Wie kann Reichtum gerechter verteilt werden?
Über Geld zu sprechen, ist in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabu. Aber heute tun wir genau das. Denn Marlene Engelhorn ist reich – schon bevor ihr mit Ende 20 mitgeteilt wurde, dass sie einige Millionen Euro erben wird. Aber genau das will sie ändern. Denn als Grund der extremen sozialen Ungerechtigkeit sieht sie auch die Steuerpolitik, die die Besteuerung von Vermögen und Erbschaften immer weiter verringert hat. Mit taxmenow setzt sich Marlene daher für mehr Steuergerechtigkeit ein – eine Initiative von Vermögenden, die eine höhere Besteuerung von Reichtum erreichen will. Ein Gespräch über Privilegien, Macht und Schlupflöcher. Aufzugtür auf für Marlene Engelhorn!
Aufzug auf für Marlene Engelhorn!
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Raul Krauthausen: Bevor es heute losgeht, du weißt sicher was jetzt kommt. Wie
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Dagmar, Joy, Joanne und Iris. Vielen Dank und schon geht’s los. Über Geld zu
sprechen ist in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabu. Aber heute tun wir
genau das. Denn Marlene Engelhorn ist reich. Schon bevor ihr mit Ende 20
mitgeteilt wurde, dass sie einige Millionen Euro erben wird, hatte sie nie
Geldsorgen. Sie hatte als Kind nicht in einem Haus, sondern in einer Villa
gelebt und sie hat noch nie eine Steuererklärung gemacht. Aber genau das will
sie ändern. Denn als Grund der extremen sozialen Ungerechtigkeit sieht sie
auch die Steuerpolitik, die die Besteuerung von Vermögen und Erbschaften
immer weiter verringert hat. Mit ihrer Organisation „Tax me now“ setzt sich
Marlene daher für mehr Steuergerechtigkeit an. Eine Initiative von
Vermögenden, die eine höhere Besteuerung von Reichtum erreichen will. Wir
sprechen darüber, wie Vermögende in unserem System privilegiert werden und
was das für die Machtkonzentration bedeutet. Marlene hat mir von den
Abgründen und den Schlupflöchern dieses Systems erzählt und ich war immer
wieder geschockt. Also, schnallt euch an für diese Aufzugsfahrt mit Marlene
Engelhorn. Die Tür geht auf und wer kommt rein? Oh mein Gott, ich verfolge
sie online schon seit Jahren. Marlene Engelhorn, schön, dass du da bist.
00:01:55.880
Marlene Engelhorn: Hallo, danke, dass ich da sein darf.
00:02:02.640
Raul Krauthausen: Ich finde das super spannend, das Thema, dass du mit dir2
mitbringst quasi, für das du dich einsetzt. Da kann man sicherlich auch noch
später darauf zu sprechen. Aber eine Frage, die ich jeden Gast frage, hatest du
schon mal einen merkwürdigen Moment in einem Aufzug?
00:02:20.160
Marlene Engelhorn: Ja, letztens bin ich im Aufzug ins Erdgeschoss gefahren
und der Aufzug bleibt stehen, öffnet die Tür nicht und fährt wieder hinauf in den
zweiten Stock und ich dachte mir, hä? Und bin ich jetzt gefangen und habe noch
mal versucht, aber dann ging es, dann ist die Tür auch unten aufgegangen, keine
Ahnung, was der sich in den Kopf gesetzt hat.
00:02:33.200
Raul Krauthausen: Also so in der Matrix, aber ein Fehler in der Matrix
gewesen.
00:02:38.480
Marlene Engelhorn: Genau, aber jetzt nicht, Marlene, wir bleiben im zweiten
Stock, gewöhn dich dran.
00:02:44.720
Raul Krauthausen: Genau, oder man muss den Kurs die Welt resetten, finde ich,
unten im Erdgeschoss, so wie bei der Truman Show.
00:02:50.400
Marlene Engelhorn: Oh Gott, ja, stimmt so. Na, wir können einfach die
Aufzugtür nicht öffnen, wir müssen hier noch die Kamera wegräumen. Oh Gott,
das muss nicht mehr ein Verfolgungswahn machen, Jesus Christ.
00:02:59.640
Raul Krauthausen: Was ich mich die ganze Zeit gefragt habe, jetzt aber auch bei
den Recherchen zu dir, kannst du dir erklären, wie du wurdest, wer du bist?3
00:03:05.360
Marlene Engelhorn: Wow, nein, das ist so eine Megafrage. Das Ding ist, ich
habe ja den schlechtesten Einblick, schätze ich, in das Ganze. Ich glaube, die
Person, die das am besten beschreiben kann, jemand, der mich jahrelang
beobachtet hat und den geringsten Bias zu meiner Person, könnte da
wahrscheinlich was dazu sagen. Ich kann nur das erklären, was ich für mich
stimmig finde, aber ich glaube, da blende ich halt auch ganz viele Dinge aus,
die vielleicht mega wichtig sind, aber mir überhaupt nicht auffallen würden.
00:03:35.840
Raul Krauthausen: Zum Beispiel?
00:03:35.840
Marlene Engelhorn: Ja, also was ich weiß, also ich kann nicht sagen, was ich
ausblende, weil keine Ahnung, was das wäre, aber was ich weiß, ist, zum einen
bin ich in einem relativ klassischen Vermögen oder Hochvermögen, dann müsste
man sagen, überreichen sage ich gerne, Situation aufgewachsen, insofern, als
das Haus ist kein Haus, sondern eine Villa, aber man sagt nicht Villa, man sagt
großes Haus, wenn überhaupt. Und das ist halt in einem Bezirk, wo ganz viele
solcher großen Häuser, es sind verdammt nochmal Villen, herumstehen und
dann war ich in einem Privatkindergarten und einer Privatschule und nicht im
öffentlichen Schulsystem. Dazu muss man fairerweise sagen, dass das Lycée,
das ist das französische Schulsystem, es ist wahnsinnig international und
Menschen, die zum Beispiel eine französische Staatsbürgerschaft haben, können
aufs Lycée gehen, als wäre es eine öffentliche Schule. Das heißt, wir hatten ein
paar Kinder in meiner Klasse, also Klassenkamerad*innen und so weiter, die
durchaus aus „normalen Verhältnissen“ kamen, die nicht nur da als
Privatschüler*innen hingehen, wo die Eltern hohe Gebühren zahlen müssen.
Das heißt, es war eine kleine Mischung, aber verhältnismäßig die allermeisten
sind hochgradig klassenprivilegiert und auch viele Vermögende. Das heißt, die4
Normalität, in der ich mich bewegt habe, was für mich ganz normal war, war,
dass man in einem mehrstöckigen Haus wohnt mit einem riesigen Garten, dass
man mit dem Auto zur Schule gebracht wird und dass man muss sich nicht
erkämpfen, dass man mit dem Bus selber fahren darf, weil man jetzt schon neun
oder zehn Jahre alt ist und schon groß und so. Und das ist ein privates, also die
Schule ist ja dann anders ausgestattet, man lernt französisch und bildet sich was
drauf ein, solche Sachen. Also ich habe mir was drauf eingebildet, vielleicht gibt
es auch sehr bescheidene Kinder, die aus dem Lissé kommen, ich habe mir was
drauf eingebildet, französisch zu können und so. Das ist etwas, was mich
geprägt hat und dann aber Menschen kennenzulernen, die ganz anderen
Hintergrund haben, zum Beispiel über das Studium an der Uni Wien, einer
öffentlichen Universität, wo durchaus viele klassenprivilegierte Menschen
waren, aber sehr viel weniger Vermögende oder zumindest nicht so in dem
Vermögenden-Spektrum, in dem ich mich bewege, weil ich bin ja nicht nur das
reichste Prozent, sondern 0,1 reichstes Prozent, wenn man das
Familienvermögen nimmt. Und da dann plötzlich mit Lebensrealitäten
konfrontiert zu sein, die keine Frage von „ich mache das, weil es gut ausschaut“
im Lebenslauf, zum Beispiel ich mache nicht diesen Job in diesem Café neben
dem Studium, weil das sieht dann aus, als wäre ich extra fleißig, sondern ich
mache das, weil ich mir sonst nicht leisten kann zu wohnen und zu essen. Diese
anderen Selbstverständlichkeiten kennenzulernen, das hat einen riesen
Unterschied gemacht für mich, in einen Kontakt zu kommen, auf einer
freundschaftlichen Ebene mich nicht nur zu umgeben mit Menschen, die so
ticken und so sind, wie ich zumal sie ganz selten waren, also ich hätte sie gar
nicht rauspicken können, wenn ich wollte, und dann festzustellen, wie unnormal
mein ganzes Normalsein ist, wie abgehoben das tatsächlich ist. Und das wurde
dann halt auch verbunden mit meinen Vorstellungen zu sozialer Gerechtigkeit,
die ich hatte und habe, und wo ich dann die Ankündigung der Erbschaft
bekommen habe. Da wusste ich plötzlich…5
00:06:39.960
Raul Krauthausen: Wie alt warst du denn?
00:06:39.960
Marlene Engelhorn: Da war ich 27, 28, 29, 27 im Herbst. Und da wusste ich
plötzlich, okay, das Vermögen, von dem ich zu dem Zeitpunkt durchaus schon
wusste, aber das ich bequem verdrängen konnte, das gehört jetzt nicht einfach
meiner Familie, sondern es wird meines. Und das heißt, wie ich mich damit
verhalte, was ich tue, was ich sage, das wird wiedergeben, ob alle meine
Gedanken zu sozialer Gerechtigkeit etwas wert sind, oder ob ich mir einfach auf
der einen Seite denke, ja, ich habe es eh voll verstanden, aber tja, Pech, da kann
man halt nichts machen, was nicht stimmt. Weil wenn man in diese Vermögen
eine Position kommt, dann kann man durchaus was tun. Und daraus hat sich
dann ergeben, dass ich mich damit beschäftigt habe, wie ist das eigentlich mit
der Macht und warum sollte ich die haben? Und meine Antwort ist, ich sollte sie
nicht haben, dafür müsste ich gewählt werden, bin ich aber nicht. Und wie kann
man demokratisch mit Vermögen umgehen, das ungleich verteilt ist und dann
komme ich zur Steuerpolitik und so kann ich es mir erklären. Aber das ist nur
einer von vielen Bausteinen, diese Uni Geschichte und so
weiter. Ich glaube wirklich,
0:07:45.000
Raul Krauthausen: was hast du studiert?
00:07:49.920
Marlene Engelhorn: Germanistik und ich studiere eigentlich immer noch, also
ich bin immer noch eingetragen. Ich glaube es steht sogar auf Wikipedia,
Langzeitstudierende, ich glaube ich würde reinschreiben müssen,
Bummelstudentin, weil das, ich bin sehr anders beschäftigt gerade. Aber ohne
die Beziehungen der Leute, ohne die ehrlichen Gespräche von Menschen, die6
mir auch mal ins Gesicht gesagt haben, sag mal, tickst du nicht ganz richtig, das
was du dafür normal ist, das ist total abartig. Also nicht schlecht oder so, die
haben mich nicht entwerten wollen, aber sie wollten mir unbedingt klar machen,
vergiss nicht, in welcher Welt du lebst, hast du überhaupt einen Bezug, kannst
du das einordnen? Und das ist tatsächlich normal für Vermögende, dass sie
immer glauben, sie gehören nur unter Anführungszeichen zur oberen
Mittelschicht, Klammer auf Friedrich Merz denkt das ja auch oder vielleicht
weiß er es inzwischen besser, Klammer zu. Und sie gehören aber in Wahrheit
dort nicht hin, sondern sie gehören zu dem reichsten Prozent oder aber zu den
fünf reichsten Prozent eines Landes. Und dieses Bewusstsein zu verankern in
den eigenen Handlungen und im eigenen Denken, das ist Beziehungsarbeit
gewesen. Ich bin vielen Menschen und ihrer Geduld unendlich dankbar.
00:08:45.120
Raul Krauthausen: Ich versuche mal eine Analogie, bitte korrigier mich sofort,
wenn das falsch ist. Ich habe jetzt am Wochenende Twilight gesehen, die
Trilogie. Und was mich und meine Frau so irritiert hat, war, dass Vampirismus
beigestellt wurde wie eine Behinderung und dass sie total darunter leiden, dass
sie ewig lange leben, dass das bloß niemand wissen darf und dass sie
unterdrücken müssen, dass sie Menschenblut mögen und dann so eine Art
Veganismus zelebrieren und auch darunter totalleiden, dass sie darunter leiden,
dass sie Superkräfte haben und wo ich dann dachte so naja, come an, also check
mal deine Privilegien als Vampir. Und habe ich jetzt gerade gefragt, ob das mit
reich sein auch eine Last ist. Also auch wie eine Behinderung quasi. Wie findet
man überhaupt Augenhöhe zu Menschen, die nicht reich sind? Wie glaubt
man denen oder wird man schief angeguckt, wollen die alle nur dein Geld? Also
versteht du, was ich meine?7
00:09:45.720
Marlene Engelhorn: Ja und ich finde, das ist ziemlich am Punkt, überreiche
Menschen sind Vampire. Oh Gott, da kriege ich sicher Ärger, wenn ich das jetzt
öffentlich gesagt habe. Aber ich würde der Analogie schon folgen. Ich glaube,
dass also auch in den vermögenden Kreisen, zu denen ich Zugang habe, da gibt
es sehr viele Menschen, die durchaus sich isoliert fühlen, weil Vermögen in aller
Regel, ja, also es ist selten, dass Vermögen nicht vererbt ist oder dass es mit
irgendeinem Familien- und dynastischen Kontext einhergeht. Also in aller Regel
wird man hinein sozialisiert in Vermögen und das bedeutet, man bekommt von
Anfang an auch mit diese Botschaften von „Pass auf, ob jemand nicht nur mit
dir befreundet ist, weil du Geld hast, also sag’s niemandem, dass du Geld hast.“
Versuchend am Radar zu treten.
