Kann jeder so erfolgreich werden wie du?
Andreas Arntzen ist unglaublich facettenreich. Wenn ich mir seine Vita anschaue, wird mir fast schwindelig vor lauter Projekten: Früher war er mal Hockeyspieler in der Nationalmannschaft, mit 18 eröffnete er sein erstes eigenes Sportgeschäft. Später hat er dann zum Beispiel Parship gegründet, den ersten homosexuellen Sender Timm TV aufgesetzt und heute ist er CEO des Wort & Bild Verlags, der zum Beispiel die Apotheken Umschau herausgibt und damit nach eigenen Angaben über 30 Millionen Menschen erreicht.
Wir sprechen über Rastlosigkeit und Hamsterräder, über seine Erfolge, aber auch Misserfolge. Ich wollte von Andreas wissen, ob er das Hochstaplersyndrom von sich kennt und habe versucht herauszukitzeln, ob man denn nun wirklich angeblich alles schaffen kann, wenn man nur fest genug daran glaubt.
Er erzählt mir von seinen Herzensprojekten, warum er heute nicht mehr Hockey spielt und wie er das Gesundheitssystem umkrempeln würde. Aufzugtür auf für Andreas Arntzen!
Wir kehren am 14.09 aus der Sommerpause mit vielen neuen spannenden Gästen zurück.
00:00:00.000
Raúl Krauthausen: Du bist Vielfahrer*innen bei mir im Aufzug und hast dich schon mal gefragt, wie du mich unterstützen kannst? Mit Steady hast du die Möglichkeit, diesen Podcast finanziell unter die Arme zu greifen und deine Wertschätzung zu zeigen. Schon ein kleiner monatlicher Beitrag hilft mir und dem Team, den Podcast Schritt für Schritt unabhängig zu produzieren. Werde jetzt Unterstützer*innen, erhalte vorab Zugang zu neuen Folgen und werde, wenn du das möchtest, namentlich hier im Podcast genannt. Alle Infos findest du unter www.im-aufzug.de. Diese Woche geht der Dank an die Supporter*innen Barbara, Nicole, Michael und Sascha. Und eine kurze Ankündigung an dieser Stelle. Im August steht dieser Podcast still, denn wir gehen in eine ganz kurze Sommerpause. Schon am 14. September sind wir aber mit spannenden Gesprächen wieder zurück. Jetzt aber erstmal viel Spaß mit Andreas Arntzen. Andreas Arntzen ist unglaublich facettenreich. Wenn ich mir seine Vita anschaue, wird mir fast schwindelig vor lauter Projekten. Früher war er mal Hockeyspieler in der Nationalmannschaft. Mit 18 eröffnete er sein eigenes Sportgeschäft. Später hat er dann zum Beispiel Parship gegründet, den ersten homosexuellen Sender TimTV aufgesetzt und heute ist er CEO des Wort- und Bild Verlags, der zum Beispiel die Apotheken Umschau herausgibt. Wir sprechen über Rastlosigkeit und Hamsterräder, über seine Erfolge, aber auch Misserfolge. Ich wollte von Andreas wissen, ob er das Hochstapler-Syndrom von sich kennt und habe versucht herauszukitzeln, ob man denn nun wirklich angeblich alles schaffen kann, wenn man nur fest genug daran glaubt. Er erzählt mir von seinen Herzensprojekten, warum er heute nicht mehr Hockey spielt und wie er das Gesundheitssystem umklampeln würde. Aufzugtür auf für Andreas Arntzen. Wow, die Tür geht auf und wer kommt rein? Es ist Andreas Arntzen, Gründer, Gesellschaftler und Manager von mehreren Digitalfirmen, unter anderem Parship.de, Radio.de, aber vor allem ist er aktuell der CEO vom Wort- und Bild Verlag, die unter anderem die Apotheken-Umschau herausbringen. Darüber wollen wir sprechen. Herzlich willkommen, Andreas Arntzen.
00:02:23.520
Andreas Arntzen: Hallo Raul, vielen Dank für die Einladung.
00:02:25.320
Raúl Krauthausen: Schön, dass du da bist. Sag einmal, gab es schon mal einen awkward Moment, den du in dem Aufzug erlebt hast? Ich nehme an, du kommst viel rum.
00:02:32.720
Andreas Arntzen: Ja, ich habe wirklich zweimal im Aufzug festgehangen. Das eine Mal für eine Stunde, das andere Mal, glaube ich, nur für eine Viertelstunde. Das eine Mal alleine, das andere Mal mit anderen zusammen und das war schon sehr unterhaltsam. Und mal gucken, wann es das nächste Mal wieder passiert. Schauen wir mal.
00:02:49.720
Raúl Krauthausen: Aber war die Stunde mit anderen zusammen oder warst du da allein?
00:02:52.720
Andreas Arntzen: Ne, da war ich mit anderen zusammen. Und das ist schon interessant zu sehen, wie die Menschen, wie unterschiedlich die Menschen dann reagieren. Und das war ganz spannend. Und es wurde dann auch sehr offensichtlich, wer wem wie Mut stiftet und positiv denkt, wer pessimistisch ist und so weiter. Es spiegelt halt so ein bisschen auch unsere Gesellschaft dann wieder.
00:03:12.720
Raúl Krauthausen: Genau, in einer Mikrogruppe. Was die wenigsten über dich wissen, oder vielleicht schon, aber ich wusste es nicht, du warst früher Hockey, Bundesliga und Nationalspieler.
00:03:23.360
Andreas Arntzen: Korrekt.
00:03:24.160
Raúl Krauthausen: Ist das eine Sportart, der du immer noch anhängst?
00:03:27.800
Andreas Arntzen: Ja, zumindest beim Zuschauen. Das Problem ist, wenn ich jetzt zum Hockeyschläger greifen würde, würde ich mit dem Kopf von gestern und dem Körper von heute spielen und die Gleichung ist sehr ungesund. Ich habe das ein paar Jahre versucht und habe bei jedem zweiten Spiel ordentliche Verletzungen gehabt und dann habe ich das mal gelassen, weil die Quote war dann einfach zu schlecht.
00:03:52.440
Raúl Krauthausen: Gibt es denn einen Unterschied, was die Brutalität angeht, zwischen Hockey und Eishockey?
00:03:58.520
Andreas Arntzen: Ich würde es mal nicht Brutalität nennen, sondern eher, bei welcher Sportart verletzt man sich häufiger. Und es ist schon erstaunlich, dass die Statistiken aufzeigen, dass man sich zum Beispiel beim Handball, beim Fußball und beim Volleyball häufiger verletzt als beim Hockey spielen. Und dann muss man natürlich auch sehen beim Eishockey, ich meine die Jungs, die da spielen, die sind natürlich auch ordentlich eingepackt, ja und entsprechend geschützt. Und da gehört dann aufgrund dieses Schutzes und der Schnelligkeit eben auch so ein bisschen mehr Aggressivität und ein bisschen mehr Körperkontakt dazu. Die wenigsten wissen ja, dass die Eishockey-Spieler wirklich teilweise nur 60 Sekunden auf dem Eis sind und dann wieder wechseln, weil sie eigentlich komplett nur sprinten. Mit dieser Ausrüstung ist es irre anstrengend und deswegen gibt es immer dieses ganz, ganz schnelle Interchanging dort. Aber es ist schon eine beeindruckende Sportart und ehrlich gesagt, wenn ich nochmal auf die Welt komme, würde ich auch eher Eishockey als Hockey spielen.
00:05:01.400
Raúl Krauthausen: Ist deine Sportvergangenheit, die ja auch professioneller Natur war, der Grund gewesen, warum du dann später mit 18 oder vielleicht sogar parallel gleichzeitig ein Sportgeschäft gegründet hast und dann mit 22 sogar schon vier weitere Sportunternehmen hattest?
00:05:18.240
Andreas Arntzen: Ja, das war so ein bisschen fast eigentlich aus einer Laune oder Spaß heraus mit meinem besten Freund und Partner Christian Büdi Blunck. haben wir mit 18 bzw. 19 das erste Sportgeschäft eröffnet. Das lag daran, dass wir ohnehin sehr viele Kinder und Jugendliche trainiert haben, sicherlich auch eine gewisse Vorbildfunktion hatten und in dieser Konstellation ohnehin gefragt wurden, mit welchem Schläger soll ich spielen, welche Schuhe brauche ich und welche Ausrüstung und so weiter und so fort. Und da haben wir gesagt, Mensch, wenn wir das ohnehin schon die ganze Zeit machen müssen, dann lass uns doch ein Sportgeschäft eröffnen, lass uns das dann auch gleich die Artikel verkaufen und vielleicht funktioniert das ja. Und da sind wir, muss man sagen, eigentlich wie beim Surfen, auf eine Welle gekommen, die einfach nicht aufhörte. Und so hatten wir dann kurze Zeit später vier Geschäfte.
00:06:08.320
Raúl Krauthausen: Aber ist es dann überhaupt noch spannend, nach dem ersten das vierte zu gründen?
00:06:12.720
Andreas Arntzen: Absolut. Also es gibt ja so einen Leitsatz, man macht das zweite Restaurant erst auf, wenn das erste richtig funktioniert. Und so war das auch bei uns. Wir wurden halt von dem Spaß und dem Erfolg getragen. Und dann trachtet man schon danach, das Potenzial, was man sieht, auch entsprechend zu heben. Und so kam es dann dazu, dass wir halt 4 Sportgeschäfte auf einmal hatten.
