Was ist ein Sinnfluencer?
Er ist Aktivist für Veganismus und queere Aufklärung, eigentlich Arzt und kommentiert Reality TV Formate. Bei Aljosha Muttardi wusste ich direkt, dass wir im Gespräch kaum all die spannenden Themenfelder abgrasen können, mit denen er sich beschäftigt.
Bekannt geworden ist er durch den YouTube-Kanal „Vegan ist ungesund”, zuletzt war er Teil von „Queer Eye Germany”. Aljosha ist Sinnfluencer – obwohl er wohl selbst nicht so ganz weiß, was er mit dem Begriff anfangen soll. Fest steht für ihn aber, dass er seine Plattform nutzen will, solange er kann. Auch wenn dazu auch starker Gegenwind, Leistungsdruck und eine ordentliche Portion Frust gehört, immer wieder von vorne anfangen zu müssen. Wir sprechen darüber, warum Aljosha sich früher nicht queer genug gefühlt hat, warum er beim Autofahren flucht und wie viel Zeit er täglich am Handy verbringt. Viel Spaß mit Aljosha Muttardi!
Aufzugtür auf für Aljosha Muttardi!
00:00:00.000
Raúl Krauthausen: Bevor es heute losgeht, du weißt sicher was jetzt kommt, wie immer der Hinweis auf Steady. denn mit Steady kannst du diesen Podcast finanziell unterstützen. Mit einem kleinen monatlichen Beitrag hilfst du mir und dem Team den Podcast Schritt für Schritt unabhängig zu produzieren. Jetzt unter www.im- aufzug.de informieren und Unterstützer*innen werben. So erhältst du vorab Zugang zu neuen Folgen und wirst, wenn du das möchtest, namentlich im Podcast genannt. Diese Woche geht der Dank an die Unterstützer*innen Christine und Sebastian. Vielen Dank für eure Wertschätzung. Und schon geht’s los.
Er ist Aktivist für Veganismus und queere Aufklärung, eigentlich Arzt und kommentiert Reality-TV-Formate. Bei Aljosha Moutadi wusste ich direkt, dass wir im Gespräch kaum alle spannenden Themenfelder abgrasen können, mit denen er sich beschäftigt. Bekannt geworden ist er durch den YouTube-Kanal „Vegan ist ungesund“. Zuletzt war er Teil der Netflix-Serie „Queer Eye Germany“. Aljoscha ist ein sogenannter „Sinfluencer“, obwohl er selbst nicht so ganz weiß, was er mit dem Begriff anfangen soll. Fest steht für ihn aber, dass er seine Plattform nutzen will, solange er kann. Auch wenn dazu starker Gegenwind, Leistungsdruck und eine ordentliche Portion Frust gehört, immer wieder von vorne anfangen zu müssen. Wir sprechen darüber, warum Aljoschan sich früher nicht früher genug gefühlt hat, warum er beim Autofahren flucht und wie viel Zeit er täglich am Handy verbindet. Viel Spaß mit Aljoscha Mutadi.
Die Tür geht auf und wer kommt rein? Ich freue mich, dich wiederzusehen, diesmal im Podcast „Im Aufzug“. Aljoscha Muttardi.
00:01:52.600
Aljoscha Muttardi: Hallo und dankeschön für die Einladung.
00:01:55.120
Raúl Krauthausen: Sehr gerne.
00:01:55.120
Aljoscha Muttardi: Schön, dass ich wieder da sein darf.
00:01:57.160
Raúl Krauthausen: Ja, da hab ich sehr gefreut, dich wiederzusehen. Du bist ja, als wir das letzte Mal gesprochen haben, bist du danach ja ganz schön steil gegangen. Du hattest dann doch den ein oder anderen neuen Moment, du hattest eine Netflix- Serie mit aufgebaut, mitgestartet. Und das hat natürlich dann auch deine Reichweite noch mal krass nach oben wahrscheinlich auch katapultiert. Aber dazu kommen wir noch. Meine Gäste frage ich immer in Aufzug, hattest du schon mal einen Awkward Moment in einem Aufzug?
1
00:02:27.720
Aljoscha Muttardi: Ich überlege, ob ich schon mal einen richtigen Awkward Moment hatte. Ich glaube, diese typischen Awkward Momente, in denen man einfach da steht und Aufzugmusik läuft und man einfach nicht weiß, was man sich sagen soll. Und der Aufzug voll ist. Ich muss sowieso sagen, dass ich nicht so der Freund von engen Räumen bin. Mit vielen Menschen drin, das gilt für draußen und drinnen. Deswegen würde ich jetzt einfach mal sagen, ich hatte keinen Konkreten, an den ich mich erinnere, wo mir irgendwas Schlimmes, Peinliches passiert ist. Aber ich hatte sehr, sehr viele von unangenehmer Stille. Man weiß nicht, was man sich sagen soll.
00:03:00.760
Raúl Krauthausen: Wenn du jetzt gerade sagst, dass du eigentlich große Menschenansammlungen sowohl in Aufzügen als auch in der, keine Ahnung, Straße oder auf der Straße maltest, ist das der Grund, warum du dann eher die Medien spielst und bearbeitest?
00:03:13.120
Aljoscha Muttardi: Nee, also das hat sich einfach so ergeben. Und ich würde auch sagen, dass sich das mit den großen Veranstaltungen so entwickelt hat. Ich weiß nicht, ob das durch Corona mehr geworden ist oder mir bewusster geworden ist. Aber ich mach das inzwischen einfach nervös. Früher war ich super gerne in der Stadt und bin shoppen gegangen oder hab mich umgeguckt und Kaffee und so. Jetzt merke ich immer, je voller es ist, desto gestresster werde ich. Auch so Veranstaltungen wie CSD, die ich eigentlich total schön finde und für mich auch wertvoll sind, mag ich nicht mehr, wenn ich nicht auf dem Wagen oder so sein kann, wo ich einen abgetrennten Bereich quasi hab und mich mehr oder weniger entspannen kann, dann kann ich auch zwischendurch mal runter. Und dass ich jetzt die Medien bespiele, die ich bespiele, ist, glaube ich, eher aus Zufall entstanden. Also, ja.
00:03:56.800
Raúl Krauthausen: Und wie viele Minuten dauert es, bis jemand auf der Straße dich anspricht, ob du ein Autogramm geben kannst?
00:04:03.240
Aljoscha Muttardi: Also, das passiert nicht so wahnsinnig oft. Ich würde sagen, es hängt auch sehr von der Gegend ab, in der man ist. Also, wenn ich jetzt irgendwo auf dem Land unterwegs bin, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer als in der Stadt. Und selbst in der Stadt gibt es Gebiete in Hamburg, in Berlin, wo es viel häufiger passiert als in anderen Bereichen. Ist ganz spannend. Ich müsste eigentlich mal darauf achten, welche Stadtteile das genau sind. Aber naja, gut,
2
dann wird man… Ich finde es eigentlich immer ganz nett. Also die meisten Leute, die mich ansprechen, sind super lieb und nett und süß und wollen mir meist einfach nur Danke sagen und manchmal ein Foto. Und ich muss auch ehrlich sagen, mir persönlich ist es lieber, wenn man auf mich zugeht und mich fragt, als wenn man mir dann nachschreibt, ich hab dich gerade gesehen und beobachtet, aber ich hab mich nicht getraut, dich anzusprechen, weil ich dann immer so denke, oh Gott, ich wurde beobachtet.
00:04:47.800
Raúl Krauthausen: Ja, das ist auch ein bisschen cringe, das stimmt. Ich war mal mit Felix Lobrecht Kaffee trinken und bei dem war das wirklich, das hat Ausmaße angenommen, wo man sich nicht mehr unterhalten konnte.
00:04:59.760
Aljoscha Muttardi: Das glaube ich.
00:05:00.680
Raúl Krauthausen: Weil dann ständig jemand vorbei kam und das ist natürlich auch krass.
00:05:08.000
Aljoscha Muttardi: Das muss ich ehrlich sagen, stelle ich mir auch ziemlich krass vor. Das ist nicht ansatzweise so bei mir. Aber bei Felix Lobrecht kann ich mir vorstellen, dass der nicht irgendwann ruhend im Café sitzen kann.
00:05:15.400
Raúl Krauthausen: Im Hinterzimmer. Ist auch krass, oder?
00:05:18.360
Aljoscha Muttardi: Ja, total. Eigentlich auch mega schade.
00:05:20.520
Raúl Krauthausen: Ich find’s auch irgendwie so spannend.
00:05:22.960
Aljoscha Muttardi: Ich war jetzt gerade vor einer Woche auf dem Beyoncé- Konzert.
00:05:28.000
Raúl Krauthausen: Ach was.
00:05:29.280
Aljoscha Muttardi: Ja, so viel zur Menschenansammlung. Und ich hab das immer wieder, dass ich, wenn ich so Veranstaltungen sehe, auch wenn ich selber auf der Bühne stehe und ganz viele Leute da sind, oder egal wo auf der Straße
3
angesprochen werde, oder sehe, wie andere Leute andere Menschen ansprechen und toll finden, dann habe ich immer so diesen Moment, wo ich denke, das sind am Ende doch alles auch nur Menschen, dass die so auf so einen Podest gestellt werden. Also z.B. das Beyoncé-Konzert, das war so Wahnsinn. Das ist ja eine einzige Stadt gewesen. Da waren 40.000 Leute oder so was in diesem Stadion. Das ist eine Stadt in Deutschland. Keine Ahnung, wie viele Städte sie hier macht, wie viele Städte sie weltweit macht. Überall Hunderttausende von Menschen, eine Person.
00:06:11.320
Raúl Krauthausen: Krass, und da findest du Kult.
00:06:13.120
Aljoscha Muttardi: Und die kriegen Heulkrämpfe teilweise, das ist wirklich irre.
00:06:16.080
Raúl Krauthausen: Und dann versteht man auch, wenn die sich nur noch über den Hintereingang, Tiefgarage von A nach B fortbewegen.
00:06:24.280
Aljoscha Muttardi: Ja, 100%, ich glaube, ich würde es auch nicht anders machen.
