. Das war richtig ätzend. Jeden Tag so 200 Schlosskästen. Man
fühlt sich wie ein lebendes Fließband.
00:13:25.000
Raúl Krauthausen: Oh Gott.
00:13:26.000
Mine: Aber ich habe auch sehr coole Jobs gehabt. Ich habe sehr gern
gekellnert, ich habe auch gerne im Lidl gearbeitet. Das Abkartonieren
habe ich gern gemacht. Und dann habe ich später, als ich Musik mit Musik
Geld verdient habe, habe ich dann Covermusik gemacht und als
Musiklehrerin gearbeitet.
00:13:43.000
Raúl Krauthausen: Ich habe ja leider musikalisch überhaupt kein Talent. Ich
habe als Kind Keyboard versucht zu spielen, aber ich glaube, das war
auch eher so eine Kindheitsidee. Aber ich habe großen Respekt und
Bewunderung, wenn ich Profimusiker*innen dabei zusehen kann, wie sie
einfach mit relativ wenig Üben, Proben, geprüft über einen Einspringen
oder einfach so die Situation erkennen. Es gibt so großartige YouTube-Videos, wo Drummer einen Song hören ohne den Rhythmus und dann dazu
drummen sollen. Das finde ich einfach krass. Und dann das fast genauso
klingt, wie der Original-Drummer das gedrumpt hat. Also da gibt es ja
ganz viele. YouTube ist ja sowieso ein einziger Hamsterbau, wo man sich
verirren kann und dann immer weiter geht. Aber da kriege ich wirklich
Gänsehaut.
00:14:36.000
Mine: Ja, weil Instrumentalisten, also ich kann das zum Beispiel auch
nicht, ich bin gar nicht. Deswegen, ich bin auch eher faul, was so Üben
von Instrumenten angeht.
00:14:45.000
Raúl Krauthausen: Wie viele kannst du?
00:14:47.000
Mine: Eigentlich nur eins. Und das ist auch nicht mehr so richtig. Also
Klavier konnte ich mal ganz gut spielen, ja. Aber ich drücke jetzt noch, ich
kann Akkorde drücken und so, aber ich kann jetzt keinen Chopin mehr
spielen. Dafür muss man wirklich üben jeden Tag. Das mache ich nicht.
00:15:00.000
Raúl Krauthausen: Das verlernt man, das ist nicht wie Fahrradfahren?
00:15:03.000
Mine: Nee, das ist nicht wie Fahrradfahren. Muss man wirklich üben jeden
Tag. Also es gibt auch Instrumente, wo man mehr oder weniger üben muss.
Also so Klavier und Gitarre und Drums ist glaube ich so das übintensivste.
00:15:16.000
Raúl Krauthausen: Kannst du dich an eine Situation erinnern, wo du deinen
Song mal gehört hast, was aber irgendwie vielleicht so eine absurde
Situation war?
00:15:24.000
Mine: Einer meiner Nachbarn hat mal einen Song von mir gehört.
00:15:27.000
Raúl Krauthausen: Ohne dass er wusste, dass du Nachbarin bist?
00:15:30.000
Mine: Ich denke ja. Ich weiß ja nicht, wer das genau war. Ich habe es nur
gehört durch die Fenster. Aber ich habe zum Beispiel noch nie aus
Versehen einen Song im Radio gehört oder so. Aber ich höre auch kein
Radio vielleicht liegs daran.00:15:41.000
Raúl Krauthausen: Könnte daran liegen, ja. Da war aber nichts, dass sie
dich vorher anrufen würden, wenn der Song gleich gespielt wird.
00:15:46.000
Mine: Wahrscheinlich. Hörst du Radio?
00:15:50.000
Raúl Krauthausen: Ich war früher ein großer Radio-Fritz-Fan.
00:15:53.000
Mine: Ja.
00:15:54.000
Raúl Krauthausen: Und habe dann auch gearbeitet für Jahre. Aber dann, ja,
im Teil von Spotify und Co. ist irgendwie Radio auch bei mir irgendwie aus
dem Medium verschwunden. Eigentlich schade.
00:16:04.000
Mine: Und wenn du so Musik hörst, hörst du dann so Playlisten, die du gut
findest oder lässt du dich vom Algorithmus treiben?
00:16:11.000
Raúl Krauthausen: Einfach so durchschaffeln. Und meine Frau kennt
einfach super viele Songs und spielt mir die auch vor. Und ich höre sehr
viel Deutschlandfunk, wo ja sehr wenig Musik läuft. Aber wenn Musik
läuft, dann Mine oder Elif, Enno Bunger habe ich das genannt. Und dann
zeige ich das immer meiner Frau und die kannte das dann oft noch nicht.
Und so ergänzt man. Sie ist aber eher so Hip-Hop-Rap.
00:16:36.000
Mine: Ah ja.
00:16:37.000
Raúl Krauthausen: Ja, das ist eher so ihr Ding.
00:16:39.000
Mine: Nice.
00:16:41.000
Raúl Krauthausen: Ja, finde ich auch sehr interessant. Dann von ihr so zu
erfahren irgendwie, keine Ahnung, Alligatoah und Feine Sahne, Fischfilet.
00:16:48.000
Mine: Wobei das kein Rap ist.00:16:50.000
Raúl Krauthausen: Nee, aber das zeigte sie mir auch. Ja. Die kennen die
ganzen Festivalplakate, aber ich kenne die Musik nicht. Obwohl ich bei
Fritz gearbeitet habe, aber das war vielleicht in der Wortredaktion
unterwegs.
00:17:08.000
Mine: Geht ihr auf Konzerte?
00:17:09.000
Raúl Krauthausen: Ja, wir waren bei Alligatoah.
00:17:11.000
Mine: Ah ja.
00:17:12.000
Raúl Krauthausen: Und das hat richtig Spaß gemacht in der Max-
Schwerling- Halle.
00:17:15.000
Mine: Der ist halt auch, der kommt vom Theater. Das ist ein Happening.
00:17:18.000
Raúl Krauthausen: Das hat man voll gemerkt.
00:17:20.000
Mine: Das ist ein Happening. Bei seinen Videos merkt man das auch
extrem für mich.
00:17:22.000
Raúl Krauthausen: Hast du ein Live-Konzert in einem seiner letzten
gesehen?
00:17:25.000
Mine: Nee, in der letzten habe ich nicht gesehen.
00:17:27.000
Raúl Krauthausen: Die hatte auf der Bühne so ein Förderband. Und auf
dem Förderband ist die Band immer links, rechts, links, rechts gefahren.
00:17:33.000
Mine: Nee.
00:17:34.000
Raúl Krauthausen: Und manchmal so Pakete und es war die ganze Zeit so
eine Art Baustelle oder einmal so ein Logistiklager oder so. So sah das haltaus. Und die haben super viel mit diesem Förderband gemacht. Das war
wirklich wie Theater, wie du sagst.
00:17:45.000
Mine: Ich denke mir auch immer so, boah. Also wie löst man das, dass
man nicht das Gefühl eines Konzerts, dass das nicht flöten geht? Also das
finde ich sehr beeindruckend. Ich war bei Rosalia letztes Jahr oder
vorletztes Jahr ende auf jeden Fall nicht so lange her. Und das war das
abgefahrenste Konzert, was ich mal im Leben gesehen habe. Also wirklich.
Und ich gehe sehr viel auf Konzerte, aber das war sehr beeindruckend,
weil es ein sehr großes Konzert war. Ich war gerade gar nicht mehr im
Velodrom oder so was. Und das war aber so nahbar und trotzdem aber so
ein Happening. Das finde ich immer Wahnsinn, wenn man das irgendwie
so hinkriegt, dass das so miteinander Hand in Hand geht.
00:18:26.000
Raúl Krauthausen: Also dass man nicht so das Gefühl hat, das ist irgendwie
so runtergespult, sondern authentisch.
00:18:31.000
Mine: Ja, dass es auf der einen Seite halt diese Bühne auch bespielen
kann, dass diese Größe vorhanden ist. Aber auf der anderen Seite eben
man auch die Feinheiten, das Direkte in der Musik nicht verliert. Weil
sonst wird es zu sehr wie „Ah ja, ich schaue mir das im Fernsehen an.
Kann ich mir auch im Fernsehen ansehen?“ Das habe ich mir schon oft
gedacht bei so großen Konzerten. Hätte ich jetzt nicht hingehen müssen.
00:18:55.000
Raúl Krauthausen: Weil man ganz hinten sitzt.
00:18:57.000
Mine: Ja, auch wenn man weiter vorne ist, weil das auch für die
Künstler*innen dann oft so ist, dass es wie so eine Scheibe gibt zwischen
Publikum und Bühne. Es gibt dann keine…
00:19:07.000
Raúl Krauthausen: Das ist ja auch an den Scheinwerfern liegt.
00:19:09.000
Mine: Ja, leicht, ja. Es gibt keine richtige Dynamik. Das finde ich voll
wichtig.
00:19:13.000
Raúl Krauthausen: Hast Du schon mal vor großem Publikum gerockt?00:19:17.000
Mine: So groß nicht, nee. Ich habe einmal auf dem Brandenburger Tor
gespielt. Da waren sehr viele Leute. Aber es hat sich eher angefühlt wie so
eine Proberaum-Situation und alle Leute standen so drumrum. Das war
nicht so… Also das habe ich nicht so richtig gecheckt.
00:19:32.000
Raúl Krauthausen: Was würdest Du gerne mal bespielen?
00:19:34.000
Mine: Ich habe keinen Traum dahingehend oder so. Ich finde es jetzt schon
ehrlich gesagt ziemlich beängstigt. Schön, aber auch so, ja, es ist was
anderes wie so eine 500er Club-Tour zu spielen.
00:19:50.000
Raúl Krauthausen: Ja, aber das ist doch schön, weil da hat man ja
wahrscheinlich danach auch noch Kontakt mit dem Publikum und muss
nicht gleich irgendwie weg. Aber so beim Max Schmellinghalle, da hatte
ich das Gefühl, ich muss weg.
00:20:03.000
Mine: Ja, voll. Also Menschenmassen auch einfach anstrengend.
00:20:08.000
Raúl Krauthausen: Genau, irgendwann wird es voll oder anstrengend auch.
Ich habe mich schon öfter hier im Podcast offenbart, dass ich in meinem
Studium irgendwie beigebracht bekommen habe, Kunst von Handwerk zu
trennen. Also zu sagen, kannst Respekt vor der Kunst haben oder vor dem
Handwerk haben, ohne die Kunst zu mögen. Und ich habe große
Bewunderung für Helene Fischer. Wenn Du Dir dann die Shows anguckst,
die natürlich alle total durch orchestriert, durch perfektioniert sind und die
Frau eine einzige Maschine ist, dann habe ich dafür Bewunderung. Ich bin
einfach beeindruckend. Ich meine, das kannst Du auch mit anderen
machen, mit Lady Gaga oder so. Aber Helene Fischer ist jetzt es gewesen.
Und jetzt, wenn man sich dann ein bisschen damit auseinandersetzt, war
einfach die erste Schlagersängerin, die Musical-Elemente eingebaut hat.
Also so auch Genres kombiniert.
00:20:56.000
Mine: Ja.
00:20:57.000
Raúl Krauthausen: Und das kann man, also das finde ich respektabel. Das
finde ich bei Deiner Musik auch viel besser als die von Helene Fischer.
Also gefällt mir viel mehr. Auch hörbar, dass das eben nicht dieserklassische Pop a la Max Giesinger ist, sorry, sondern eben da auch
Elemente drin sind, die Jazz haben oder Rap oder eben Elektro. Das hat
mir sehr, sehr gut gefallen und man merkt, dass das nicht irgendeinem
Trend hinterher rennt, weil man das halt so macht, so wie alle jetzt
Autotune machen oder so. Ja, sondern dass das wirklich Du willst.