00:06:35.640
Raúl Krauthausen: Aber trotzdem sind die Probleme ja dann 4-mal so groß. Also Personal finden, Miete, Diebstahl, keine Ahnung, Einkauf.
00:06:43.840
Andreas Arntzen: Absolut, absolut nachvollziehbar. Aber ich habe mich nicht an dem Risiko orientiert, sondern an dem Erfolg, den wir hatten. Und der beflügelt dann auch. Natürlich ist es so, wenn du in einem Einzelhandel, vollkommen egal, ob das Sportartikel sind oder andere Waren, wenn du erstmal für eine Viertelmillion etwas einkaufen musst, dann weißt du auch, wie anstrengend das ist, erstmal diesen Umsatz zu machen, um das Geld dann wieder reinzukriegen und so weiter. Das ist schon eine Challenge, eben auch neben dem Leistungssport und dem Studium. Aber es war auf jeden Fall prägend und hat extrem viel Spaß gemacht. Und unterm Strich war es wirtschaftlich auch noch erfolgreich.
00:07:21.520
Raúl Krauthausen: Jetzt, wenn man sich so deine Vita anschaut, du hast relativ viel gemacht, dann würde man sagen, deine Schwerpunkte sind Digitales und Gesundheit und vielleicht noch Sport. Das sind so vielleicht die Klammer, die dein Leben umschreibt als Unternehmer. Ist das so eine Art, habe ich mir aufgeschrieben, Rastlosigkeit, dass man so viel gründet? Oder ist es einfach das Unternehmergen, das in dir ist?
00:07:45.560
Andreas Arntzen: Also das mit der Rastlosigkeit würde meine Frau glaube ich sofort unterschreiben, für die bin ich ein Hamster im Hamsterrad, der nicht stillstehen kann. Und natürlich hat das auch viel mit Unternehmergeist und Unternehmertum zu tun. Ich war nie die Person, die jetzt zur Rationalisierung, zum Cost-Cutting, Personalabbau und was weiß ich in Unternehmen reingegangen ist, sondern ich habe mir immer Felder gesucht, bei denen es um Aufbau, Diversifikation, Internationalisierung, New Business und so weiter ging. Und ergänzend zu deiner Reflexion über meine Vita, würde ich noch ergänzen wollen, dass es nicht nur digital ist,
sondern generell auch Medien, weil ich ja auch für Radiosender zuständig war, TV-Produktion gemacht habe, den ersten homosexuellen Sender Deutschlands, Tim TV, aufgesetzt habe und viele klassische Medien von „NZZ-Zeit“, „Handelsblatt“ und anderen Titeln aus Geschäftsführungspositionen herausgeleitet habe. Also von daher breites Feld Medien, würde ich sagen.
00:08:45.120
Raúl Krauthausen: Ach so, hast du total recht. Aber Schwerpunkt Digital ist aktuell, richtig?
00:08:49.120
Andreas Arntzen: Absolut, weil das Digitale natürlich einen extremen Impact hat auf unsere Gesellschaft und auf Produkte und Leistungen, die man erstellt. Ich bin aber nie derjenige gewesen, der sich immer einer Gattung nur verschrieben hat, sondern ich habe mich immer fokussiert, komplett konzentriert auf die Bedürfnisse der Menschen. Und die galt es letztendlich zeitgemäß, also mit den Möglichkeiten, die man heute und in der Zukunft hat, entsprechend zu befriedigen. Und da spielt es eine untergeordnete Rolle, ob das jetzt rein digital oder ob das physisch, analog oder wie auch immer ist.
00:09:27.080
Raúl Krauthausen: Da komme ich sicherlich später noch drauf zu sprechen bei den aktuellen Unternehmungen. Was mich immer interessiert, wenn ich mit Leuten spreche, die Geschäftsführer*innen oder CEOs sind, wenn wir uns auf LinkedIn, keine Ahnung, entlangscrollen oder wenn wir diese ganzen Gründerbücher lesen, Gründer*innenbücher, dann beschleicht mich regelmäßig so ein mulmiges Gefühl, wenn man Unternehmer*innen nach ihrem Erfolg fragt. Weil das ist so, ja, also man weiß glaub ich in der Regel mehr über seine Niederlagen, also warum man gescheitert ist, als dass man begründen kann, warum man erfolgreich war. Irgendwas ist es meine persönliche Erfahrung. Und wenn Unternehmer*innen über sich sagen, warum sind sie erfolgreich geworden, dann ist das vielleicht oft auch eine Fehldeutung oder eine genauso unwahrscheinliche Theorie, wie es wahrscheinlich ist. Deswegen meine Frage ganz an dich, mit dem vorweggeschickt. Was ist für dich dein größter Erfolg im Leben?
00:10:26.960
Andreas Arntzen: Also erstmal geht es, glaube ich, darum, wie unterschiedlich auch Erfolg definiert wird. Für mich ist Erfolg, und das versuche ich hier auch im Unternehmen entsprechend zu predigen, ist es das Abrufen deines individuellen Potenzials.
00:10:41.840
Raúl Krauthausen: Mhm.
00:10:44.080
Andreas Arntzen: Ja, das heißt, wenn ich in ein Unternehmen reingehe und hab deutlich bessere Zahlen als zuvor, würde ein Außenstehender sagen, das ist Erfolg. Ich würde es aber daran bemessen wollen, wie groß das Potenzial dieses Unternehmens und meiner Mannschaft ist, um dieses Unternehmen voranzubringen. Das ist schon mal ein ziemlicher Unterschied und ist bei mir sicherlich ausgeprägt, weil du vorhin nach dem Ursprung, der Herkunft, der Erklärung für vermeintlichen Erfolg gesprochen hast, kommt das sicherlich aus dem Leistungssport. Weil du musst letztendlich, selbst wenn du Gold gewonnen hast, hinterfragen, was du hättest noch besser machen können. Wo eben noch Potenzial drinsteckt. Und das ist die Basis, um dann beim nächsten Mal wieder Gold zu gewinnen. Und das lernt man im Leistungssport. Und das lässt sich auch eins zu eins übertragen auf die Berufswelt. Und auch auf das Führen von Mitarbeitern. Das kann durchaus mal anstrengend sein auch für Mitarbeiter. Aber man kann auch in dieser Gleichung einen gewissen, da kann man einen gewissen Spaß entnehmen und auch Motivation draus ziehen.
00:11:56.680
Raúl Krauthausen: Aber du weißt, was ich meine, wenn ich diese LinkedIn- Selfmade-Coaches auf die Referenziere, die man so kennt, die einem so das Gefühl suggerieren, jeder kann es schaffen. Glaubst du, dass es jeder schaffen kann?
00:12:11.120
Andreas Arntzen: Ja, es ist alles … Du, es ist ja eine komplett heile Welt, und es ist alles so super, und jeder von uns hat einen geleckten Lebenslauf und so weiter. Ich bin davon eigentlich kein so großer Fan. Ich hab auch überhaupt kein Problem, darüber zu sprechen, dass ich den vorhin kurz angerissenen homosexuellen TVSender TimTV 2008 gelauncht habe und voll gegen die Wand gefahren habe. Das gehört eben auch dazu. Und natürlich habe ich auch digital Investments gehabt, die gefloppt sind. Es geht eigentlich darum, dass man eine ganz gesunde Mischung noch hat, dass es im Saldo irgendwie in die richtige Richtung geht. Und ich glaube, dass man die richtigen Rückschlüsse daraus zieht. Also sich auch eingesteht, wieso, weshalb, warum irgendetwas nicht funktioniert hat und was man vielleicht hätte besser machen können. Und das in einer ehrlichen Form, die vielleicht dann auch dazu führt, dass man so einen Optimismus nicht verliert.
00:13:07.400
Raúl Krauthausen: Mein Cousin ist auch Leistungssportler gewesen in jungen Jahren, als junger Erwachsener. Und der hat als einziger in der Familie dann irgendwann angefangen, sich selbst ein Musikinstrument beizubringen. Und ich hab ihn gefragt, Alter, warum, wie machst du das? Und er meinte, ich hab im Sport gelernt, ehrgeizig zu sein. Und ich kann mir alles aneignen, wenn ich das möchte. Und das hat mich so beeindruckt, weil er das so glaubwürdig gesagt hat, dass er einfach gelernt hat, wie es ist, vier Stunden am Tag zu trainieren. Und ob das dann Musik ist oder Sport, ist dann eigentlich zweitrangig. Und er war immer total fleißig in der Uni auch, wo ich dann dachte so, okay, wirklich beleidenswert, aber als Jugendlicher hat er nie gespielt. Was ist dir aus deiner Vergangenheit verloren gegangen, weil du Sportler wurdest.
00:13:57.640
Andreas Arntzen: Erstmal zu dem ersten Punkt, zu deiner, ich weiß jetzt gar nicht, Family oder Freund.
00:14:04.640
Raúl Krauthausen: Cousin.