00:06:27.160
Raúl Krauthausen: In einem Podcast hast du mal erzählt, das war mir wirklich neu, dass dein Vater aus Libyen kommt. Du hättest wahrscheinlich googeln können, aber ich kenne dich ja aus deinen Zwischenvideos, Auftritten von Netflix und anderen Gesprächen, die wir schon hatten. Und in meinem letzten Podcast war Frank Jung zu Gast. Und der hat ja den Podcast „Halbe Kartoffel“, wo er quasi genau darüber spricht, dass er halb Deutscher und halb Nicht-Deutscher ist. Und was ich bei der Frage immer ganz spannend finde, ist nicht so die Frage, erzähl doch mal aus Libyen, sondern wie … also, was ist besonders deutsch an dir?
00:07:05.520
Aljoscha Muttardi: Das ist wirklich eine gute Frage. Ich glaub, die wurde mir noch nie gestellt. Entsprechend muss ich jetzt auch erst mal nachdenken, weil es ist eigentlich ganz spannend. Ich hab sehr oft darüber gesprochen, dass ich mich mein Leben lang nie so richtig als deutsch gesehen habe. Ich weiß nicht, woran das genau liegt.
00:07:23.200
Raúl Krauthausen: Sprichst du arabisch?
4
00:07:23.200
Aljoscha Muttardi: Nee, leider nicht. Mein Papa hat mir das leider, leider nicht beigebracht. Er bereut’s, glaub ich, jetzt auch selber. Es ist schwierig, ich hab wirklich lange Zeit immer gedacht, wenn ich z.B. reisend war, dann hab ich immer gesagt, ich komm aus Deutschland, aber ich fühl mich nicht deutsch. Ich hab das immer hinterhergeschoben. Das hatte nichts damit zu tun, dass ich nicht stolz bin. Ich hab sowas wie Patriotismus nicht so stark ausgeprägt. Aber ich hab immer das Gefühl gehabt, ich gehöre nicht so richtig hierhin, hab ich das Gefühl, wenn das irgendwie Sinn macht. Ja, und ich meine, natürlich kam in meiner Jugend, Heranwachszeit, dann auch immer häufiger, je nachdem, wie ich gerade aussehe, kommt auch mal die Frage, wo ich herkomme, wo meine Wurzeln sind. Aber gar nicht jetzt so krass viel. Und trotzdem habe ich schon das Gefühl, dass das irgendwie wahrscheinlich was mit einem macht, unterschwellig auf Dauer. Insofern, was ist richtig deutsch an mir? Ich bin auf jeden Fall nicht super ordentlich, ich bin nicht super pünktlich, ich bin nicht super genau.
00:08:22.160
Raúl Krauthausen: Aber du isst gerne Schwarzbrot vielleicht?
00:08:24.200
Aljoscha Muttardi: Ja, ich habe gerade überlegt, ob es vielleicht eher so was ist, Also ich mach zum Beispiel sehr gerne meinen Sport, da bin ich dann sehr diszipliniert, schon fast zwanghaft. Dann ess ich sehr gerne, aber das ist jetzt nicht unbedingt deutsch. Hm …Was ist denn noch so typisch deutsch?
00:08:39.560
Raúl Krauthausen: Vielleicht schlechte Laune?
00:08:41.480
Aljoscha Muttardi: Uh!
00:08:41.480
Raúl Krauthausen: Aber das hast du ja nicht, oder? Schlecht gelaunte Autofahrer.
00:08:44.880
Aljoscha Muttardi: Wenn ich Auto fahre, bin ich sehr schnell gereizt beim Autofahren.
00:08:48.360
Raúl Krauthausen: Du hupst schnell, ja?
00:08:51.080
Aljoscha Muttardi: Nee, ich hupe sehr selten. Ich fluche eher im Auto rum.
5
00:08:51.080
Raúl Krauthausen: Ja, das doch. Das könnte eine deutsche Eigenschaft sein. Also ich glaube, ich bin pünktlich, obwohl ich Peruaner bin, also halb Peruaner. Ich bin nämlich auch eine halbe Kartoffel.
00:09:05.280
Aljoscha Muttardi: Welcome to the club.
00:09:07.280
Raúl Krauthausen: Genau. Also ich glaube, da bin ich pünktlich und vielleicht auch so ein bisschen ungeduldig. Aber ich weiß nicht, ob das deutsch ist.
00:09:15.840
Aljoscha Muttardi: Aber das wäre ja im Endeffekt das, was ich beim Autofahren habe. Weil das ist ja auch, bei mir ist es Ungeduld. Also Ungeduld, die dazu führt, dass ich dann sauer bin, weil es nicht vorangeht.
00:09:15.840
Raúl Krauthausen: Genau. Das ist interessant.
00:09:15.840
Aljoscha Muttardi: Müsste ich mal drüber nachdenken.
00:09:27.280
Raúl Krauthausen: Ich hab mit vielen Gästinnen gesprochen, die entweder einer Minderheit angehörten oder marginalisiert sich fühlen oder sind. Und viele von denen erzählen, dass sie in vielen Kategorien auch ab und zu dann ihre Minderheiten Anwesen halt verstecken können. Also, dass sie dann sagen, okay, sie sind „white passing“ oder sie sind „straight passing“, wenn man das sagen kann. Nutzt du das manchmal für dich auch?
00:09:54.200
Aljoscha Muttardi: Ja, 100 Prozent. Also, ich würde sagen, dass ich … Ich hab da auch schon immer mal wieder drüber gesprochen, dass es natürlich ein Privileg ist, dass ich relativ straight-passing bin. Sofern ich mich so geben möchte, bedeutet das, dass ich, ich sag mal, die Art und Weise, wie ich mich bewege, wie ich mich kleide und wie ich rede, für die meisten Menschen nicht sofort darauf hindeutet, dass ich schwul sein könnte.
00:10:20.160
Raúl Krauthausen: Mhm.
6
00:10:23.000
Aljoscha Muttardi: Da hab ich mich aber auch sehr lange gefragt, ein Schutzmechanismus von mir? Ist das etwas, was ich mir antrainiert habe, weil ich Diskriminierung aus dem Weg gehen wollte? Oder ist es, weil ich so bin? Das ist eine Frage, auf die ich noch keine richtige Antwort habe. Ich hab das mein Leben lang so gemacht. Man lernt ja, um sich rum Dinge wahrzunehmen, wie sie sind, wie sie normal erscheinen. Ich hab immer gedacht, wenn das normal ist und ich nicht normal bin, versuche ich, mich so zu verhalten. Das ist kein bewusster Prozess, eher ein unbewusster. Ich nutze das auch immer noch. Ich merke bis heute, wenn ich in einem Raum voller Männer bin, fühle ich mich direkt unwohler. Das ist immer so. Und ich merke, dass die Art und Weise, wie ich mich bewege und wie ich rede, anders wird. Ich spreche anders, ich rede über andere Themen. Ich versuche „männlicher“ zu wirken. Und ich bin einfach innerlich angespannter. Und was mein White Passing, ich würde auch sagen, dass ich relativ White Passing bin, dass die Leute mal sagen, irgendwas so südamerikanisches oder südländisches würden sie mir zuordnen. Das ist jetzt nicht so eine schwere Belastung, die ich dann hab. Ich hab in der Studiumskammer ein paar Sprüche, die ein bisschen schwierig waren, immer mal wieder von Patient*innen, die gesagt haben, dass ich gut Deutsch spreche. Oder die mich einfach lange monolog gehalten haben. Und wenn ich nicht geantwortet hab, haben sie mich gefragt, haben sie das überhaupt verstanden?
00:10:23.000
Raúl Krauthausen: Nein.
00:10:23.000
Aljoscha Muttardi: Ähm, ja. Ach so, ich dachte nur wegen ihrer Hautfarbe. Ich so, okay. So was ist mal passiert, aber selten.
00:11:54.760
Raúl Krauthausen: Okay. Aber das find ich interessant, dass du dich in einem Raum voller Männer eher unwohl fühlst. Wenn ich das übertrage auf mein Leben, ich hab mich auch jahrelang im Raum voller behinderter Menschen unwohl gefühlt, weil ich immer dachte, ich bin nicht wie die, obwohl ich’s ja doch bin. Also, mein ganzer Freundeskreis bestand immer aus Nichtbehinderten, mit denen habe ich mich gemessen, mit denen habe ich, keine Ahnung, auch viel, viel Zeit verbracht. Und ich musste es echt lernen, auszuhalten. Und das kann ich auch wertschätzen, mit behinderten Menschen auch länger im Austausch zu sein.
00:12:32.600
Aljoscha Muttardi: Aber weißt du, woran das liegt? Weil das wäre im übertragenen Sinne bei mir ja so, als ob ich sagen würde, wenn ich mit queeren Menschen unterwegs bin.
7
00:12:39.600
Raúl Krauthausen: Ja, ich glaube, es hat damit zu tun, dass ich einfach selber immer dachte, ich gebe 110, 120 Prozent, um so zu sein wie die Nichtbehinderten. Ich lass mir bloß meine Behinderungen nicht anmerken. Ich verstecke sie, ich verdränge sie, so gut ich kann. Auch wenn ich den Rollstuhl immer mit mir rumschleppe. So gut ich kann, versuch ich, das nicht zum Thema zu machen. Das hat oft dazu geführt, dass ich abends total erschöpft war, während die anderen noch Party gemacht haben.
00:13:08.120
Aljoscha Muttardi: Krass. Ich überleg grade, ich hatte das Einzige, was ich …In die Richtung, was meine Queerness zum Beispiel angeht, hatte ich das auch, dass wenn ich in einem Raum voller queerer Menschen war, die aber sehr sicher in ihrer Queerness waren, dann hat mich das sehr stark verunsichert. Dann hatte ich immer das Gefühl, dass ich nicht queer genug bin. Also das, was ich mein Leben lang versucht habe zu verstecken, was ich ja jetzt zum Beispiel versuche zu embracen, also stolz darauf zu sein, ist ein Prozess, aber ich versuch’s, das hat mich verunsichert. Ich hab dann immer gedacht, das reicht nicht, Ich bin nicht queer genug. Also, ich hab zu wenig Probleme im Leben gehabt, als dass ich mit denen jetzt hier so sein darf, wenn das Sinn macht.