00:21:32.000
Mine: Also erstmal, danke. Ich kann damit immer ganz schwer umgehen.
Ich fand die Brücke zu Helene Fischer super. Also ich kann das voll
nachvollziehen mit der Bewunderung für eine Leistung einfach.
00:21:48.000
Raúl Krauthausen: Ja.
00:21:49.000
Mine: Total. Also ich muss sagen, ich habe nicht so eine Bewunderung,
aber ich respektiere das sehr und ich finde das krass und habe großen
Respekt vor dieser Art von Arbeit. Auch wenn sie mir persönlich jetzt nicht
gefällt und ich mir jetzt kein Konzert reinziehen würde.
00:22:08.000
Raúl Krauthausen: Ist auch überhaupt nicht nahbar.
00:22:10.000
Mine: Ja, genau.
00:22:11.000
Raúl Krauthausen: Man erfährt auch nichts über sie.
00:22:12.000
Mine: Ja, aber es ist auch nicht das Konzept. Ich glaube, möchte sie
wahrscheinlich auch gar nicht.
00:22:15.000
Raúl Krauthausen: Genau.
00:22:16.000
Mine: Oder darum geht es halt nicht bei dem, was sie tut. Aber da denke
ich auch immer so, hey, Leben und leben lassen. Es gibt ja, das ist ja das
Schöne, finde ich, auch bei Musik und Kultur im Allgemeinen, dass es kein
Kuchen ist. Dass man sich jetzt nicht irgendwie, nur weil jemand was
macht, was erfolgreich ist, was mit meinem Geschmack nicht einhergeht,
heißt es nicht, dass dann weniger für alle anderen übriger ist.
00:22:39.000
Raúl Krauthausen: Wie würdest Du denn Deine Musik beschreiben?00:22:42.000
Mine: Keine Ahnung. Wenn jemand fragt, sage ich meistens
deutschsprachiger Indie-Pop mit verschiedenen Genre- Einflüssen. Aber
ich habe schon alles Mögliche gehört und bin mit allem eigentlich okay,
solange es jetzt nicht rechts rock ist oder so. Aber das sehe ich da jetzt
nicht als Gefahr.
00:23:00.000
Raúl Krauthausen: Und was sehr auffiel auch heute wieder, Du musst eine
unfassbar große Brillensammlung haben.
00:23:07.000
Mine: Ein Arsenal.
00:23:08.000
Raúl Krauthausen: Ein Arsenal. Wie sieht Dein Brillenschrank aus und was
ist diese Sache mit den Brillen? Weil das ja ein Modeaccessoire ist.
00:23:17.000
Mine: Ja, ich hatte tatsächlich, also es hat angefangen, weil ich -5
Dioptrien hatte und ich keine Kontaktlinsen tragen konnte, weil ich so
wenig Flüssigkeit in meinem Auge hatte. Und dann habe ich mir gedacht,
okay, wenn ich jetzt Brille trage, dann möchte ich, dass es scheppert. Und
dann habe ich mir meine erste bisschen auffälligere Brille geholt und dann
ist das irgendwann so eskaliert. Ich habe tatsächlich irgendwann meine
Augenglasern lassen, weil es einfach so teuer ist.
00:23:46.000
Raúl Krauthausen: Wenn Du dann ständig 5 die Dioptrien Brillenvarianten
kaufen musst oder besorgst?
00:23:50.000
Mine: Ja, also Brillengläser sind so teuer.
00:23:54.000
Raúl Krauthausen: Super teuer, 1000 Euro teuer.
00:23:56.000
Mine: Ja, genau. Und ich habe dann irgendwann abgewogen, habe
gemerkt, okay, das lohnt sich nicht. Ich habe dann einen Kredit
aufgenommen und habe dann meine Augenglasern lassen. Das war das
Beste. Aber das hat natürlich meinen Brillenkonsum noch höher getrieben,
weil jetzt muss ich keine Gläser mehr austauschen. Ich habe zu Hause jetzt
so eine kleine hängende Vitrine und da sind die alle drin.00:24:15.000
Raúl Krauthausen: Wie viele ungefähr?
00:24:16.000
Mine: So 50, 60 sind das.
00:24:18.000
Raúl Krauthausen: Aber das geht ja noch.
00:24:20.000
Mine: Ja, findest Du?
00:24:21.000
Raúl Krauthausen: Da hat sich mehr so 300 oder so.
00:24:23.000
Mine: Nein, oh Gott, das wäre nicht bezahlbar.
00:23:24.000
Raúl Krauthausen: Ich finde das total geil.
00:23:25.000
Mine: Ich lieb’s auch.
00:23:26.000
Raúl Krauthausen: Ja, ich find’s total gut.
00:23:27.000
Mine: Es ist halt auch wirklich, ich frag mich morgens immer so, welches
Gesicht zieh ich mir an? Und weil es halt wirklich auch so…
00:23:34.000
Raúl Krauthausen: Kannst Du Dich auch so ein bisschen verstecken
dahinter, oder?
00:23:37.000
Mine: Total, das finde ich ja total auch schön. Früher habe ich mir immer
die Haare vor das Gesicht gekämmt, bis ich kurze Haare hatte. Und dann
habe ich mich mit Brillen versteckt. Oder was heißt versteckt? Eigentlich,
ich habe mir eine Identität gegeben.
00:24:51.000
Raúl Krauthausen: Das ist auf jeden Fall ein Markenzeichen von Dir,
sowohl auf den Cover deiner Alben, in den Videos sieht man die, das ist
auf jeden Fall ein Signature.00:25:00.000
Mine: Ja, ich hab Dir aber auch jeden Tag, ich hab wirklich jeden Tag
Brille an. Also ich gehe nicht ohne Brille aus dem Haus. Das fühlt sich
komisch an.
00:25:08.000
Raúl Krauthausen: Zum Thema Brille fällt mir ein, also meine Brille ist eine
Kinderbrille, ich habe einen kleineren Kopf. Und Gestell kostet 11 Euro.
00:25:17.000
Mine: Was?
00:25:18.000
Raúl Krauthausen: Die hat die Gläser tausend. Das ist ein bisschen absurd.
Und das war auch die einzige Kinderbrille, die Sie bei Apollo am
Hermannplatz hatten.
00:25:25.000
Mine: Steht Dir ausgezeichnet.
00:25:26.000
Raúl Krauthausen: Ja, da fand ich auch okay. Und ich bin nicht so der Typ,
der dann 500 mal sich hin und her überlegen muss. Und denke, passt, tut
nicht weh, nehme ich. Und trage jetzt halt seitdem. Und dann war ich beim
Ohrenarzt. Und der hat dann diagnostiziert, dass ich schwerhörig bin und
ich brauche jetzt Hörgeräte. Und dann stand ich also vor diesem Hörgerät
der Akustiker irgendwo in Neukölln, vor dieser Tür und dachte, okay, gehst
Du jetzt als Nerd rein, der sich für Technik interessiert oder als Patient der
Hörbehindert ist. Und ich habe mich für den Nerd entschieden und stieß
auf einen Hörgerät der Akustiker, der selber Nerd ist. Und wir haben uns
über diese Nerd-Ebene unterhalten und der erzählte mir, und jetzt kommen
wir zu Brille, dass wir gerade in einer Zeit leben durch künstliche
Intelligenz und bessere Akkus und Digitalisierung, dass Hörgeräte alle
zwei Jahre so große Sprünge machen, Innovationsstrünge, dass er davon
ausgeht, dass in den nächsten 5-10 Jahren das Hörgerät als
Modeaccessoire geben wird.
00:26:29.000
Mine: Hä?
00:26:30.000
Raúl Krauthausen: Ja, und dann meinte ich, hey, wie meintest Du das? Und
dann meinte er, naja, die Airpods von Apple sind inzwischen in der Lage,
Geräusche zu verstärken. Nicht nur noise Canceling zu machen, sondern
auch lauter zu machen. Und es gibt in den USA inzwischen Leute, die sicheinfach Hörgeräte nicht leisten können, und dann Airpods nehmen. Und
das ist der Punkt, wo aus einem Hilfsmittel ein Modeaccessoire wird. Und
das fand ich total abgefahren. Und wir wissen nicht, ob die Leute
hörbehindert sind oder gerade Musiker hören, wenn sie einen Airpod im
Ohr haben.
00:27:01.000
Mine: Ja, das ist doch gut.
00:27:03.000
Raúl Krauthausen: Oder ein Earbud oder so. Und das Gleiche passiert mit
den E-Scootern. Das waren ja früher Elektrorollstühle oder so. Und jetzt
findest Du die Dinge im Landwehrkanal.
00:27:14.000
Mine: Das ist ein bisschen traurig, aber ja.
00:27:17.000
Raúl Krauthausen: Und diese Perspektive, dass sich Dinge auch
verschieben können und verändern. Und plötzlich vielleicht ein Hilfsmittel
Accessoire wird. So wie die Brille, die früher nur Sehbehinderte trugen.
Und jetzt trägt man sie als Modeaccessoire. Das fand ich total geil.
00:27:34.000
Mine: Ja. Ich hab auch mal gegoogelt, wann das überhaupt angefangen
hat mit Brillen. So in der Menschheitsgeschichte. Fand ich auch
interessant. Also das war eigentlich mal so ein Sonnen- und Sandschutz.
00:27:46.000
Raúl Krauthausen: Oder das Monokel für Menschen, die…
00:27:48.000
Mine: Ja. Das ist ja noch viel jünger. Da gab es ja schon Glas.
00:27:49.000
Raúl Krauthausen: Ja, stimmt.
00:27:51.000
Mine: Ja. Das ist geschliffenes Glas. Ich frag mich auch manchmal, wie
man darauf kommt. Also wie kommt es, dass jemand das herausfindet, dass
man, wenn man Glas auf eine gewisse Weise bearbeitet, das dann so
funktioniert? Ich denke, war das so aus Versehen?
00:28:10.000
Raúl Krauthausen: Ja, das ist doch bei ganz viel, oder? Wie ist denn Brot
entstanden?00:28:14.000
Mine: Weißt Du das?
00:28:16.000
Raúl Krauthausen: Wie viele Arbeitsschritte musst Du denn machen, um
über Brot zu kriegen?
00:28:18.000
Mine: Ja, Hefe vor allem.
00:28:19.000
Raúl Krauthausen: Das ist Versehen. Oh, das ist ja Brot.
00:28:21.000
Mine: Ja, ich glaube, viele Sachen sind einfach aus Versehen mal
verschimmelt. Und dann hat man es halt trotzdem gegessen, hat gemerkt,
oh, schmeckt ganz geil.
00:28:30.000
Raúl Krauthausen: Ich bin nicht gestorben, kann man essen.
00:28:32.000
Mine: So Käse, safe war auf jeden Fall diese Geschichte.
00:28:37.000
Raúl Krauthausen: Ja, da gibt es auf jeden Fall sehr viele Beispiele, die man
da wahrscheinlich noch finden würde. Ich habe mir vorhin überlegt bei der
ganzen Recherche auch zu Deiner Musik, dass Du ja auch ein großes
Interesse daran hast, andere Künstler*innen zu supporten. Also, dass es
Dir ein großes Anliegen ist, dass Du auch mit denen zusammenarbeitest.
Ist das so eine Art Verantwortung, die Du da fühlst, wenn Du das machst,
dass Du was zurückgeben möchtest? Oder einfach auch, weil es Dich
selber inspiriert und bereichert, mit neuen Künstler*innen
zusammenzuarbeiten?
00:29:13.000
Mine: Also, für mich ist das gar kein Support, ehrlich gesagt, sondern das
ist eher eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
00:29:20.000
Raúl Krauthausen: Aber es sind ja dann oft neue Künstler*innen.