00:14:05.640
Andreas Arntzen: Zu deinem Cousin. Das sind ja zwei Aspekte. Das eine ist die Disziplin. Ohne die Disziplin schaffst du es nicht, jeden Tag wieder auf dem Platz zu stehen und Trainingssessions zu haben und so weiter. Und das andere ist aber der unabdingbare Wille beziehungsweise die positive Haltung, Haltung, ja das kann ich. Wenn du mit dieser Einstellung brauchst du auch, wenn du in Wettbewerbe ganz gleich welch Sportart hineingehst, wenn diese Einstellung nicht da ist, ja, dann gewinnst du auch keine Spiele. Und diese Kombination lässt sich dann sicherlich, wenn man das über mehrere Jahre gemacht hat, ist das ein Stück weit verinnerlicht und kann dir auch helfen, wenn du auf einmal etwas ganz anderes machst, wie beispielsweise ein Musikinstrument zu erlernen. Übrigens habe ich mir vor einem halben Jahr auch eine Gitarre gekauft und wollte selbiges tun, hab aber noch nicht die Disziplin an den Tag gelegt wie dein Cousin. Gut, und jetzt hattest du noch eine andere Frage, die hab ich inzwischen vergessen. Sags nochmal.
00:15:06.440
Raúl Krauthausen: Was dir verloren gegangen ist, weil du die ganze Zeit trainiert hast als junger Mensch?
00:15:11.200
Andreas Arntzen: Ich glaube, dass die Mixtur ganz gut war. Und würde ich noch mal auf die Welt kommen, würde ich mir wünschen, dass 80 Prozent dessen auch so verläuft. Was ich verpasst hab, ist sicherlich mal für ein, zwei Jahre ins Ausland zu gehen. Also in der Jugendzeit bzw. während des Studiums. Das habe ich nicht gemacht, weil ich halt hier Verpflichtungen hatte meiner Mannschaft gegenüber und auch der Nationalmannschaft gegenüber. Heutzutage ließe sich das, glaube ich, leichter verbinden als damals. Aber das hätte ich gerne noch miterlebt.
00:15:44.720
Raúl Krauthausen: Konntest du davon leben als Sportler? Kann man davon leben, wenn man in der Natio spielt?
00:15:49.480
Andreas Arntzen: Also auch das ist natürlich relativ bei uns war es ganz gut, weil wir von der Sporthilfe, also Stiftung Deutsche Sporthilfe ganz toll unterstützt worden sind als reiner Amateursport und Randsportart. Wir konnten davon leben in Kombination mit unseren Sportgeschäften und den Summercamps, die wir für Kinder organisiert haben. Dadurch waren wir dann finanziell unabhängig von unseren Eltern und konnten, ich will mal sagen, relativ viel Spaß haben. Und wenn man mit der Nationalmannschaft in Australien war, dann konnte man eben nochmal sagen, okay, wir bleiben nochmal zwei Wochen länger und gucken uns das Land an. Das war sehr schön.
00:16:27.480
Raúl Krauthausen: Ja, das steckt mir auch als Sportler, der viel rumkommt, als eine der positiven Eigenschaften vor. Aber gleichzeitig hatte ich auch mit Neven Subotic, mich war unterhalten, dem Fußballer, und der sagt auch, so viel haben wir eigentlich gar nicht gesehen von in den Ländern, die wir bereist haben, weil wir immer trainiert haben, auf dem Platz waren, im Hotel oder am Flughafen.
00:16:47.440
Andreas Arntzen: Ja, das ist ganz unterschiedlich, welche Länder man bereist und ob das jetzt für ein Freundschaftsspiel ist oder ob man dort eine Weltmeisterschaft hat. Da stehen dann schon andere Programme dahinter, aber der Deutsche Hockeybund hat sich eigentlich immer darum gekümmert, dass man auch kulturell von dem Land etwas mitbekommen hat. Und man hat dann natürlich komprimiert schon Eindrücke gewinnen können, weil wir natürlich Zugänge hatten über die Botschaften und so
weiter, die man als Orthonormalverbraucher dort nicht gehabt hätte oder als Student, der jetzt irgendwie da mal selber hinreist.
00:17:24.240
Raúl Krauthausen: Nochmal kurz zurück zu diesem Thema „Jeder kann es schaffen“. Glaubst du, jeder kann es schaffen? Oder was sind Bedingungen, dass jemand so eine Karriere durchstarten kann wie du?
00:17:34.880
Andreas Arntzen: Ich weiß ja gar nicht, ob das erstrebenswert ist, für andere denselben Werdegang zu haben, wie ich es hatte. Das ist ja eine sehr sehr individuelle Geschichte. Und jeder müsste sich selber seine eigenen Ziele setzen. Aber ich glaube, dass es viel einfacher ist, bestimmte Ziele zu erreichen, wenn man an diese auch glaubt. Und dafür kämpft, einsteht, arbeitet, diese zu erreichen. Ich glaube, es gibt auch viele Menschen, gar für sich selbst diese Ziele gar nicht definiert haben. Ja, im Leistungssport ist es so, du hast halt das Ziel, Weltmeister zu werden, du hast das Ziel, deutscher Meister zu werden und noch mal zu werden und dafür kämpfst du dann. Da ist es sehr, sehr klar definiert. Ich glaube auch, dass es viele Menschen gibt, die nicht so klare Ziele haben und dann ist es natürlich auch schwieriger, sich darauf zu fokussieren. Aber dass eine positive Grundhaltung die Basis dafür ist, Ziele zu erreichen, davon bin ich 100% von überzeugt.
00:18:36.400
Raúl Krauthausen: Aber es gibt ja Menschen, die vielleicht Ziele haben, aber nicht die Kapazitäten oder Privilegien oder Ressourcen, um sie umzusetzen.
00:18:44.200
Andreas Arntzen: Absolut, natürlich muss man die Ziele auch realistisch greifen können, ja, und ehrlich zu sich selbst sein. Wenn ich unrealistische Ziele habe, Beispiel, ich möchte jetzt noch Astronaut werden, dann hilft mir mein Wille auch nicht. Ja, das könnte ich jetzt nicht mehr werden. Basta, ist so. Und so muss man das, glaube ich, ein bisschen relativieren und realitätsnäher seine Ziele dann auch definieren.
00:19:15.800
Raúl Krauthausen: Ich finde es so spannend. Ich versuche die ganze Zeit, auf einen Punkt hinauszukommen und du bleibst bei dieser Perspektive, dass man eigentlich, dass es eine Art Mindset-Frage ist. Worauf ich hinaus will mit der Frage ist, dass es ja auch ein Umfeld benötigt, das an einen glaubt. Eltern, die an einen glauben. Finanzielle Ressourcen oder die
richtige Ort, Stadt, in der du aufwächst. Sind deine Eltern arm oder reich? Bist du von Klassismus betroffen? Ja oder nein? Oder hast du Migration zu der Grund, die Leute glauben grundsätzlich weniger an dich, als wenn du vielleicht nicht eine Migration zu der Grund hast. Dass das ja auch Faktoren sind, wo man gar nicht so viel beeinflussen kann.
00:19:54.600
Andreas Arntzen: Komplett richtig. Also bei mir war es beispielsweise so, meine Eltern haben sich scheiden lassen, da war ich sieben. Ich bin mit zwei älteren Schwestern und meiner Mutter aufgewachsen. Und für mich war Sport sicherlich auch ein Stück weit Ventil, Zufluchtsort. Das war so mein Bereich, in dem ich mich dann ausgelebt habe. Und natürlich gehört dann auch eine ordentliche Portion Glück dazu, zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort zu sein. Ich hätte im Sport nicht den Erfolg gehabt, wenn ich nicht diese Mannschaft gefunden hätte, diese Mitspieler. Und das trägt einen dann auch. Und deswegen glaube ich auch, und das zieht sich nachher im Berufsleben genauso fort, viele, viele Stationen, die mir viel gegeben haben, die sind mehr oder minder auch durch Zufall auf mich zugekommen oder ich bin auf die Chancen aufmerksam geworden. Also da muss man auch ehrlich sein zu sich selbst, da gehört immer viel Glück auch dazu. Und natürlich, so wie du es gesagt hast, das entsprechende Umfeld, und da stellt sich auch die Frage, wie gehst du eben mit dem Umfeld um? Und wie weißt du es dann letztendlich auch zu nutzen? Da sind wir denn eher bei dem Thema auch Empathie, soziales Umfeld, Miteinander, Kommunikation und so weiter, und so weiter.
00:21:14.760
Raúl Krauthausen: Du, ich weiß gar nicht, ob man das so sagen kann, aber für deine Verhältnisse in Anführungsstrichen bist du mit sechs Jahren jetzt schon relativ lange beim Wort und Bildverlag. Ist das in der Branche üblich, dass man so lange bleibt oder dass man oft wechselt? Was ist da eher üblich?
00:21:29.920
Andreas Arntzen: Ich glaube, es ist eher üblich, dass man länger eine Position bekleidet. Also ich war bei Holzbrink, der Verlagsgruppe Georg von Holzbrink, etwas über zwölf Jahre, hab aber unterschiedliche Unternehmen dort der Gruppe leiten dürfen, wie eben das Handelsblatt oder Zeit oder einen Online- Stellenmarkt aufgebaut, Parship gegründet und so weiter. Das war alles in der Holzbringzeit. Das war schon bei mir was Spezielles, dass ich eigentlich immer zwei bis drei Jahre einen Job gemacht habe und dann kam der Verleger und hat gesagt, können Sie nicht
noch dies machen oder jenes machen? Das ist das, was ich vorhin meinte, zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zu sein. Das kann auch anstrengend sein. Ja, ähm, und ich hab schon immer auch danach gesucht, mal länger an einem Ort zu sein. Das meine ich nicht geografisch, sondern inhaltlich. Und wie wertvoll das ist, sehe ich jetzt eigentlich beim Wort- und Bildverlag. Denn wir haben hier eine unglaublich tolle Mannschaft. Und das dauert natürlich, bis man die findet, bis man die aufgestellt hat, bis sich diese eingespielt hat. Ja, und das ist hier der Fall. Und das macht dann schon extrem viel aus und ist extrem wertvoll.