00:13:48.080
Raúl Krauthausen: Genau, das hatte ich auch. Also, wenn ich dann im Raum der Mensch mit Behinderung war, das ist ja dann wie du, im Raum mit Queeren, dann dachte ich auch immer, ach, krass. Im Vergleich dazu geht’s mir ja ganz gut. Bis hin zu, ähm, „Au, Mann, zum Glück hab ich das nicht.“ Oder „Verdräng ich das nur?“ Im Prinzip war es immer so ein Blick in den Spiegel. Das wollte ich eigentlich gar nicht wahrhaben. Spannend.
00:13:48.080
Aljoscha Muttardi: Auf jeden Fall.
00:14:14.520
Raúl Krauthausen: Glaubst du, junger Mensch fand’s leichter, sich zu outen?
00:14:17.680
Aljoscha Muttardi: Die Frage … Ich find das immer so schwierig. Ich würde sagen, es kommt drauf an. Prinzipiell … und over all würde ich sagen, ja. Die meisten Menschen, grade in nichtländlichen Gebieten, würde ich sagen, haben es im Schnitt leichter. Es wird auch mit Sicherheit Ausnahmen geben von Menschen, die es noch unfassbar schwer haben, weil ihre Familie das gar nicht toleriert, weil sie sehr konservativ aufwachsen, weil sie Angst haben müssen, weil sie auf dem Dorf oder ländlich aufwachsen. Aber man muss ja sagen, im Schnitt ist es schon so, dass
8
wir deutlich mehr Ressourcen haben. Bedeutet, wir können uns über Social Media connecten, es ist viel leichter, sich mal auszutauschen, es ist viel leichter, Sichtbarkeit zu haben, Netflix anzumachen, ’ne Sendung zu sehen, oh krass, da sind auch queere Menschen, das hatte ich alles nicht. In Magazinen, im Fernsehen, im Radio, in Podcasts, auf Instagram. All das gab’s bei mir noch nicht, gab’s bei dir auch nicht. Und das ist natürlich einfach was, was, finde ich, total bereichernd ist. So, die Möglichkeit zu haben, das einfach zu sehen und zu wissen, man ist nicht alleine damit. Das hilft ja schon mal, zumindest das Gefühl zu haben, ich könnte mir vorstellen, dass ich mal darüber spreche, weil ich weiß, dass ich nicht kaputt bin. Ich bin nicht der Fehler im System, sondern ich bin okay, so wie ich bin. That being said, muss man sagen, gibt’s natürlich auch immer noch super viele Probleme. Und auch immer, jede Bewegung bringt ja auch immer eine Gegenbewegung mit sich. Und man sieht ja auch jetzt gerade, dass es einen ganz schön krassen Rechtsruck überall gibt, nicht nur in Deutschland, aber besorgniserregend schnell in Deutschland, in den USA, ist gerade ein unfassbarer Kampf gegen queere Menschen. Ähm, Italien, Finnland, Frankreich, überall gibt’s einen Rechtsruck gerade. Ähm, ich, es macht mir wirklich sehr, sehr, es macht mir wirklich Angst. Ähm, wir haben natürlich jetzt auch andere Probleme, die noch dazu kommen. Wir befinden uns mit einer Klimakrise, es herrschen mehrere Kriege. Menschen flüchten aus Kriegsgebieten. Ich würde sagen, die Probleme haben sich geschifftet.
00:16:11.000
Raúl Krauthausen: Ich werde diese Frage auch sehr häufig gefragt, ob Dinge besser werden für behinderte Menschen. Ich denke dann immer, ob diese Frage nicht auch ein bisschen suggeriert oder erwartet, dass wir irgendwann dieses lästige Thema los sind.
00:16:25.320
Aljoscha Muttardi: Ja.
00:16:29.400
Raúl Krauthausen: Und wann haben wir es denn endlich geschafft? Und dass man damit ja auch Generationen miteinander vergleicht, die man vielleicht auch gar nicht miteinander vergleichen kann, weil man ja auch Leid nicht vergleichen sollte.
00:16:40.280
Aljoscha Muttardi: Ja.
00:16:40.280
Raúl Krauthausen: Auch in der gleichen Generation nicht. Und deswegen, je länger ich darüber nachdenke, eigentlich auch ganz schön eine Stellvertreterfrage für irgendwas anderes. Ich weiß noch nicht genau, wofür.
9
00:16:53.000
Aljoscha Muttardi: Naja, du hast schon recht. Ich glaube, da schwingt ganz viel … Ich glaube, dass viele Leute natürlich auch diesen Impuls haben, zu sagen, ich find das erstaunlich, dass das noch ein Thema ist. Das ist kein Thema mehr, weil ich muss sagen, mir ist es egal, ob jemand im Rollstuhl sitzt oder welche Hautfarbe die Person hat. Ich lieb alle Menschen.
00:17:13.840
Raúl Krauthausen: Für mich sind alle Menschen gleich.
00:17:13.840
Aljoscha Muttardi: Menschen sind Menschen. Ich seh keine Unterschiede. Das ist natürlich eine gut gemeinte, wenn auch doch, problematische Aussage, weil’s Lebensrealitäten und Diskriminierung verkennt. Und mehr oder weniger die Verantwortung, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, auf den Rest der Gesellschaft schiebt. Ich bin ja nicht das Problem, die anderen sind das Problem. Ich lieb alle Menschen. Ich weiß aber, wenn Menschen sagen, dass sie überrascht sind, dass ich diskriminiert werde, dass sie sich noch nie damit auseinandergesetzt haben.
00:17:43.080
Raúl Krauthausen: Georgine Kellermann war vor ein paar Ausgaben mal hier zu Gast. Ich hab sie dann gefragt, wie sie, sagen wir mal, in Zusammenfassung sagen würde, sie, ihr Outing und ihre Geschlechtsumwandlung, die ja keine operative war, sondern einfach erst mal nur sich selber dann auch so kleiden wie sie sie erlebt und empfunden hat. Und sie hat gesagt, dass eigentlich alles ganz okay war. Und dann hab ich mich gefragt, dass ich das schwer nachvollziehen kann, weil ich kenne so viele queere Menschen, die so aktivistisch tätig sind und so wütend und so verletzt, dass ich sie gefragt hab, ob das so eine Art Altersmilde ist, dass sie jetzt quasi sagt, bei mir ist eigentlich alles okay. Und da hat sie dann kurz nachgedacht und meinte, kann sein.
00:17:43.080
Aljoscha Muttardi: Ehrlich gesagt überrascht mich das nicht. Ich glaub, auch man gewöhnt sich sehr stark an so ’ne Art Grundfrustration, die man hat. Und ich merk das ja selber auch, ne? Also, man kommt ja fast in so ’nen Zustand, wo man einfach denkt, ja gut, das ist halt so. Bis zu ’nem bestimmten Punkt muss man auch ehrlich sagen, muss man lernen, damit umzugehen. Beziehungsweise man muss lernen, in sich reinzuhören, wie viel man davon noch ertragen kann oder möchte. Weil das hat ja auch viel mit Energiereserven zu tun. ich kann nicht mehr, dann muss ich mich, glaube ich, so ein bisschen darauf einstellen, dass ich das akzeptieren muss. Also eine gewisse Akzeptanz gehört dazu. Wenn wir uns das aussuchen könnten, dann würde das alles in einem ganz anderen Tempo verlaufen. Und wir leiden ja
10
leider auch ganz krasse Rückschritte immer wieder. Das merkt man ja auch. Insofern überrascht mich das nicht, dass sie das gesagt hat. Und ich glaube auch, dass viele von uns das als Schutzmechanismus machen. Und das Absurde daran ist ja auch, Aktivismus für die meisten Formen der Diskriminierung bedeutet ja nicht, dass wir mehr wollen. Es geht ja wirklich einfach nur darum, das absolute Minimum, nämlich gleiche Rechte. Es ist ja wirklich, man fragt nach dem absoluten Minimum. Und wenn Leute unter… Es vergeht auch kein einziger Post, kein einziger Post, wo ein Fußballer sich outet oder über irgendwas spricht. Kein einziger Post, in dem nicht Hunderte von Kommentaren da drunter sind, die sagen, ist mir scheißegal, interessiert mich doch nicht, warum müssen wir darüber reden, das nervt nur noch. Ja, und ich hab Tage, an denen ich das total fertig mach. Und ich hab Tage, an denen ich denke, ja, ist halt so, kenn ich schon. Das wird dir wahrscheinlich ähnlich gehen, oder?
00:17:43.080
Raúl Krauthausen: Ja, total. Ich hab auch das Gefühl, was bringt das eigentlich alles, diese Aufklärung, wenn man immer wieder von vorne anfangen muss? Kommen wir da überhaupt weiter? Oder sind wir eigentlich die ganze Zeit auch nur damit beschäftigt, wieder bei null anzufangen?
00:20:20.160
Aljoscha Muttardi: Ja.
00:20:20.160
Raúl Krauthausen: Und das frustriert mich auch.
00:20:21.840
Aljoscha Muttardi: Ja, und auch immer dieses Hin und Zurück. Ich hatte zum Beispiel eine Zeit lang das Gefühl, dass es echt besser wurde. Und jetzt grad hab ich das Gefühl, es bewegt sich alles wieder zurück. Ich merk das in meinen Videos. Die Kommentare, die ich bei YouTube bekomme, die Kommentare, die ich bei Instagram bekomme. Ich bin inzwischen auf der Straße häufiger beleidigt worden, dass das alles mehr wird. Also, ich hab das Gefühl, dass die Gewalt verbal, wie auch immer, körperlich, hab ich’s bisher noch nicht erfahren, und Antidiskriminierung, also, und Diskriminierung deutlich mehr geworden ist.
00:20:54.040
Raúl Krauthausen: Du hast auch neulich gesagt, dass immer mehr Videos von dir demonetarisiert werden auf YouTube.