00:10:30.360
Raul Krauthausen: Hast du es gehalten?
00:10:30.360
Marlene Engelhorn: Ja, ich habe das auch lange nicht besprochen. Ich habe mit
meinen Freundinnen erst ziemlich spät begonnen, das offen zu thematisieren,
dass die Familie, also die wussten, wenn sie mich zum Beispiel besucht haben
und wir haben, wie gesagt, ich habe in einer Villa gewohnt und dann in einem
sehr, sehr großen Wohnung und so, die konnten sich schon denken, okay, da ist
Geld da, aber die Dimension, die war ja niemandem wirklich bewusst,
vor allem, man weiß es dann auch besser als nachzufragen, weil man
eingeschüchtert ist vielleicht auch. Das weiß ich nicht, das müssten die jetzt
sagen, aber ich habe recht spät begonnen da zu sagen, hey, ich würde eigentlich
ganz gerne auch offen über Zahlen sprechen, die ich kenne, aller Liebe, ich
kenne Gott lange nicht so viel, wie ich gern wüsste, aber bewusst ist ein anderes
Thema und das unterm Radar fliegen, um sich eben nicht angreifbar zu machen
in der Machtposition, die man inne hat, weil man nur hineingeboren wurde. Das
habe ich schon gemacht und das ist auch ganz oft, höre ich das, dass man halt8
sagt, okay, das isoliert mich, ich bin hineingeboren, ich kann quasi nichts dafür,
ich habe diese Machtposition, ich will sie nicht, deswegen nutze ich sie jetzt
auch nicht, egal in welche Richtung, gleichzeitig will ich sie nicht abgeben, weil
ich will vielleicht nicht mir denken, ich bin jetzt schon, also die Besserstellung,
die ist mir schon bequem und da möchte ich auch irgendwie, das ist eine
Zwickmühle, gleichzeitig schön und gut, wenn das ein persönliches Thema ist
und so weiter. Das will ich respektieren, aber gesamtgesellschaftlich ist es ein
verdammtes Luxusproblem und braucht unbedingt eine Reflexion, dass man
sagt, okay, und was kann ich jetzt eigentlich machen, also von diesem, das sind
Gefühle von Scham und von Schuld dabei, die alle legitim sind und die alle auch
ernst zu nehmen sind, aber es muss in Handlung irgendwie sich umschlagen, es
muss irgendwie dazu führen, dass wir uns sagen, okay, wir können nicht darauf
warten, dass all diese vermögenden Menschen draufkommen, wie sie das
Problem selber lösen, weil offensichtlich ist das zu bequem, Recht zu sein, um es
zu machen. Wie kann man gesamtgesellschaftlich an der Verteilung von
Vermögen so arbeiten, mit Mitteln, die sowieso bekannt sind, die wir benutzen
die ganze Zeit klammer auf, natürlich meint jetzt die Engelhorn schon wieder
ihre Lieblingssteuern auf Vermögen und Erbschaften, kann man so, also wie
kann man das gesamtgesellschaftlich angehen und diese Debatte beschreiben
und nicht so hineinkommen und dann, oh die Armen reichen, die leiden so unter
ihrer Verantwortung, weil das stimmt nicht, weil niemand zwingt dich reich zu
sein und das ist etwas, das nicht dazu gesagt wird. Wir müssen nicht, wir sind im
Gegensatz zu den Vampiren aus Twilight nicht dazu verdammt, wir können
schon entscheiden, nicht reich zu sein und dann haben wir das Problem
vielleicht auch in dem Maße plötzlich nicht mehr, aber das wollen die meisten
halt nicht.
00:12:57.800
Raul Krauthausen: Ich kann es verstehen, aber glaube ich nicht fühlen mit dem
Thema Behinderung, das ist mein Thema, da merke ich halt schon, dass9
natürlich ganz viele Tabus auch im Raum sind. Also kann ich sagen, kann ich
ansprechen, wenn ja wann, wie viel mute ich jemandem zu, wenn er oder sie das
weiß, oder umgekehrt, wenn ich etwas wissen will, aber es angehend
gesellschaftlich auch tabuisiert wird. Warum glaubst du, es ist so, dass Geld in
unserer Gesellschaft ein Tabu ist?
00:13:30.760
Marlene Engelhorn: Das ist schwer einerseits, weil ich schon merke, dass es da
Unterschiede gibt in Österreich und in Deutschland und ich will mich nicht zu
sehr aus dem Fenster lehnen für den deutschen Kontext. Was ich jetzt so
herfabulieren kann, das ist wirklich nur aus meinem Kopf, da spreche ich auch
nicht repräsentativ für Tax me now oder so, pur Marlene Engelhorn
Gehirndownload. Ich glaube, das eine ist, es gibt diesen Leistungsfetisch, den
ich sehr kritisch sehe, weil der Leistungsbegriff in meinen Augen nicht
ansatzweise sich irgendwie so definiert wurde, dass man damit alles erfasst, was
passieren muss, damit irgendwas vorwärts geht, sondern es ist eigentlich nur ein
Schulterklopfen für vor allem alte weiße Akademiker, das ist absichtlich nicht
gegendert. Also ich glaube, dass man Vermögen hat und dass man das nicht
selbst erarbeitet hat, was tatsächlich ja auch nicht möglich ist in dem Ausmaß.
Dafür sich zu schämen ist sehr normal, weil die Frage von hast du verdient, was
du hast, diese Fragen von Schuld und Verdienst und von Scham, ich glaube, das
ist etwas, was stark ist. Dieses Tabu über Geld spricht man nicht, Geld hat man,
man muss sich bescheiden geben und zurückhalten, aber gleichzeitig im
Hintergrund hat man ja diese Verantwortung, Klammer auf, die Macht und
muss dann auch entsprechend verantwortungsbewusst diese Gesellschaft leiten,
dass dabei nicht hinterfragt wird, dass man damit die demokratischen
Prinzipien von Öffentlichkeit, von Transparenz, von Rechenschaftspflicht
umgeht bequemerweise, weil das ist ja mega mühsam, Rechenschaftspflicht
abzulegen. Das wird nicht hinterfragt, das stört mich dann so sehr. Aber ich
glaube, das ist so das eine und das andere ist dann so banale persönliche10
Kontexte. Also nicht alle überreichen Menschen werden auf Privatschulen
geschickt. Viele und sie werden in der Regel auch, also es gibt schon so
Abschottungstendenzen, aber nicht alle und manche sind dann vielleicht schon
auf einer öffentlichen Schule unterwegs und merken von Anfang an, dass sie,
wenn sie sich vergleichen, dass es Unterschiede gibt und sie wollen halt auch
einfach nur dazugehören vielleicht. Also wenn man jetzt von Kindern vor allem
spricht, nicht dass man später nicht mehr dazugehören will, aber ich glaube da
bin ich eher bereit, ein Auge zuzudrücken und diese Dynamiken unreflektiert
gelten zu lassen. Während bei Erwachsenen würde ich mich schon wünschen,
dass man ein bisschen drüber nachdenkt. Das sind glaube ich Dinge, die
reinspielen. Ich kenne so viele Leute, die rückwirkend beweisen wollen, indem
sie sich von einem Burnout ins nächste arbeiten, dass sie ihre Erbschaft wert
sind. Was absurd ist. Aber einfach auch um zu beweisen, ich bin das wert, weil
man ein Bewusstsein dafür hat, irgendwo ist das unfair, irgendwo passt das
nicht, das stimmt nicht, das ist irgendwie ungut.
00:16:00.760
Raul Krauthausen: Also, das muss ja auch, dieses Schuld- und Schamgefühl ist
ja dann vielleicht auch für den einen oder anderen ein Anlass, Therapie zu
machen, oder?
00:16:17.400
Marlene Engelhorn: Grundsätzlich würde ich das vermuten. Dafür muss man es
aber auch als, den Leidensdruck muss man ja dann spüren, dass man weiß, ich
habe einen Leidensdruck, ich probiere mal Therapie oder man hat einen
anderen und kommt dann vielleicht auf Therapie drauf. Aber auch, also das
wäre ja möglich grundsätzlich, vor allem wenn man das Vermögen hat, sich die
Therapie zu bezahlen, was ja auch wieder ein Privileg ist in dieser Gesellschaft,
dass man es dann wahrnimmt, nur ich glaube, was eher passiert, was ich
zumindest eher mitbekomme, und das ist wirklich wieder nur Download aus11
meinem Gehirn, ich kann das nicht belegen, das ist nur, wie ich es wahrnehme.
Stattdessen schottet man sich eher ab und sagt, nee, die anderen sind das
Problem. Nicht ich habe ein Problem mit meinem Schuldgefühl, sondern die
anderen gönnen mir das nicht, die anderen sind neidisch, ich kann doch nichts
dafür, gerade bei so Erbschaft, oder? Ich habe mir das ja auch nicht ausgesucht
und jetzt mache ich das Beste draus und jetzt sollen wir mir nicht da Knüppel
zwischen die Beine werfen, gesellschaftlich und so weiter. Auch wieder so ein
Ding.
00:17:09.480
Raul Krauthausen: Ich habe neulich ein Video auf TikTok gesehen, ja ich
gestehe, ich bin manchmal auf TikTok.
00:17:14.840
Marlene Engelhorn: Das ist doch okay.
00:17:14.840
Raul Krauthausen: Und das war ein Zusammenschnitt von einer Sendung, wo
Barack Obama, ich glaube bei Jay Leno war, und dann hat er so erzählt, dass
seine Töchter auf eine ganz normale Schule gehen und dann hat der Moderator
gesagt, also sorry, aber das kann nicht sein. Eine ganz normale Schule ist es ja
schon allein deswegen nicht, wenn deine Töchter mit der Secret Service
gebracht werden und Bodyguards vor der Tür stehen. Also das ist doch gar
nicht so einfach, diese Normalität herzustellen, wenn vielleicht auch man
bedroht wird. Also ich meine, es werden ja auch reiche Leute entführt, wie
Rebensmacher zum Beispiel, dass man gleich auch den Grund hat, sich zu
schützen oder meint zu schützen.
00:17:58.520
Marlene Engelhorn: Ich glaube da muss man wieder Dinge, was mir sofort
einfällt ist, wie gesagt, niemand zwingt einen dazu, reich zu bleiben. Man kann12
auch und das Öffentlichkeitswirksam das Geld so abgeben, dass man nicht mehr
reich ist und dafür sorgen, dass dann auch bewusst ist der Öffentlichkeit, dass
man kein sinnvolles Ziel mehr ist für zum Beispiel eine Bedrohung. Das kann
man ja machen und zu einerseits zu sagen, ja ich habe hier dieses persönliche
Bedürfnis und Angstgefühl vielleicht oder so und andererseits aber nicht
anzuerkennen, dass es sich um strukturelle Probleme handelt und dass wir das
ändern könnten. Wir könnten ja die Verteilung ändern und dann hätten wir nicht
mehr Leute, die sich einbilden, sie müssen ihre Kinder mit Bodyguards in die
Schule schicken. Ich meine, was ist das für eine Kindheit?
00:18:45.960
Raul Krauthausen: War das bei euch Thema zu Hause?
00:18:51.040
Marlene Engelhorn: Nein, das war das.
00:18:51.040
Raul Krauthausen: Sicherheit?
00:18:57.160
Marlene Engelhorn: Nein, also Sicherheit, so wie es halt vermutlich in den
meisten Familien ein Thema ist, dass man halt aufpasst, links und rechts gucken
über die Straße und geh nicht mit fremden Leuten mit, also solche Sachen. Aber
das war kein Thema, das wir je in irgendeiner Form Bodyguards oder so
bekämen. Ich halte das für absurd und ich würde sagen, ich glaube es ist einfach
wichtig, dass man sagt, wenn die Gesellschaft nicht die Bedingungen dafür
schafft, dass wir nicht solche krassen Unterschiede haben in Vermögen und in
Macht, die erst dazu führen können, dass Menschen zu Zielscheiben werden
könnten von zum Beispiel organisierter Kriminalität. Wenn wir da nicht
ansetzen, dann können wir das Problem privat sowieso nicht lösen. Ich glaube,
es braucht strukturelle Veränderungen und es braucht einen anderen Diskurs13
zum Thema Geld und eine Enttabuisierung, wie eben auch bei dem Thema, wo
du so aktiv bist oder mit der Enttabuisierung von Behinderungen, die du
angesprochen hast. Es braucht ein Üben dieser Gespräche. Wir sind ja nicht
geübt darin, diese Gespräche zu führen. Bei Einkommen noch mehr als bei
Vermögen tatsächlich. Und bevor wir das nicht ablegen und bevor es nicht eine
andere Normalität geben kann, dass man nicht vermögend sein muss, dass
Macht bei uns demokratisch geregelt wird und nicht über Erbschaften. Wenn
wir das nicht hinkriegen, dann bleibt natürlich ein Unsicherheitsgefühl. Aber
wie gesagt, niemand ist dem ausgeliefert. Wenn man Geld hat, kann man es
auch ausgeben.