00:29:23.000
Mine: Ja, aber ich feiere die genauso, wie ich andere feiere. Also, ich
feiere Leute nicht aufgrund ihres wirtschaftlichen Erfolges mehr oderweniger. Das muss ich schon sagen. Ich finde es krass, was für Türen es
teilweise aufmacht, dass ich plötzlich mit Leuten zusammenarbeiten kann,
wo ich dachte, krass, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Also, früher,
witzigerweise, habe ich immer, wenn ich jemanden cool fand oder mich
inspiriert hat, dann habe ich meistens erst mal geschaut, wie bekannt sind
die Menschen, und war dann immer total froh, wenn ich gesehen habe, sie
sind nicht so groß.
00:29:58.000
Raúl Krauthausen: Weil Du dich dann als Erdeckerin gefühlt oder als
Erkunderin?
00:29:59.000
Mine: Nein, weil ich dann die Möglichkeit hatte, mich mit denen zu
connecten und mit denen zu arbeiten. Weil einfach, wenn halt Leute… Ja,
nee, um Management geht es gar nicht unbedingt. Ich glaube halt, dass
Menschen, die sehr erfolgreich sind, das eher überlegen, also das ist oft
taktisch auch, mit wem arbeitet man zusammen, mit wem nicht, und da ist
der Zugang einfach sehr viel schwieriger. Und wenn jemand noch nicht so
viele Follower*innen hat zum Beispiel oder Zuhörer*innen, wie man es
auch nennen möchte, dann ist es einfach einfacher, in Kontakt zu treten
und künstlerisch gemeinsam irgendwas zu machen. Aber ich sehe das gar
nicht als Support. Ehrlich gesagt ist es eher voll oft so eine Ehre für mich,
dass ich mit Leuten zusammenarbeiten kann, die ich selbst so inspirierend
finde.
00:30:46.000
Raúl Krauthausen: Also das ist der Antrieb, okay?
00:30:48.000
Mine: Ja, voll.
00:30:50.000
Raúl Krauthausen: Und wie findest Du die?
00:30:51.000
Mine: Ich höre Musik einfach viel und dann schreibe ich die auf Instagram
an. Ich habe da keine Berührungsungsängste. Also ich habe natürlich auch
extrem viele Absagen. Ich frage einfach viele Leute, weil ich auch… Ich bin
ein sehr euphorischer Mensch. Und wenn ich Musik höre und ich finde
irgendwas cool, dann ist mein erstes Gefühl, mich zu connecten. Also
wirklich sozusagen so „Oh, ich finde es voll geil“, und das irgendwie…
Also vielleicht in Austausch zu gehen und im besten Falle gemeinsam einen
Song zu machen.00:31:17.000
Raúl Krauthausen: Du hattest ein Video produziert, wo Du jemanden auf
Instagram angeschrieben hattest, ob sie mit Dir das Video machen würde
oder den Song machen würde, Julia…
00:31:28.000
Mine: Julia Becker?
00:31:30.000
Raúl Krauthausen: Julia Becker, genau. Und ich mich richtig erinnere, sie
Dir gesagt hat „Ja, ich kenne Deine Musik“. Wie fühlt sich sowas an?
00:31:36.000
Mine: Absurd. Also toll und absurd zugleich. Ich weiß noch genau, wann
das war, aber ich war im Auto und bin Langstrecke gefahren worden.
Sonst wäre ich ja nicht am Handy gewesen. Aber dann war ich ganz
aufgeregt, weil ich den Song von ihr geteilt hatte. Und sie ist voll witzig,
finde ich.
00:31:57.000
Raúl Krauthausen: Total.
00:31:58.000
Mine: Sie ist einfach eine sehr inspirierende Persönlichkeit in allem, was
sie tut. Und dann hat sie mir geschrieben, dass sie auf dem Konzert schon
war, in Köln. Und dann bin ich komplett ausgerasselt. Und dann haben sie
direkt gefragt. Ich habe gesagt „Ich habe gerade einen Song geschrieben,
das wäre einfach perfekt. Du wärst perfekt. Hast Du nicht Bock?“ Und
dann hat sie zugesagt. Das war schon cool.
00:32:17.000
Raúl Krauthausen: Das ist dann vielleicht auch ganz förderlich, wenn
manche eine gewisse Bekanntheit hat. Dass dann vielleicht auch Leute, die
auch ein bisschen bekannter sind, dann eher zusagen.
00:32:28.000
Mine: Ja, eher zuhören in allererster Linie. Das ist glaube ich eher das
Ding. Ich kenne das auch, dass man sehr, sehr viele Nachrichten bekommt,
wenn man bekannter ist. Ich bin ja jetzt noch nicht an so einem
Riesenpunkt, aber schon an einem Punkt, wo ich manchmal merke, wie es
langsam schwierig ist, so allem hinterherzukommen. Und wenn man viele
Anfragen bekommt, dann hat man auch nicht die Möglichkeit im Alltag
alles immer zu hören und zu sehen und zu lesen.00:32:58.000
Raúl Krauthausen: Wie gehst Du dann damit um?
00:33:00.000
Mine: Also noch schaffe ich es. Ich schreibe auch wirklich allen Menschen
immer zurück. Bisher lese ich mir alles durch und versuche das.
00:33:07.000
Raúl Krauthausen: Also dann so in Arbeitszeiten, wo Du dann sagst, von 18
bis 20 Uhr mache ich Social Media?
00:33:12.000
Mine: Ich muss stetig auf jeden Fall das machen, sonst schaffe ich es nicht.
Wenn ich es den Tag über nicht zwischendrin mal schaffe, ich mache es
eigentlich immer in so Wartesituationen. Und sonst, wenn ich abends
merke, es ist noch nicht alles abgearbeitet, dann mache ich abends den
Rest, wenn die Kids pennen.
00:33:30.000
Raúl Krauthausen: Hast Du Push-Notifications an oder aus?
00:33:32.000
Mine: Bitte?
00:33:35.000
Raúl Krauthausen: Push-Notifications an oder aus? Das geht gar nicht,
oder? Bing, bing, bing.
00:33:38.000
Mine: Ja, das ist… also ich bin ja eh… also Konzentration ist ein Thema
für mich. Und Ablenkung ist immer all around. Und wenn jetzt noch das
Handy piept, dann bin ich glaube ich schon nichts mehr fähig. Wie ist bei
Dir das auch aus?
00:33:56.000
Raúl Krauthausen: Bei mir ist es aus und ich versuche das jetzt, sagen wir
mal, auch App individuell an oder auszuschalten. Ich habe nur eine Regel,
alles was sich so anfühlen soll wie eine SMS, das ist halt wie eine SMS,
also kann immer durch. Aber sowas wie Social Media DMs, das sind keine
SMS, die sind aus. Dann habe ich so ein Tool, wo ich dann alles
gesammelt sehen kann und dann wie so ein Ticket-System quasi abarbeite
Aber das ist auch trotzdem Arbeit. Tools ersetzen niemals Leute.
00:34:29.000
Mine: Ja, das stimmt.00:34:30.000
Raúl Krauthausen: Das ist einfach nur ein anderer Interface dann.
00:34:32.000
Mine: Wie lange bist Du so am Tag auf Social Media?
00:34:37.000
Raúl Krauthausen: Viel zu viel. Das ist ja auch mein Beruf, ich mache viel
Digitales. Und dann ist die Ablenkung wirklich sehr groß und sehr schnell
da. Aber ich arbeite inzwischen auch mit Redaktionen zusammen, die wir
dann nicht bei den Nachrichten, das mache ich noch selber, aber dann vor
allem bei Recherchen helfen oder Social Media Posts, die Grafiken und
Inhalte aufbereiten. Dann gibt es eine Art Redaktionssitzung, wo wir dann
versuchen, das auch abzustimmen zusammen.
00:35:05.000
Mine: Zu planen, wann was gepostet wird?
00:35:07.000
Raúl Krauthausen: Einmal die Woche.
00:35:07.000
Mine: Einmal die Woche? Wow.
00:35:08.000
Raúl Krauthausen: Einmal die Woche haben wir Redaktionssitzungen,
genau.
00:35:10.000
Mine: Krass.
00:35:11.000
Raúl Krauthausen: Aber machst Du da in Social Media die Grafiken, Bilder,
alles selbst?
00:35:15.000
Mine: Nein, die Grafiken nicht, ich bin da ganz schlecht drin. Ich kann gar
nicht so damit umgehen.
00:35:18.000
Raúl Krauthausen: Also ich könnte es mir irgendwie aneignen, aber das
wäre viel zu langsam. Die Zeit habe ich verschwendet, wenn ich das
mache. Es gibt Leute, die sind viel schneller und viel besser.
00:35:32.000
Mine: Ich habe auch kein Talent. Also beides. Aber ich pflege ihn selbst.Also wenn es Bilder oder Videos oder so, mache ich schon. Videos
schneiden mache ich selber, aber sonst nicht.
00:35:46.000
Raúl Krauthausen: Aber das ist wahrscheinlich auch, weil es Dir Spaß
macht, oder?
00:35:47.000
Mine: Ja, ich liebe das. Das ist einfach wie Produzieren.
00:35:49.000
Raúl Krauthausen: Das hat auch sowas von, man schöpft etwas, ne?
00:35:52.000
Mine: Ausschöpfen, ja. Ich finde das tatsächlich witzig. Das ist voll das
gute Wort dafür. Weil drehen finde ich wahnsinnig anstrengend.
00:36:00.000
Raúl Krauthausen: Total.
00:36:01.000
Mine: Nervt mich auch ein bisschen.
00:36:02.000
Raúl Krauthausen: Schnittbilder. Ich hasse Schnittbilder. Das ist das
Schlimmste.
00:36:06.000
Mine: Das ist das Schlimmste, ne? Nochmal.
00:36:08.000
Raúl Krauthausen: Von links.
00:36:09.000
Mine: Ja, genau. Voll. Aber wenn man es dann gemacht hat, dann kann
man quasi nur noch zusammen manschen.
00:36:18.000
Raúl Krauthausen: Aber das Sichten von dem ganzen Material ist
wahrscheinlich auch viel Arbeit, ne?
00:36:22.000
Mine: Ja, aber es macht auch Spaß.
00:36:23.000
Raúl Krauthausen: Das macht Spaß, ja?00:36:24.000
Mine: Dann schon, ja.
00:36:25.000
Raúl Krauthausen: Also ich habe dann gerne das schon vorselektiert und
schneide das dann aber selber zusammen. Aber ich mache gar nicht so
viele Videos, deswegen gibt es nicht so viele Situationen.
00:36:35.000
Mine: Aber Du schneidest auch dann?
00:36:36.000
Raúl Krauthausen: Also ich weiß, wie es geht und ich mache es ganz gerne,
aber ich mache es nicht oft.
00:36:40.000
Mine: Welches Programm, darf man das hier sagen?
00:36:41.000
Raúl Krauthausen: Final Cut.
00:36:42.000
Mine: Ah ja.
00:36:43.000
Raúl Krauthausen: Aber Leute schwören ja eher auf Premiere.
00:36:46000
Mine: Ich schwöre auch auf Premiere, aber auch nur, weil ich noch nie
was anderes in der Hand hatte. Weil die Shortcuts gleich sind wie bei
Logic und ich arbeite ja als Produzentin mit Logic.
00:36:55.000
Raúl Krauthausen: Okay.
00:36:56.000
Mine: Und das war halt wirklich dann…
00:36:57.000
Raúl Krauthausen: Ja, macht Sinn. Aber Final Cut ist auch irgendwie auf
dem absterbenden Ast, wurde lange nicht mehr weiterentwickelt und
upgedatet. Und Adobe geht gerade steil mit künstlicher Intelligenz und so.