00:20:59.00
Aljoscha Muttardi: Ja, ich weiß natürlich auch, ich hatte auch ein bisschen was mit meinen Themen zu tun, die jetzt nicht super werbefreundlich sind. Aber ja, das ist in letzter Zeit sehr häufig passiert.
11
00:21:08.960
Raúl Krauthausen: Aber das ist ja auch so eine Art Diskriminierung.
00:21:11.560
Aljoscha Muttardi: Auf jeden Fall, ist es auch. Gerade, bei mehreren Videos hab ich mich gefragt, wie das sein kann, wenn es um Diskriminierungsthemen geht, dass die … Wenn ich jetzt nicht über wirklich explizit superkrasse
Sachen spreche, verstehe ich tatsächlich auch nicht, warum das entmonetarisiert wird. Da ist der Algorithmus leider noch diskriminierend, ja.
00:21:34.680
Raúl Krauthausen: Also eine deiner großen YouTube-Reihen ist ja, dass du reagierst auf Videos, die es schon gibt auf YouTube, die teilweise oft sehr polarisierende Thesen haben. und du dann versuchst, da quasi gegenzuhalten.
00:21:51.360
Aljoscha Muttardi: Nein.
00:21:53.080
Raúl Krauthausen: Meinst du nicht?
00:21:53.080
Aljoscha Muttardi: Doch.
00:21:55.040
Aljoscha Muttardi: Doch, doch, schon. Und was motiviert dich denn dann trotzdem, das immer wieder neu zu machen? Du gehst ja richtig auch in den Sumpf rein, lädst dir da richtigen Shit in deinen Kopf. Und…
00:21:55.040
Raúl Krauthausen: Schön gesagt.
00:22:07.600
Aljoscha Muttardi: Muss ja auch nicht sein. Ähm…Boah, das ist eine gute Frage. Ich glaube auch manchmal, mir fehlt ein bisschen die Balance. Ich hab auch das Gefühl, ich möchte zwischendurch mal wieder positivere Sachen machen und dann mache ich meinen Laptop auf und sehe, keine Ahnung, AfD gewinnt Landtagswahlen irgendwo, weißt du? Und dann bin ich wieder in so einem Rage- Mode, in dem ich einfach denke, ich muss darüber sprechen. Ich weiß nicht, wie lange ich die Möglichkeit habe, diese Plattform noch nutzen zu können. Ich weiß nicht, wie lange mir die Leute noch zuhören wollen. Und ich habe das Gefühl, solange ich das kann, möchte ich darüber sprechen. Es ist ja auch sehr viel aus einer Verzweiflung raus. Ich möchte einfach versuchen, auf eine möglichst ruhige und verständnisvolle Art und Weise, Menschen klarzumachen. Bzw. mein Wunsch
12
ist, dass ich Menschen Tools mit an die Hand gebe, die ich auch mit an die Hand gegeben bekommen habe. Dass man versteht, was da passiert. Dass man diese gefährliche Sprache z.B. erkennt, dass die manipulative Sprache erkannt wird. Dass Menschen verstehen, was Diskriminierung bedeutet. Dass Menschen verstehen, was sie dagegen tun können. Dass wir Verbündete brauchen. Warum ich mir den ganzen Scheiß immer wieder gebe, weil ich hoffe, das es was bewegt, sonst würde ich es nicht immer wieder machen.
00:23:17.240
Raúl Krauthausen: Du scheust dich an den Videos dann auch nicht, über deine eigenen Gefühle zu sprechen. Dass es dir in bestimmten Situationen nicht gut geht oder gut ging. Ist das dir am Anfang schwer gefallen?
00:23:28.240
Aljoscha Muttardi: Erstaunlicherweise nie so richtig. Also ich glaube, natürlich, es gab immer wieder Situationen, in denen ich dachte, „Uh, das ist jetzt ein bisschen schwieriger für mich.“ Aber im Schnitt würde ich sagen, ich habe da auch mal drüber nachgedacht, Ich hab noch mal drüber nachgedacht. Ich glaube, dass das auch was mit Kontrolle über mich selbst zu tun hat. Wenn man sich seiner selbst bewusst ist, und das bedeutet eben auch, dass man sich der Unsicherheiten bewusst ist, dann gibt mir das Kontrolle über die Situation, die mir niemand anders geben kann. Wenn niemand anders dann sagt, du bist doch nur verunsichert, du bist doch nur das und das, dann ist das eine Fremdzuweisung. Wenn ich aber selber sage, ich weiß, dass ich unsicher bin, Ich weiß, dass ich schlechte Tage habe, dass ich Struggles habe, dass ich mit …ähm … keine Ahnung, meinen Unsicherheiten oder der Angst zu versagen, der Angst, irrelevant zu werden. Oder einfach einen Tag hab, an dem ich Schwierigkeiten hab, aufzustehen, wenn ich das offen kommuniziere, dann hab ich das in der Hand. Und deswegen … fällt mir das noch relativ leicht. Und ich hab auch das Gefühl, dass das andere Menschen dazu inspiriert, das auch zu tun, und das möcht ich gerne. Weißt du, was ich meine?
00:24:37.000
Raúl Krauthausen: Ja, total. Ich kann das mega nachvollziehen.
00:24:38.920
Aljoscha Muttardi: Ich weiß nicht, wie es dir ging, aber wenn ich Instagram konsumiere und einen Scheißtag hab, dann hab ich das Gefühl, allen geht’s nur gut. Natürlich abgesehen von den Nachrichten. Aber ich hab das Gefühl, alle haben ihren Shit zusammen, alle sind immer nur krass drauf beim Sport, auf irgendwelchen krassen Events sind immer nur unterwegs, haben einen neuen Podcast, ein neues Projekt, hier ein neues Event.
13
00:25:01.040
Raúl Krauthausen: Wir vergleichen uns.
00:25:03.360
Aljoscha Muttardi: Nur am Vergleichen. Furchtbar.
00:25:05.120
Raúl Krauthausen: Ja. Voll. Aber die Leute vergleichen sich ja auch mit dir.
00:25:07.800
Aljoscha Muttardi: Absolut, deswegen möchte ich ihnen das auch immer wieder klarmachen, dass ich halt genauso diese Struggle habe. Genau das ist der Grund, weil ich weiß, wie es sich für mich anfühlt. Und ich weiß auch, wenn ich den Leuten das sage, wie viele dankbare Antworten ich darauf bekomme. Einfach nur, wenn ich sage, ich hab heute einen schlechten Tag, dass die Leute sagen, ich bin so froh, dass du das sagst. Ich hab heute auch einen Kacktag. Mir tut es gut zu sehen, dass jemand, der in der Öffentlichkeit steht, auch mal offen drüber spricht
00:25:34.960
Raúl Krauthausen: Und dann gibt’s Leute, die sagen, stell dich mal nicht so an. Dein Leben hätte ich auch gern.
00:25:38.040
Aljoscha Muttardi: Dann sollen Sie mich gaslighten Was soll ich dazu sagen? Für mich invalidiert das meine Gefühle ja nicht, nur wenn jemand sagt, du hast Reichweite. Du kannst immer wieder Punkte finden, an denen es anderen Menschen besser oder schlechter geht. Aber danach leben wir ja nicht.
00:25:51.160
Raúl Krauthausen: Ja. Wir haben verschiedene Themenkomplexe, über die wir heute reden würden. Wir reden über queeres Leben, queer sein. Wir reden über teilweise Migrationshintergrund, wir reden über Hass im Netz. immer irgendwie für mich so eine Frage, außer vielleicht beim Thema Queersein, weil so einfach ist das natürlich nicht, aber für mich steht immer so diese Frage, kann man eigentlich mit Social Media einfach aufhören oder ist man nicht selber dann auch in so einem Hamsterrad gefangen, dass man liefern muss, der Algo braucht irgendwie Input, man zieht ja auch irgendwie Bestätigung daraus, also ich zumindest. Und mir fällt es schwer, einfach zu sagen, ab morgen mach ich was ganz anderes.
00:26:34.120
Aljoscha Muttardi: Also konkret ist die Frage …
00:26:36.960
Raúl Krauthausen: Aufhören. Kannst du aufhören? Glaubst du, du hast die Kraft, irgendwann zu sagen, Leute, ich hör auf?
14
00:26:42.240
Aljoscha Muttardi: Also aktuell nicht. Also ich hab tatsächlich immer mal wieder darüber nachgedacht, in Phasen, in denen es mir schlecht ging, in denen ich wenig Anfragen hatte und hohe Selbstzweifel entwickelt hab, hab ich dann darüber nachgedacht. Und ich bin ja eigentlich Arzt, dass ich dann dachte, wie wär’s für mich, wieder im Krankenhaus zu arbeiten? Könnte ich das? Könnte ich wieder Nachtdienste machen? Und dann hab ich gemerkt, aktuell kann ich mir das nicht vorstellen.
00:27:08.76
Raúl Krauthausen: Du warst Anästhesist oder so, ne?
00:27:11.120
Aljoscha Muttardi: Genau. Und ich kann mir schon vorstellen, wieder so ein bisschen quasi mit einer halben Stelle anzufangen oder so 50 Prozent. Aber dann vielleicht in einem entspannteren Krankenhaus, nicht direkt mit Nachtdiensten und so was anfangen. Ich hab gefühlt so ein Standbein, was ich nutzen kann, Und ich weiß 100 Prozent, was du meinst, dass man da so ein bisschen drin gefangen ist. Weil das Problem ist ja gerade, wenn man Unsicherheiten hat, dass einem das Internet auch vieles geben kann, vermeintlich. Im Endeffekt sind das ja leere Umarmungen. Ich freue mich natürlich trotzdem über, das soll jetzt nicht falsch rüberkommen, ich freue mich über jede liebe Nachricht. Aber das füllt ja keine Lücke, die man hat so richtig. Also das ist, die tiefen Bedürfnisse, glaube ich, die wir haben, gesehen, verstanden und geliebt zu werden, die gelten ja vor allem unserem nahen Umfeld.
00:27:57.840
Raúl Krauthausen: Genau.