00:22:48.840
Raúl Krauthausen: Man sagt ja, dass ungefähr 70 Prozent aller Menschen mal mit dem Post-Test-Syndrom zu tun haben. Also, dass sie sich irgendwie so als Hochstapler fühlen. Ich selber kenne das von mir, dass ich dann immer denke, oh Gott, wann fliegt dieser ganze Bluff auf, den ich seit Jahren veranstalte. Kennst du dieses Gefühl?
00:23:07.040
Andreas Arntzen: Ich musste erst mal gerade nachdenken, wie du das meinst und ob ich mich da eigentlich wieder finde. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass alle Stationen eigentlich immer unternehmerisch geprägt waren und ich immer nach der Devise gehandelt habe, wenn ich fremdes Geld investiert habe, habe ich mir immer die Frage gestellt, ob ich mein eigenes Geld da auch investieren würde. Und vor dem Hintergrund habe ich den Bluff noch nicht bei mir gesehen.
00:23:38.520
Raúl Krauthausen: Ist das dein Erfolgsgeheimnis, wie du von Job zu Job gekommen bist?
00:23:42.640
Andreas Arntzen: Das weiß ich nicht. Ich hatte vorhin ja kurz über Kommunikation, über Empathie gesprochen. Ich glaube, dass es einer gewissen Ehrlichkeit bedarf. Die tut uns privat, als auch im Business halt gut. Und wenn das andere erkennen und zu schätzen wissen, dann ergeben sich daraus, glaube ich, mehr Optionen, als wenn man, so wie du es gerade gesagt hast, da blufft oder mit seinen Sachen nicht authentisch und ehrlich vorankommt.
00:24:12.440
Raúl Krauthausen: Ja, beziehungsweise die Angst davor zu haben. Also ich glaube, wir sind alle wahrscheinlich besser, als wir uns selber vorstellen.
Also jedenfalls diese 70 Prozent, das ist ja das Imposter-Syndrom genau, dass man sich eher schlechter einschätzt, als die Umfeld einschätzt.
00:24:27.520
Andreas Arntzen: Natürlich gibt es, das hat jeder Mensch, mal gewisse Zweifel, Selbstzweifel. Ist es richtig, was ich tue? Ich glaube, die Kunst ist nur, dem nicht zu viel Raum zu geben. Also bei mir haben solche Gedanken eigentlich immer nur eine Halbwertszeit von einigen Stunden, weil es passiert bei mir einfach nicht, dass ich schlecht gelaunt aufwache. Ja, ich gehe vielleicht mit gewissen Problemen ins Bett, Aber wenn ich aufstehe, kann es so sicher sein, dass ich positiv denken und auch positiv gestimmt bin, weil ich der Meinung bin, dass es für alles Lösungen gibt.
00:25:01.720
Raúl Krauthausen: Gibt es ein Herzensprojekt, das du gerne noch umsetzen möchtest?
00:25:05.400
Andreas Arntzen: Ja, da gibt es viele. Was ich unbedingt machen möchte, ist, ich möchte das Gesundheitswesen ein Stück weit voranbringen bzw. dieses unterstützen. Ich glaube, dass unser Gesundheitssystem komplett kollabieren wird in den nächsten Jahren, wenn sich dort nicht gravierend etwas verändert. Ich hätte sehr großes oder habe sehr großes Interesse daran, mehr Kinder zu Bewegung zu motivieren, zu mobilisieren, weil es erschreckend ist, wie viel Kinder sich nicht mehr vernünftig bewegen können.
00:25:47.040
Raúl Krauthausen: Du meinst körperlich bewegen?
00:25:48.680
Andreas Arntzen: Körperlich bewegen. Genau, unter Fettleibigkeit leiden, Kinder- und Jugenddiabetes ist ein Stichwort dazu, metabolisches Syndrom, ganz ganz schlimm wie die Zahlen dort auch durch Covid jetzt natürlich angestiegen sind. Und Kinder, die sich bis zum 10./12. Lebensjahr nicht vernünftig bewegt haben, die haben später auch weniger Interesse daran, Sport zu treiben, weil sie eben koordinativ schlechter sind als andere. Und das macht dann auch weniger Spaß. Und ich glaube, wir würden alle sehr gut daran tun, viel, viel mehr zu investieren in die Bewegung von Kindern und Jugendlichen.
00:26:30.820
Raúl Krauthausen: Ich hatte mal ein Gespräch mit Franziska von Almsick, die früherige Goldmedaille, mehrfach Goldmedaillen Gewinnerin im
Schwimmen. Die hat gesagt, dass sie sich gerade sehr stark dafür engagiert, dass die Jugend oder junge Menschen schwimmen lernen sollen, weil die Anzahl der Kinder, die ertrinken, steigt, weil sie nicht schwimmen können. Das fände ich auch krass.
00:26:53.140
Andreas Arntzen: Absolut.
00:26:54.020
Raúl Krauthausen: Dass der Schwimmunterricht quasi in der Schule der erste Unterricht ist, der gestrichen wird, wenn es Personalmangel gibt.
00:27:00.140
Andreas Arntzen: Absolut. Aber es gibt noch ganz andere Defizite. Du glaubst gar nicht, wie viele Kinder du im Alter von 8, 9, 10 Jahren auf einen kleinen Hocker stellen kannst und die können nicht auf einem Bein stehen.
00:27:13.700
Raúl Krauthausen: Mhm.
00:27:14.140
Andreas Arntzen: Ja, weil sie es koordinativ nicht hinbekommen. Und das ist schon erschreckend, weil der Sportunterricht eben viel zu kurz kommt, weil die Kinder teilweise wie Couch-Potatoes nur zu Hause sitzen und rumdaddeln und eben sich draußen nicht bewegen. Und das ist schon ein Riesenproblem.
00:27:31.500
Raúl Krauthausen: Aber ist das, also ja, ich tue mich immer schwer damit, auf die Jugend zu schimpfen. Wahrscheinlich auch der Mangel an Angeboten, ne? Also wenn man das schmackhaft gemacht wird und das irgendwie..
00:27:42.500
Andreas Arntzen: Absolut. Also ich habe auch gar nicht, ich mache den Kindern ja überhaupt keinen Vorwurf. Ja, das ist ja eher im Verantwortungsbereich der Eltern und der Schulen und letztendlich dann auch der Politik. Es ist immer eine Frage der Angebote und die Angebote müssen so attraktiv sein, dass sie den Kindern so viel Spaß bereiten, dass sie, dass sie diese auch weiter nutzen wollen. Und da hapert es aber momentan bei uns.
00:28:08.740
Raúl Krauthausen: Gleich geht’s weiter. Wenn Du diesen Podcast unterstützen möchtest, dann kannst Du das mit einem kleinen monatlichen Beitrag tun. Im Gegenzug kannst Du alle Folgen vorab hören und Du wirst, sofern Du das möchtest, hier im Podcast namentlich genannt. Alle Infos findest Du unter www.im-aufzug.de. Ende der Service-Durchsage, viel Spaß beim zweiten Teil der Folge.
00:28:42.540
Raúl Krauthausen: Ein anderes Themenfeld, in dem du dich engagierst, ist ja bei „Project Together“, wo du junge Menschen dabei unterstützt, wo ihr junge Menschen dabei unterstützt, innovative Initiativen und Social Startups und so weiter zum Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele zu entwickeln. Was war die Motivation für dich, dort mitzumachen?
00:29:06.540
Andreas Arntzen: Letztendlich etwas Gutes zu tun in der Form, dass man Erfahrungswerte, die man in seinem Leben gewinnen konnte, an andere abgeben, übertragen kann. Also ich sehe mich dort in einer Rolle eines Mentors, Coaches, Sparrings-Partners für diese wirklich unglaublich tollen und engagierten jungen Menschen, die sich eben auf diese Projekte konzentrieren und dort unfassbar viel bewegen. Also es ist wirklich beeindruckend und es macht mir extrem viel Spaß, denen zur Seite zu stehen, wenn sie mal den einen oder anderen Rat benötigen. Und du hattest vorhin gefragt, was will ich noch machen? Genau solche Dinge möchte ich machen, weil ich mich auch in der Verantwortung sehe, aus der ja doch privilegierten Position heraus Dinge tun zu können. Und für mich geht das auch einher mit, ja, eigentlich der Verpflichtung, eine gewisse Verantwortung zu übernehmen und die Möglichkeiten, die man hier hat, auch einzusetzen für andere und für die Gesellschaft. Vielleicht ist es auch ein Stück weit der Drang, der Wunsch, etwas zurückzugeben.