Was ich interessant fand, war, dass Du in einem Interview mit Kavka
gesagt hast, und ich will das Thema jetzt nicht überstapazieren, das warst
Du ja auch vorhin schon gesagt, dass Du froh bist, dass es dieses Jahr
nicht so viel Thema ist, wie Frauen und Musik und so. Aber dass Du malgesagt hast, dass in Deiner Musikerfahrung als Konsumentin, wir auch
männliche Künstler*innen einfach lieber waren als weibliche.
00:37:33.000
Mine: Also ist witzigerweise nicht so gewesen, dass es quantitativ mehr
Künstler*innen waren als Künstlerinnen. Ich habe nur gemerkt, dass ich
Künstler*innen oder weiblichen Stimmen gegenüber sehr viel kritischer
war als männlichen Stimmen gegenüber. Das heißt, ich habe oft die
Situation gehabt, dass ich einen Song gehört hatte. Und dann habe ich mir,
als ich das selbst gemerkt habe, habe ich mir dann versucht vorzustellen,
wie das jetzt eins zu eins wäre mit einer stilistisch ähnlichen Stimme, die
aber weiblich gelesen wäre oder männlich gelesen wäre. Und war dann
selbst überrascht davon, dass ich mir selbst gegenüber ehrlich zugeben
musste, dass das was mit mir gemacht hat, weil ich eben auch so
sozialisiert bin.
00:38:13.000
Raúl Krauthausen: Und das Krasse ist, ein ähnliches Gefühl habe ich beim
Thema Behinderung.
00:38:17.000
Mine: Ja?
00:38:18.000
Raúl Krauthausen: Ja. Dass ich dann bei Menschen mit Behinderung
kritischer bin, von dem was sie machen, was sie denken, was sie sagen. Als
bei Menschen ohne Behinderung. Und ich aber, also zumindest war das so.
Und ich habe aber gemerkt, dass ich einfach durch das permanente damit
umgehen, damit hantieren, auch erleben, dass irgendwie wegging.
00:38:38.000
Mine: Hast du das Gefühl, dass es ganz weg ist?
00:38:40.000
Raúl Krauthausen: Ja. Also das ist die Übung. Auf jeden Fall ist es die
Übung. Ich habe Leute mit merkwürdigen Stimmen im Freundeskreis, die
ich am Anfang auch merkwürdig fand. Und inzwischen fällt mir das gar
nicht auf.
00:38:52.000
Mine: Ich finde das voll schön zu hören, dass du sagst, dass du das Gefühl
hast, dass es so quasi weg ist. Weil ich habe das Gefühl, ich arbeite da
wirklich viel dran. Also so in mir einfach, in ganz verschiedenen
Bereichen. Einfach so Verhaltenstherapeutisch, mich da so denkmäßigumzutrainieren. Und ich habe manchmal das Gefühl, es ist so ein Loch
ohne Boden, gibt es das? Ein Boden ohne Loch. Also irgendwie so, ich
habe das Gefühl, ich gebe mich da rein und ich merke auch, dass es was
macht und dass es besser wird. Und ich frage mich aber doch manchmal,
ob ich irgendwann in der Lage bin, mich davon ganz frei zu machen
einfach.
00:39:40.000
Raúl Krauthausen: Wir sind ja alle sozialisiert, also wahrscheinlich nicht
so.
00:39:42.000
Mine: Man ist ja trotzdem immer noch ja auch Teil in dieser Welt und wird
jeden Tag bombardiert mit allem möglichen Scheiß.
00:39:50.000
Raúl Krauthausen: Aber ich muss dir sagen, wenn ich jetzt Musik höre, so
Spotify-Playlist, random irgendwas anmache, ich kann diese
rumheulenden Männer, aber ich ertrag das nicht.
00:40:03.000
Mine: Wen meinst du denn? Jetzt mal Butter bei die Fische.
00:40:09.000
Raúl Krauthausen: Ja ehrlich gesagt, ich merk mir die Namen da noch
nicht, weil ich einfach skippe.
00:40:11.000
Mine: Das finde ich sympathisch.
00:40:14.000
Raúl Krauthausen: Ja, aber das finde ich wirklich so anstrengend, das ist
irgendein Trend, wenn Spotify mir da ständig vorspielt.
00:40:20.000
Mine: Du musst deinen Algorithmus trainieren.
00:40:22.000
Raúl Krauthausen: Ich muss mein Algo auf jeden Fall trainieren.
00:40:21.000
Mine: Das ist wichtig, das ist wirklich wichtig.
00:40:23.000
Raúl Krauthausen: Ja, aber das ist mir echt aufgefallen, ich kann es nicht
hören.00:40:29.000
Mine: Ja, es gibt aber auch ein paar Sachen, die ich nicht hören kann.
00:40:31.000
Raúl Krauthausen: Zum Beispiel?
00:40:32.000
Mine: Darf ich ganz ehrlich sein?
00:40:33.000
Raúl Krauthausen: Also du kannst ja Musik beschreiben, nicht die Namen.
00:40:37.000
Mine: Ja, genau, ich nenne keine Namen. Ich mag nicht, wenn ich höre,
dass Menschen ihre Stimme verstellen, um interessanter zu klingen beim
Singen. Meistens sind es Typen, die einen auf super maskulin machen und
so. Voll rau klingen. Das kaufe ich denen einfach nicht ab. Ich fühle da
irgendwie nichts. Und wenn ich das schon höre, das ist ja auch so ein
Trend, das ist ja meistens immer so. Es gibt so ein Act und der ist riesig
dann, gibt wahnsinnigen Erfolg und dann werden alle weggesingt, die
gleich klingen. Und gleichzeitig fangen auch alle Künstler*innen im
Umkreis an, die so, die halt unbedingt das als Beruf machen wollen. So ein
bisschen das zu imitieren, adaptieren und dann überschwemmt das so, die
ganze Popmusik.
00:41:30.000
Raúl Krauthausen: Und dann klingen alle wie AnnenMayKantereit
00:41:32.000
Mine: Ja, jetzt hast du es gesagt.
00:41:34.000
Raúl Krauthausen: Ja, ich mag ja Alleinstellungsmerkmale. Das ist ja cool,
wenn du so jemand bist, der so ein Alleinstellungsmerkmal hat, aber wenn
es dann alle nachmachen, dann finde ich es halt auch doof.
00:41:47.000
Mine: Ich mochte es auch von Anfang an, das Original nicht. Das ist halt
nur, weil ich das Gefühl habe, dass es verstellt ist.
00:41:54.000
Raúl Krauthausen: Ich denke mir, das ist danach so heiser, dass es nicht
gesund wird, was der da macht.00:42:00.000
Mine: Das glaube ich auch, aber hey, ist ja egal, weil wenn es seine Art ist,
sich auszudrücken, dann gönn dir. Also wer bin ich denn da drüber zu
urteilen?
00:42:14.000
Raúl Krauthausen: Gleich geht es weiter. Wenn du diesen Podcast
unterstützen möchtest, dann kannst du das mit einem kleinen monatlichen
Beitrag tun. Im Gegenzug kannst du alle Folgen vorab hören und du wirst,
sofern du das möchtest, hier im Podcast namentlich genannt. Alle Infos
findest du unter www.im-aufzug.de. Ende der Service-Durchsage. Viel
Spaß beim zweiten Teil der Folge.
00:42:42.000
Raúl Krauthausen: Ich habe kurz, sagen wir mal, Gemutmaßt, dass die
Musikbranche sich geändert hat in den letzten Jahren. Du bist seit elf
Jahren aktiv da am Großmitmischen. Welche Veränderungen hast du
miterlebt? Also ich nehme an, die Kassette gab es damals auch schon
nicht. Aber Spotify und Co. war wahrscheinlich schon auch eine große
Veränderung, oder?
00:43:06.000
Mine: Ja, wobei ich sagen muss, dass ich das so gar nicht so richtig
mitbekommen habe, weil zu der Zeit, wo es diesen Switch gab und wo das
immer mehr wichtig wurde, da war ich noch gar nicht richtig Teil der
Musikindustrie. Also ich habe zwar Musik gemacht und auch
rausgebracht, aber ich habe noch nicht mit Labels, großen Labels
zusammengearbeitet.
00:43:27.000
Raúl Krauthausen: Das heißt, du bist quasi in Spotify reingeboren?
00:43:29.000
Mine: Bisschen schon, ja. Also ich meine, natürlich merke ich trotzdem
jetzt auch von Album zu Album, dass die CD einfach stirbt. Die wird es
nicht mehr lange geben. Aber so richtig kriege ich das auch wiederum
deswegen nicht mit, weil ich mich ja um den künstlerischen Part kümmere
und alles, was da mit Vermarktung, Vertrieb, Promotion angeht, da halte
ich mich gerne auch raus. Also da habe ich gar nicht so viel Plan. Ich weiß
zum Beispiel auch nie, wie viele Klicks irgendwas hat.
00:43:47.000
Raúl Krauthausen: Das heißt, da geht es gar nicht mehr darum, wie viele
Plays hast du auf Spotify und wie viel kommt dann da rein?00:44:04.000
Mine: Weiß ich nicht mal. Ich habe auf jeden Fall noch nie eine
Auszahlung gekriegt von meinem Label.
00:44:10.000
Raúl Krauthausen: Man verdient dann eher Geld mit Konzerten, mit
Liveacts und Merch.
00:44:15.000
Mine: Live und GEMA. GEMA ist bei mir ein sehr großer Teil tatsächlich.
Obwohl ich eigentlich, muss ich auch sagen, sehr viele Kritikpunkte an der
GEMA sehe, weil es halt auch so ein Reichensystem ist irgendwie. Je mehr
Geld du hast, je mehr Geld kriegst du und die, die es eigentlich wirklich
brauchen, die kriegen das dann nicht. Das finde ich total absurd. Und das
gibt natürlich auch kein, das ist so Monopol auch, ist auch ein Problem.
Aber es ist nun mal das Einzige, was kontrolliert und deswegen bin ich da
auch Mitglied und das meiste Geld, das ich verdiene, kommt über Live und
über die GEMA rein. Weil ich aber auch ja die Songs selber schreibe und
dadurch, dass ich halt 100% Anteile habe oder halt die meisten Anteile
habe, kommt viel rum.
00:44:58.000
Raúl Krauthausen: Stimmt, dann ist das klar. Und auf welchen Plattformen
bist du so aktiv? Hat sich das mal geändert in den Erfolgsjahren, seitdem
du erfolgreich bist?
00:45:08.000
Mine: Ja, also so Social Media mäßig. Hab ich mit Facebook begonnen,
bin dann zu Instagram geswitcht.
00:45:15.000
Raúl Krauthausen: Also hast du Facebook ausgemacht?
00:45:17.000
Mine: Nee, das wird ja automatisch und immer so geteilt da drauf. Aber
ich war, ich weiß nicht, war mal mein Passwort. Keine Ahnung. Und auf
TikTok bin ich jetzt auch seit einiger Zeit. Ich finde TikTok sehr
erfrischend. Also es ist halt wichtig, dass man den Algorithmus da
trainiert. Am Anfang dachte ich mir, ach, das ist so schön, hier gibt es ganz
wenig Hate. Aber das denke ich jetzt nicht mehr. Es ist tatsächlich eine
sehr hatebeladene Plattform. Aber ich finde es irgendwie trotzdem noch
cooler als Instagram zum Beispiel jetzt gerade. Also als Konsumentin bin
ich eher auf TikTok Seite.00:45:52.000
Raúl Krauthausen: Und als Produzentin auf Instagram?
00:45:55.000
Mine: Als Produzentin bin ich nirgends. Chillig zu Hause, Jogginghose
und gucke mir Tutorials an auf YouTube. Das ist eher so mein Ding.