00:27:57.840
Aljoscha Muttardi: Und es ist voll schön, wenn man einen Post macht, der kriegt voll viele Likes, der nächste Post total wenig. Dann denkt man sich, hab ich was falsch gemacht? Finden die Leute mich jetzt doof? War der Post nicht gut? Man hinterfragt sich sofort und seine Fähigkeiten, als ob der Wert als Mensch von Zahlen abhängt. Das ist total absurd. Wir haben ja schon ganz viele andere Sachen geleistet. Du hast so viele Menschen aufgeklärt und positiv beeinflusst, Sichtbarkeit gegeben. Allein durch deine Existenz, durch meine Existenz, durch das, was ich mache, dass wir darüber sprechen. Das gibt so vielen Menschen das Gefühl, was wir früher nicht hatten, aber das vergisst man dann. Also kurz Antwort Nein.
00:28:35.600
Raúl Krauthausen: Ja, und vor allem die Dinge, nach denen man strebt in der Socialmediawelt, ne? Ist doch mehr Likes, mehr Reichweite. Und ich mein, wir haben alle mal mit 5.000 Likes oder Followern angefangen. Was heißt angefangen,
15
das ist doch relativ viel. Dann sagen wir, bei 20 ändert sich alles. Dann haben wir 20, bei 80 ändert sich alles. Und das ist einfach nie genug.
00:28:58.24
Aljoscha Muttardi: Nee, ist es nicht.
00:28:58.24
Raúl Krauthausen: Das ist eigentlich auch so ein Trugschluss, den, glaub ich, total viele Menschen aufsetzen, inklusive meiner Person, zu glauben, dass irgendwann es genug ist. Und es gibt aber andere Dinge, von denen man genug haben kann. Zum Beispiel Freunde oder Zeit. Aber Reichweite und Follower und Likes eher nicht.
00:29:18.520
Aljoscha Muttardi: Und das Ding ist ja auch, ich finde diese Frage insofern so wichtig und das, was du sagst, so wichtig, weil das etwas ist, was alle Menschen sich mal vor Augen führen müssen, auch wenn man Social Media konsumiert. Ich hab tatsächlich bei dem Shirin David-Skandal, die hat ja einige gehabt, ich hab da Videos drüber gemacht, und da hab ich zum ersten Mal wirklich darüber reflektiert, weil sie so ein Paradebeispiel ist für, wie unfassbar reich man werden kann in kürzester Zeit und wie viel man Materielles haben kann und sich leisten kann. Aber ich mich dann gefragt habe, was ist eigentlich ihr Ziel? Also wo möchte sie noch hin? Und ab wann ist man zufrieden? Und ich glaube, das ist eine Art von Unzufriedenheit, wenn man so einen unfassbaren Macht- und Konsum irgendwann bekommt, dass du nichts anderes mehr machen kannst, als Geld auszugeben, als mehr Macht, mehr Konsum. Ich kann mich davon eben nicht freisprechen, so wie du eben auch, Dass man merkt, okay, mehr Reichweite, mehr Anfragen, mehr …Also, was will ich, was möchte ich eigentlich? Ich finde, diese Frage, sich selber zu stellen, so wichtig. Ich wollte es noch krass ausholen, aber ich lass es erst mal so stehen.
00:30:28.800
Raúl Krauthausen: Wie und wo tankst du denn auf?
00:30:30.640
Aljoscha Muttardi: Oh, zu wenig auf jeden Fall.
00:30:32.960
Raúl Krauthausen: Im Fitnessstudio.
00:30:34.200
Aljoscha Muttardi: Ich glaube, ich hab einen enormen … Ich hab so einen enormen Leistungsdruck immer schon gehabt in meinem Leben. Und ich hab immer das Gefühl, dass sich Pausen nehmen … So richtig Pausen nehmen und richtig
16
abschalten, mir einfach enorm schwerfällt. Auf jeden Fall im Fitnessstudio, aber das sind ja immer nur so 1,5 Stunden Pausen.
00:30:52.400
Raúl Krauthausen: Aber auch Fitness kann man nicht genug haben, Bodyshaping usw.
00:30:55.840
Aljoscha Muttardi: Ja, genau, das ist ja auch die Frage, was ist die Motivation dahinter? Warum macht man das? Aber für mich ist das halt wirklich ein krasses Abschalten. Ich power mich halt so hart aus, dass mein Kopf endlich mal für eine Stunde Ruhe hat meist. Und ja, bei allen anderen Sachen, ich versuche so Kurztrips zu machen. Ich möchte aber auch noch mal dieses Jahr einen größeren Urlaub machen, indem ich sage, ich bin zwei oder drei Wochen weg. Ich versuche, mein Handy oder Instagram so gut es geht kaum zu benutzen, nur für Fotos.
00:31:24.000
Raúl Krauthausen: Dann kommt die nächste Frage, Flugscham und Co. Wie macht man Urlaub, wenn man länger in Urlaub will, aber kein Flugzeug nutzen kann, darf, soll, will?
00:31:33.440
Aljoscha Muttardi: Also „darf“ oder „darf“ wäre für mich was anderes als alle anderen Formen. Wenn man es nicht darf, dann müsste man sich überlegen, dass man einen Trip mit dem Wohnmobil oder mit dem Auto oder im Zug … Ich versuche aber auch, was das angeht, also ich fliege und ich werde auch in Zukunft noch fliegen. Ich werde das nie an die große Glocke hängen und ich möchte das auch nicht promoten und ich werde immer offen darüber sprechen, aber ich bin und war und werde nie ein perfekter Mensch sein, der 100% alles richtig macht. Und ich weiß, dass das nicht gut ist, aber ich weiß auch, dass ich nicht das Problem ist, was wir aktuell haben. Und das bist auch nicht du, und das sind auch nicht die Leute, die zwischendurch mal länger in Urlaub fliegen. Das ist ein strukturelles, großes Problem. Und ich glaube, wir shiften bei so was ganz oft in so eine Richtung, in der wir versuchen, individuelle Kritik zu äußern über Menschen, die, keine Ahnung, mit dem Finger auf die zu zeigen und zu sagen, du bist jetzt geflogen, wie kannst du nur? Versus das Große und Ganze zu sehen, Wie sind wir in der Situation gelandet? Wer ist dafür verantwortlich? Das sind nicht Einzelpersonen, die das ausbaden müssen. Gleichzeitig würde ich nie einen Post darüber machen und das an die Glocke hängen und sagen, es war die beste Entscheidung, ich werde nur noch fliegen. Hier ist der Code, ihr könnt mit Urlaubsguru 20 … Das würde ich nicht machen. Ich versuche, einen Mittelweg zu finden. Wie handhabst du das?
17
00:32:58.480
Raúl Krauthausen: Ich fahre, soweit ich kann, Bahn. Ich versuche, mir Regeln zu geben innerhalb Deutschlands auch Europas mit der Bahn zu fahren. Aber irgendwann wird es halt absurd. Also du kannst nicht mit der Bahn nach Spanien fahren. Das ist mit dem Rollstuhl einfach um den Faktor doppelt so kompliziert, wie wenn du fliegen würdest, was auch schon kompliziert ist. Und die Fahrzeit ist dann einfach auch natürlich mit dem Flugzeug irgendwann besser. Aber innerhalb Deutschlands fliege ich grundsätzlich nicht. Aber ich sage es auch keinem. Also außer jetzt hier kurz. Aber ich will es auch keinem verbieten.
00:33:30.800
Aljoscha Muttardi: Nee, genau. Aber zum Beispiel sieht man doch, dass das Problem, wenn du Bahn fährst, ja auch wieder ein strukturelles Problem ist. Das ist ja wieder so, da siehst du, gäbe es ein besseres Netz, gäbe es mehr Barrierefreiheit, dann wäre das ja ein Problem, was wir auch angehen könnten. Ich würde auch super gerne, ich hab tatsächlich mal nach Nachtzügen auch geguckt, nach Spanien und so, weil ich dachte, vielleicht mach ich das mal so. Aber das ist absurd, also abgesehen davon, dass es meist doppelt so teuer ist wie Fliegen, es ist einfach absurd weit. Und selbst das würde mich nicht hindern, weil ich mir denke, ich könnte es mir theoretisch noch erlauben. Also das muss ja flächendeckend für Menschen möglich gemacht werden.
00:34:04.560
Raúl Krauthausen: Ja, genau.
00:34:06.560
Aljoscha Muttardi: Und attraktiv gemacht werden.
00:34:06.560
Raúl Krauthausen: Und die Deutsche Bahn ist da ja ausgestiegen aus dem Geschäft, ne? Wo man auch denkt, ja, krass.
00:34:11.160
Aljoscha Muttardi: Super.
00:34:11.160
Raúl Krauthausen: Ein anderes großes Thema, das über dieser Aufzugsfahrt schwebt für mich so ein bisschen, ist, das habe ich jetzt in den letzten Videos von dir so mitbekommen, ist auch so das Thema Gelassenheit. Also auch mal fünfe gerade sein zu lassen, nicht zu allem eine radikale Position einzunehmen,
Oder vielleicht auch so ein bisschen, wie Matze Hilscher im Aufzug mal gesagt hat, es ist auch okay, nicht zu allem eine Meinung zu haben. Also, was nicht bedeutet, dass einem Dinge egal sind, sondern dass man sich auch die Größe rausnimmt, zu sagen, da weiß ich noch nicht genug dazu, da muss ich mich erst schlau machen,
18
wenn ich dafür die Kapazitäten habe, aber du würdest jetzt grob erst mal dazu keine Stellung beziehen. Ist das vielleicht der neue Weg, um gegen diese Spaltung unserer Gesellschaft was entgegen zu setzen?
00:35:03.160
Aljoscha Muttardi: Weiß ich nicht, weil ich finde, die Spaltung der Gesellschaft hat mit Menschen zu tun, die das aktiv versuchen zu spalten. Und nicht mit den Menschen, die versuchen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Auch wenn das Narrativ immer gerne so geführt wird, dass wir daran schuld sind, dass die „Woker-Linke- Cancel-Culture-Bubble“ daran schuld ist, dass wir gespalten werden. Das ist aber eine absolut verkorkste Darstellung einer Situation, wo Menschen diskriminiert werden und sie im Endeffekt „Tone-Policed“ werden, weil sie zu laut, zu anstrengend, zu nervig sind, auf ihre eigene oder andere Diskriminierungsform hinzuweisen. Und das würde …
00:35:37.800
Raúl Krauthausen: Aber auch die könnten ja gelassener sein.