00:30:21.260
Raúl Krauthausen: Das verstehe ich auf der einen Seite. Auf der anderen Seite, ich bin ja selber so genannter Sozialunternehmer. Jedenfalls werde ich von außen sehr oft so genannt. Seit fast 20 Jahren betreiben wir den Verein Sozialheld*innen, ausgezeichnet mit Ashoka und so weiter. Mir wurden immer Sozialunternehmer*innen genannt, bis heute. Ich finde es schwierig, mich inzwischen so zu bezeichnen, weil ich zu der Erkenntnis gekommen bin, wir haben es ja gerade beim Thema Sport und so, zu der Erkenntnis gekommen bin, dass wir bestimmte Probleme, die wir gesellschaftlich haben, sei es Umweltschutz oder Bildung oder soziale Gerechtigkeit nicht wirtschaftlich lösen sollten. Weil das nämlich genau an
der Stelle dann eigentlich so eine Art Outsourcing ist, vom Staat und Sozialstaat an die Privatwirtschaft, in dem Fall Start-ups. Und dass gerade Project-Together-Initiativen, natürlich sich die Bundesregierung oder irgendwelche Ministerien sich dann damit schmücken, aber am Ende des Tages relativ wenig zur Nachhaltigkeit dieser Projekte beitragen. Und viele Projekte gar nicht nötig werden, wenn es die sozialen Ungerechtigkeiten beispielsweise gar nicht gäbe.
00:31:25.980
Andreas Arntzen: Vollkommen richtig. Aber die Projekte machen ja auch auf Missstände aufmerksam. Und es ist bei Project Together auch immer eine Mischung aus Unterstützung des Staates und finanzieller Unterstützung von der Privatwirtschaft, auch von vielen Stiftungen. Und das ist schon beeindruckend, welche Projekte Sie aufsetzen und mit diesen Projekten den Menschen auch helfen und nimm nur das Thema Ukraine. Da hat Project Together ganz, ganz tolle Initiativen gestartet. Und da muss ich dir ehrlich sagen, diese Initiative hat sich gelohnt mit dem ersten Flüchtling, den man nach Deutschland gebracht hat und untergebracht hat. Und wenn es zwei sind und nachher tausende, umso besser und umso schöner.
00:32:14.180
Raúl Krauthausen: Jaja, auf jeden Fall, gar keine Frage. Ich glaube auch, dass Sozialunternehmer*innen dabei helfen können, innovativ in kurzer Zeit Projekte umzusetzen, einfach unternehmerisch zu sein. Aber wenn es dann eben um die Nachhaltigkeit geht, also über diese sogenannte drei Jahre Förderperiode einer Stiftung oder eines Ministeriums hinaus, dann, finde ich, ist der Staat dafür verantwortlich, ausreichend Wohnraum zum Beispiel für geflüchtete Menschen zur Verfügung zu stellen und das nicht wieder in der Zivil- und Privatwirtschaft abzulegen. Und das gibt es in so vielen Bereichen. Also ich kenne das so im Bereich beispielsweise Bildung. Es gibt viele Projekte, die was machen zum Thema benachteiligte Jugendliche und Bildungsgerechtigkeit. Dann, keine Ahnung, finanziert die Vodafone Stiftung in die Initiative von Arbeiterkind. Wo ich dann denke, ja, es müsste eigentlich die Aufgabe des Bildungsministeriums sein.
00:33:05.540
Andreas Arntzen: Vollkommen richtig, vollkommen richtig. Aber wenn dort nichts kommt, sollten wir auch dankbar und glücklich dafür sein, dass sich andere dort bemühen, ob die Gleichung, so wie du es angerissen hast, unbedingt greift. Wenn die Privatschaft es eben nicht machen würde, dann würde der Staat eingreifen, Fragezeichen. Das Problem ist ja auch immer,
dass das Engagement des Staates oftmals auf den Zeitraum der Legislaturperiode beschränkt ist. Und viele Weichenstellungen, die wir eigentlich vornehmen müssten, einen ganz anderen zeitlichen Horizont haben. Ja, und das ist ja ein Riesenthema bei uns. Ich kann es, wie gesagt, jetzt primär durch meine Tätigkeit im Gesundheitssektor sehen. Aber wie wir bei dem Thema Digitalisierung hinterherhinken, ist frappierend, wenn ich mir anschaue, dass wir, nimm nur die Hausärzte, die Anzahl der Hausärzte wird sich in den nächsten acht Jahren halbieren. Das sind alles Themen, die weiß man und man geht sie eigentlich nicht mit Nachdruck an. Wieso haben wir bei Medizin ein so enorm nummeres Klausus? Und sehen nicht zu, dass noch mehr Menschen Medizin studieren. Weil die Fähigkeit eines Arztes würde ich jetzt nicht an seinem Abiturzeugnis nur festmachen wollen.
00:34:23.880
Raúl Krauthausen: Da gibt es ja auch erste Reformstudiengänge seit ein paar Jahren, wo man dann eben auch guckt, dass Empathie ausgebildet und unterrichtet wird. Und quasi nicht nur der NC ausschlaggebend ist für den Arzt- oder Ärztinnenberuf.
00:34:37.080
Andreas Arntzen: Ja, aber du weißt ja, ich meine, wir haben demografischen Wandel und alle sprechen darüber, dass wir länger fit sein werden, weil letztendlich die Medizin sich auch entsprechend weiterentwickelt. Was viele aber nicht realisieren, ist, dass wir überproportional länger Pflegefälle sein werden. Und das wissen wir jetzt und trotz alledem haben wir noch keine Lösung. Wir sprechen jetzt über einen Pflegenotstand. Das ist alles Kindergarten zu dem, was wir in 10, 20 Jahren haben werden.
00:35:08.920
Raúl Krauthausen: Und wenn man sich dann die potenziellen Lösungsansätze anschaut, die man diskutiert, sowas wie Migration, also dass man quasi Fachkräfte aus dem Ausland hier wahrscheinlich benötigen wird. Wie unsäglich diese Debatte über gewollte oder ungewollte Migration geführt wird in Deutschland, ist ja auch nicht, sagen wir mal, gerade imagefördernd.
00:35:29.280
Andreas Arntzen: Absolut. Vollkommen richtig. Und das Wort wahrscheinlich kann ich wegnehmen. Wir werden in der Zukunft diese Probleme nicht ohne entsprechende Migration hinbekommen. Wird überhaupt nicht umsetzbar sein.
00:35:51.960
Raúl Krauthausen: Du hast schon mehrfach das Wort Digitalisierung genannt als eine seiner auch beruflichen, aber wahrscheinlich auch persönlichen Leidenschaftsthemen. Was fasziniert dich da am Thema Digitalisierung?
00:35:59.440
Andreas Arntzen: Naja, der technologische Fortschritt ist exponentiell. Und das bedeutet, dass in unglaublich schnellen, kurzen Abständen neue Dinge durch die technologische Weiterentwicklung ja möglich sind, beziehungsweise es möglich ist, diese zu verbessern. Und ich freue mich einfach darüber oder daran, Dinge, die wir jetzt haben, immer wieder zu hinterfragen und zu schauen, wie kann man das noch besser machen? Und damit mit besser machen meine ich, Bedürfnisse von Menschen zu erkennen, jetzt nicht nur im Gesundheitswesen, sondern generell. Und wie kann ich diese Bedürfnisse eigentlich besser befriedigen auf Basis der Technologie, die es jetzt, heute, morgen gibt?
00:36:44.800
Raúl Krauthausen: Aber so diese Wörter, die jetzt gerade gefallen sind, Digitalisierung, Beschleunigung, Exponential, die haben wir auch in den 2000ern gehört, als die sogenannte Dotcom-Blase war. Pixelpark und Co. – alles riesige Firmen wurden. Und das dann irgendwie wie so eine Blase mehr oder weniger zerplatzt ist. Und es nur wenige Unternehmen gibt, deutsche Unternehmen, die diese Dotcom-Blase überlebt haben. Und dann letztendlich ein wirklich nachhaltiges Geschäftsmodell hatten. Und wir beobachten Ähnliches ja auch, keine Ahnung, Facebook und Metaverse ist jetzt auch wahrscheinlich nicht so der heilige Gral, den sie versprochen haben. Ich habe manchmal das Gefühl, wenn man versucht, auf Teufel komm raus, Innovation zu machen, dann kommt Murks raus. Und wenn Innovation gemacht wird, dann sehr häufig werden eher die Interessen vertreten derer, die es bezahlen. Also, keine Ahnung, ich habe neulich, ganz doofes Beispiel, aber ich habe neulich ein polizeiliches Führungszeugnis versucht, online zu beantragen, mit meinem digitalen Personalausweis. Und die User Experience war der Horror. Also ich frage mich, wer erfindet so was? Wer bekommt dafür Geld und warum landet diese Person nicht irgendwie, keine Ahnung, nochmal zum Nachsitzen in der Schule? Weil das ganze User Interface wirklich für den Arsch war. Es geht nur mobil wegen dem Scannen von dem Ausweis, aber die Website war nicht für mobile Geräte optimiert. Und dann denkt man so, ja, denkt doch nicht weiter als von der Wand zur Tapete, weil es einfach nur darum
ging, den Prozess für die Behörde so effizient wie möglich zu gestalten, aber nicht für den Nutzer.