00:20:13.240
Raul Krauthausen: Das finde ich gerade total spannend. Wir kommen da auch
gleich noch drauf zu auf die Arbeit von Tax me Now und die Forderung. Ich
versuche das noch so ein bisschen zu umkreisen und in diese Welt einzutauchen.
Ich habe neulich einen Artikel gelesen, wo ich dachte, oh, das kriege ich aber
ganz schön neoliberal, wo gesagt wurde, ja die These mit den 1% ist falsch, dass
das Vermögen bei 1% liegt. Und der Text war auch so geschrieben, dass man
dachte, okay, das wird jetzt gleich wiederlegt. Und dann hat der Autor gesagt,
ja, deswegen sage ich, was im oberen 0,1%. Und das hast du auch vorhin
gesagt, 0,1%. Ist das diese neue Zahl?
00:20:49.640
Marlene Engelhorn: Nee, ich glaube, es geht einfach darum, es gibt schon das
reichste Prozent, also es gibt beide Zahlen. Jetzt kann man streiten, auch im
reichsten Prozent ist Vermögen nicht gleich verteilt, sondern ungleich verteilt.
Da gibt es die gleiche absurde Ungleichheit, so analog quasi, zu was die 1% im
Vergleich zu den 99 haben. Das ist eine Spitzfindigkeit, die irreführend ist, weil
schlussendlich hat auch das reichste Prozent mehr als genug Vermögen, um
wirksam Einfluss zu nehmen auf Politik, auf Gesellschaft, auf Medien, auf14
Wirtschaft durch die Handlungen, die man mit Geld setzen kann. Das heißt, das
ist eine Spitzfindigkeit. Was nicht falsch ist, ist zu sagen, ja, die 0,1% sind
reicher als die 1%. Ja gut, aber pff.
00:21:31.460
Raul Krauthausen: Ja gut, aber was dann mit den 0,1% der 0,1%?
00:21:40.460
Marlene Engelhorn: Genau, also dann irgendwann kommt man, es gibt ja nur
einen der reichsten und alle anderen sind es nicht, oder was? Also das ist ja
auch Quatsch.
00:21:44.800
Raul Krauthausen: Das stimmt, da hast du recht.
00:21:48.800
Marlene Engelhorn: Ich glaube, Vermögensverteilung so sich anzugucken und
zu sagen, okay, wenn wir uns jetzt schauen, dieses eine Prozent hat so und so
viel der Verteilung, also in Deutschland sind es laut DIW, glaube ich, 36%,
wenn ich mich gerade nicht irre, und das ist konservativ gerechnet, ja, dann
muss man sich schon überlegen, 1% der Leute haben über ein Drittel aller
Vermögen.
00:22:12.800
Raul Krauthausen: Ja, das ist krass.
00:22:12.800
Marlene Engelhorn: Und gleichzeitig hat aber die Hälfte der Deutschen Zugang
zu nicht einmal 2% der Vermögen. Und das ist ein Ungleichgewicht, völlig
wurscht, ob in diesem einen Prozent nochmal ungleich verteilt ist. Dieses
Ungleichgewicht ist nicht natürlich, das fällt nicht vom Himmel, sondern das ist
das Ergebnis von politischen Entscheidungen und von systematischen und15
strukturellen Entwicklungen in diesem riesigen Geflecht, das wir Gesellschaft
und Wirtschaft und Politik nennen und das wahnsinnig komplex ist. Es gibt auch
nicht die eine einfache Lösung, aber es gibt jetzt schon sinnvolle Mittel, um
strukturelle Hebel zu benutzen und das zu verändern.
00:22:52.280
Raul Krauthausen: Ich bin gerade dabei, meine Steuererklärung zu machen und
was ich überhaupt nicht begreife ist, warum mir niemand die Steuer erklärt hat,
aber trotzdem muss ich eine Steuererklärung machen. Ich verstehe viele Wörter
nicht, begriffe, ich weiß nicht, wie das genau funktioniert, Einkommensteuer,
Umsatzsteuer, Lehrbildsteuer, Vermögensteuer, was auch immer Steuer und
frage mich, ist das Absicht, dass wir es in der Schule nicht lernen, damit wir
nichts hinterfragen?
00:23:14.000
Marlene Engelhorn: Ja, also das würde ich nicht unterstellen, dass es Absicht
ist, zumal ich glaube, dass das deutsche Schulsystem hat, wie ich das gerade
medial auch mitbekomme, noch ganz andere Baustellen. Ich glaube, es wäre
einfach wichtig auch zu überlegen, okay, von Amtszeit, okay, sind diese, kann
man das so ausfüllen lassen, kann man das so gestalten, diese Formulare und
was für sich, dass es verständlich ist und wenn nein, was bräuchts dazu, weil
man kann nicht davon ausgehen, dass sich jeder Steuerberatung leisten kann,
wo es dann jemand macht, der diese Wörter quasi jahrelang Intus gekriegt hat
und da einfach versteht, worum es geht. Ich glaube aber nicht, dass es eine böse
Agenda dahinter gibt.
00:23:49.640
Raul Krauthausen: Da bleibt eher so strukturell.16
00:23:53.160
Marlene Engelhorn: Ja, es ist wieder, es ist halt wieder die Ungleichheit zu
sagen, okay, die Leute, weil ich kann ja, ich habe noch nie eine Steuererklärung
ausgefüllt, okay, also ich habe keine Ahnung, wie man das macht, weil ich
gewöhnt bin und die erbt man ja mit, man erbt mit dem, mit dem Erbe die
gesamte Finanzberatung der Familie mit und das heißt auch die Steuerberatung.
00:24:06.520
Raul Krauthausen: Und deswegen weißt du nicht, wie viel Geld du hast.
00:24:11.480
Marlene Engelhorn: Mitunter. Dadurch, dass da immer Leute sich drum
kümmern und man nie drauf gucken muss, weil Geld in meinem, in meiner Welt
ist Geld nicht dafür da, die Miete zu bezahlen und das Essen und die Kleidung
und so weiter, das ist sowieso klar, dass dafür Geld da ist. Das steht absolut
außer Frage. Die einzigen Geldfragen, die man sich dann noch stellt, sind
Fragen von, was könnte ich denn machen, wenn ich wollte, so im
Einflussbereich, könnte ich mein eigenes Unternehmen gründen, easy und dann
gleich mal vier, fünf Leute einstellen, damit da diese Arbeitsposten alle
abgedeckt sind, könnte ich investieren im großen Stil im Finanzmarkt, könnte
ich einer Partei eine Spende machen,damit meine Anliegen mehr Gehör finden.
Das sind Geldfragen, ja. Wie kann ich mein Geld vermehren? Nicht wie kann
ich meine Ausgaben decken? Das sind die Fragen, die sich 99 Prozent der
Bevölkerung stellen, aber nicht das reichste Prozent. Die können das schon
künstlich herstellen, diese Fragerei, aber es ist keine ehrliche Erfahrung von
Mangel, die da gemacht wird oder so. Und das heißt, die Finanzberater sind
die, die den Überblick haben und die einem sagen, was man so machen soll und
dann ein paar Billen hingibt und dann unterschreibt man das und dann ist das
alles wunderbar. Aber die wenigsten machen es selber und kennen sich wirklich
aus und das Gleiche gilt für die Steuererklärung. Und das muss man sich aber17
leisten können, weil diese Finanzberater*innen, die sind ja auch nicht billig. Ich
wollte gerade sagen, ihr finanziert ja auch eine ganze Branche damit.
00:25:29.320
Raul Krauthausen: Ja, natürlich. Es gibt ja auch den Stiftungswesen, den selbst,
das gesagt wird. Die einzigen, die daran verdienen, sind eigentlich die
Steuererberater*innen.
00:25:35.600
Marlene Engelhorn: Ja, also wir müssen ja Arbeitsplätze schaffen, ist ja nicht
so.
00:25:40.560
Raul Krauthausen: Aber jetzt ganz praktisch, bevor wir wirklich in das Thema
einsteigen, wenn du jetzt Geld brauchst und gehst zum Bankautomaten oder
kriegst Konto aus Zügel, was sind denn deine Einkommensströme? Ist das
Erwerbsarbeit oder ist es dann einfach Erlöse aus Aktien, Renditen? Kannst du
dir so den Flatrate rausgeben lassen von deinem Finanzberater, dass er ja keine
Ahnung, jeden Tag oder jeden Monat 1000, 2000 Euro auf dem Konto hat?
00:26:01.280
Marlene Engelhorn: Also wie ich persönlich meine Finanzen regle, ist sehr
anders, als das viele andere machen. Zumal mein Geld nicht für Investitionen,
ich das nicht auf den Finanzmarkt gesteckt habe, weil ich halte das für
strukturell schwer hinterfragbar. Ich habe mit meinen Finanzen einen Umgang,
der ist unüblich, aber in aller Regel, was strukturell eher relevant ist. Die
Vermögen haben meistens, haben Vermögen der eben Finanzberatung und die
kümmern sich darum zu schauen, dass einerseits gefragt wird, wie viel Geld
brauchst du denn, dass du regelmäßig quasi Ausschüttungen kriegst in einer
Form, die sinnvoll sind oder aber sie sagen, es gibt Ausschüttungen, die18
kommen sowieso, kommen die jetzt auf dein Konto oder möchtest du, dass wir
automatisch reinvestieren oder was weiß ich.
00:26:45.160
Raul Krauthausen: Das heißt, auf deinem Konto steht Ausschüttung?
00:26:49.600
Marlene Engelhorn: Nein, ich habe keine Einkommensströme, weil ich habe,
wie gesagt, bei mir persönlich ist es so, dass ich mein Geld nicht in einen Aktien
und so gesteckt habe. Ich habe einfach das Vermögen und ich benutze das, um
meine momentanen Ausgaben zu decken und werde dann auch, aber das ist ein
Thema für fürs nächste Jahr, wenn dann der Rückverteilungsplan steht und ich
weiß, wie ich das gut machen kann, dann wird das auch rückverteilt und dann
gehört es mir auch nicht mehr. Das ist mit ein Grund, warum das nicht in
irgendwelchen Aktien oder Anlagen stecken soll. Aber Einkommen habe ich in
dem Sinn nicht, weil ich habe auch keine Erwerbsarbeit.
00:27:22.320
Raul Krauthausen: Warst du mal Erwerbstätig?
00:27:30.160
Marlene Engelhorn: Ich habe so Mini-Jobs zur Zeit meines Studiums gemacht,
weil wie gesagt, andere haben das auch gemacht und ich dachte, wenn das alle
machen, mache ich das halt jetzt auch, oder? Und dann festgestellt, erstens, die
sind in der Regel nicht nur schlecht bezahlt, sondern sehr undankbare
Arbeitsverhältnisse, um es mal sehr, sehr lieb auszudrücken. Und dann habe ich,
ich bin auch nicht darauf angewiesen. Das heißt, ich konnte mir immer
buchstäblich leisten, das nicht weiter machen zu müssen und andere Menschen
haben dieses Privileg nicht. Die sind dann halt gebunden an diese schlechten
Bezahlungen und schlechten Arbeitsverhältnisse, weil sie sonst einfach keine
Chance haben, mit ihrer Miete und ihren Ausgaben zu Rande zu kommen oder19
BAföG zurückzuzahlen und solche Geschichten. Das sind alles Privilegien, die
ich habe, wo ich nicht darauf angewiesen bin. Zumal in Österreich studieren
innerhalb einer gewissen Regelstudienzeit kostenlos ist, das darf man auch nicht
vergessen. Aber ich rede ungern und in der Regel nicht über, wie ich es privat
mache, deshalb, weil ich glaube, dass es dann den Fokus zu sehr auf mich legt.
Und mir ist wichtiger, was ist strukturell relevant und strukturell relevant ist.
Vermögende haben Finanzberatung, umfassende Finanz- und Bankberatung, die
ihnen die Finanzen aufstellt, verplant, dafür sorgt, dass sich das vermehrt, die
dann auch Rechenschaft ablegen müssen, dass sie das richtig toll gemacht
haben, damit sie auch ihre Honorare verteidigen können und die dafür sorgen,
dass immer ein steter Fluss der Ausschüttungen, wie auch immer das dann heißt,
weiß ich gar nicht so genau, auf dem Konto landet, damit die Person, die
beraten wird, das auch nutzen kann für ihre Ausgaben, weil die vorher gesagt
hat, ich brauche mindestens so und so viel, um mein Jahressoll zu decken. Das
muss immer im Konto sein quasi. Aber wie genau, in Detail, da habe ich keinen
Einblick, das geht mich ja in Wahrheit auch nichts an. Aber viel läuft über
Beratung und extrem elitäre Strukturen, also auch Family Offices, wo zum
Beispiel hochvermögende Familien, nur diese Familie zum Beispiel von einem
ganzen Büro an Finanz- und Steuerberatung und so weiter betreut wird. Die
kümmern sich um alles.
00:29:17.560
Raul Krauthausen: Und hättest du gerne die Wahl gehabt, ob du reich bist oder
nicht?