00:35:37.800
Aljoscha Muttardi: Ja, lol.
Raúl Krauthausen: Solange es ihre eigene Freiheit nicht einschränkt und dann auch keine Meinung haben müssen quasi.
00:35:41.080
Aljoscha Muttardi: Ja, gut, das ist immer leicht gesagt, wenn man selber von Sachen nicht betroffen ist. Da immer so dieses „Kannst du nicht mal netter mich drauf hinweisen?“ Ich versteh das ja auch. Ich versuch das ja auch, ich versuch das wirklich, auch ruhig zu bleiben. Aber ich finde, um auf die Frage zurückzukommen, es ist wichtig, wenn man merkt, das ist ein Thema, mit dem kenne ich mich nicht aus, dann verweist man auf andere, die sich damit auskennen. Das ist aber auch eine Chance, sich selber damit auseinanderzusetzen. Ich meine damit Chance bedeutet, man kann was dazulernen. Man kann sich bereichern an Themen. Das ist ja so, du machst das kostenlos für mich. D.h., ich kann mir deinen Post, ich muss nichts dafür zahlen. Und das gilt für andere Menschen auch. und ich mach das auch kostenlos. Natürlich kann das überfordernd sein, anstrengend sein. Ich verstehe das Gefühl der Überforderung, dass man manchmal das Gefühl hat, ich weiß nicht, wer vorne und hinten steht. Das ist okay, man kann auch mal die Sachen beiseitelegen und sagen, ich muss das nicht alles sofort verstanden haben, ich muss nicht jedes einzelne Wort und jede Diskriminierungsform sofort auf dem Schirm haben. Verunsicherung ist ein Zeichen davon, dass ich mich damit auseinandersetze und merke, da bewegt sich was in meinem Kopf, diesen Druck rauszunehmen, ich bin der Meinung, dass es auf jeden Fall sinnvoll ist, Grenzen zu
19
kennen und zu wissen, damit käme ich nicht aus. Hängt natürlich ein bisschen von dem Thema so ab, aber ja.
00:37:01.840
Raúl Krauthausen: Gleich geht’s weiter. Wenn du diesen Podcast unterstützen möchtest, dann kannst du das mit einem kleinen monatlichen Beitrag tun. Im Gegenzug kannst du alle Folgen vorab hören und du wirst, sofern du das möchtest, hier im Podcast namentlich genannt. Alle Infos findest du unter www.im-aufzug.de. Ende der Service-Durchsage. Viel Spaß beim zweiten Teil der Folge.
00:37:31.040
Raúl Krauthausen: Aber wie entscheidest du denn nach deiner Themenauswahl? Was fällt auf, wenn du oder ihr über die Themen der Marginalisierung redet? Da machst du mal so eine Auflistung, ob es queere Menschen sind oder BIPOC und so. Aber nennst zum Beispiel nie Menschen mit Behinderung oder selten. Und dann denke ich so, ist das jetzt eigentlich schlimm? Aus meiner Perspektive ja, aber auf der anderen Seite kann ich dir das auch nicht vorwerfen, weil du machst schon so viel Aufklärungsarbeit. Verstehst du, was ich meine? Du kannst ja auch nicht alles machen. Da musst du ja noch mal hintun.
00:38:12.920
Aljoscha Muttardi: Ja und nein. Ich persönlich finde zum Beispiel schon, dass du mich da auf jeden Fall drauf hinweisen darfst. Ich finde auch, dass dich das treffen darf. Das wäre für mich, wenn ich dir das abspreche, auch ein bisschen schwierig. Tatsächlich muss ich sagen, ich achte da immer mehr drauf. Die letzten YouTube- Videos, da habe ich es immer mitgesagt. Und ich habe es in den letzten Posts auf Instagram, in den Storys auch immer versucht, mit dran zu denken. Und es zeigt einfach auch wieder, dass ich in der Hinsicht meiner eigenen Privilegien zu wenig hinterfrage und auch da sehr in meiner Bubble unterwegs bin. Insofern, was ich eben gesagt habe, ich profitiere ja eigentlich nur davon. Wenn du mir sagst, mir ist aufgefallen, dass du es relativ selten mitnennst, ich wäre dir voll dankbar. Ich habe zum Beispiel über das Thema A, über das A in LGBTQIA+, also Aces, die aromantischen, asexuellen Menschen drüber gesprochen. Menschen, die gesagt haben, krass, dass du mich mal mitgenannt hast. Ich hätte nie mitgerechnet, dass das überhaupt mal passiert. Menschen denken nicht voll oft mit. Da hab ich gedacht, das war für mich keine Arbeit. Deswegen sehe ich das eher als Bereicherung. Natürlich kann das an manchen Tagen überfordert sein, klar.
Wenn man selber einen beschissenen Tag hat und merkt, heute kann ich das nicht, das ist dann aber auch okay.
00:39:37.080
Raúl Krauthausen: Triffst du da so eine redaktionelle Entscheidung, wann du welches Thema bearbeitest? Wonach gehst du da?
20
00:39:42.080
Aljoscha Muttardi: Naja, also ich würde ja schon sagen, dass ich meine Schwerpunkte habe. Meine Schwerpunkte sind Queer, Veganer, Aktivismus. Und das, was du gesagt hast, ist ja mehr, weil ich sehr viel über das Thema Intersektionalität spreche. Und da versuche ich mich natürlich, ich folge vielen Accounts, die intersektional sind, oder ich versuche intersektional selber zu denken, so gut es geht, und nehme dann halt die Sachen mit, oder versuche die Sachen mitzunehmen, auf die ich hingewiesen werde. Und dazu gehört eben auch, dass du mich dann zum Beispiel darauf hinweist. Oder das passiert mir regelmäßig, dass Leute mir sagen, das ist mir aufgefallen, oder wär cool, wenn du darüber nachdenkst. Wenn man mich nicht grade anbrüllt dabei und sagt, wie kannst du nur so, du tust immer so auf, das ist ja auch mal eine Frage, wie wir es kommunizieren und wie ist die Intention dabei.
00:40:23.24
Raúl Krauthausen: Ja, genau. Das meinte ich auch mit dieser Gelassenheit. Es gibt ja dann ganz schnell auch diesen Vorwurf, der Cancel Culture oder so, dass man dann sagt, man wird halt so niedergebrüllt, dass man dann gar nichts mehr sagt, eingeschüchtert ist. Und ich beobachte das im Bereich Behinderung teilweise schon so, dass du machst einen Fehler, weil wir nun mal Menschen sind, das kann passieren, dass ich auch Fehler mache, dann werde ich darauf hingewiesen, aber zum Beispiel öffentlich, anstatt dass man das unter vier Augen mal kurz klärt. Und dann denke ich so, ja okay, warum tust du das jetzt? Warum stellst du das jetzt öffentlich an den Pranger, wo du doch eigentlich davon ausgehen kannst, dass ich wahrscheinlich nicht dein Hauptgegner bin. Und ich habe dazu ein paar Theorien gelesen. Und eine Theorie ist zum Beispiel, dass die Leute das tun, um sich selbstwirksam zu fühlen, weil sie schon auch viele keinen, also kaum noch jemanden der wahren Gegner*innen überhaupt erreichen. Aber in der eigenen Reihe jemanden zu erreichen und zu canceln, ist natürlich auch einfacher.
Und vielleicht geht es darum, um die fehlende Selbstwirksamkeit der Aktivistinnen, der Betroffenen in ihrer Arbeit der Aufklärung. Und daran angeschlossen die Frage, müssen eigentlich die Betroffenen die ganze Arbeit machen?
00:41:42.920
Aljoscha Muttardi: Also die Frage kann ich dir sofort beantworten mit „Wie? Überhaupt nein, auf gar keinen Fall“. Das wäre absurd, wenn Betroffene immer alles machen müssten, weil das würde bedeuten, dass Minderheiten den Kampf alleine kämpfen müssen. Und das funktioniert ja schon gar nicht. Also, rein mathematisch ist es schon schwierig. Das ist so, als ob eine Person die Titanic ziehen muss. Zu der anderen Sache, ich glaube, mein erster Gedanke war tatsächlich auch, dass man weiß, dass man davon auch innerhalb der eigenen Blase profitiert. Und das es meist deutlich leichter ist, mit dem Finger auf eine
21
Person zu zeigen, als strukturelle Probleme zu thematisieren, weil die natürlich weniger greifbar sind. Also, wir können besser uns an die abarbeiten, als zu sagen, hey, die Politik, die Medien, Die Institutionen, weil wer ist das? Das ist für uns nicht greifbar. Wir können konkret, das merke ich bei mir auch, und ich mache das ja auch, Menschen, die in diesen Institutionen unterwegs sind, wie ein Markus Söder oder ein Friedrich Merz, die werden konkret von mir thematisiert, weil die für mich eine Art, ich sage jetzt einfach mal, eine Art Vorstand dieser Institutionen sind.
00:42:47.760
Raúl Krauthausen: Vorstand der Arschlöcher.
00:42:49.080
Aljoscha Muttardi: Und somit eine gute Projektionsfläche für mich und für die Leute, die mir folgen, um Awareness zu schaffen dafür, sehr problematische Menschen sind, die gefährliche Sachen verbreiten. Wenn man aber innerhalb unserer Bubbles guckt, da seh ich das Problem, was du angesprochen hast, sehr leider, dass, wenn die Selbstwirksamkeit nicht mehr so doll da ist, und man merkt, es funktioniert nicht mehr so gut, ist es immer leichter, sich an einer Person abzuarbeiten und zu sagen, der Raul hat das und das gemacht. Das finden wir ganz schlimm, das müssen wir öffentlich machen. Wie du auch schon meintest, man könnte doch erst mal Gerade bei Menschen, die das sowieso schon machen, die selber aktivistisch sind, von Diskriminierung betroffen sind, bei denen man davon ausgehen kann, das war mit Sicherheit nicht kalkuliert.