00:38:15.400
Andreas Arntzen: Absolut. Innovation ist übrigens im Digitalen eigentlich immer dort erfolgreich gewesen, wo sich Anbieter, Erfinder, Gründer zu 100 Prozent mit einer, ich will fast sagen, Besessenheit darum bemüht haben, Kundenbedürfnisse zu befriedigen und wirklich nur den Kunden, nicht mal das Geschäftsmodell, nur den Kunden und sein Bedürfnis im Vordergrund zu sehen und dafür Lösungen anzubieten. Das war bei Google der Fall, das war bei YouTube der Fall, kann dir x andere Beispiele noch nennen. Und daraus entwickeln sich dann sukzessive auch entsprechende Geschäftsmodelle. Zu deiner Aussage mit der Dotcom-Krise und dem Platzen der Börse um 2000 sei vielleicht noch gesagt, dass da ganz viele tolle kreative Menschen super Ideen hatten, die aber technologisch einfach noch nicht umsetzbar waren also vieles von dem was damals versucht wurde aufzusetzen ja streaming plattform und so weiter wir hatten damals gar nicht die Bandbreite ja und diese Ideen wurden dann erst Realität oder oder entsprechend erfolgreich umgesetzt als die Bandbreite da war ja und welche Rolle jetzt streaming dienste haben und wie beliebt die sind das weißt du. Also da gibt es immer manchmal so eine zeitlicheVerschiebung auch. Aber overall kann man sagen, dass sich ja auch vieles sehr positiv entwickelt hat und auch einen Mehrwert und Nutzen für uns bringt. Dass wir trotzdem noch an vielen Stellen hinterherhinken und manche Ämter Digitalisierung noch nicht schreiben können, da hast du aber natürlich auch vollkommen recht. Nimm nur Digitalisierung im Gesundheitswesen, wir haben immer noch kein E-Rezept und so weiter,keine elektronische Patientenakte. Aktuell diese Geschichten, da hinken wir hinterher und Israel hat das schon seit 20 Jahren beispielsweise.
00:40:07.500
Raúl Krauthausen: Da ich vorhin die Bahn erwähnt habe. Vor ein paar Wochen habe ich gelesen, dass das Magazin DB Mobil eingestellt wird und auf dbmobil.de ausschließlich fortgesetzt werden soll. Das ist im Prinzip analog zur Apothekenumschau. Die Frage, wie digitalisiert man eine Apothekenumschau, wenn die Leser*innenschaft vielleicht nicht so digital unterwegs ist.
00:40:30.860
Andreas Arntzen: Also es sind jetzt ganz viele Punkte. Vielleicht beschreibe ich nochmal das Ziel unseres Verlages. Wir haben, und das hat der
Verleger mittels Print hervorragend umgesetzt, wir haben ab Tag 1, wir sind jetzt 66 Jahre alt, hat der Verleger gesagt, er möchte komplexe, gesundheitsrelevante Informationen leicht verständlich für jedermann zur Verfügung stellen. Und das hat er über ein Magazin, welches über die Apotheken vertrieben wird oder verteilt wird, aus meiner Sicht hervorragend hinbekommen. Und mein Job ist es jetzt seit sechs Jahren zu überlegen, was würde der Verleger eigentlich tun, wenn er in der jetzigen Zeit so etwas aufsetzt, nämlich das Ziel hat, diese komplexen gesundheitsrelevanten Informationen leicht verständlich wiederzugeben. Und da begegne ich natürlich wieder dem Thema Digitalisierung. Kann ich die Digitalisierung, kann ich die Möglichkeiten, die man heute hat, nicht auch nutzen, um Menschen besser mit seriösen Gesundheitsinformationen zu versorgen und ihnen dabei zu helfen, nicht nur wieder gesund zu werden, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, sondern gesund zu bleiben. Ja, das ist ja auch ein Stück weit ein Paradigmenwechsel. Früher ging es wirklich darum, lesen, was gesund macht. Und jetzt geht es darum, Informationen zu bekommen, die mich unterstützen, gesund zu bleiben. Ja, und da haben wir verschiedene Aktivitäten gestartet. Das hat auch viel mit Trial and Error zu tun. Aber die wenigsten wissen, dass wir neben den 22 Millionen Lesern, die wir jeden Monat haben, auch 10 Millionen unique User mit, ich glaube, inzwischen 100 Millionen PIs pro Monat haben. Und das ausschließlich mit gesundheitsrelevanten Informationen. Und da haben wir eine ganz, ganz wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe in Deutschland. Weil wir natürlich parallel auch eine Inflation von unseriösem Content sehen. Aus unserer Sicht hat eine Gesundheitsinformation eine Null-Fehler-Toleranz. Und es ist erschreckend, wie viel man im Print als auch im Digitalen an Inhalten sieht, die nicht wirklich gesundheitsfördernd sind. Und das jetzt mal diplomatisch ausgedrückt.
00:42:56.780
Raúl Krauthausen: Ja, ich verstehe total, was du meinst. Aber würdest du jetzt, wenn wir das analog betrachten, auf die Idee der Mobil übertragen, glaubst du, diese Transformation funktioniert? Also, weil wenn es diese Zeitschrift nur noch im Internet gibt, und im Internet es aber alles gibt, und ich im Zug sitze, wo ich die einzige Möglichkeit, es gab, diese Zeitschrift zu lesen, und das Internet vorausgesetzt funktioniert, dann konkurriert die DB Mobil plötzlich mit Netflix, Twitter, Facebook und allen anderen Magazinen. Warum sollte ich dann auf die DB Mobil gehen?
00:43:28.780
Andreas Arntzen: Also, da stellt sich ja eher die Frage, wieso braucht eine Bahn überhaupt eine Zeitschrift DB Mobil? Das Ziel der Bahn ist es, Menschen von A nach B zu bringen.
00:43:38.780
Raúl Krauthausen: Ja, zum Zeitvertreib.
00:43:40.780
Andreas Arntzen: Ja, aber dafür gibt es dann auch andere Medien und andere Möglichkeiten. Und da hat sich das Mediennutzungsverhalten, so wie du es schon angerissen hast, natürlich auch deutlich verändert. Also ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn die Menschen am Bahnhof in die Apotheke gehen, sich eine Apothekenumschau greifen und dann bei der Zugfahrt diese Publikation lesen. Oder eben auch andere Magazine oder sich über das Digitale entsprechend informieren. Man muss nur sagen, die digitale Nutzung von Inhalten ist noch mal etwas anderes als das haptische. Während wir im Digitalen sehen, dass die Menschen ganz konkret nach bestimmten Symptomen suchen, Schuppenflechte, Meniskusschaden oder ähnliches, ist es im Analogen, im Print so, dass die Menschen latent interessiert am Thema Gesundheit sind und dann beim Durchblättern der Publikation des Magazins auf Artikel stoßen, nach denen sie nie gesucht haben. Und das macht übrigens auch die Qualität von Publikationen aus. Dass ich Dinge finde, nach denen ich nicht gesucht habe, die mich aber interessieren.
00:44:46.780
Raúl Krauthausen: So wie lineares Fernsehen. Ich lass mich überraschen.
00:44:49.780
Andreas Arntzen: Ein Stück weit. Das wird natürlich aufgebrochen durch die Zeitsouveränität von Streamingdiensten. Das hat natürlich auch einen Vorteil, weil ich dadurch freier und flexibler bin, so wie ich es auch bei einer Printpublikation bin. Aber es führt eben auch zu einem anderen Medien-Nutzungsverhalten. Es gibt viele Menschen, die nutzen jetzt nur noch Netflix und sehen aber keine Tagesschau und lesen vielleicht auch keine Zeitung und sind dadurch einfach anders informiert als viele andere. Das ist schon ein Thema für unsere Gesellschaft.
00:45:24.780
Raúl Krauthausen: Findest du das Wort Rentnerbravo angemessen oder ist das despektierlich?
00:45:26.380
Andreas Arntzen: Ich finde das überhaupt nicht despektierlich. Und wir agieren selber damit. Wir haben im Januar diesen Jahres eine große Aktion gehabt und haben uns selber betituliert als Rentnerbravo und haben mit dem Bauer Verlag zusammen die Bravo rausgebracht.Beide Titel sind dieses Jahr 66 Jahre alt geworden. Da haben wir eine gemeinsame Aktion gemacht, haben uns ein bisschen selbst auf die Schippe genommen und haben diese Retro-Ausgabe in den Markt transportiert, mit der Absicht, den Menschen auch zu signalisieren, man muss auch mal über sich selbst lachen können und man muss viele Dinge einfach mit ein bisschen mehr Leichtigkeit nehmen.Und das kam zu Anfang des Jahres sehr, sehr gut an. Also wir haben mit dem Begriff überhaupt kein Problem.
00:46:11.780
Raúl Krauthausen: Jetzt beschäftigt sich der Wort- und Bildverlag ja sehr fast ausschließlich mit dem Thema Gesundheit. Wo Gesundheit ist, ist das Thema Behinderung, Menschen mit Behinderung ja oft nicht weit, weil viele Krankheiten ja Behinderung bedingen. Ist das bei euch Thema? Ich kenne schon auch in der Behindertenbewegung Leute, die sagen, das ist gefährlich, wenn man Behinderung mit Krankheit gleichsetzt oder in Verbindung bringt,weil dann sehr viele Leute therapiert werden sollen. Also andere sagen, mach doch mal Sport oder nimm doch mal das und das Medikament, probier doch mal das und das, obwohl die Person mit Behinderung eigentlich ganz zufrieden ist.