00:46:06.000
Raúl Krauthausen: Aber auf welche Plattform ist jetzt die, die dir, sagen wir
mal, beim Posten am meisten bringt?
00:46:12.000
Mine: Boah, das weiß ich auch nicht. Was am meisten bringt im
Allgemeinen, weiß ich nicht. Aber wo sich merklich was verändert hat bei
mir war, als ich angefangen habe Videos zu machen, wo ich
Instrumentenkunde gemacht habe, ganz kurze Videos. Und die hatte ich für
TikTok produziert und habe sie dann auch auf Instagram, auf den Reels
geteilt. Und das hat meinen Social Media Game verändert auf jeden Fall.
Also da wurde ich dann plötzlich auf der Straße angesprochen und die
Leute meinten so, nicht so, hey, du machst doch Musik, sondern die waren
so, hey, du bist doch die mit den Instrumenten. Das war krass. Und da
habe ich auch gemerkt, wie viel und wie schnell TikTok ist. Also das ist
wirklich krass. Also wie das so, ich sehe das auch bei anderen
Künstler*innen, die innerhalb einer Woche einfach plötzlich Konzerthallen
vollmachen.
00:47:04.000
Raúl Krauthausen: Was ich an deinen Texten mag, ist, dass sie
gesellschaftskritisch sind und du auch regelmäßig Themen ansprichst, die
jetzt andere Künstler*innen, die oft nur über die Liebe singen oder
verflossene Liebe. Ist das dir ein wichtiges Anliegen, auch Botschaften zu
platzieren?
00:47:22.000
Mine: Es ist mir kein wichtiges Anliegen. Es ist einfach Teil meines Lebens
und Teil meiner Gedankenwelt. Mich würds es langweilen, wenn ich die
ganze Zeit nur über Liebe singen würde. Weil natürlich ist das ein Teil und
natürlich hatte ich Liebeskummer in meinem Leben. Natürlich fühlt sich
das furchtbar an. Und natürlich kann ich auch über Liebe singen, weil es
auch emotional ist, was es mir macht. Aber das machen eben
gesellschaftliche Themen, politische Themen auch. Und teilweise ist das ja,
also ich finde halt der Schmerz, für mich ist das Ventil, Musik zu machen.
Und so emotionale Sachen wie der allgemeine Umgang von Menschenmiteinander schmerzt mich manchmal sehr viel mehr als Liebeskummer.
Weil der ist so subjektiv und geht vorbei. Also je älter ich werde, also als
Teenager ist das natürlich was anderes. Na, da hast du halt, übernimmt
dich das ja. Das ist ja eine körperliche Grenzerfahrung. Aber ich mache
mir mehr über andere Dinge Sorgen als über mein persönliches
Liebesleben. Und deswegen schreibe ich eben da auch viel drüber.
00:48:30.000
Raúl Krauthausen: Enno Bunger war mal zu Gast hier im Podcast.
00:48:32.000
Mine: Den ich auch cool finde.
00:48:36.000
Raúl Krauthausen: Und der, ja das ist fantastisch. Und der hat jetzt in
seiner aktuellen Platte auch über Depressionen gesungen. Mit seinem
Song, wo er singt „Ich habe Depressionen“. Er meinte, es war für ihn auch
wichtig, das nicht so zu verschwurbeln und metaphorisch zu verpacken in
irgendwie die graue Wolke in meinem Leben oder so, sondern einfach zu
sagen, was ist. Und dass ihm das auch bald mal fehlt in der Musikwelt.
Dass man auch von Dinge sagen kann. Empfindest du das auch?
00:49:06.000
Mine: Ich glaube man kann es, aber ich glaube es braucht viel Mut. Und
ich bin sehr dankbar vor Künstler*innen, die es tun. Also ich habe das
Gefühl, dass es in den letzten Jahren immer mehr dazu kommt, dass viele
sich da so öffnen und Dinge aussprechen und wie gut das einfach allen
Menschen tut. Weil das wieder andere ermutigt Zugang zu Therapie mehr
zu sehen. Also es geht ja nicht bloß darum, dass es etwas gibt, sondern
auch, dass man diese Möglichkeit erkennt, dass man Zugang hat zu der
Möglichkeit, das zu sehen. Und da macht Kunst und Kultur einfach sehr
viel aus. Und so Menschen wie Enno Bunger der das in diesem Falle
ausgesprochen hat, tragen dazu so gut bei. Aber es bedeutet halt auch
immer, dass das dann jeder weiß, die Öffentlichkeit und dass man danach
natürlich mit der Reaktion auch irgendwie klarkommen muss.
00:50:06.000
Raúl Krauthausen: Und man kann das nicht mehr nicht sagen, ne? Nicht
gesagt haben.
00:50:11.000
Mine: Und dann, also man muss es halt wollen. Und ich bin keiner
Künstlerin oder keinem Künstler, nehme ich das krum, wenn sie oder er
das für sich entscheidet, dass er das nicht möchte.00:50:25.000
Raúl Krauthausen: Aber wär das so für dich so ein Ziel, diesen Mut für dich,
für deine Musik zu haben oder hattest du den auch schon? Also ist es so
was, wonach du strebst oder findest du es auch schön metaphorisch Dinge
zu beschreiben? Ist ja auch Kunst.
00:50:38.000
Mine: Mal so, mal so. Also ich habe jetzt auf dem aktuellen Album zum
ersten Mal auf jeden Fall über Dinge gesprochen, über die ich noch nie
gesprochen habe. Nicht mal in meiner eigenen Therapie. Teilweise
metaphorisch, teilweise sehr explizit. Und ich merke, dass mir das
irgendwie künstlerisch schon viel bringt. Aber auf der anderen Seite bleibe
ich auch immer so ein bisschen zurück mit dem Gefühl des Oversharens.
Also ich kenne das halt eh von mir so, dass ich, wenn ich in Gesprächen
bin und irgendwas Privates erzählt habe, dass ich immer das Gefühl hatte,
ich habe jetzt wieder zu viel gelabert oder es war jetzt zu viel und ich
nehme mich selbst zu wichtig. Und so Gefühle habe ich auch, wenn ich
Dinge so in Songs in die Öffentlichkeit bringe. Und deswegen überlege ich
mir gut, ob ich mit dem Gefühl in diesem oder jedem Falle leben kann oder
ob sich das für mich halt so richtig dann anfühlt oder ob ich dann danach
irgendwie so das Gefühl habe, ich schäme mich dafür. Das will ich
nämlich nicht.
00:51:32.000
Raúl Krauthausen: Wie anstrengend findet man es eigentlich als Musikerin,
ihr die eigene Musik zu erklären? Grönemeyer hat mal gesagt, wenn er
seine Musik erklären würde oder müsste, dann wäre er Vortragsreisender
und kein Künstler.
00:51:48.000
Mine: Ja, es ist angenehmer, die Kunst stehen zu lassen, weil das teilweise
auch das dem was nimmt und manchmal können Worte das gar nicht so
explizit beschreiben, wie es die Kunst macht. Deswegen gibt es ja Musik,
weil es halt mehr macht als Worte, das irgendwie können. Und dann
zerredet man es manchmal auch so ein bisschen. Und auf der anderen
Seite finde ich ja auch, viele Songs werden anders gehört, wie es der
Künstler oder die Künstlerin gemeint hat. Und ich finde das gut, dass man
das zu seinem Eigen macht. Und wenn man das dann so wegnimmt, dann
finde ich das auch ein bisschen schade.
00:52:26.000
Raúl Krauthausen: Ja, das stimmt.00:52:28.000
Mine: Der Song gehört ja in dem Augenblick nicht mehr mir, wenn ich den
veröffentliche, sondern allen.
00:52:36.000
Raúl Krauthausen: Oder dem, der es gerade hört. Mir sind die anderen ja
egal. Spannend. Wie stehst du oder was ist deine Beobachtung zum Thema
Diversity in der Musikbranche?
00:52:46.000
Mine: Ach, das ist einfach ein Thema, das mich sehr aufwühlt irgendwie,
weil ich diese, ich sehe die Diversity nicht so richtig. Also vor allem halt in
der kommerziellen Musikindustrie nicht. Also sei es Festivals oder Signing
von Leuten.
00:53:02.000
Raúl Krauthausen: Kennst du Künstler*innen mit Behinderung zum
Beispiel? Musiker*innen?
00:53:04.000
Mine: Wenige. Ich habe mal mit einem Künstler zusammengearbeitet,
Fabian Moraw heißt der. Das war eine Arbeit mit einem Münchner
Theater, die mit Inklusion arbeiten. Und da fast auch, also die
Schauspieler*innen sind ausschließlich Menschen mit Behinderung. Das
fand ich nicht anders als andere Arbeiten, ehrlich gesagt. Ich frage mich
halt, warum immer alles getrennt wird. Also mir ist das extrem aufgefallen,
vor allem als ich mal bei so einem Slam gespielt habe vor vielen vielen
etlichen Jahren. Und das war eine Veranstaltung, die extra ausgezeichnet
wurde für Menschen mit, das übersetzt wurde von einer
Gebärdendolmetscherin. Und es wurde extra angesagt. Und ich fand das
irgendwie, fand ich das so seltsam, dass das so abseits von anderen
Veranstaltungen irgendwie so stattgefunden hat gefühlt.
00:54:08.000
Raúl Krauthausen: Ja.
00:54:09.000
Mine: Dass das so sein muss, weil das halt sonst keinen Zugang hat. Also
weil sonst Menschen oft keinen Zugang haben zu jeder anderen
Veranstaltung.
00:54:18.000
Raúl Krauthausen: Ja, das spricht sich aus der Seele. Ich finde es total
spannend, wie du das beschreibst.00:54:22.000
Mine: Ich habe dann direkt danach auch mit dir zusammengearbeitet,
haben wir ein Musikvideo gemacht, wo ich das Musikvideo geübt habe in
der deutschen Gebärdensprache. Muss aber auch sagen, dass ich danach
unbedingt im Kurs gehen wollte und es nie durchgezogen habe.
00:54:39.000
Raúl Krauthausen: Ja, das sagen ganz viele, ich finde es total schön, aber
du musst halt auch eine Sprache lernen.
00:54:44.000
Mine: Ja, aber wieso ist es nicht Teil der Schule? Also ich meine ganz
ehrlich, wieso lernen wir Integralrechnen, aber nicht die deutsche
Gebärdensprache?
00:54:50.000
Raúl Krauthausen: Es gibt auch viel zu wenig Dolmetscher*innen. Das ist
ein riesiges Problem. Was ich bei solchen Veranstaltungen, wo dann
Inklusion gemacht wird, immer so anstrengend finde, ist, dass diese
Veranstaltungen auch immer so heißen.
00:55:05.000
Mine: Ja, genau.
00:55:06.000
Raúl Krauthausen: Das ist dann eigentlich so mittendrin Festival oder für
alle oder alle dabei. Und dann denke ich so, ja, weil wenn ich jetzt jemand
bin, der noch nie zuvor mit dem Thema zu tun hatte, dann gehe ich da auch
nicht hin.
00:55:16.000
Mine: Genau, das meine ich halt eben. Es sollte halt eine gewisse
Selbstverständlichkeit sein. Aber das ist ja auch sowieso in unserer
Gesellschaft ein allgemeines Problem, dass man für alles einzelne Häuser
baut. Also so egal, ob das, ich finde es auch zum Beispiel hat sich das vor
hunderten Jahren so auseinander entwickelt, dass man in so mehreren
Generationen Häusern zusammenlebt und einfach Menschen ab einem
gewissen Alter einfach in ein anderes Haus umziehen lässt.