00:43:32.280
Raúl Krauthausen: Mhm, genau.
00:43:34.160
Aljoscha Muttardi: Und das schadet uns.
00:43:34.160
Raúl Krauthausen: Und hast du so was auch, dass die Leute dich dann extrem angehen?
00:43:37.720
Aljoscha Muttardi: Bisher noch nicht so doll. Ich überlege grade. Es wird mehr, aber es ist nicht unbedingt, dass die Leute innerhalb einer Blase, meiner Bubble oder so, es ist eher, dass immer mehr rechte Trolle auf meinem Profil landen. Tatsächlich. Aber konkret, dass ich sagen kann, es … nö, noch nicht so doll passiert.
22
00:43:55.920
Raúl Krauthausen: Also, ich beobachte zum Beispiel … ja, Tendenzen, dass ich für einige nicht behindert genug bin. Ich könnte mir vorstellen, dass du für einige nicht queer genug bist. Weil du ein Mann bist zum Beispiel. Und queere Frauen haben’s vielleicht noch schwerer.
00:44:10.480
Aljoscha Muttardi: Ja, also, es kann sein, dass es das gibt. Ich krieg’s vielleicht nicht so mit, dass Leute … Ich geh davon aus, dass du meinst, dass Leute das öffentlich machen und mich markieren und sagen, ja, Aljoscha … hat das und das gemacht, Aljoscha ist nicht … denkt nicht intersektional genug. Das hab ich bisher noch nicht so viel erlebt oder ich hab’s nicht mitbekommen. Und prinzipiell kann das ja auch stimmen. Es kann ja auch stimmen, dass Leute sagen … Das Ding ist, ich geh halt sehr … Ich hab das Gefühl, ich versuche zumindest sehr reflektiert und offen mit meinen Problemen umzugehen. Dazu gehört auch, dass ich meine Privilegien regelmäßig benenne. Von denen ich weiß, dass ich sie hab. So, vielleicht hilft das. Ich weiß es nicht, weil ich will ja niemandem irgendwas wegnehmen. Ich möchte ja eigentlich, dass wir versuchen, zusammenzufinden, weil gerade in diesen Zeiten, und ich finde, es sind echt schwere Zeiten, es ist wichtig, dass wir zusammenhalten, ne? Gerade innerhalb dieser Bubble.
00:45:01.520
Raúl Krauthausen: Total. Und ich hab auch große Angst davor, dass wir irgendwann anfangen, so weit zu dekonstruieren, dass man dann gar nicht mehr irgendwie auf einen gemeinsamen Nenner kommen kann, wofür wir eigentlich gemeinsam streiten und kämpfen. Und so sehr mit uns selber aufhalten. Aber … ach, ja, ich bin auch ehrlich gesagt immer mehr vor Fragezeichen, als vor Verantworten gelandet. Das ist vielleicht auch so ein bisschen … gerade das Dilemma in der ganzen Geschichte.
00:45:32.320
Aljoscha Muttardi: Ja, voll. Ich hab auch aktuell … Ich weiß es nicht, ich weiß auch nicht, was … Ich glaube, tatsächlich jetzt in diesen doch recht schwierigen Zeiten mit der AfD und was da ist gerade passiert, ist es, glaub ich, wichtiger denn je, dass wir Verbündete brauchen. Das bedeutet nicht, dass man zwischendurch mal ’ne Instagram-Kachel von jemandem teilt, das ist schön und gut. Aber wir müssen kollektiv lauter werden und kollektiv aufklären. Es muss auch mal ein bisschen unbequemer werden, dass Menschen auch klar Kante bekennen. Dass man sagt, man spricht mit bestimmten Menschen nicht. Wir versuchen, die Menschen zu erreichen, und die Interesse haben, in den Dialog zu gehen, die vielleicht Fragen haben, Unsicherheiten haben. Und einfach wirklich jetzt mal klare Kante bekennen. Denn wir wollen wirklich nicht, dass die Geschichte sich in Deutschland wiederholt.
23
00:46:22.00
Raúl Krauthausen: Reproduzieren wir vielleicht dieses Narrativ aber auch die ganze Zeit? Das hab ich mich jetzt die letzten zwei Tage gefragt.
00:46:28.720
Aljoscha Muttardi: Welches?
00:46:31.32
Raúl Krauthausen: Dass sich die Geschichte wiederholt. Und auf einmal werden Dinge sagbar.
00:46:33.320
Aljoscha Muttardi: Meinst du, dass man zu oft darüber spricht und dann relativiert sich das? Oder ich …
00:46:38.920
Raúl Krauthausen: Ja, und dann kriegen letztendlich diese ganzen Leute die Aufmerksamkeit. Also, jedes große Medium interviewt jetzt halt diesen Landstattrat.
00:46:47.360
Aljoscha Muttardi: Ja, aber die Realität der Dinge ist ja, ich glaub nicht, dass wir das Problem sind, die das thematisieren, sondern ich glaub, das Problem ist ja, dass die Politik, also die Politik, aber Menschen der Politik, Menschen, die für die „Bild“ arbeiten, für diese großen Zeitschriften, die immer wieder mit polemischen, tatsächlich spaltenden … Artikeln um sich hauen. Das ist das Problem. Natürlich aber auch die aktuelle Regierung, die kommt von vorne bis hinten verkackt. Natürlich auch eine CDU, CSU und ein Merz, ein Söder, die unfassbar rechte, polemische Scheiße raushauen. Die allen Menschen in die Karten spielen, die dieses Feinbild von den Grünen und Links-Versifften sowieso schon haben. Eine Regierung, die dazu noch verkackt. Menschen, die vielleicht sagen, ich fühle mich überhaupt nicht gehört. „Ich hab einfache Lösungen auf komplexe Fragen.“ „Klimakrise gibt’s nicht.“ „Die Ausländer nerven uns alle, die kommen rein, wir machen die dicht.“ „Wir machen zurück alles nach Deutschland.“ „Wir treten aus der EU aus, Deutschmark kommt zurück.“ „Endlich fühlen wir uns wieder gesehen.“ Dann haben viele Menschen das Gefühl, die haben die einfache Lösung.
00:47:54.040
Raúl Krauthausen: Die schlimmsten Empfehle, finde ich, die ganz bewusst mit dieser Stimmung spielen. Und dazu zähle ich Markus Söder, dazu zähle ich …
00:48:03.720
Aljoscha Muttardi: Genau.
24
00:48:03.840
Raúl Krauthausen: Jens Spahn, dazu zähle ich Friedrich Merz, Christian Lindner, die ganz bewusst lügen, die einfach wissen, also Christian Lindner hat eine Wärmepuppe in seinem Haus. Der braucht sich halt nicht Sorgen machen.
Und dann denke ich, warum pöbelst du eigentlich die ganze Zeit so rum
und lügst bewusst die Menschen? Und warum redest du über Zukunft und bist gleichzeitig gegen Kindergrundsicherung? Also so, ne, oder Verkaufsminister, Du labberst von Klimaschutz und tust nichts.
00:48:37.320
Aljoscha Muttardi: Das ist leider alles, vieles von dem was wir besprechen ist auch Kapitalismuskritik. Muss man einfach sagen, dass die, die am meisten von Kapitalismus und den Machtsystemen, die herrschen, profitieren, wollen das beibehalten und macht, macht, macht, süchtig. Macht, macht süchtig. Ich glaube, das ist ähnlich wie das Beispiel mit Shirin David, dass man das Gefühl hat, mehr, mehr, mehr. Ich möchte das aufrechterhalten, ich will mehr davon. Weil man merkt, ich komme in vielen Bereichen meines Lebens viel leichter damit durch. Ich habe viel Geld, ich habe viel Einfluss. Und es geht einfach ganz viel um Wahlkampf und ganz viel um Kapitalismus und Macht. Ich glaube einfach, dass die ihre… Ich weiß auch nicht, dass man morgens aufwacht und einfach das alles… Das ist wie so ein schleichender Prozess, bei dem man irgendwann wirklich denkt, dass das okay ist, was man macht. So stelle ich mir das vor, anders kann ich mir das nicht erklären.
00:49:30.440
Raúl Krauthausen: Die profitieren ja nicht so direkt. Es ist ja nicht so, dass dann mit jeder Falschaussage sie 20.000 mehr auf dem Konto haben.
00:49:37.360
Aljoscha Muttardi: Nee, aber ich glaube, das ist nicht so ein direktes Ding. Das ist eher so ein „Wir schaffen ein Feindbild und wir merken, dass das funktioniert“, gerade was Wähler*innenstimmen und so angeht. Und dass man die Stimmung, die aktuell herrscht, total ausnutzt für sich, gegen andere. Mit dem Finger schön auf die Politik zeigen, die alles verkackt haben. Wann hab ich das jemals erlebt, dass in der Politik jemand gesagt hat, Fehler gemacht.
00:50:00.04
Raúl Krauthausen: Ja.
00:50:04.480
Aljoscha Muttardi: Das ist so krass. Es gibt’s einfach nicht.
25
00:50:04.480
Raúl Krauthausen: Also wenn, dann habe ich das eher von den Grünen gehört, wenn überhaupt.
00:50:11.200
Aljoscha Muttardi: Ja, wenn überhaupt. Und das ist einfach mega schade irgendwie, dass es da immer nur um Stimmen geht und so. Du hast recht, die haben nicht einen direkten Effekt davon, aber ich glaube, der langfristige Effekt, und ich glaube, die merken das gar nicht mehr, dass sie nur noch so reden und nur noch diese… Ich weiß auch nicht, Glauben die das?
00:50:26.840
Raúl Krauthausen: Ja eben, das frage ich mich die ganze Zeit. Glauben die das wirklich? Ich glaube nicht. Ich glaube, die lügen ganz bewusst. Und das wird aber dann durch die Medien, und da komme ich vorhin deswegen da drauf, dass die Medien dieses Spiel eben mitspielen. Dann gibt es halt so etwas wie „Hard Aber Fair“ oder „Anne Will“ oder „Maisperger“ und wie sie alle heißen. Und dann setzen die sich da hin, und das ist ja alles vorgeskriptet, mehr oder weniger. Also natürlich nicht Wort für Wort, aber da geht es ja nur noch darum, dass jeder seine Agenda loswird. Aber da hat auch noch niemand gesagt, ach so, ja, also hab ich das noch nicht gesehen, danke, dass Sie mir das sagen, da denke ich noch mal drüber nach. Im Bundestag aber auch nicht.