00:29:23.520
Marlene Engelhorn: Schwer zu sagen, weil ich sage, dass hier jetzt ist eine
Position, wo ich weiß, dass ich es auf keinen Fall wollen würde. Gleichzeitig bin
ich ich und das heißt, ich kann gar nicht mir vorstellen, was das heißt, nicht
reich zu sein, einfach weil das wäre dreist von mir zu behaupten. Ich hätte eine20
Idee, was das wirklich bedeutet, weil ich das nie erlebt habe. Aber ich habe die
Entscheidung ja jetzt und ich glaube, jetzt möchte ich die Entscheidung
treffen, dass mein Vermögen rückverteilt werden soll und dass ich dann als eine
von vielen in der Gesellschaft, als einen der 99 Prozent, eine Erwerbsarbeit
suche und meine Einkünfte regeln muss und meine Steuererklärung machen
muss und nicht mehr wert bin als wer anderes, nur weil mein Konto mehr Nullen
hat als ein anderes. Weil das ist das, was das ist nicht in Ordnung. Punkt. Und
es ist die Aufgabe der Politik, das zu regeln. Aber wenn sie es nicht macht, bin
ich nicht komplett ohne Handlungsoptionen. Das heißt, ich kann schon auch was
tun und das will ich auch.
00:30:21.080
Raul Krauthausen: Wie hat denn deine Familie darauf reagiert, als du
angefangen hast, dir deine eigenen Gedanken über Reichtum und Geld zu
machen?
00:30:25.480
Marlene Engelhorn: Also ich habe das große Glück, meine Familie steht ja
hinter mir und so. Das ist nicht unbedingt.
00:30:31.000
Raul Krauthausen: Machen die es bei dir mit?
00:30:33.000
Marlene Engelhorn: Ja, jetzt kommen wir zu dem Punkt, wo ich gerne Dinge
sagen möchte, die ich nicht sagen darf weil die können ja nichts dafür, dass ich
im Podcast bin und sie nicht und ich will nicht für sie sprechen. Aber ich möchte
auf jeden Fall mitgeben, das sind coole Leute dabei in meiner Familie. Und nur
weil ich öffentlich bin, möchte ich die aber dann doch lieber in Ruhe lassen. Mit
meiner Aufmerksamkeit.21
00:30:57.000
Raul Krauthausen: Dann kommen wir jetzt endlich zum Thema
Vermögenerbschaft und Tax Me Now. Was genau ist das Problem an der
aktuellen Steuerpolitik? Ich nehme an, die ist in Österreich ähnlich, wie in
Deutschland.
00:31:08.080
Marlene Engelhorn: Also in Österreich ist es die Schlimmer, würde ich jetzt mal
beinhart behaupten, weil wir nämlich in Österreich…
00:31:13.280
Raul Krauthausen: Weil es keine Erbschaftssteuer gibt.
00:31:14.280
Marlene Engelhorn: Genau, wir haben keine Erbschaftssteuer, wir haben auch
keine Vermögenssteuer. In Deutschland gibt es wenigstens eine
Erbschaftssteuer, das ist der einzige Neid den ich mir unterstellen lasse. Ich
neide den Deutschen die Erbschaftssteuer. Aber das Problem ist in der Analyse
von Tax Me Now, dass die Konzentration und das Anhäufen von Vermögen bei
einem Prozent der Bevölkerung durch die Strukturen, und da zählen die Steuern
dazu, eher begünstigt wird. Und es gibt ganz viele Privilegien und Ausnahmen
bei Steuern, die wirklich nur bei Vermögen gelten und sonst nirgends in diesem
Ausmaß gemacht werden.
00:31:51.200
Raul Krauthausen: Das heißt, je reicher du bist, desto weniger Steuerlast hast
du.
00:31:54.440
Marlene Engelhorn: Ganz genau. Und das zeigt sich sehr schön an der
Erbschaftssteuer in Deutschland, die ist nämlich eine Steuer für die weniger
reichen in Wahrheit. Also ein paar krasse Beispiele, die ich so gelernt habe,22
von, und da muss man dazu sagen, ich bin keine Expertin, aber das Netzwerk
Steuergerechtigkeit hat das alles schön aufgeschlüsselt, ist ein Bündnispartner
von Tax Me Now Transparenz Hinweis. Aber gern mal danach gucken, weil die
haben das richtig gut aufbereitet und erklären das sehr gut, auch mit einem
YouTube Video, also nicht nur lange Textblöcke. Und im Prinzip ist es so, wenn
ich zum Beispiel 30, sagen wir, ich erbe ein Zinshaus mit 30 Wohnungen in
Deutschland, dann zahle ich meine Erbschaftssteuer. Das ist eh schon
unglaublich viel. Aber dann zahle ich meine Erbschaftssteuer. Oder aber ich
erbe mindestens 300 Wohnungen, also eine ganz andere Art von Vermögen, ja,
von der Größe her.
00:32:38.840
Raul Krauthausen: Also 30 Häuser.
00:32:40.080
Marlene Engelhorn: Genau. Aber ab 300 Wohnungen gelt ich automatisch als
Immobilienunternehmen und werde von der Steuer befreit.
00:32:49.520
Raul Krauthausen: Aber wer entscheidet denn so was? Also wie konnte das denn
passieren?
00:32:52.680
Marlene Engelhorn: Das steckt in einem Gesetz schon drinnen. Das steht halt
im Gesetz drinnen. Und dann ist auch eine Frage von zum Beispiel diese ganzen
Schlupflöcher, um die ausnützen zu können, da braucht man wieder sehr teure
Finanz- und Steuerberatungen, die diese Gesetzestexte lesen, die die Löcher
finden und die die Finanzen so aufstellen, die das Vermögen so gestalten, dass
es immer in die Schlupflöcher hineinfällt und nie zur Kasse gebeten wird. Das
ist eine ganz eigene Branche. Das nennt man Steueroptimierung. Das bedeutet
nichts anderes als legale Steuervermeidung zu betreiben. Und dann passieren23
auch so Sachen wie zum Beispiel bei Unternehmensvermögen. Sagen wir, ich
erbe Unternehmensvermögen, ein Nettounternehmensvermögen von mindestens
26 Millionen Euro. Das bedeutet, ich habe keine Schulden, keine
Verbindlichkeiten. Netto 26 Millionen. Wenn ich das jetzt auf ein Kind übertrage
oder auf eine Stiftung, dann können die Bedürftigkeit anmelden und bekommen
einen Steuererlass in aller Regel. Weil Minderjährige und Stiftungen
automatisch, quasi automatisch als bedürftig gelten, weil nicht zahlungsfähig.
00:34:01.160
Raul Krauthausen: Ach krass.
00:34:01.160
Marlene Engelhorn: Ich bin ein Laie, aber lest das gerne nach. Weil ich finde
das krass, was für Ausnahmen im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz sind.
Und die sorgen halt dafür, dass dann de facto schlussendlich die Zahlung dieser
Steuer für so Hochvermögende wie mich eine freiwillige Sache ist. Und das zeigt
sich auch in dem, was da erhoben wird. Also es sind ja bis zu 30 Prozent
Erbschaftssteuerfälle, je nachdem auf welche Art man verwandt ist mit
jemandem und so weiter. Und was aber eingenommen wird vom Staat, sind
effektiv zwei Prozent. Also von schätzungsweise laut DIW, Deutsches Institut für
Wirtschaftsforschung, 400 Milliarden werden im Jahr vererbt und davon landen
8 Milliarden im Fiskus. Das sind effektiv zwei Prozent. Und das entspricht nicht
einmal dem Mindestsatz der Besteuerung. Das heißt, es gibt so viele
Ausnahmen, dass am Ende erst wieder nichts passiert.
00:34:51.880
Raul Krauthausen: Und wenn man jetzt Christian Lindner reden hat oder
Friedrich Merz, die dann sagen, ja, aber wenn wir jetzt die Erbschaftssteuer
einführen, dann kann ja die Lehrer*innen familie das Haus nicht mehr an die
Kinder vererben, oder dass dann irgendwie Vermögen verloren geht. Du hast ja
auch gerade schon gesagt in all den Worten, dass dann die weniger Reichen24
eigentlich von der Erbschaftssteuer betroffen sind, als die Superreichen. Und
das sind ja aber dann Nebelkerzen, die ja dann Christian Lindner und Friedrich
Merz und Co. werfen, wenn sie die weniger Reichen benutzen, um die
Superreichen nicht besteuern zu müssen.
00:35:25.960
Marlene Engelhorn: Genau, das ist das eine. Und das andere, was ganz wichtig
zu verstehen ist, selbst genutztes Wohneigentum. Also wenn ich eine Wohnung
erbe, zum Beispiel, und ich wohne dann selber drin, ist ausgenommen von der
Steuer. Es gibt kein Modell, das mir bekannt ist, in der das anders gehandhabt
wird, weil es einfach darum geht zu sagen, na klar, du wohnst da drinnen, dann
kann das eine Hütte sein oder ein Palast, völlig egal. Das wird einfach nicht so
hergenommen. Das nächste ist grundsätzlich, wer erbt denn Immobilien? In der
Regel erben die Immobilien Menschen aus den reichsten 10 Prozent, in der
Regel. Und dann kann man zur Not, wenn man einen wunderbaren Mietvertrag
hat und man freut sich und man lebt dort und dann ist erbt man die Wohnung,
man will da gar nicht wohnen, aber hm, dann kann man auch einen Kredit auf
diese Wohnung oder auf dieses Haus aufnehmen und auf diese Art und Weise
Erbschaftssteuer bezahlen, weil das in der Regel sich ja auch auf Jahre aufteilen
lässt. Das ist nicht immer automatisch in einem Batzen fällig. Das heißt, es gibt
jetzt schon Mechanismen, die dafür sorgen, dass Menschen, die vielleicht nicht
sofort flüssig sind, weil sie die weniger reichen sind, unter Anführungszeichen,
oder, dass die trotzdem sinnvoll ihre Steuern bezahlen können und das wird
auch so gemacht. Aber ja, es ist eine Ausrede, um erstens einmal diesen
Menschen das Gefühl zu geben, sie sind betroffen und sie sind reich und das
stimmt nicht. Und um diejenigen, um die es wirklich geht, nach wie vor zu
schonen und auszunehmen, aber jetzt nicht ausnehmen im Sinne von jemanden
finanziell ausnehmen wie eine Weihnachtsgans, sondern mehr so mit
Ausnahmen zu beschütten, dass diese Personen dann wieder nicht zahlen
müssen. Und was man auch wissen muss, zum Beispiel, was ja gerne auch25
gesagt wird, dann müssen Unternehmenserben ihr Unternehmen verkaufen und
dann gehen die Arbeitsplätze verloren, bla bla bla. Was dann wirklich passiert
ist, wir haben nicht einen einzigen Fall. Es gibt nicht einen einzigen Fall, wo
das jemals passiert wäre. Es ist sogar so, dass eine Schlussfolgerung gezogen
wird, die gar nicht stimmt, wenn man logisch denkt. Nur weil ich zum Beispiel
meine Anteile an einem Unternehmen, ein Unternehmen ganz alleine, das mir
100 Prozent des Unternehmens gehört ist, wie mega, mega selten und wenn,
dann ist das Unternehmen so winzig, dass es nicht relevant ist für eine
Erbschaftssteuer. Das heißt, in den meisten Fällen habe ich nur einen
bestimmten Prozentsatz. Wenn ich davon also ein bisschen was verkaufe an eine
andere Person und dafür flüssig bin und meine Erbschaftssteuer zahlen kann, ist
erstens das Unternehmen nicht in Gefahr und automatisch das Management
nicht mit der Aufgabe betreut, jetzt Leute zu entlassen. Das gehört nicht
zusammen. Das kann gleichzeitig passieren, aber das ist nicht automatisch und
nicht abhängig voneinander. Das heißt, da wird echt sehr viel mit Angst und
Unsicherheit gearbeitet und instrumentalisiert und das finde ich so schade, weil
wir könnten uns über Verteilung auch etwas entspannter unterhalten und sagen,
okay, wir haben ungleiche Verteilung. Selbstverständlich wollen wir das ändern,
weil wir wollen, dass es allen gut geht. Steuer ist ein Mittel, um das zu machen.
Wir lassen uns mal gucken, wie man das so benutzen kann, um eine Balance
herzustellen und zwar dafür, dass man zum Beispiel auch die Einkommenssteuer
vielleicht verändert, damit Menschen weniger Steuern auf Einkommen zahlen
müssen. Dafür gibt es Steuer auf Vermögen und Erbschaften, die wirklich
sinnvoll gestaltet ist. Kapitalerträge, also Einkommen dadurch, dass man
Finanzvermögen hat, sollte man auch progressiv besteuern und auf diese Art
und Weise kann man Einnahmen generieren und dafür sorgen, dass die
Staatskasse gut gefüllt ist, Menschen entlastet werden und man nicht permanent
kürzen muss irgendwelche sehr, sehr wichtigen Mittel in Wahrheit. Das kann ja
nicht sein, dass man immer mit Kürzungen argumentiert und sehen, wer wo es26
hinführt. Klammer auf, ja, natürlich meint der Engelhorn gerade die Pisa-
Studie, oh je, ist jetzt gesagt.
00:38:50.960
Raul Krauthausen: Aber wie genau sieht denn jetzt die Arbeit von Tax me now
aus? Macht ihr Aufklärung oder entwickelt ihr Gesetzesvorschläge? Beratet ihr
reiche Leute, wie sie ihr Geld vernünftig versteuern können?