00:46:52.500
Andreas Arntzen: Absolut. Also ich kenne auch Personen, die trotz einer körperlichen Behinderung, es gibt ja auch, ich meine das Feld von Behinderung ist ja unglaublich breit. Ja. Und ich kenne Menschen mit vermeintlichen Behinderungen, die sagen, sie möchten gar nicht anders leben und sie fühlen sich pudelwohl damit und sind glücklich und zufrieden und würden gar nicht tauschen wollen. Das ist wieder eine sehr individuelle Sache. Für uns ist es natürlich als Gesundheitsverlag wichtig, darauf hinzuweisen, welche Krankheiten zu Behinderungen führen können, welche Behinderungen was bedeuten. Und natürlich geht es auch darum, ich will mal sagen, die Gesellschaft auch zu sensibilisieren für manche Themen. Ich meine, das ist auch ein Thema Barrierefreiheit. Da gilt es, vernünftige Informationen zur Verfügung zu stellen. Du hast vorhin selber über eine App gesprochen, bei der solche Dinge auch mit aufgenommen werden. Und das gehört schon zum breiten Thema Gesundheit mit dazu. Und auch aufzuzeigen, inwieweit Technologie, technologischer Fortschritt, Menschen mit Behinderungen vielleicht helfen kann.
00:48:05.180
Raúl Krauthausen: Arbeiten bei euch im Verlag Menschen mit Behinderungen, Redakteurinnen zum Beispiel?
00:48:10.180
Andreas Arntzen: Wir haben, ich glaube, elf oder zwölf Schwerbehinderte bei uns im Unternehmen. Und bei manchen hat sich das erst im Laufe der Tätigkeit dazu entwickelt. Aber wir haben auch Menschen bei uns eingestellt, die eine Behinderung haben. Ganz unterschiedlicher Natur, muss man sagen. Aber auch da finde ich es, wir machen es ja daran fest, wie sich jemand mit Leidenschaft einem Thema widmet und unser Unternehmen voranbringt. Und da ist eine Behinderung komplett sekundär. Und wenn der Verlauf einer Behinderung im Rahmen seiner Tätigkeit dazu führen sollte, dass er seinen Job vielleicht schlechter macht als andere oder besser gesagt nicht so gut macht, dann ist es auch unsere Verantwortung, diesen Personen zu helfen, damit auch entsprechend umzugehen.
00:49:08.780
Raúl Krauthausen: Gäbe es einen Markt für eine Zeitschrift oder ein Online-Medium, das sich mit dem Thema Behinderung auseinandersetzt? Es gibt ja auch Elternmagazine, junge Eltern, alte Eltern. Warum gibt es nicht auch ein Magazin für Menschen mit Behinderung, das jenseits von Gesundheit spricht?
00:49:27.980
Andreas Arntzen: Ich glaube, dass wie vorhin schon gesagt, Behinderung extrem weites Feld ist, körperliche Behinderung, geistige Behinderung und so weiter. Und ich glaube, dass das sehr speziell ist und je spezieller etwas ist, umso eher eignet sich eigentlich ein digitales Angebot, weil ich dann sehr zielgerichtet, so wie ich es vorhin gesagt habe, wenn ich nach Symptomen suche, ist das Netz schon ganz hilfreich. Ich glaube, es müsste hier eine Kombination sein. Also ich könnte mir schon vorstellen, dass wir dieses Thema in der Apothekenumschau deutlicher adressieren und darauf hinweisen, dass es dann im Digitalen diese und jenen Angebote gibt, die dann den betroffenen Menschen Lösungen bieten, Halt geben und sie unterstützen. Das glaube ich schon.
00:50:19.980
Raúl Krauthausen: Ich habe dich ja vorhin gefragt, wie man eine Apothekenumschau digitalisiert. Letztendlich vielleicht auch der Provokanten-These, dass alte Menschen das vielleicht nicht so schnell machen werden. Kann es vielleicht sein, die Frage stelle ich mir nämlich
immer öfter, dass wir auch alte Menschen für unfähiger betiteln, als sie in Wirklichkeit sind?
00:50:42.740
Andreas Arntzen: Definitiv. Das haben wir ja gesehen während der Corona-Zeit. Schau doch nur in einem Supermarkt, wie viel ältere Menschen inzwischen über ihr Handy bezahlen. Und nicht mehr mit Bargeld, damals oder während der Pandemie, aus hygienischen Gründen, da bezahlen. Und ich glaube, so haben sie gelernt, ihren Impfstatus auf dem Handy zu haben, sich über eine Luca-App bei einem Restaurant irgendwie einzuloggen, zu verstehen, was ein QR-Code eigentlich ist. Dass ein Smartphone nicht nur ein Telefon ist, sondern für viel, viel mehr Dinge nützlich ist. Und ich glaube, dass da die Entwicklung, die Weiterbildung, die Lernkurve auch bei Älteren deutlich nach oben gegangen ist.
00:51:30.820
Raúl Krauthausen: Ich hab immer noch im Ohr, dass dann ganz oft gesagt wird, dass alte Menschen nicht im Internet sind, keine Smartphones haben. Und wenn man sich dann anschaut, was da für Lösungen dann entwickelt werden, Telefone mit extra großen Tasten, wo ich dann als alter Mensch mich vielleicht auch verarscht fühlen würde, wenn ich behandelt werde wie ein Kind. Weil ich war vor ein paar Jahren in Japan und bin eine U-Bahn gefahren und da sah ich eine 90-Jährige mit den modernsten Handys Mangalfilme gucken. Wo ich dann denke, inwieweit ist das nicht auch eine kulturelle Sache, als dass es wirklich am Alter hängt. Wir haben ja Technologien auch in FAZ und Co. immer so runtergeschrieben und so böse gemacht, von wegen die asiatische Datenkrake, die demnächst unsere Seelen verkaufen wird und so, oder amerikanische Datenkrake, dass uns vielleicht auch so ein bisschen die Lust genommen wurde.
00:52:23.580
Andreas Arntzen: Mich hat vor kurzem ein Chirurg gefragt, ein befreundeter Chirurg, der sagte, „Du Andreas, was glaubst du, dass die häufigste Todesübersache ist?“ Ich hab gesagt, ja klar, Kreislauferkrankungen. Dann lächelte er mich an und sagte, nein, die Datenschutzgrundverordnung. Was er damit zum Ausdruck bringen wollte, war eigentlich nur, wenn die Ärzte die Informationen hätten, die es eigentlich gibt, würden viele Menschen weniger sterben, beziehungsweise man hätte genauere Medikationen, Behandlungsvorschläge und so weiter und so fort. Und das kannst du auf viele Felder übertragen. Die Digitalisierung, wir haben vor zwei Jahren, glaube ich, mal einen Digitalratgeber rausgebracht, den wir Ärzten und Apothekern zugeschickt
haben, bei dem wir extrem positiv auf das Thema Digitalisierung geschaut haben. Weil was uns auffiel, war, dass 90 Prozent aller Artikel in Bezug auf Digitalisierung, gerade im Gesundheitswesen, von Datenschutzgrundverordnung und Bedenken und so weiter geprägt waren. Und dadurch kriegt das so einen negativen Touch. Und wir haben, und das ist vielleicht auch ein speziell deutsches Phänomen. Wir neigen immer dazu, übrigens auch die Medien, immer das Schlechte zu sehen und darüber zu schreiben, statt die Vorteile. Und ich muss ganz ehrlich sagen, dass aus meiner Sicht die Gesundheit doch deutlich über dem Datenschutz stehen müsste.
00:53:50.420
Raúl Krauthausen: Ja, würde ich dir recht geben. Trotzdem müssen wir über Datenschutz reden, wahrscheinlich. Nur anders.
00:53:56.420
Andreas Arntzen: Absolut, absolut. Das heißt ja auch nicht, dass Datenschutz schlecht ist und dass wir es nicht brauchen. Ja, aber es geht so ein bisschen um die um die Ausgewogenheit. Und ich glaube, dass wir da in Deutschland noch einen gewissen Nachholbedarf haben und die Digitalisierung noch viel stärker nutzen sollten bzw. könnten. Ich glaube auch nicht, dass wir jetzt dieses Problem in den Griff bekommen, nur weil wir größere Tasten auf so ein Handy drauf aufkleben, sondern wir müssen einfach viel frühzeitiger den Menschen erklären, welchen Nutzen sie dadurch haben. Und das gilt übrigens nicht nur für vermeintlich ältere Menschen, sondern ich kenne auch viele Jüngere, die da irgendwie eine Barriere haben und sich irgendwie auch aus meiner Sicht Gefahr laufen, stückweit soziokulturell auch isoliert zu werden und vielleicht an dem Leben gar nicht mehr so teilnehmen können, wie sie es gerne würden. Also nimm mal, wenn du einen Flug gebucht hast und den umbuchen willst, hast du heutzutage schon eigentlich keine Chance mehr, wenn du nicht vernünftig mit dem Internet umgehen kannst. Weil jede Frage, in so einem Baum, jede Verästelung endet eigentlich mit „gehen Sie auf unsere Online- Seite“, weil sich die Callcenter-Agents halt sparen. Und wenn du dann nicht im Netz bist, hast du ein wirkliches Problem.