00:55:40.000
Raúl Krauthausen: Genau.00:55:41.000
Mine: Auch das ist schon so, wo ich schon denke, das fühlt sich für mich
irgendwie falsch an. Ich kann voll verstehen, dass Leute sagen, die haben
keinen Bock auf Kindergeschrei und so, aber dass jetzt irgendwie 50
Prozent aller Urlaubsorte ausgezeichnet sind als kinderfreie Zone, ich
weiß nicht, ob das so cool ist.
00:56:03.000
Raúl Krauthausen: Oder wie wir alte Menschen abschieben.
00:56:05.000
Mine: Das meine ich ja, ja genau. Also so, dass man halt auf einem
gewissen Alter einfach sagt, so und jetzt bist du halt so weit, jetzt bist du
halt dahin gebracht, wo alle… Ich finde es ja schon in der Schule Quatsch,
dass man in der Klasse ist mit Leuten, die alle im selben Alter sind. Das
macht doch eigentlich gar keinen Sinn. Das ist nicht gut für die
Entwicklung von Menschen, wenn sie so getrennt werden von allem.
00:56:25.000
Raúl Krauthausen: Aber wie müsste das aussehen, wenn das nicht so ist?
00:56:28.000
Mine: Ich glaube, es gibt viele Konzepte, die man ausarbeiten kann, aber
man müsste sich halt dahinter klären. Aber die Prioritäten sind in unserem
gesellschaftlichen System, was auch viel mit dem Kapitalismus zu tun hat,
einfach nicht so richtig gegeben, dass die Motivation da da ist.
00:56:42.000
Raúl Krauthausen: Voll.
00:56:43.000
Mine: Und das finde ich, ja…
00:56:44.000
Raúl Krauthausen: Hast du in deinem Umfeld mit dem Thema Inklusion zu
tun? Freundeskreis, Bekanntenkreis, Familie, Schule?
00:56:52.000
Mine: Ich habe sehr gute bekannte Eltern von mir, deren Kinder… also ich
habe ein paar Freunde, deren Kinder entweder Down-Syndrom haben.
Und ich wollte unbedingt auch eine Kita finden, ehrlich gesagt, für unsere
Kids mit Inklusion. Aber das war in Berlin quasi unmöglich. Wir müssen
jetzt auch ausweichen jetzt. Es ist immer noch eine coole Kita, aber ohne
Inklusion, ein bisschen schade.00:57:21.000
Raúl Krauthausen: Sollten wir mal ansprechen. Wo sind denn die?
00:57:22.000
Mine: Hab ich schon, ja.
00:57:24.000
Raúl Krauthausen: Und wie war die Reaktion?
00:57:27.000
Mine: Ja, dass die es cool finden, aber das ist halt immer eine Frage von,
wie lässt sich das finanzieren? Es gibt halt immer irgendeinen…
00:57:33.000
Raúl Krauthausen: Immer einen Grund, ne?
00:57:37.000
Mine: Ja, es gibt immer einen Grund. Aber ich meine, ja, ich verstehe
schon auch, dass alle Menschen Systemen untergeordnet sind. Aber ich
denke, am Ende muss man sich halt dann selber drüber hinwegsetzen. Die
einzige Möglichkeit.
00:57:51.000
Raúl Krauthausen: Ich bin davon überzeugt, dass man kann ganz viel lesen
und man kann ganz viel sich fortbilden. Und das Thema Inklusion oder
Antirassismus kann man alles lernen und auch Antisexismus kann man
auch lernen. Aber es ist was anderes, wenn du dann konfrontiert bist. Und
ich glaube, in der Konfrontation lernst du am meisten.
00:58:16.000
Mine: Ja.
00:58:17.000
Raúl Krauthausen: Und das ist keine Theorie, kann dir Begegnungen
ersetzen. Und deswegen finde ich auch, wenn Lehrer*innen oder
Erzieher*innen mir dann oft sagen, ja, Inklusion ist schon wichtig, aber
dafür bin ich nicht ausgebildet, dann ist es schon der komplett falsche
Ansatz. Eltern waren vorher auch nicht ausgebildet. Also wo kommt dieser
Anspruch her?
00:58:38.000
Mine: Ja, richtig. Du sprichst mir aus der Seele. Ich finde das in Schulen
auch schon ganz schlimm, ehrlich gesagt. Ich finde auch schon schlimm,
dass man irgendwie überhaupt, also wie das Schulsystem so gebaut ist,dass das schon so einordnet und dann auseinanderklappüstert, sagt man
so.
00:58:56.000
Raúl Krauthausen: In welcher warst du in einer Schulaufbahn? Warst du in
Stuttgart? Geht man wahrscheinlich nach vier Vierteln aufs?
00:59:02.000
Mine: Gymnasium. Das war bei meinem Vater auch richtig kacke. Meine
Eltern sind beide keine Akademiker gewesen. Ich bin so richtig arbeiter
Kind. Ja, ich habe mich da auch, das ist einfach auch ein bisschen elitär.
Also man kann auch, wenn das keine Privatschule ist, aber man kann nicht
sagen, es ist für alle zugänglich, weil das ist es nicht. Das hat einfach auch
viel mit Cash zu tun, viel mit Hintergrund zu tun,
00:59:31.000
Raúl Krauthausen: Ich war an einer Gesamtschule und einer Grundschule
in Berlin, macht man sechs Jahre Grundschule.
00:59:37.000
Mine: Du bist Berliner?
00:59:39.000
Raúl Krauthausen: Genau.
00:59:39.000
Mine: Ein echter.
00:59:41.000
Raúl Krauthausen: Also ich bin nicht hier geboren, aber ich bin hier
aufgewachsen und die Grundschule war schon immer inklusiv, schon in
den 80ern. Aber die haben das halt nicht so genannt, weil das Wort gab es
da so noch nicht.
00:59:54.000
Mine: Das ist eigentlich cool.
00:59:55.000
Raúl Krauthausen: Und dann bin ich auf eine Gesamtschule gegangen mit
gymnasialer Oberstufe. Und was ich da total schön fand, war, dass ich
Klassenkameradinnen hatte, die in der Achten so einen Sprung gemacht
haben, dass sie dann plötzlich Abiturkandidatinnen wurden. Was sie aber
an der Realschule nie gemacht hätten. Und ich wurde eher schlechter mit
den Jahren, habe gerade noch das Abitur geschafft, aber in der
Grundschule war ich auch ein Abiturkandidat.01:00:30.000
Mine: Ja, also das ist auch allein wie die Fächer aufgebaut sind. Was ist
überhaupt gut? Was bedeutet überhaupt? Das Notensystem und welche
Fächer man wählen muss. Und wieso muss man überhaupt den 15 Fächern
gut sein? Das braucht man nicht.
01:00:49.000
Raúl Krauthausen: Wie war denn dein Musikunterricht in der Schule?
01:00:51.000
Mine: Cool.
01:00:52.000
Raúl Krauthausen: Hat der dich geprägt in der Hinsicht?
01:00:54.000
Mine: Ja, voll. Ich bin glaube ich einer der wenigen gewesen, die es cool
fanden, was wir so hatten. Wir haben ja nur Klassik gemacht. Ich hatte
aber zu Hause niemanden. Ich habe nur nie Klassik gehört. Aber in der
Schule habe ich Zugang zu Klassik gelernt, also automatisch. Und ich
kann tatsächlich auch mit klassischer Musik etwas anfangen.
01:01:12.000
Raúl Krauthausen: Wow. Das klingt voll schön.
01:01:15.000
Mine: Ja, ist auch voll schön. Ich hatte auch einen coolen Lehrer, der mich
sehr motiviert hat, Musik zu machen. Der hat auch gesagt, hey, finde ich
gut, dass du das studieren willst. Und hat mich in die Big Band geholt. Ich
war die erste Sängerin der Big Band und ich war sau unbeliebt. Und alle
fanden das ein bisschen ausgelacht. Und er hat es aber trotzdem gemacht.
Ich habe immer noch Kontakt zu Herrn Kalenius. Shout out.
01:01:50.000
Raúl Krauthausen: Wann bist du am kreativsten? Was muss passieren,
damit du kreativ bist?
01:01:57.000
Mine: Meistens von anderen Menschen Musik hören oder Sport machen.
01:02:04.000
Raúl Krauthausen: Dieses klassische Unter der Dusche oder auf dem
Laufband?01:02:08.000
Mine: Im Joggen teilweise. Joggen viel, aber ich mache auch Freeletics zu
Hause. Wenn ich so voll drin bin, dann kommen oft Ideen für Texte und für
Musik immer von anderen Musik.
01:02:21.000
Raúl Krauthausen: Und welchen Beitrag hat die Pop-Akademie geleistet?
Die Pop-Akademie klingt für mich, weil wir über Kapitalismus gesprochen
haben, als die Elite-Schule, wo die Musiker*innen auf die Überholspur
gesetzt werden.
01:02:38.000
Mine: Ja, auf manchen Ebenen schon. Ich meine, es ist die einzige
staatliche Pop-Hochschule. Ich rechne der Pop-Akademie auch sehr an,
dass sie sehr viel Erfahrung reingesetzt hat, um gute Lehrer*innen an den
Start zu bekommen. Das ist rar gesät.
01:02:54.000
Raúl Krauthausen: Und es geht ja nicht nur um Musik, in der Pop-
Akademie, sondern auch um Marketing und Business.
01:02:56.000
Mine: Es geht eigentlich mehr um Business. Aber ich habe damals die drei
Frauen kennengelernt, mit denen ich lange zusammengearbeitet habe, die
Management. Und was Connection angeht, hat die mir schon sehr viel
beigebracht. Ich hatte, als ich da angefangen habe, gar keine Ahnung, was
auf dem Label macht. Ich hatte null Plan über gar nichts. Das war schon
eine gute Schule. Aber man muss schon sagen, trotzdem, wenn da 300
Leute auf einen Platz bewerben, die nehmen natürlich diejenigen, die sie
persönlich am besten finden. Und die bekommen dann wiederum einen
besseren Zugang zu gewissen Labels. Da gibt es dann so Songwriting-
Cams. Und was dann da rauskommt, wird dann schon so A&Rs
vorgespielt. Davon können halt Leute, die einfach nach Berlin ziehen und
anfangen mit Songwriting, nur träumen. Das heißt, es ist schon ein elitärer
Kreis irgendwo. Also es hat gute und schlechte Seiten.
01:03:52.000
Raúl Krauthausen: Ich habe Gesellschaft und Wirtschaftskommunikation
studiert an der Universität der Künste. Und ich habe das Gefühl, je älter
ich werde, desto stärker wird das Netzwerk, das du dir in der Uni
aufgebaut hast, aus Kommilitoninnen, weil die ja auch aufsteigen in ihren
Karrieren und was auch immer. Und auf einmal kenne ich Leute, die bei
Amazon oder Facebook Topmanager sind, mit denen ich aber gemeinsamein Referat über Stefan Raab gehalten habe. Also weißt du, so finde ich
absurd.
01:04:23.000
Mine: Und was war dein Fazit über Stefan Raab?
01:04:25.000
Raúl Krauthausen: Ja, auch so Kunst von Handwerk trennen. Also vom
Fleischer zum Werbe-Jingle-Produzent und Moderator und dann
Imperator von ganz ProSieben. Das musste er auch erstmal schaffen. Also
schon auch eine Leistung. Aber das Netzwerk wurde stärker. Und das habe
ich irgendwie erst später realisiert. Und das ist wahrscheinlich an der
Pop-Akademie ähnlich, oder?
01:04:50.000
Mine: Ja. Das ist wirklich so. Überall, in jedem Label, in jedem Verlag,
überall sitzen sie. Die Pop-Akademieler.
01:04:59.000
Raúl Krauthausen: Ja. Und du kennst die dann halt irgendwann?