00:39:03.000
Marlene Engelhorn: Also wir sind, zunächst einmal machen wir ganz bewusst
Medienarbeit. Wir wissen, dass wir als vermögende Menschen bevorzugt
werden von den Medien. Wenn wir etwas sagen, ganz egal was wir sagen, wir
müssen nicht einmal Expertise haben, aber Hauptsache eine reiche Person hat
es gesagt. Und deswegen bekomme ich zum Beispiel ganz, ganz viel
Aufmerksamkeit, weil ich bin reich, ich finde Steuern gut und dann sind sie so
perfekt. Dann bin ich auch noch, tick ich noch so, auch noch weiblich gelesen,
super, kriegt meine Frau auf die Bühne, wunderbar. Und dann werde ich eher
genommen als eine Person, die vielleicht schon seit Jahren Aktivismus zum
Thema Steuergerechtigkeit macht, das Gleiche sagt, es besser sagt, mehr
Expertise hat als ich und die bekommt den Platz nicht, weil da kann man sagen,
ja die ist ja nur neidisch, da steht ja keine Ahnung, aber die Engelhorn, die ist
selber reich, die wird wissen, wie es läuft. Und dann ist da so ein Bias oder?
Und ich profitiere davon und wir bei Tax me now wollen unsere Rolle also
transparent machen, anerkennen, dass wir da diese Macht haben und sie auch
nutzen, aber für Steuergerechtigkeit zu sprechen und idealerweise auch immer
darauf zu verweisen. Es gibt Expertinnen, nehmt unsere Bündnispartner zum
Beispiel, Netzwerk Steuergerechtigkeit, Finanzwende. Und dazu nebenbei
versuchen wir halt über das, was wir an Inhalten erzählen, die Privilegien
sichtbar zu machen, Vermögen zu erklären, ein bisschen diese Innenperspektive
mitzubringen, wo es strukturell sinnvoll ist und aber auch so27
Bewusstseinsbildung über die Kanäle auf Instagram zum Beispiel, versuchen wir
auch mit unseren verschiedenen Formaten Wissen zu vermitteln. Also wir haben
keinen Bildungsauftrag oder so, aber uns ist schon wichtig, ein paar Fragen
geradezurücken und zu sagen, ok, das ist das, was man glaubt, das sind so
Mythen und das ist das, was wir euch dazu sagen können und das sind unsere
Quellen, schaut sich das doch mal an. Glaubt nicht alles.
00:40:40.080
Raul Krauthausen: Gleich geht’s weiter. Wenn Du diesen Podcast unterstützen
möchtest, dann kannst Du das mit einem kleinen monatlichen Beitrag tun. Im
Gegenzug kannst Du alle Folgen vorab hören und Du wirst, sofern Du das
möchtest, hier im Podcast namentlich genannt. Alle Infos findest Du unter
www.im-aufzug.de. Ende der Service-Durchsage, viel Spaß beim zweiten Teil
der Folge.
00:41:08.520
Raul Krauthausen: Also, seitdem Du Dich mit der Thematik beschäftigst und bei
Tax me now Du Dich engagierst, Dein Blick geändert zum Guten oder zum
Schlechten auf das Thema?
00:41:23.560
Marlene Engelhorn: Ich glaube, dass mein Blick verändert sich mit der Arbeit
von Tax me now und er bleibt total optimistisch, weil ich habe viele Podien und
dann habe ich in der Regel ganz oft so Fragerunden mit dem Publikum und so.
Und da gibt es so viele engagierte, tolle Leute. Ich bin der festen Überzeugung,
wenn die Gesellschaft die Aufklärung bekommt, die sie verdient, weil man kann
sich ja auch nur über die Dinge wirklich aufregen, die man weiß. Und wenn
man dieses Bewusstsein bildet, wenn man gemeinsam ins Gespräch kommt,
wenn man offen zugibt, ja ich bin nur hier, weil ich reich bin und das ist okay,
wir müssen darüber sprechen, hier ist ein Raum dafür. Wenn man dazu einlädt,
dann gibt es so viele Mobilisierungen, dann sind Leute so „Okay, okay, wir28
können was machen“, fühlen sich auch berechtigt in ihrer Kritik, wo man sonst
immer versucht zu erklären „Nee, ihr seid nicht berechtigt in eurer Kritik, weil
ihr seid ja nur neidisch oder so“ und so „Nein, das hat damit nichts zu tun“. Also
dieses Gespräch zu führen mit unterschiedlichsten Leuten und zu sehen, wie sich
die Berichterstattung ändert. Also was mir zum Beispiel begegnet ist, ich muss
in den seltensten Fällen jetzt bei Null anfangen beim Thema und kann schon auf
einer anderen Ebene einsteigen, weil es eine andere Selbstverständlichkeit von
„Ja, okay, das wissen wir, dass es Grundwissenskönne voraussetzen“ gibt. Das
heißt nicht, dass man nicht immer wieder das in Erinnerung rufen sollte, aber
da zeigt sich, es tut sich was, es bewegt sich was und ich bin absolut
zuversichtlich, dass wir, und da meine ich jetzt ein großes gesellschaftliches
Wir, Veränderungen hinkriegen können und nur weil die Entscheidungen
momentan so ausschauen, dass wir Vermögende privilegieren, heißt es nicht,
dass wir nicht Entscheidungen treffen können, die das wieder rückgängig
machen und wieder mehr Gleichberechtigung unter den Menschen auch
finanziell durchsetzen wollen.
00:43:01.720
Raul Krauthausen: Ich wage jetzt mal eine provokante These, weil ich bin
Aktivist seit 20 Jahren ungefähr und ich muss ehrlich sagen, ich bin
wahrscheinlich so ähnlich wie Louisa Neubauer auch irgendwie desillusioniert,
ob wir wirklich mit reiner Aufklärung hier weiterkommen. Also ich habe zum
Beispiel das Gefühl, wenn es um Inklusion geht, gibt es diesen einen Satz, den
man ständig hört, den alle sagen, wir müssen die Vorteile abbauen, wir müssen
die Barrieren in den Köpfen senken und das ist auch so eine Nebelkerze
inzwischen geworden, weil sich niemand verantwortlich zeigt, der ja die
Barrieren schafft und es bringt nichts meine Nachbarin davon zu überzeugen,
dass Kinder mit Behinderung auch ein Recht auf Regelschule haben, weil sie in
Regel, also die Nachbarin, ja gar keine Bildungsministerin ist und alle vier29
Jahre zur Wahl zu gehen oder wie Louisa Neubauer sagt, eine
Bambuszahnbürste zu kaufen, löst jetzt nicht das Problem, das wir haben.
00:43:58.440
Marlene Engelhorn: Ja, das kann ich verstehen, ich würde da aber zwei Dinge
auseinanderhalten wollen, auch für meinen, um meinen Optimismus zu erhalten,
nämlich das eine ist, ich glaube, dass die Gespräche sowohl was
Klimagerechtigkeit als auch die Rechte von Menschen mit Behinderung oder
aber jetzt Steuergerechtigkeit und so angeht, ich glaube, das sind Gespräche,
die wir nie zu Ende führen können, das heißt, es braucht ständig Leute, die diese
Gespräche führen und mitnehmen, damit man überhaupt auf ein neues Level
kommt als gesamtgesellschaftliche Diskussion, bla bla bla. Das ist das eine, das
heißt, ich bin schon dafür, im Gespräch so viel zu bleiben wie möglich, immer
mehr Leute einzufangen und zu sagen, hey, habt ihr Bock, darüber zu reden, ein
offenes Gespräch, wir reden jetzt mal nicht über die kleinen, kleinsten Modelle,
sondern über Fragen von Macht und von Gerechtigkeit und wir versuchen mal
darüber irgendwie zusammen zu kommen, schaffen wir das überhaupt und was
braucht es dafür? Das ist das eine. Das heißt nicht, dass nicht gleichzeitig schon
Veränderung umgesetzt werden könnte und müsste und sollte von den
Verantwortlichen, die es ja jetzt schon gibt. Das heißt, ich bin ja auch der festen
Überzeugung und da sind wir auch bei Tax me now solidarisch mit den sozialen
Bewegungen, die jetzt schon hart daran arbeiten, Veränderungen de facto und
im Gesetz zu erwirken und die Verantwortlichen auch zu Verantwortung zu
ziehen und darauf zu zeigen, ihr seid verantwortlich. Das ist einerseits die
Forschung, die sagen kann, hier haben wir die Beweise und das ist andererseits
eben zivilgesellschaftliches Engagement, dass Menschen aus dieser
Graswurzelidee heraus oder Druck von unten machen, sagen, nein, wir
verlangen von euch als Regierung, dass ihr das anders gestaltet oder aber
Kundgebungen organisieren. Ich bin ein großer Freund davon oder
Volksbegehren, Petitionen, Vereine gründen, auch regional im kleinsten, ich30
glaube, wenn all diese Dinge, all diese Anstrengungen zur gleichen Zeit
passieren, dann schaffen wir es, die Selbstverständlichkeit unserer Gesellschaft
zu verändern und irgendwann ist es ein absoluter No-Brainer, dass wir andere
Formen von Gleichberechtigung, dass wir andere Formen von Investitionen für
Klimaschutz, dass wir andere Formen von Steuergerechtigkeit brauchen. Nur,
das ist unglaublich harte Arbeit und das ist einfach am Anfang vor allem
Kommunikationsarbeit und gerade beim Geld, da wo ich eben mich beteilige in
der Diskussion, merke ich, es gibt so viele Tabus, so viele Mythen, ich muss
wirklich ganz unten an der Wurzel ansetzen und sagen, okay, was glaubt ihr
denn, was wisst ihr denn und was kann ich euch erzählen, das ihr sonst
vielleicht so nie hören würdet. Verstehst du, worauf ich hinaus will? Ich glaube,
es braucht alles diese Dinge gleichzeitig und ich verstehe die Desillusionierung
wirklich. Ich denke mir auch, ich hätte die Veränderung gern vorgestern, was
gibt es noch zu diskutieren? Also doch alle Fakten sind vom Tisch, verdammt.
Gleichzeitig ist es nun mal politische Arbeit, ist wahnsinnig zäh und ich möchte
der Gegenseite, die politisch anders argumentiert, nicht in die Hände spielen
und sagen, ach ich bin frustriert, jetzt lassen wir es halt, weil es ändert sich eh
nichts, weil die pokern ja sicher damit. Also so unterstelle ich jetzt beinhart?
Die werden schon sehen, die beißen sich die Zähne aus an diesem System, das
wir uns zurechtgelegt haben und wir sind so, nein, kommt gar nicht in Frage,
Veränderung kommt.
00:47:04.880
Raul Krauthausen: Ich versuche meine Arbeit so neu zu justieren, dass ich eben
nicht mehr aufkläre, sondern jetzt wirklich ganz aktiv versuche die Leute
anzusprechen, die dafür verantwortlich sind. Also wenn wir über Inklusion in
der Schule reden, dann mit Schulrektorinnen reden, warum sie immer noch sich
so verhalten wie vor 40 Jahren oder mit Lehrer*innen und deren Ausreden auch
zu entlaufen. Weil es bringt nichts Eltern zu überzeugen von nichtbeinnerten31
Kindern, weil die einfach auch gar nicht das Mandat haben, außer alle vier
Jahre zur Wahl zu gehen.
00:47:37.040
Marlene Engelhorn: Aber ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, den du da
ansprichst, nämlich die Multiplikatoren* innen raussuchen, weil die können,
also zum Beispiel jetzt Schuldirektor*innen, Lehrer*innen, die können dann
wieder Druck machen bei den zuständigen Stellen in den Ländern und im Bund.
Also man findet quasi Verbündete, aber auch da geht es um Gespräche und um
Sichtmachung und um Aufklärung. Ich denke, Aufklärung, man muss es nicht
einfach so, Gießkanne über alles, sondern man kann sich schon aussuchen, wem
man was erzählt. Da bin ich ganz bei dir. Aber ich würde auf jeden Fall sagen,
meine Aufgabe zum Beispiel, wenn ich jetzt überlege, als vermögende Person,
habe ich ja jetzt schon Macht. Die darf ich nicht missbrauchen, weil wenn ich es
mache, dann ist es auch okay, wenn es ein Vermögender macht, der mir gegen
den Strich geht. Das heißt, ich muss quasi das perfekte Paradebeispiel geben
und eher sagen, nee, ich werde mit Menschen sprechen, die keinen Zugang zu
Vermögenden haben, um dort als Beispiel herzuhalten, an denen man sich
abarbeiten kann als Person, mit der man vielleicht das erste Mal sprechen kann
über die Dinge. Und gleichzeitig versuche ich natürlich zu unterstützen, dass
soziale Bewegungen und Gruppen, die sich einsetzen, Expert*innen, wie zum
Beispiel das Netzwerk Steuergerechtigkeit, um es wieder zu erwähnen, oder die
Finanzwende, dass die gehört werden, weil die wiederum ganz anders das
Thema und mit der anderen Legitimität besprechen können und auch mit
Verantwortlichen sprechen können. Was ich zum Beispiel spannend finde, was
sich gerade tut im Vereinigten Königreich, da gibt es eine Gruppe, die heißt
„Good Ancestor Movement“, das bedeutet nichts anderes als die „Gute
Vorfahren“ Bewegung oder die Bewegung der guten Vorfahren. Und das ist eine
Finanzberatung, die machen nichts anderes als sich zu überlegen, wie kann man
Vermögen anders verstehen lernen, wie kann man Wirtschaftsgeschichte anders32
erzählen, nämlich auch durch die Brille von, wie hat Kolonialismus zum
Wohlstand unseres Landes beigetragen, was hat Vermögen mit Rassismus zu
tun, mit Klassismus, mit Sexismus, mit Ableismus, ich weiß nicht, sagt man das
in Deutschen so?