00:55:23.620
Raúl Krauthausen: Ja gut, ich meine, Fliegen ist jetzt eine Sache. Es reicht schon, wenn du versuchst, als rollstuhlfahrender Mensch einen Rollstuhlplatz bei der Deutschen Bahn zu buchen.
00:55:32.620
Andreas Arntzen: Absolut, ja klar.
00:55:33.620
Raúl Krauthausen: Das ist jedenfalls mein Alltag. Womit wir bei meiner nächsten Frage wären. Weißt du, wie schwer es ist, als Frau eine barrierefreie gynäkologische Arztpraxis zu finden? Es ist ein Ding der Unmöglichkeit. Also es gibt ja zahlreiche Arztportale von Dr. Lipp über, keine Ahnung, Weißeliste oder Jameda oder wie sie alle heißen, und die KV. Und es ist wirklich super schwer, barrierefreie Arztpraxen überhaupt zu finden. Es gibt noch die Arzt, bei der Stiftung Gesundheit, die Arztauskunft. Und es sind alles Selbstauskünfte, wo dann Ärztinnen gefragt werden, ist ihre Praxis barrierefrei? Und dann sagen die, ja, wir haben nur drei Stufen am Eingang. Und dass da letztendlich auf der einen Seite gesetzgeberisch die Vorgabe gibt, dass Arztpraxen von den KVen erfasst werden sollen, ob sie zugänglich sind, dass diese Daten dann aber als PDF-Dokumente undurchsuchbar irgendwo im Internet rumschimmeln und nicht aktualisiert werden, spricht für mich Bände, was die Rückständigkeit der Digitalisierung angeht. Ich bin fest davon überzeugt, es braucht ein Portal, Und am liebsten ein existierendes, Dr. Lipp und Co., die das sowieso schon machen, die dieses Thema sich auf die Fahne schreiben. Oder Wort- und Bild Verlag gründet eins.
00:55:47.620
Andreas Arntzen: Also, die Frage legt nahe, dass du eine Information noch nicht hast. Und zwar die, dass wir den Ratgeber Verlag in Hamburg übernommen haben, der die Stiftung Gesundheit betreibt. Wir haben dort das aus meiner Sicht qualitativ hochwertigste Angebot beziehungsweise eine Datenbank mit den hochwertigsten Daten über alle Ärzte und Pflegeeinrichtungen in Deutschland. Wir haben dort auch genau dieses Thema Barrierefreiheit. Und ich werde das, was du gerade gesagt hast, werde ich aufnehmen. Wir liefern ja diese Daten, die wir ständig wieder evaluieren beziehungsweise Abfragen mit einem enormen Aufwand. Die liefern wir ja an Krankenkasse und auch an andere Portale, auch Anbieter, die du eben gerade genannt hast. Die kriegen dann teilweise von uns die Daten, weil wir ja nicht nur Daten von unseren Kunden haben, sondern von allen Ärzten. Ich werde genau diesen Punkt mit aufnehmen, weil wir haben uns ja gerade dort engagiert, damit wir auch solche aus meiner Sicht gesundheitsrelevanten Fragen, nämlich, wo finde ich den Arzt, den ich auch besuchen kann, der barrierefrei ist. Dass man die entsprechend auch noch besser in den Markt transportiert. Du siehst es daran, wir haben zum Beispiel, als der Krieg ausgebrochen ist und sehr viel ukrainische Flüchtlinge und auch russische Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, haben wir über die Stiftung sofort rausfiltern können, welche Ärzte in Deutschland russisch oder ukrainisch sprechen und haben die zur
Verfügung gestellt. Da gibt es sicherlich noch Luft nach oben, aber ich glaube, dass wir mit der Stiftung da schon auf einem sehr, sehr guten Wege sind.
00:58:43.500
Raúl Krauthausen: Was ich da empfehlen würde, wir bieten ja mit unserem Portal wheelmap.org bereits Deutschlands größte Datenbank für zugängliche Orte allgemein. Und da gab es auch die Überlegung, das auf Gesundheit zu übertragen. Den Wunsch, den, glaube ich, viele Menschen mit Behinderung hätten, wäre, Feedback zu geben auf diese Information.
00:59:03.500
Andreas Arntzen: Super, super Idee, super Idee. Und ich kann jetzt schon sagen, dass sich die Fahrstuhlfahrt mit dir gelohnt hat, weil die Idee hervorragend ist. Und ich werde die noch heute bei der Stiftung Gesundheit platzieren. Und da kommen wir auf dich zu.
00:59:16.000
Raúl Krauthausen: Sehr gerne. Wir sind fast angekommen mit dem Fahrstuhl. Letzte Frage, die ich all meinen Gästen stelle. Gibt es einen Verein oder eine Organisation, die du für besonders unterstützenswert hältst? Also wo sich vielleicht auch unsere Hörer*innen engagieren könnten durch Spenden oder Zeit.
00:59:33.500
Andreas Arntzen: Also ich bin noch zusätzlich ehrenamtlich tätig für die Young Wings Nikolaidis Stiftung mit dem Hauptsitz hier in München, die sich um Halb- und Vollwaisen kümmert. Und diesen jungen Menschen versucht ein neues Zuhause zu organisieren, ihn zu helfen, aber auch für die Hinterbliebenen, Ehepartner, die ihren Partner verloren haben, da zu sein und sie zu unterstützen. Und das ist etwas, was mir sehr am Herzen liegt. Und wann immer jemand sich dort bei diesem Thema auch berufen fühlt, zu unterstützen, würde ich mich sehr freuen. Kann sich gerne direkt an mich wenden. Sie werden mich im Netz finden unter Andreas Arnzen oder direkt bei der Young Wings Nikolaidis Stiftung. Es würde mich sehr, sehr freuen, wenn Sie sich dort auch engagieren und diese Stiftung unterstützen.
01:00:30.440
Raúl Krauthausen: Wow. Lieber Andreas, ich habe noch super viele Fragen übrig, aber der Aufzug ist wahrscheinlich jetzt schon 4000 Etagen hochgefahren. Und ich nehme mal an, du hast auch noch viel anderes zu tun. Wenn jetzt gleich die Tür aufgeht, wo geht es für dich weiter?
01:00:46.440
Andreas Arntzen: Eigentlich bei dem Thema, die wir schon angesprochen haben. zum einen bei meinem Daily Business, die Informationen, die gesundheitsrelevanten Informationen immer wieder zu optimieren und Menschen dadurch zu helfen. Und auf der anderen Seite darin, für das Gesundheitssystem und für die Menschen etwas Gutes zu tun. Und das Schöne dabei ist, dass sobald du aus einem Stockwerk austrittst, aus dem Fahrstuhl, kommen einem gleich Möglichkeiten entgegen, die man priorisieren muss natürlich. Leider, man hat nur begrenzte Ressourcen. Aber das Schöne ist, dass eigentlich ständig wieder Optionen auftauchen, die es zu nutzen gilt. Und damit kann man dann auch was Gutes tun.
01:01:30.440
Raúl Krauthausen: Was machst du gegen deine Ungeduld?
01:01:32.440
Andreas Arntzen: Ja, das ist ein guter Punkt. Ich versuche, besser zu werden. Das wird auch ein Vorsatz für das nächste Jahr, noch stärker zu priorisieren, noch häufiger mal Nein zu sagen und dann in den Dingen, auf die man sich fokussiert, dann einfach doch ein bisschen besser zu sein, als wenn man zu viele Dinge gleichzeitig versucht zu machen.
01:01:51.640
Raúl Krauthausen: Das ist doch ein schönes Schlusswort, sollten uns alle vornehmen. Vielen, vielen Dank für deine Zeit, lieber Andreas. Hat mir großen Spaß gemacht.
01:01:58.080
Andreas Arntzen: Vielen Dank.
01:01:58.880
Raúl Krauthausen: Sehr gern.
01:01:59.440
Andreas Arntzen: Ich freue mich auf ein Wiedersehen, auf einen gemeinsamen Kaffee, Wasser oder was auch immer.
01:02:04.240
Raúl Krauthausen: Genau.
01:02:04.760
Andreas Arntzen: Und bis demnächst.
01:02:06.280
Raúl Krauthausen: Bis bald.
01:02:06.800
Andreas Arntzen: Vielen Dank.
01:02:07.440
Raúl Krauthausen: Tschüss.
01:02:08.080
Andreas Arntzen: Ciao.
01:02:08.600
Raúl Krauthausen: Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese Folge Spaß gemacht hat, bewertet diese Folge bei Apple Podcast, Spotify oder wo auch immer ihr zuhört. Alle Links zur Folge, sowie die Menschen, die mich bei diesem Podcast unterstützen, findet ihr in den Show Notes. Schaut da gerne mal rein. Wenn ihr meine Arbeit unterstützen möchtet, würde ich mich freuen, euch bei Steady zu begrüßen. Mit einer Steady- Mitgliedschaft bekommt ihr exklusive Updates von mir und die Gelegenheit, mich zweimal im Jahr persönlich zu treffen. Im Aufzug ist eine Produktion von Schönlein Media. Ich freue mich auf das nächste Mal, hier im Aufzug. Am 14. September sind wir aus der Sommerpause zurück. Bis dann!
Andreas Herzensangelegenheit:
Nicolaidis YoungWings Stiftung
Podcast abonnieren
Hier findest du mehr über mich:
So kannst du meine Arbeit unterstützen!
Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann
Coverart: Amadeus Fronk