01:15:01.000
Mine: Die meisten kenne ich tatsächlich, weil ich halt, also weil ich mit
vielen arbeite, die so einen ähnlichen Jahrgang haben oder so plus, minus
fünf, sechs, sieben Jahre. Und denen bin ich vermutlich in dem Kosmos
auch mal irgendwann über den Weg gelaufen. Wobei ich in der Pop-
Akademie-Zeit selber gar nicht, also wie du auch sagtest, da es gar nicht
so gefühlt habe. Das kam dann wirklich erst auch mit der Zeit.
01:05:24.000
Raúl Krauthausen: Welchen Stellenwert haben Pop-Videos eigentlich noch
im Zeitalter, wo Viva und MTV so nicht mehr existieren? Meinst du, das
hat eine größere Bedeutung bekommen oder macht jetzt einfach jeder ein
Video, weil man das wie so ein Media-Markt-Prospekt halt machen muss?
01:05:43.000
Mine: Also wie es gerade ist, da müsste man glaube ich eine
Musikwissenschaftlerin fragen. Aber ich konsumiere persönlich sehr viele
Musikvideos. Also für mich persönlich ist das voll gut und wichtig. Ich
finde, das ist ein Kunstausdruck und finde ich nicht wegzudenken von
Musik. Aber es gab natürlich Zeiten, in denen das bestimmt in irgendeiner
Weise wichtiger war. Es gab aber auch eine Zeit, da war es auch weniger
wichtig. Das weiß ich noch genau, weil da war gerade so MTV, Viva
komplett tot und es wurde ganz, ganz wenig Geld nur auchausgegeben für Videos. Und erst als Shirin David dann das erste richtig
teure Musikvideo zu „Gib ihm“ rausgebracht hat, weil sie wollte das
nämlich unbedingt machen. Zumindest habe ich das aus Interviews so
gehört und hat dann selbst zu viel Geld in die Hand genommen. Und das
hat so eingeschlagen, dass danach auch wieder Labels gesagt haben, die
sind wieder bereit, ein bisschen mehr Budget auszugeben. Aber Video muss
man leider sagen. Also man kann natürlich auch mit einem Appel und
einem einen guten Video machen. Aber eigentlich, wenn man Menschen
fair bezahlen möchte, was sehr wichtig ist, dann braucht man Kohle. Das
ist richtig teuer. Und das ist natürlich immer so ein Knackpunkt dann.
01:06:55.000
Raúl Krauthausen: Hast du auch bei dir das Gefühl, dass bei dem, was du
produzierst und was du machst, andere Leute mehr verdienen als die
Künstler*innen?
01:07:04.000
Mine: Ja, natürlich. Alle großen Konzerne.
01:07:09.000
Raúl Krauthausen: Ja, klar, aber ich meine also die Labels, also ich habe
drei Bücher geschrieben und ich sehe keine Ahnung, drei Prozent von
einem Buch, wo ich mich frage, also dafür, dass ich das Marketing auch
mache, was habt ihr eigentlich gemacht?
01:07:25.000
Mine: Macht dich das sauer?
01:07:26.000
Raúl Krauthausen: Also das ist das Game, das habe ich jetzt verstanden.
Vielleicht habe ich auch schlecht verhandelt. Das kann sein, manchmal
sind es auch 7 Prozent, aber es sind nicht 50 Prozent. Und mich macht das
nicht sauer, aber irgendwie so ein bisschen ratlos. Und das ist
wahrscheinlich in der Musik ähnlich, oder?
01:07:41.000
Mine: Ja, es ist unterirdisch. Also ich will mich gar nicht beschweren, weil
das Ding ist halt, ich habe irgendwann mal einen Major Deal gesigned
und ich weiß ja nicht, wie es gewesen wäre, hätte ich das nicht gemacht.
Weil es ist natürlich auch eine Gatekeeper Frage auch. Also die Leute
können nicht sagen, es gibt es nicht mehr durch das Internet. Gatekeeper
sind voll das Thema. Zugang zu Playlisten, Zugang zu Promo, Zugang zu
Fernsehslots, Zugang zu allem so. Wenn du das bewirbst, bekommst dumehr Aufmerksamkeit. Wenn du mehr Aufmerksamkeit hast, hast du mehr
Erfolg. Das ist einfach so. Mehr Erfolg, mehr Kohle. So ist es am Ende.
01:08:19.000
Raúl Krauthausen: Aber wirst du dann an Umsätzen beteiligt oder kriegst
du einfach so ein Flat bezahlt, dass du ein Jahr davon leben kannst?
01:08:26.000
Mine: Man kriegt normalerweise einen Vorschuss für ein Album, das man
aber wieder mit seinem eigenen Split abarbeitet. Und dieser Split ist im
meisten Falle, also ich sage jetzt nicht, wie mein Split ist, weil ich glaube,
das darf ich nicht, aber es ist sehr, sehr gängig, dass der Split meistens so
ungefähr 80/20 ist, zugunsten des Labels. Und man selbst aber die Platte
vorfinanziert. Und ich gebe jetzt zum Beispiel so roundabout 30.000 bis
40.000 Euro für eine Platte aus. Wenn ich alle fair bezahlen will, was ich
versuche zu tun, dann ist das so teuer. Das heißt, ich brauche erstmal
dieses Geld und dann bekommt man einen Vorschuss, der kann aber
wirklich komplett unterschiedlich sein zwischen 3000 und 200.000 Euro.
01:09:14.000
Raúl Krauthausen: Aber das ist ja auch Kaffeesalzleserei dann, oder?
01:09:16.000
Mine: Schon auch, ja.
01:09:17.000
Raúl Krauthausen: Ich finde das so krass.
01:09:18.000
Mine: Ich finde es krass, aber…
01:09:22.000
Raúl Krauthausen: Wo landet dieses Geld? Bei den Aktionärinnen?
01:09:24.000
Mine: Also bei Universal, Sony, Warner, Spotify.
01:09:28.000
Raúl Krauthausen: Das ist schlimm.
01:09:30.000
Mine: Ja, also das Problem ist glaube ich, was es kann, ich meine, was
heißt das, es ist schlimm. Es ist eine Folge des kapitalistischen Systems und
ich will jetzt auch nicht die ganze Zeit da rumreiten, aber es braucht eine
Künstler- Gewerkschaft, eine Künstler*innen-Gewerkschaft. Aber wie soll
das gehen, wenn Künstler*innen sich nicht organisieren können, weil siekünstlerische Gedanken haben und kein Mensch würde glaube ich, das
Künstler*innen sein, aufgeben dafür, dass man dann sowas… das ist dann
eine Lebensaufgabe, was man machen muss. Aber ich hab mir das schon,
ich denke mir das schon seit vielen Jahren, ich habe schon immer gedacht,
man, wenn ich mal irgendwann so in meine Rente gehe, dann werde ich
aus, was ich mir vorstellen kann.
01:10:07.000
Raúl Krauthausen: Künstler*innen-Gewerkschaft.
01:10:08.000
Mine: Ja, also es ist halt so schwierig, so entweder machst du halt den Job
und bist Teil dessen und dann musst du halt überlegen, wo spielst du mit,
wo nicht. Weil ich meine, einfach zu sagen, ja dann machst du halt alleine,
das sagen die Leute immer so, aber das ist halt auch one in a million, dass
das dann irgendwie klappt, ne. Schwierig, ich hab keine Antwort auf diese,
keine Lösung, so muss man sagen.
01:10:27.000
Raúl Krauthausen: Lass uns abschweifen vom Thema Musik.
01:10:30.000
Mine: Ja, gern.
01:10:31.000
Raúl Krauthausen: Wie sieht denn dein Leben aus, wenn keine Musik gerade
passiert?
01:10:36.000
Mine: Also sehr schön, muss ich sagen. Gerade im Moment auf jeden Fall,
das ist sehr, sehr cool und das weiß ich auch sehr zu schätzen.
01:10:44.000
Raúl Krauthausen: Was machst du dann, was geschieht?
01:10:47.000
Mine: Ich, ich hab Kinder, die sind zwei, ich hab Zwillinge, die nehmen
gerade mein Leben eigentlich komplett ein. Und das ist diese Phase, in der
ich gerade bin und das macht viel Spaß. Und sonst hab ich Freunde, mit
denen ich mich gern unterhalte, ich spiel gern Werwolf, wir haben gestern
Abend wieder gezockt.
01:11:05.000
Raúl Krauthausen: Wow.01:11:06.000
Mine: Ja, das mag ich gerne. Ich häng sehr gern mit meinen Freunden ab
einfach. Ich liebe Essen, ich esse sehr viel und sehr gerne.
01:11:14.000
Raúl Krauthausen: Hast du eine kulinarische Richtung?
01:11:15.000
Mine: Ne, offen. Ich esse nur kein Fleisch.
01:11:18.000
Raúl Krauthausen: Ich war gestern in einem gehobenen türkischen
Restaurant, richtig lecker. Ich hab das irgendwie, ich wohne in Berlin und
hab das noch nie in der Intensität gemacht. Wir haben irgendwie so ein
Sechser-Mese-Platte gegessen und dann zwei Raki zu viel, aber das hab
ich sehr genossen.
01:11:36.000
Mine: Aber ist trotzdem hier, ist doch schön. Hast du so Kater?
01:11:40.000
Raúl Krauthausen: Ne, ich hab zum Glück nie Kater.
01:11:41.000
Mine: Wirklich?
01:11:42.000
Raúl Krauthausen: Ja, ich weiß auch nicht, was da passiert.
01:11:43.000
Mine: Wow, ich bin neidisch.
01:11:45.000
Raúl Krauthausen: Aber das war sehr, sehr schön, sehr, sehr lecker und
eine türkische Freundin hat uns eingeführt in die Kultur und was lecker ist
und was aus was gemacht ist. Ganz geil.
01:11:56.000
Mine: Gehst du oft essen?
01:11:58.000
Raúl Krauthausen: Ja, aber aus Faulheit und ich esse gerne, aber ich
glaube, ich bin kein Gourmet. Da ist meine Frau, die weiter ist.
01:12:07.000
Mine: Und was mag deine Frau so am liebsten?01:12:09.000
Raúl Krauthausen: Sehr gerne Asiatisch, Indisch und sie fermentiert jetzt
auch Sachen.
01:12:14.000
Mine: Oha, Team Kimchi.
01:12:16.000
Raúl Krauthausen: Voll im Game drin und experimentiert ganz viel. Ich
fand, hier hab ich das Verb gelernt, wir können das wegtuppern oder
eintuppern. Ich kannte das Verb noch gar nicht, aber fand ich gut. Ganz
viele Tupperdosen zu Hause.
01:12:32.000
Mine: In Schwaben ist das auch gängig. Da wird getuppert.
01:12:35.000
Raúl Krauthausen: Aber so was von … und da ist auch richtig dann der fight
um die Tupperdose, dass sie wieder zurückkommt, wenn man sie verleiht.
Das ist ein Ding.
01:12:44.000
Mine: Ich hab nur noch Deckel zu Hause. Ich weiß nicht so richtig, wo die
sind. Das ist wie bei Socken. Die verschwinden auch alle.
01:12:51.000
Raúl Krauthausen: Aber ich esse seitdem wir uns kennen, esse ich so gut wie
nie zuvor. Das ist auf jeden Fall …
01:13:00.000
Mine: Das ist gut.
01:13:02.000
Raúl Krauthausen: Ein sehr guter Gewinn.
01:13:03.000
Mine: Ja. Essens Upgrade.
01:13:05.000
Raúl Krauthausen: Sind deine Kinder musikalisch?
01:13:07.000
Mine: Weiß ich nicht. Guck mal mal. Also gerade im Moment singen die …
zwei sind die. Also sehr klein.01:13:14.000
Raúl Krauthausen: Also da kann ja noch alles.