00:49:30.960
Raul Krauthausen: Ja, sagt man so, ja.
00:49:32.960
Marlene Engelhorn: Genau, mit Ableismus zu tun, wie kann man diese
Zusammenhänge herstellen und daraus dann Handlungsweisen entwickeln für
die Finanzberatung der Vermögenden, was total spannend ist. Und dann gibt es
Leute, die sagen, okay, Finanzberatung muss so ausschauen, dass Vermögende
sich überlegen, wie können ihr Vermögen Risiko absorbieren und somit
Communities zum Beispiel unterstützen und helfen, dass die wiederum finanziell
unabhängig werden mit ihrer Arbeit, weil sie das Vermögen zur Verfügung
gestellt bekommen haben. Oder das nennt sich dann Tax Positivity, dass man
versucht, in der Finanzberatung so viel Steuern zu zahlen wie möglich. Also das
ist eine total spannende Gruppe, Good Ancestor Movement, und die versuchen
wirklich da strukturell bei der Finanzberatung anzusetzen, bei der
Steuerberatung und mal zu fragen, in dem Sektor arbeiten ja auch Leute, die
nicht alles super finden, wie das System läuft.
00:50:24.800
Raul Krauthausen: Ja, auch Multiplikatoren sind.
00:50:26.400
Marlene Engelhorn: Genau, und die suchen sich dann und die überreden ja
niemanden, weil das sind Dienstleister*innen, das darf man nicht vergessen.
Aber die können dann mit ihren Vermögenden, Kund*innen und Klient*innen
schauen. Wir würden gerne über diese Herangehensweise sprechen als33
Vorschlag für die Finanzplanung, wären sie interessiert und man wäre
überrascht, wie viele nur darauf warten, endlich mal diesen Vorschlag vorgelegt
zu kriegen. Also es gibt auch so strukturelle Mechanismen, aber das ist ein
kleiner Exkurs, wo ich mich jetzt aus dem Fenster lehne, weil ich das ja nicht
mache oder ich habe das mitbekommen, ich habe bei denen einen Kurs belegt
und ich bin ein Fan von denen, und das ist im Vereinigten Königreich. Aber es
gibt Leute, die da versuchen, strukturell an solchen Hebeln auch zu arbeiten.
00:51:06.560
Raul Krauthausen: Gibt es Länder, die vorbildlich versteuern oder besteuern?
00:51:09.720
Marlene Engelhorn: Da kommt es immer drauf, da kommt es drauf an,
furchtbare Antwort, aber zum Beispiel, was man nicht vergessen darf, ist, wie
wird das Vermögen in den unterschiedlichen Ländern gestaltet. Nehmen wir
England oder UK, Vereinigtes Königreich, dort gibt es sehr viele Menschen, die
in ihrem eigenen Haus wohnen, also die ein Wohneigentum haben. Das ist jetzt
in Österreich zum Beispiel nicht so. Wir haben vor allem Mieter*innen. In
Deutschland glaube ich auch, aber da weiß ich es nicht, deswegen will ich es
nicht behaupten. Das heißt, da muss man schon mal grundsätzlich anders
gucken, wie man diese Dinge bemisst und wie man das dann einarbeitet in die
Besteuerung von Vermögen und so weiter. Das heißt, es ist schon wichtig, vor
der eigenen Tür zu kehren und sich die eigenen Bedingungen anzugucken und zu
sagen, wie ist es bei uns gestaltet und wie kann man darauf gesetzlich sinnvoll
reagieren, um dann so und so und so strukturelle Veränderungen zu bekommen.
Aber was ich zum Beispiel cool finde, die USA, die sind immer das
Lieblingsnegativbeispiel, aber bei Vermögensbesteuerung, die knüpfen
Vermögen an die Staatsbürger*innen schafft. Und jetzt ist es das eine, wenn
man den Pass weggeben muss und das andere, wenn man nur den Wohnsitz
wechseln muss. Wir können also, Thema Steuerflucht, durchaus Vermögen an
den Pass knüpfen und dann ist das plötzlich eine ganz andere Sache. Oder auch,34
man muss ja nicht legal lassen, dass man für Unternehmen zum Beispiel einfach
eine Briefkastenfirma eröffnet. Das heißt, man hat eine Adresse in einer
Steueroase, kann dort versteuern, hat aber keine Produktionsstätte. Man kann
sagen, wenn ihr die Adresse wollt, dann braucht ihr auch die Produktionsstätte,
sonst gilt es einfach nicht. Also es gibt u viele Hebel und für mich als
Österreicherin muss ich ja sagen, in Deutschland wird Erbschaft zum Beispiel
besteuert. Das finde ich ja ist ein Vorbild für Österreich. Man muss die
Ausnahmen jetzt nicht übernehmen, da würde ich Deutschland schon wieder
kritisch betrachten, aber immerhin gibt es diese Steuer noch. Und das ist wichtig
und das ist schützenswert. Und das ist auch das einzig interessante Erbe, das
wir erhalten und weitergeben sollten, ist doch die Demokratie und das gute
Leben für alle, oder? Find ich.
00:53:05.560
Raul Krauthausen: Absolut. Ich habe vor einigen Jahren mal eine Doku
gemacht für den Sozialverband Deutschland und da waren wir auf der Suche
nach dem Thema Mindestlohn und Armut und haben Leute gefragt, die arm sind
und was man gegen Altersarmut tun kann vor allem. Und das interessante war,
dass ein Experte vom DIW, Deutschen Institut für Wirtschaftskragen, da schon
gesagt hat, dass 14 Euro Mindestlohn wichtig wären, um nicht in Altersarmut zu
landen, aber wir einen Kanzler haben, der immer noch von 12 Euro redet. Und
es wird auch da die ganze Zeit auch irgendwie in die Tasche gelogen, habe ich
manchmal das Gefühl, dass Mindestlohn vielleicht gar kein Mindestlohn ist, weil
es nicht reicht für das Mindeste.
00:53:57.800
Marlene Engelhorn: Ja, also ich forsche dazu nicht, aber es wirkt schlüssig,
wenn es nicht reicht, wie kann es ein Mindestlohn sein? Was ist denn dann die
Mindestgrenze, an der man sich orientiert? Altersarmut, damit Leute in
Altersarmut sind, aber halt nur in einer bestimmten Form von Altersarmut, als35
wäre das eine gegen das andere auszuspielen schwierig und bedauerlich. Und
ja, ich finde auch schlimm, wenn ich überlege, wie selbstverständlich
kleingerechnet wird, was es eigentlich bräuchte, obwohl es so viel Daten gibt
dazu, welche Summen tatsächlich sinnvoll wären. Und ich habe halt gleichzeitig
dieses Wissen, weil ich aus der vermögenden Welt komme, dass das Geld da ist.
Das Geld ist halt echt da. Und im 28. Subventionsbericht der deutschen
Bundesregierung, ich sage die Zeit deshalb dazu, weil das ist der, den ich mir
angeschaut habe damals für die Republika, da steht auch drinnen, wenn man
das liest, da geht es ja um Subventionsposten. Und zum Beispiel eine der
größten Subventionsposten ist, dass die Ausnahmen bei der Besteuerung von
Unternehmen dazu führen, dass ich glaube bis zu 5 Milliarden quasi als
indirekte Subvention an die Vermögenden gehen, nur weil die
Ausnahmensstruktur da ist, die dazu führen, dass man quasi ab einer gewissen
Höhe, man muss davon schon richtig, um das zu nutzen, muss man wirklich,
wirklich reich sein. Und dann kann man quasi alles als Unternehmens- oder
Betriebsvermögen deklarieren. Und dann, weil es ja dann Betriebsvermögen ist,
dann wird es halt nicht besteuert.
00:55:25.680
Raul Krauthausen: Das ist wie mit den Häusern, die dann plötzlich
Immobilienfirmen werden.
00:55:29.280
Marlene Engelhorn: Solche Sachen, also ich finde einfach nur krass zu sehen,
dass die Regierung sogar weiß, dass ihre Steuerpolitik in Wahrheit eine Art
versteckte Subvention der Hochvermögenden ist. Und die schreibt, also das
kommt ja aus dem Büro vom Finanzministerium, also der Lindner
weiß Bescheid.36
00:55:45.280
Raul Krauthausen: Aber er hat ja auch viele Vorgänger gehabt, die auch nichts
getan haben.
00:55:49.320
Marlene Engelhorn: Das ist richtig. Er ist natürlich jetzt nicht, man kann ihn
gut kritisieren, aber er bekleckert sich jetzt auch nicht mit Rum, weil ich finde es
so erstaunlich, wie was für banale Fehler dieser Mensch in seinen Aussagen zur
Verteilung macht und in welche Richtung das zum Teil geht. Aber das ist ein
anderes Thema. Da muss ich jetzt auch aufpassen, dass ich nicht mich zu sehr
aus dem Fenster lehne, nur weil ich einen Frust habe. Aber ja.
00:56:11.720
Raul Krauthausen: Es gibt in Deutschland den Satz, in Deutschland macht der
Finanzminister die Politik und nicht der Kanzler oder irgendjemand anderes. Er
kann immer sagen, nee kein Geld. Und das ist ja eine Art Joker.
00:56:24.880
Marlene Engelhorn: Genau und ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass das
transparent gemacht wird, dass Leute verstehen, wir sind in einer durch und
durch finanzalisierten Welt. Wer das Geld hat, macht nun mal die Regeln. Und
deswegen wollte die FDP das Finanzministerium, davon bin ich fest überzeugt,
um sicher zu gehen, dass sie als dieser Junior-Partner, der Junior-Junior-
Partner der Koalition ein festes Standing in jeder Entscheidung haben können.
Aber allein, wenn man sich anschaut, 65 Milliarden gibt Deutschland aus für
klimaschädliche Subventionen. Ist das nicht eine interessante Summe, wenn man
bedenkt, dass gerade ein 60 Milliarden Loch aufgetaucht ist? Kann man da
nicht vielleicht hineingucken? Ist das nicht ein Auftrag quasi, ein impliziter an
die Regierung, sich damit zu beschäftigen? Solche Sachen, da denke ich mir,
Wahnsinn.37
00:57:12.120
Raul Krauthausen: Ich habe gestern im Deutschlandfunk, also ich habe auch
sehr lange geglaubt, eine Schuldenbremse ist doch total mies und sollte man
sofort abschaffen und so. Und gestern hat dann aber ein Wirtschaftsexperte im
Radio gesagt, und das fand ich einen Gedankengang, dass die Schuldenbremse
aber auch dafür da ist, um die Kurzfristigkeit der aktuellen Regierungen, die ja
nur vier Jahre dran sind in der Regel, oder manchmal acht oder sechzehn, auch
daran hindert, immer Schulden zu machen. Und weil das ist ja einfach, Geld
ausgeben ist einfacher als Geld sparen und dass man das zwar wahrscheinlich
irgendwie reformieren muss im Sinne von, wenn es um Zukunftssicherung geht,
das sicherlich schon sinnvoller wäre, die Schuldenbremse auch aufzuweichen.
Aber das der Grundgedanke, diese Aktionismus der Politik einfach nur um
wiedergewählt zu werden, auch so ein bisschen in Riegel vorzuschieben.
Versteht du was ich meine?
00:58:06.880
Marlene Engelhorn: Ich bin keine Expertin, aber das klingt nicht schlüssig für
mich, weil es ja auch so ist, dass man kann nicht einfach so Geld ausgeben. Also
das ist ja auch nicht so, als würde das Finanzministerium einen Bankomaten
haben und dann geht man halt hin und holt sich was man braucht. Sondern da
gibt es ja einen ganzen Prozess und der Haushalt wird debattiert und die
müssen dazu Rechenschaft ablegen und so weiter. Und wenn man merkt, da gibt
es eine Bundesregierung, die irgendwie mit Geld um sich wirft, als gäbe es
keinen Morgen und keinen Plan zur Verfügung stellt und das entspricht keinem
Regierungs- oder Koalitionspapier, dann ist es glaube ich gar nicht so leicht, so
viel Dreck am Stecken zu haben. Was nicht heißt, dass es nicht möglich wäre.
Aber ich glaube die Schuldenbremse ist nicht das Mittel, sondern da würde ich
mich schon den Meinungen, die ich verständlich finde und die ich mitbekomme
und die ich lese, vertrauen, dass das so wie sie ist, abgeschafft, wenn sie38
reformiert ist, muss es was anderes sein als das was es jetzt ist. Ich glaube dann
ist eher die Frage, wie kann man Budgetplanung und Ausgaben der Regierung
in einem anderen Maß transparent machen, damit man dann einfach sofort
sieht, wenn da Quatsch geschieht.
00:59:19.000
Raul Krauthausen: Ja klar, das eine schließt das andere gar nicht aus.
00:59:21.000
Marlene Engelhorn: Genau, ich würde nur sagen, ich glaube die
Schuldenbremse würde ich nicht verteidigen wollen, weil Kapitalismus, jetzt mal
ganz Klartext oder, lebt von Schulden. Das ist die große Idee des Kapitalismus,
ich habe eine großartige Idee, aber keine Kohle, um das in ein Unternehmen zu
gießen, borg mir was und ich zahl’s dir zurück, wenn ich dann das Geld hab.
Und dann macht man seinen Reibach und dann zahlt man seine Gläubiger aus.
Und das ist ja ein Prinzip, auf dem ja auch Vermögen wie meins aufbauen. Zum
Beispiel ohne Subventionen für bestimmte Branchen, nehmen wir die
Pharmaindustrie oder so, ohne Grundlagenforschung, ohne die Ausgaben, die
ein Staat macht, gibt es keine Möglichkeit, die Erkenntnisse in Geld zu gießen
durch Erfindungen und dergleichen. Und ohne zum Beispiel jetzt, wenn man
auch an private Finanzen denkt, ich kann ja mein Geld dem Staat borgen und
ich bekomm’s dann ja zurück mit Zinsen. Okay? Also man darf nicht vergessen,
dass das, das ist so ein viel größerer Zusammenhang und Schulden sind nicht
per se schlecht, nur weil wir als Privatpersonen wissen, ich möchte mich nicht
über einen gewissen Grad verschulden, wenn ich weiß, ich kann nicht zahlen.
Das gilt nicht auf die gleiche Art für eine Volkswirtschaft. Ein Mensch, eine
Privatperson und eine Volkswirtschaft, das sind zwei Paar Schuhe.
01:00:36.160
Raul Krauthausen: Das hab ich schon verstanden.39
01:00:37.160
Marlene Engelhorn: Und deswegen gleich vorsichtig bei dieser
Schuldenbremsen-Geschichte.
01:00:39.920
Raul Krauthausen: Ich bin auch ehrlich gesagt zu sehr laie.
01:00:42.160
Marlene Engelhorn: Ja ich auch, also in Wahrheit bin ich hier, ich fahr aus dem
Fenster.
01:00:45.360
Raul Krauthausen: Ich find halt nur so interessant, wenn wir uns reingucken,
was noch alles irgendwie in unseren Regierungen, Ländern brennt, also
Bildung, Deutschland ist jetzt in der Pisa-Studie wieder derbe abgekracht und
das liegt halt daran, denke ich mal, dass man mit Bildungspolitik und
Bildungsreformen in deiner Legislatur keinen Blumentopf gewinnen kann. Das
sind ja Langzeitinvestitionen, die du jetzt machen müsstest, von der zwei oder
drei Regierungen nach dir profitieren. Und genau das gleiche wird auch sein
mit Klimaschutz. Und deswegen handeln die Politikerinnen vielleicht nicht so,
wie sie müssten, weil sie immer hoffen, das Problem verschiebt sich auf die
nächste Regierung.
01:01:25.320
Marlene Engelhorn: Ja, wobei sie wollen ja die nächste Regierung in der Regel
auch wieder stellen. Und dann, ich glaube, du hast einen richtigen Punkt
angeschlossen, langfristige Geschichten. Und erst recht dafür bräuchte man
wirklich Geld, das man jetzt in die Hand nimmt, dass sich ja dann
schlussendlich, wenn man diese großen Projekte endlich angeht, dass das
sich dann rentiert. Und deswegen ist auch mein Ansatz zu sagen, wir brauchen
andere Selbstverständlichkeiten. Weil wenn ein anderer Konsens da ist, dass es
okay ist, Schulden aufzunehmen jetzt, weil sonst haben wir Kosten, die das so40
was von übersteigen werden in ein paar Jahren, gerade beim Klima. Wenn es da
einen Rückhalt gibt, man weiß, okay, egal wer jetzt die Regierung stellt, wird
Schulden zu dem Thema aufnehmen und wird sich damit beschäftigen. Und wird
sich über die Einnahmen auch Gedanken machen. Weil das nächste ist, es gibt
eine Einnahmenquelle, die einfach ungern genannt wird, aber es sind die
Steuern auf Vermögen und Erbschaften. Und es kann nicht sein, dass ein
Finanzminister, der weiß, dass das eine Einnahmenquelle ist und der weiß, dass
das zahlbar ist, weil wenn er das nicht weiß, ist er sehr schlecht beraten, der
darauf nicht zurückgreift, der folgt einer Agenda, die klar nur parteipolitisch
motiviert sein kann. Und das ist grundsätzlich okay, weil Politiker*innen sind
nun mal parteipolitisch motiviert. Aber dann muss man sich auch fragen, ist das
im Sinne der Koalition oder ist das im Sinne der eigenen Partei? Und das Geld
als Einnahmenquelle für große Investitionen, für wirklichen strukturellen
Wandel in Deutschland, aber auch in Österreich, ist vorhanden. Und das
einzige, was fehlt, ist das Gesetz, das dafür sorgt, dass es seinen Weg in die
Staatskasse findet, statt seinen Weg ins private Portfolio von ein paar
überreichen Leuten zu finden. Und jetzt nehmen wir einfach mal, weil ich gerade
in einer provokativen Stimmung bin, das SPD-Modell des letzten Wahlkampfes,
weil die haben bei einer Besteuerung von Vermögen die Grenze eingezogen von
zwei Millionen Netto als Freibetrag. Das bedeutet, erst der erste Euro danach
oder der erste Cent danach wird besteuert mit einem Prozent. Das heißt, wenn
jemand zwei Millionen hat, dann wird er schon noch immer nicht besteuert. Das
hätte getroffen, sage und schreibe, 21.000 Personen in Deutschland, also von 83
Millionen Menschen, 21.000 Personen. Und eingenommen hätte der deutsche
Staat laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung zwischen 15 und 25
Milliarden jährlich. Und das Krasseste an dem Ganzen, die Schere zwischen
Arm und Reich, die so gern zitiert wird, die Ungleichheit, wäre trotzdem jedes
Jahr schlimmer geworden, weil was macht man mit Vermögen? Man macht
Rendite. Und das bedeutet, ich mache bei einer konservativ gerechneten Rendite41
von 7 Prozent oder durchschnittlichen Rendite von 7 Prozent in diesen
Vermögensklassen, bitte, bei einem Prozent Besteuerung auf mein Vermögen,
dann mache ich halt nur, unter Anführungszeichen, 6 Prozent Rendite im Jahr
und werde trotzdem jedes Jahr reicher. Das heißt, allein um das Level an
Ungleichheit, das wir jetzt haben, zu erhalten, müsste man viel krassere Mittel
der Umverteilung benutzen, als überhaupt jemals im Gespräch waren
momentan.
01:04:33.560
Raul Krauthausen: Das meine ich mit diesen 14 Euro und 12 Euro. Das ist gar
nicht im Gespräch, was gerecht wäre.
01:04:40.960
Marlene Engelhorn: Genau. Und es gibt diese Einnahmequelle und man kann
sie erschließen, aber es braucht ein politisches Rückgrat und einen Mut, den ich
schmerzlich vermisse in Deutschland, in Österreich, wo ich hingucke in
Wahrheit. Aber es gibt Menschen, die das wissen und die das einfordern und die
darüber aufklären und die in jeden Podcast hüpfen und auf jede Straße sich
stellen, unterschiedliche Leute, die sagen, wir haben ein Verteilungsproblem.
Das geht übers Klima, das geht über die gesamte Frage der sozialen
Gerechtigkeit, das geht hinein in Gesundheit, in Bildung und überall merken die
Leute, wir haben ein Verteilungsproblem. Und die sagen das alle und dieser
Druck wird größer und wir kriegen das hin. Davon bin ich fest überzeugt.
Veränderungen im Steuersystem hin zu mehr Gerechtigkeit kriegen wir hin.
01:05:24.320
Raul Krauthausen: Ich hätte noch so viele Fragen, aber Aufzüge fahren ja auch
nicht ewig. Du hast vorhin gesagt, den Reichten wird immer zugehört, den
Menschen, die sich auch dafür engagieren gegen übertriebenes Reichtum oder
für gerechte Verteilung. Wen, glaubst du, könnte man einladen, müsste man42
hören, viel mehr hören, vielleicht auch in diesem Podcast, der oder die nicht
reich ist.
01:05:48.880
Marlene Engelhorn: Zunächst einmal coole Expertise, die ich heute schon
mehrfach genannt habe, Netzwerksteilgerechtigkeit zum Beispiel Julia Jiermann
oder den Christoph Trautfetter, das sind zwei, die ich kenne, aber vielleicht
auch andere von der Organisation. Das ist super, weil die können richtig gut
erklären, was für Probleme es gibt und was für Lösungsansätze es gibt und
Modelle können die auch besprechen. Und ganz wichtig für meine Perspektive,
in dem ist die Aktivistiv von #ichbinarmutsbetroffen. Ich habe so einen
Wahnsinnsrespekt vor den Menschen dieser Bewegung, die sich so mutig
dahinstellen und aus der betroffenen Perspektive für Gerechtigkeit kämpfen,
sich da auch bei Kundgebungen organisieren und so und auf die Straße stellen
und sagen, hey nein, es gibt uns und man darf uns nicht so behandeln, wir sind
Menschen, verdammt, und wir haben Rechte und die fordern wir ein. So, und die
sind super gut, kann ich nur sehr empfehlen auch, #ichbinarmutsbetroffen.
01:06:42.120
Raul Krauthausen: Ich habe noch zwei Fragen, also ich hätte noch viel mehr
Fragen, aber ich versuche jetzt mal das auf zwei zu begrenzen. Gibt es ein
Thema, für das du gerne auch sprechen würdest, aber aufgrund deiner
Familiensituation sage ich jetzt mal, ja, jetzt dieses Thema gebildet ist, aber
wenn du eingeladen wirst, dass du auch gerne mal zu einem anderen Thema
reden würdest, ich meine du hast gerne Germanistik studiert, du wohnst in
Österreich, du hast auch Hobbys, Leidenschaften, Themen, wo man dich noch
gar nicht als Expertin zu behandeln oder als leidenschaftliche Liebhaberin zu
dem Thema.43
01:07:16.520
Marlene Engelhorn: Ich bin eine leidenschaftliche Liebhaberin, das mag ich, ich
bin eine leidenschaftliche Liebhaberin der Literatur, aber ich bin keine
Expertin, ich habe Germanistik angefangen und bin da, also ich weiß nicht
nichts dazu, aber ich bin keine Expertin, aber ich lese halt wahnsinnig gern und
ich lese, ich reg mich sehr sehr gern darüber auf, was verlegt wird und was
nicht und kenne das Verlagshusen ein bisschen intimer, weil ich ein Buch
rausbringen durfte, ansonsten ich weiß nicht. Ich finde, ich bin jetzt dem Thema
schon so verhaftet, mitunter weil es mich halt betrifft, die soziale Gerechtigkeit
und die Steuergerechtigkeit und die Verteilungsgerechtigkeit, ich glaube, damit
ärgere ich noch eine kleine große Weile sämtliche Leute in jedem Setting und
das ist auch auf jeder Party so, mit Marlene darf man nicht lang reden, die redet
dann über Steuer, das ist mega langweilig, schnell weg.
01:08:07.040
Raul Krauthausen: Ja, oder über Studiengebühren reden und dafür streiten, also
leidenschaftlich für Studiengebühren sein, damit kann man jede Party sprengen.
Ich habe es mal versucht, ich bin kein Freund von Studiengebühren, ich habe
mal versucht eine Party zu sprengen mit so einem Satz, weil ich die Leute dort
ziemlich unangenehm fand, aber es hat sehr gut funktioniert. Eine Frage, die
mich noch umtreibt und vielleicht ist es dafür zu spät jetzt schon, aber ich bin in
den letzten Jahren auch durch die Organisationen, die ich mitgegründet habe,
Sozialhelden, werde ich sehr häufig als Sozialunternehmer gesehen. Ja, und es
klingt ja auch cool, Social Entrepreneur und dann ist es auch gerade so ein
Thema, aber ich weigere mich, diesen Begriff für mich zu benutzen, weil ich
finde, dass wir soziale Probleme nicht Unternehmer beschlossen sollten. Das
würde ja bedeuten, die Unternehmen brauchen das Problem, um ihre Miete
bezahlen zu können, jetzt mal ganz platt, und sie würden jemals an ihrer eigenen
Abschaffung arbeiten. Und das ist ein unfassbar neoliberaler und sehr44
gefährlicher Gedanke, wenn wir anfangen, solche Sozialunternehmer*innen
weiter zu supporten, zu unterstützen und das hat schon richtig weite Büge
getragen. Bill Gates mit seiner Gates Foundation, die mehr ausgibt als ganze
Nationen für Entwicklungszusammenarbeit oder aber das habe ich neulich erst
erfahren, die OECD, das ist die Organisation, ich habe jetzt den Namen
vergessen, die unter anderem Bildungsstandards vergleicht europaweit oder
vielleicht sogar weltweit und die unter anderem die PISA-Studie machen. Und
dass das aber eine Organisation ist, die demokratisch nicht legitimiert ist. Und
dass wir Bildung darauf ausgerichtet haben, dass sie für PISA funktioniert. Und
dass das niemand hinterfragt, ist doch eigentlich schon ein Zeichen von, das ist
viel weiter verwoben alles schon, als es die meisten Leute glauben. Also wie
Neuschalon plötzlich Börse vor acht in der ARD gezeigt wird und nicht Glück
vor acht oder Frieden vor acht, sondern wir über Wirtschaft reden und dann in
der Tat nicht über Wirtschaft reden, aber nicht über andere Themen, die
gesellschaftlich vielleicht viel wichtiger sind. Ich bin richtig wütend, merkst Du
vielleicht? Und Bill Gates und Jeff Bezos und wie sie alle heißen mit ihren
gönnerhaften Arten, auch problematisch zu sehen sind und nicht gefeiert werden
sollten.
01:10:42.920
Marlene Engelhorn: Ja, das weiß ich gar nicht, was die Frage war.
01:10:47.840
Raul Krauthausen: Ob Du das auch so siehst.