01:13:16.000
Mine: Da kann auch alles, ja. Aber sie sollen machen, was sie wollen. Ich
hoffe, dass sie keine Fußballer werden. Das ist so eine Angst, die ich hab.
Aber ich hab keinen Bock mit Fußballern, Eltern abzuhängen.
01:13:29.000
Raúl Krauthausen: Nimmst du die auf deine Konzerte mit?
01:13:31.000
Mine: Noch nicht, weil die pennen so früh.
01:13:33.000
Raúl Krauthausen: Ja.
01:13:34.000
Mine: Die gehen wirklich … Wir haben die ziemlich früh synchronisiert,
weil es schon am Anfang Grenzerfahrung war so … Es war schon sehr
anstrengend.
01:13:42.000
Raúl Krauthausen: Dass sie gemeinsam einschlafen und … Okay.
01:13:44.000
Mine: Deswegen haben wir ziemlich strikt und die gehen immer abends zur
selben Zeit ins Bett. Die gehen auch gerne ins Bett. Deswegen ist das voll
chillig. Aber wir brechen das wirklich so gut wie nie. Aber ich hab jetzt
gesagt, jetzt im April müssen sie unbedingt mal wenigstens im Soundcheck
kommen, damit sie wissen, was die Mutter macht.
01:14:04.000
Raúl Krauthausen: Ja. Ich stell mir so eine … Also wahrscheinlich bist du
aus der Stillzeit raus.
01:14:07.000
Mine: Ja.
01:14:08.000
Raúl Krauthausen: Aber ich stell mir das auch anstrengend intensiv vor,
wenn man dann irgendwie eine Tour macht oder ein Album produziert und
dann die Kinder ja auch einen brauchen.
01:14:18.000
Mine: Das stimmt. Ich hab ein halbes Jahr gestillt und dann wusste ich
aber schon, als ich schwanger war, dass da eine Tour ist. Und die hab ichauch stehen lassen, weil ich dachte, es ist ganz gut, dann direkt wieder
reinzusliden, weil die auch sehr kurz war. Es waren zwei Mal vier Tage.
Und vorher hab ich dann abgestillt dann direkt. Also ich hab gar nicht so
lange gestillt. Und am Anfang war es auf jeden Fall auch schon krass vor
der Kita, so arbeiten und zwei Babys. Aber für mich war es perfekt. Aber
es war halt auch Me-Time. Also so arbeiten, also für meinen Partner und
für mich war das immer so hey cool, mal durchatmen, mal was machen.
01:14:59.000
Raúl Krauthausen: Was du ansetzt.
01:15:00.000
Mine: Sitzen, essen, ohne das … also essen auch allgemein, Zeit zu haben
zu essen. Das war schön.
01:15:09.000
Raúl Krauthausen: Sind Tourneen eigentlich als solche anstrengend für
dich?
01:15:12.000
Mine: Ja, aber positiv stressig. Also ich bin schon ein Streber auf Tour. Ich
geh immer als erstes ins Bett.
01:15:21.000
Raúl Krauthausen: Du trinkst wahrscheinlich kein Alkohol?
01:15:23.000
Mine: Wenig.
01:15:24.000
Raúl Krauthausen: Also Aligatoah hat das erzählt, der trinkt kein Alkohol
nach seinen Konzerten.
01:15:28.000
Mine: Ja, nach dem Konzert nicht. Nee, nee, nee. Ich trinke vorher
vielleicht mal ein Glas Weißwein, weil ich so starkes Lampen wie
überhaupt und das mir manchmal so ein bisschen hilft. Aber sonst bin ich
recht brav unterwegs, damit das so stimmlich alles funktioniert.
01:15:40.000
Raúl Krauthausen: Und dann bist du mit dem Nightliner unterwegs oder?
01:15:43.000
Mine: Inzwischen schon, ja. Das ist schon krass, ja. Früher hab ich das
immer gesehen und dann dachte ich immer so, die sind so berühmt.01:14:54.000
Raúl Krauthausen: Ja, ich hab mit Bosse darüber gesprochen und er hat
mich mal in seinen Nightliner eingeladen. Das muss ich unbedingt noch
machen. Ich war noch nie in meinem Leben mit einem Nightliner. Ich stell
mir das genauso vor. Die sind berühmt und dann kann man da eben
schlafen im Bus und so.
01:16:06.000
Mine: Das ist auch voll geil. Also was halt das Besondere daran ist, ist,
dass man nicht tagsüber noch fährt. Weil früher war es halt so, wir sind
halt fertig mit dem Konzert, mit dem Abbauen gewesen. Dann muss man
erstmal zum Hotel fahren. Dann schläft man frühestens um zwei. Dann
muss man um sechs, sieben wieder aufstehen, fährt 500 Kilometer. Das ist
richtig körperlich anstrengend. Jetzt ist es halt so, wir sind halt morgens
schon da. Ich hab noch Zeit, Sport zu machen. Ich kann mir erstmal
gediegen einen Kaffee rein gönnen. Das ist halt so, das ist halt living the
life. Also ich hab aber das Gefühl auch ehrlich gesagt, bei Musikern da ist
das allgemein, weil ich ja nur noch das mache. Und früher war das ja mein
Hobby. Und jetzt hab ich so viel Zeit und ich mach total viel und so. Aber
es fühlt sich immer so an, als wäre das irgendwie nicht so viel.
01:16:54.000
Raúl Krauthausen: Was ich versuchen möchte, meine Gäste jetzt in Zukunft
immer zu fragen, weil ich vor dieser Frage sehr häufig stehe inzwischen.
Glaubst Du die Welt wird besser oder schlechter?
01:17:06.000
Mine: Ich hoffe besser, ich befürchte schlechter.
01:17:08.000
Raúl Krauthausen: Oder?
01:17:09.000
Mine: Gerade einen Moment schon.
01:17:11.000
Raúl Krauthausen: Ich finde das so krass. Also das ist genau das Gefühl.
01:17:15.000
Mine: Ja, es gibt mir auch kein gutes Gefühl über sowas nachzudenken.
01:17:20.000
Raúl Krauthausen: Nee, und wir empören uns alle nur noch. Wir schreien
uns auch nur noch an, auch auf Social Media. Aber es gibt Debatten, gibt
es ja kaum noch.01:17:28.000
Mine: Ich bin eher in einer Schockstarre gerade. Ja, genau. Also ich hab
mich auch so ein bisschen aktivistisch tatsächlich so ein bisschen
zurückgezogen. Ich hab früher viel so Social Media aktivistisch viele
Sachen gemacht und jetzt teile ich nur noch Sachen, aber mach selber
weniger, weil es einfach schwer auszuhalten ist.
01:17:48.000
Raúl Krauthausen: Fühl dich voll. Voll der Downer. Aber leider, kleine
Hoffnungsthema vielleicht zum Ende. Gibt es eine Organisation, einen
Verein, eine Initiative, die Du kennst, die Du den Hörer*innen empfehlen
kannst, die man unterstützen sollte oder mal kennenlernen sollte?
01:18:10.000
Mine: Oh, es gibt viele Initiativen. Also die erste, die mir einfällt, ist die
Initiative des 19. Februars, weil das gerade so aktuell ist. Geht um den
Anschlag von Harlau und die Familie. Ich war jetzt gerade im
Gorgitheater vor zwei Tagen und die hatten das ganze Wochenende zum
Thema und hatten auch die Überlebenden und Angehörigen da. Und das
war eine krasse Veranstaltung. Ich war nur im musikalischen Teil. Ich hab
also vorher die Talks gar nicht mal gehört. Ich hab also nur diese
Stimmung mitbekommen und hab Etris kennengelernt, der das Buch, der
Überlebender ist und das Buch drüber geschrieben hat, das ich noch nicht
gelesen habe, aber unbedingt lesen möchte. Und das kann ich sehr
empfehlen, weil die nämlich aus eigener Initiative und aus eigener Kraft
heraus so viel tun für die Gesellschaft aus einer Trauer heraus, was denen
angetan wird, wo das System dermaßen versagt. Und sie aber trotzdem,
obwohl sie eigentlich diese Kraft brauchen, um das alles für sich
persönlich zu verarbeiten, das aber persönlich, also das nach hinten
anstellen und aktivistisch arbeiten und jedes Mal erneut in die Trauer
reingehen und davon erzählen, um halt von diesen Rassismus-Erfahrungen
zu sprechen, damit sich was ändert. Und aufzuklären und reisen durchs
Land und reden darüber. Das hat mich sehr…
01:19:42.000
Raúl Krauthausen: Das kann ihr aber auch öfter machen, wenn wir beide so
das Gefühl haben, irgendwie das wird eher alles schlechter
01:19:47.000
Mine: Ja, ich mein, es gibt ja nicht nur Schlechtes auf dieser Welt, es gibt
so viele coole Sachen. Ich find ja Leben ganz cool auch. Ich hab das
Gefühl, wir haben auch noch das Glück so in der Zeit, die wir jetzt somitnehmen, noch sehr viele coole Sachen mitnehmen zu können. Und ich
find’s aber trotzdem beachtlich und schätze das sehr, wenn Menschen
immer wieder die Kraft aufbringen und sich hinstellen und Bock haben, die
Gesellschaft zu formen, was zu machen.
01:20:17.000
Raúl Krauthausen: Wenn jetzt gleich die Aufzugstür aufgeht, wo geht für
dich die Welt, das Leben weiter?
01:20:24.000
Mine: Ich geh nach Hause, mein Sohn hat Husten zu Hause.
01:20:26.000
Raúl Krauthausen: Oh nein.
01:20:28.000
Mine: Ja, aber dem geht’s gut.
01:20:29.000
Raúl Krauthausen: Okay.
01:20:30.000
Mine: Der ist gut drauf, der hustet noch ein bisschen. Und dann bauen wir
vermutlich einen Turm.
01:20:37.000
Raúl Krauthausen: Yay.
01:20:38.000
Mine: Oder wir lesen was über Dinos.
01:20:40.000
Raúl Krauthausen: Ja, cool.
01:20:42.000
Mine: Ja.
01:20:43.000
Raúl Krauthausen: War ein sehr schönes Gespräch.
01:20:46.000
Mine: Find ich auch. Vielen Dank für die Einladung. Ich geh sehr
inspiriert nach Hause.
01:20:51.000
Raúl Krauthausen: Sehr gerne, sehr gerne wieder.01:20:5.3000
Mine: Voll.
01:20:57.000
Raúl Krauthausen: Und mal so auf ein leckeres Essen.
01:20:58.000
Mine: Ja. Oder auf ein Konzert.
01:20:59.000
Raúl Krauthausen: Genau, ja gerne. Also ich spiel keine Musik, aber ich
komm gern vorbei.
01:21:02.000
Mine: Oder wir gehen zusammen auf ein anderes.
01:21:04.000
Raúl Krauthausen: Sehr gerne. Ja, wir gucken uns den Nightliner von Bosse
an.
01:21:08.000
Mine: Richtig.
01:21:08.000
Raúl Krauthausen: Dass wir doch mal.
01:21:10.000
Mine: Das machen wir.
01:21:11.000
Raúl Krauthausen: Schön, dass du da warst. Vielen Dank.
01:21:13.000
Mine: Ich danke dir.
01:21:17.000
Raúl Krauthausen: Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese
Folge Spaß gemacht hat, bewerte diese Folge bei Apple Podcasts, Spotify
oder wo auch immer ihr zuhört. Alle Links zur Folge, sowie die Menschen,
die mich bei diesem Podcast unterstützen, findet ihr in den Show Notes.
Schaut da gerne mal rein. Wenn ihr meine Arbeit unterstützen möchtet,
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eine Produktion von Schönein Media. Ich freue mich auf das nächste Mal
hier im Aufzug.
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Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann
Coverart: Amadeus Fronk