01:10:47.840
Marlene Engelhorn: Ja, im Prinzip ich kann dem zustimmen. Eins zu eins quasi,
ich würde noch so sagen, ich finde immer problematisch, wenn man versucht,
die Dinge nur top down zu lösen. Ich will nicht leugnen, dass es gut, dass es
nicht auch hilfreich sein kann, wenn man da Alliierte hat, die wirklich an den
Hebeln sitzen und die was machen können. Aber es braucht, wenn man sich45
anschauen will, was ist wirklich los und was kann man wirklich machen, muss
man mit den Menschen reden, die mitten drin stecken in diesen Realitäten.
Sprich, wenn man sich über Bildungspolitik ein Bild machen will, muss man an
Schulen gehen, an mehrere, an unterschiedlichste und dort einfach wirklich
Daten, Daten, Daten sammeln und die fragen, was braucht ihr wirklich, sagt
mal Bescheid. Und dann weiß man es. Nur der Witz ist, diese Daten hat man und
dann muss es halt auch dazu kommen, dass es Druck gibt, dass sie umgesetzt
werden. Alladin El-Mafalani ist der erste, der mir da einfällt, der das ziemlich
cool erklären kann. Da gibt es ein langes Interview mit dem bei Jung und Naiv
auch, der dazu zum Beispiel sagt, wir wissen Bescheid, was wir brauchen. Nur
das ist halt ein Langzeitprojekt und weil es darum geht, Status für wichtig, also
Status wichtiger erachtet als sonst was, will sich niemand mit sowas, also will
niemand das anfangen, weil man quasi nicht dafür gelobt wird am Ende. Aber
ich denke, das könnte man schon auch anders gestalten. Aber ja, ich bin bei dir,
ich finde es wahnsinnig wichtig, in allen Fragen immer zurückzukommen, wer
ist legitimerweise hier in der Entscheidungsposition und haben wir das
demokratisch hingekriegt oder nicht und wenn ja, können wir das bitte ändern
und können wir, diese Strukturen werden immer als so unabänderlich
dargestellt. Das sind sie nicht. Wir haben sie geschaffen und wir können sie
verändern und da ist mir einfach wichtig, dass Leute wissen, dass das möglich
ist und da sie nicht die Hoffnung aufgeben, dass wir das hinkriegen, weil wir
haben schon ganz andere Dinge hingekriegt und das heißt mit Zuversicht,
sozusagen in einem positiven Ausblick und Energie da heranzugehen ist so
wichtig und zwar so viele wie möglich von uns, die sich da beteiligen an diesen
unterschiedlichen Auseinandersetzungen, weil ich glaube dann und dann komme
ich wieder auf das zurück, was ich die ganze Zeit schon sage, dann ändern wir
die Selbstverständlichkeit dessen, was wir für in Ordnung oder nicht in Ordnung
finden und sagen, nee, es geht einfach nicht, dass eine undemokratische Struktur46
Entscheidungen trifft, sondern wir verlangen Transparenz, Rechenschaft,
Mandat, dann wird sich das auch ändern. Davon bin ich fest überzeugt.
01:12:58.160
Raul Krauthausen: Gibt es eine Organisation oder NGO oder Person, die du, du
hast schon „Ich bin armutsbetroffen“ als Hashtag genannt, die du empfehlen
kannst, die unsere Hörerinnen und Hörer sich vielleicht mal anschauen könnten
und/oder auch vielleicht sich engagieren oder spenden könnten?
01:13:15.560
Marlene Engelhorn: Oh, das möchte ich lieber nicht machen, weil ich finde es
schwierig, wenn ich dann sage, was ich cool finde und dann ganz viele andere
werden nicht genannt und fallen hinten runter.
01:13:25.760
Raul Krauthausen: Ja, das ist leider so.
01:13:29.400
Marlene Engelhorn: Da tue ich mich total schwer. Ich habe jetzt, also ich habe
dadurch, dass ich „Ich bin armutsbetroffen“ schon genannt habe, würde ich
einfach vielleicht da bleiben. Guckt euch das mal an. Aber generell würde ich
alle dazu ermutigen, geht’s mal und schaut mal nach abseits von den großen mit
Fundraising ausgestatteten NGOs wie die Caritas und Diakonie und keine
Ahnung, wie die alle heißen Greenpeace und so. Schon klar, dass die gut und
alles und wichtig sind. Aber die kriegen ihr Geld schon zusammen, ohne dass es
diesen einen extra Aufwand der Recherche braucht. Aber es gibt noch ganz
andere Organisationen und ein bisschen sich umschauen und umhören im Netz
und man findet die. Einfach das Lieblingsthema eintippen und mal gucken, was
dabei rauskommt. Und dann kommt man auf richtig coole Leute, die wahnsinnig
tolle Arbeit machen. Vielleicht der Fairness halber die Bündnispartner von Tax
me now kann man sich ja auch mal angucken. Netzwerksteuergerechtigkeit und47
die Bürgerbewegung Finanzwende. Aber ich möchte nicht sagen, ich würde
nicht aufrufen, irgendwie dahin zu spenden oder so. Ich glaube, da würde ich
meine Macht wieder ausnutzen. Das wäre irgendwie uncool. Also kritisch sein,
wenn ich was sage, immer kritisch sein.
01:14:31.800
Raul Krauthausen: Das ist ein super Schlusswort und kann ich nur bestätigen.
Ich lerne mein Leben lang immer neu dazu, wie wir alle sollten. Auch von dir
habe ich gerade super viel gelernt. Wie gesagt, ich hätte noch super viele
weitere Fragen gehabt. Vielleicht setzt du das mal an anderer Stelle fort oder
bei dem Kaffee. Ich würde mich sehr freuen. Vielen, vielen Dank für deine Zeit.
01:14:51.680
Marlene Engelhorn: Vielen Dank dir. Ich habe auch mega viel gelernt heute und
ich bin sehr dankbar, dass ich mal ein tolles Aufzugserlebnis haben durfte.
01:14:56.480
Raul Krauthausen: Wenn die Tür jetzt gleich aufgeht, wo geht es für dich
weiter?
01:15:03.840
Marlene Engelhorn: In die nächste Begegnung mit einer Person, die mir Fragen
stellen wird zu, sag mal, wieso eigentlich steuern, wenn du doch vermögend bist.
01:15:14.080
Raul Krauthausen: Aber bist du manchmal genervt von dem Klima, dass du
immer das Gleiche sagst? Bist du so eine Art berufsreiche, so wie ich so eine Art
berufsbehinderte bin?
01:15:19.640
Marlene Engelhorn: Jein. Also einerseits denke ich mir schon, komm schon
Leute, das gibts ja nicht. Aber gleichzeitig muss ich sagen, diese Fragen sind48
deshalb so immer dieselben, weil die Leute einfach immer noch ganz andere
Selbstverständlichkeiten haben als ich und sie sind berechtigt und ich will gerne
meinen Teil beitragen und darauf antworten, sodass es Sinn ergibt. Und ich
habe ja auch das Privileg, ich kann ja auch eine Anfrage immer ablehnen, wenn
ich keinen Bock habe, wenn ich nicht darauf angewiesen bin, weil ich das
machen kann, weil ich durchfinanziert bin durch mein Vermögen und insofern
darf ich mich eigentlich nicht beschweren. Das ist ja das Ergebnis meiner
Entscheidungen. Ich schaffe mir meine eigenen Strukturen und wenn ich die
nicht will, dann muss ich da andere Entscheidungen treffen. Genau.
01:15:57.400
Raul Krauthausen: Ich bin gespannt zu erfahren, was deine Strukturen, die du
geschaffen hast, dann sein werden. Vielleicht sehen wir uns dann wieder und
dann kannst du berichten.
01:16:09.600
Marlene Engelhorn: Ja, würde mich ja freuen. Ich bin auch schon sehr
gespannt, was da alles noch passiert.
01:16:15.280
Raul Krauthausen: Ich wünsche dir ganz viel Erfolg und einen schönen Tag
noch.
01:16:20.880
Marlene Engelhorn: Ja, ebenfalls. Schönen Tag.
01:16:20.880
Raul Krauthausen: Danke.
01:16:20.880
Marlene Engelhorn: Bis zum nächsten Mal.49
01:16:20.880
Raul Krauthausen: Bis zum nächsten Mal. Tschüss.
01:16:20.880
Marlene Engelhorn: Ciao.
01:16:24.280
Raul Krauthausen: Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese Folge
Spaß gemacht hat, bewertet diese Folge bei Apple Podcasts, Spotify oder wo
auch immer ihr zuhört. Alle Links zur Folge sowie die Menschen, die mich bei
diesem Podcast unterstützen, findet ihr in den Show Notes. Schaut da gerne mal
rein. Wenn ihr meine Arbeit unterstützen möchtet, würde ich mich freuen, euch
bei Steady zu begrüßen. Mit einer Steady-Mitgliedschaft bekommt ihr exklusive
Updates von mir und die Gelegenheit, mich zweimal im Jahr persönlich zu
treffen. Im Aufzug ist eine Produktion von Schönlein Media. Ich freue mich auf
das nächste Mal hier im Aufzug.
Marlenes Herzensangelegenheit:
Podcast abonnieren
Hier findest du mehr über mich:
So kannst du meine Arbeit unterstützen!
Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann
Coverart: Amadeus Fronk
Hans Goswin Clemen3.23
Das muss sich ändern in unserer einen Welt
Der Klimawandel muss gestoppt werden.
Die Ungleichheit in unseren Gesellschaften muss verringert werden.
Die Folgen des weltweiten Klimawandels sind allen bekannt.
Und die Ursachen der Ungleichheit sind auch die Ursachen für den Klimawandel.
Der profitorientierte Umgang mit unserer Umwelt und die Anhäufung von Eigentum und Kapital in immer weniger Händen muss aufhören.
Die reichsten 10% besitzen schon 70% des gesamten Vermögens. Das ist in Coronazeiten weiter gestiegen und auf der anderen Seite hat die Armut zugenommen.
Um das zu ändern
brauchen wir in den schon erreichten Wahldemokratien
keine Guillotine, keinen gewaltsamen Umsturz
sondern nur eine progressive Besteuerung der Vermögen und Einkommen
etwa wie sie Thomas Piketty in „Kapital und Ideologie“ vorschlägt.
Mit diesen Einnahmen
können alle mit Grundkapital versorgt werden
und die Chancengleichheit bleibt nicht dem Zufall der Geburt überlassen.
Niemand wird dadurch existenziell leiden.
Es wird eine klimafreundliche und gerechtere Gesellschaft möglich
und die Profitgier wird gebändigt.
Und damit wird auch der sich ausbreitende
Glaube an die erlösende und rettende Gewalt aufhören
und Frieden durch Gerechtigkeit ermöglicht.
Wie kann die Ungleichheit und das zerstörerische Gewinnstreben gewaltfrei geändert werden?
Ich sehe bisher keinen besseren Weg in unseren Wahldemokratien als den über eine andere Steuerpolitik. Der Steuersatz muss progressiv steigen und darf nicht bei 40% enden. Ein Umdenken ist nötig, neue Ziele: anstelle von „Was bringt den höchsten Profit?“ muss jetzt gefragt werden: „Was nützt dem Allgemeinwohl?“. „Wie können wir die bestehende Ungleichheit überwinden?“ Ein neues Steuersystem, das die Armen bis zur Mittelschicht entlastet und die oberen Schichten progressiv an der Überwindung der Ungleichheit beteiligt, ist ein gerechtes, auf das Allgemeinwohl zielendes Instrument. Und die Kosten für die Umweltverschmutzung müssen ebenfalls dem Einkommen entsprechend verteilt werden.
Ein Vorschlag:
das durchschnittliche Jahreseinkommen in Deutschland beträgt 48.000€
Wer 0,5 mal soviel hat = 72.000€ zahlt 10% Steuer, Sozial- und CO²-Abgaben und behält dabei 55.800€
Wer 2 mal soviel hat = 96.000€ zahlt 20% 76.800€
Wer 5mal soviel hat = 240.000€ zahlt 50% 120.000€ usw bis 90%
Keiner wird am Hungertuch nagen. Aber der Staat, – also wir – haben das Geld, um die notwendigen Aufgaben zu erfüllen. Und um die bestehende Ungleichheit in den Besitzverhältnissen abzubauen, müsste auch eine progressive Eigentumsteuer eingeführt werden.
Wenn es dem Schwächsten gut geht,
geht es allen gut
Die schöpferische Genialität-im-Evolutionsprozess hat eine Innovation heranwachsen lassen, die GLOBALE und nicht nur nationale Verteilungsgerechtigkeit herstellt, und diese Innovation ist dominomächtig.
Sie muß nur in die öffentliche Diskussion eingeführt werden. Die Macht- und Verfasstheitsfrage ist dann entschieden. Die Parteien-Demokratie wird zur CREATIV Demokratie.
Alle anderen Ansätze, die globalen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen zu stoppen, werden überflüssig, bzw. müssen sich der revolutionären Geniepunkt-Innovation in der neuen Weltordnung des KREATIVEN anpassen.
Die evolutionslogisch-folgende Fortschrittsordnung des öko-KREATIVEN Evolutionspfads kommt durch den KREATIV-LOHN-für-Alle in die Welt
Ein kybernetisches Modell des Evolutionprozesssystems ermöglicht die Diskussion darüber. Ohne diese Theoriegrundlage gibt es nur Verwirrung, Stillstand und den Kulturcrash am Ende der Chaotisierung.
Rüdiger Kalupner