00:51:00.920
Aljoscha Muttardi: Nein.
00:51:00.920
Raúl Krauthausen: In den Debatten.
00:51:04.920
Aljoscha Muttardi: Ich war vor, glaub ich, drei Wochen in einer Live-Debatte im bayerischen, was heißt das nochmal, Münchner Runde, glaub ich, hieß das. Mit einer CSU-Politikerin, einer Grün-Politikerin, einer Landwirtin und jemandem vom Bauernverband.
00:51:17.920
Raúl Krauthausen: Oh Gott. Über Veganismus oder über Queerness?
00:51:20.920
Aljoscha Muttardi: Ja, über Landwirtschaft und Veganismus. Ich hatte aber auch eine Pride-Flag als Sticker, um ein bisschen zu provozieren. Ich wusste am Anfang nicht, dass die aktuell in Wahlkampfstimmung sind. Das war so krass, das live zu erleben, da zu sitzen, und diese manipulative, hochkalkulierte, bewusst-ignorante Art, es war nur noch ein Hin- und Herschießen von Grün gegen
26
CSU, CSU gegen Grün. Feindbilder schaffen, nie Selbstverantwortung übernehmen, gepaart mit „In Bayern gibt’s das alles nicht, Bayern ist das tollste Bundesland“, ich sag jetzt schon fast sowas patriotistisch, also dieses „Bayern ist das tollste Bundesland der Welt, wir haben all diese Probleme nicht, Klimawandel gibt’s hier nicht, Massentierhaltung gibt’s hier nicht“. Das ist absurd. Die zeichnen sich eine Welt, Aber ich hatte das Gefühl, dass sie das sehr kalkuliert gemacht hat. Also sehr, ich weiß, dass mir Menschen gerade zugucken. Und für die meisten Menschen, die zugucken, ist dieses Feindbildzeichnen viel angenehmer, weil das in der Konsequenz bedeutet, dass man sein eigenes Verhalten und Leben nicht reflektieren und ändern muss. Also wenn gerade eine Mehrheit fühlt sich natürlich viel schneller davon angesprochen, wenn jemand sagt, wir lassen uns unser Fleisch und unser Auto und unsere Schnitzel und unsere Sprache nicht verbieten, Ja, voll, ich lass mir das nicht nehmen. Genau.
00:52:47.240
Raúl Krauthausen: Aber es hat ja auch noch niemand von Verbot gesprochen. Das versteh ich nicht.
00:52:52.360
Aljoscha Muttardi: Naja, doch. Doch, die CSU und CDU spricht ja die ganze Zeit davon.
00:52:55.360
Raúl Krauthausen: Aber von der anderen Seite, genau.
00:52:58.720
Aljoscha Muttardi: Ja, aber das ist ja egal. Solange du das glaubhaft verkaufst, und das ist das Manipulative daran, haben die Leute das Gefühl, das stimmt.
00:53:04.840
Raúl Krauthausen: Ja, das ist so schlimm.
00:53:06.240
Aljoscha Muttardi: Und dann kommt noch gepaart mit ein bisschen Cancel Culture, ein bisschen Genderideologie, Kinder werden indoktriniert. All diese Sachen. Du darfst nicht vergessen, dass wenn Menschen noch wenig Berührungspunkte mit dem Thema haben, nehmen wir das Transthema, weil das gerne instrumentalisiert wird von der CSU, CDU und AfD, also ein Prozent der Menschen in Deutschland circa leben trans, schätzungsweise zwischen 0,8 und 1, noch was. Bedeutet, das ist eine sehr, sehr kleine, vulnerable Gruppe an Menschen, die diskriminiert werden. Sehr massiv diskriminiert werden. Die meisten Menschen in Deutschland haben gar keine bis kaum Berührungspunkte mit Transmenschen. Bedeutet, sie haben auch wenig Information, wenig Vorstellung davon, was das bedeutet. Die wird dann geformt von den Medien oder von der Politik. Und wenn
27
man dann sowieso schon … angepisst ist von der Situation, wie sie ist, weil die Politik einem kein Gehör gibt, und die einem dann aber sagen, die versuchen, das wegzunehmen, die wollen eure Kinder manipulieren, das ist die ganze Zeit Thema, dann ist man viel anfälliger dafür.
00:54:08.880
Raúl Krauthausen: Ich finds so krass weil wenn, also die Leute, die dann sich wehren und dann irgendwie aufbegehren und sagen, „Oh, nichts darf man mehr sagen“, werden plötzlich zu Feministen, also ich sage das bewusst Männer, werden plötzlich zu Feministen, die dann sagen, „Ja, aber die Frauen in den Umkleidekabinen könnten dann belästigt werden von Männern, die sich mal eben entscheiden, eine Frau zu sein und so.“ Und dann denkst du so, wo warst du eigentlich, wenn es um diese ganzen Sachen wie bei Rammstein und so weiter geht.
00:54:39.480
Aljoscha Muttardi: Ja.
00:54:39.480
Raúl Krauthausen: Also, warum interessiert es dich dann immer nur dann, wenn sie ihre eigene Komfortzone vielleicht tangiert?
00:54:47.080
Aljoscha Muttardi: Ich hab tatsächlich in einem Gender-Video … Ich hab auf ein Gender-Video reagiert, da hab ich mal drüber gesprochen.
00:54:55.200
Raúl Krauthausen: Ja.
00:54:55.200
Aljoscha Muttardi: Wenn du’s gesehen hast, das ist sehr lang. Es gibt nämlich eine YouTuberin, die ein sehr bekanntes Video dazu gemacht hat. Da sind tatsächlich auch sehr viele polemische rechte Dogwhistles drin, das war sicher nicht kalkuliert, also glaub ich zumindest. Aber da spielen natürlich denselben Leute in die Karten. Da hab ich das erste Mal auch gemerkt, dass wenn man, egal, in welcher Position du bist, ob du als YouTuber*in oder Politiker*in, Themen nur ansprichst, wie beim Gendern z.B. zu sagen, Menschen mit Leser- Rechtschreiberschwäche, Menschen mit Behinderung, Menschen mit … mit Migrationshintergrund. Wenn du das immer nur dann thematisierst, um zu sagen, warum Gender nicht sinnvoll ist, die nur dann wichtig sind, wenn es in dein eigenes Narrativ passt, um zu sagen, dass etwas nicht stimmt, dann interessierst du dich nicht für diese Menschen.
00:55:42.320
Raúl Krauthausen: Genau.
28
00:55:44.400
Aljoscha Muttardi: Vor allem für dein Narrativ.
00:55:44.400
Raúl Krauthausen: Dann machst du sie quasi auch zu Mitverantwortlichen in dieser Situation.
00:55:48.920
Aljoscha Muttardi: Genau.
00:55:48.920
Raúl Krauthausen: Das ist total schlimm.
00:55:51.040
Aljoscha Muttardi: Auch wichtig.
00:55:51.040
Raúl Krauthausen: Wie bildest du dich eigentlich fort? Du bist ja dann doch schon, sagen wir mal, eher weiter schon in der ganzen Diskurse und tiefer drin in der Materie als viele deiner Zuschauer*innen.
00:56:01.400
Aljoscha Muttardi: Also, mich interessieren tatsächlich die Themen. Ich guck mir Videos dazu an, ich les mir Artikel dazu durch. Ich hör mir gerne Podcasts dazu an. Ich konsumiere sehr viel auf Instagram. Und ich weiß nicht, wie du das machst, aber mir hilft das sehr. Ich finde, man kann erstaunlich viel über Instagram lernen. Und YouTube.
00:56:21.840
Raúl Krauthausen: Total, aber ich bin dann auch in so einem Doom-Scrolling gefangen, dass ich mir dann auch ganz bewusst irgendwie wieder Auszeiten geben muss. Das ist nicht ein bestimmter Maß überschreitet. Und das ist gar nicht so einfach. Wie viel Zeit verbringst du am Handy oder in Social Media?
00:56:38.280
Aljoscha Muttardi: Gott, darf ich darüber sprechen? Das ist richtig unangenehm.
00:56:41.000
Raúl Krauthausen: Hast du eine Bildschirmzeit eingestellt?
00:56:43.240
Aljoscha Muttardi: Oh Gott, ja.
00:56:44.440
Raúl Krauthausen: Okay, also das ist viel.
29
00:56:45.880
Aljoscha Muttardi: Bildschirmzeit schwankt zwischen 4 und 9 Stunden.
00:56:53.040
Raúl Krauthausen: Ja, dann ein ganzer Arbeitstag, das muss man sich mal vorstellen.
00:56:57.000
Aljoscha Muttardi: Also natürlich muss man auch sagen, wenn ich ein YouTube- Video drehe, dann ist meine Bildschirmzeit die ganze Zeit an, weil ich filme mit meinem Handy. Und dann filmt das Handy 2 1/2 Stunden oder so. Also das darf man nicht vergessen. Aber ich bin überdurchschnittlich viel am Handy. Aber ich schneide auch alles am Handy. Ich konsumiere Instagram. Ich mache meine Reels am Handy. Ich mache… ja.
00:57:14.200
Raúl Krauthausen: Schneidest du alles selber?
00:57:15.280
Aljoscha Muttardi: Nee, meine YouTube-Videos macht mein Cutter für mich.
00:57:17.280
Raúl Krauthausen: Ja.
00:57:18.080
Aljoscha Muttardi: Aber bei Instagram mache ich alles, ja. Da habe ich niemanden.
00:57:21.840
Raúl Krauthausen: Lass uns kurz über die Netflix-Serie „Queer Eye Germany“ sprechen. Das letzte Mal zu meinem Podcast warst „Wie kann ich was bewegen?“ Da durftest du über das Projekt noch nicht sprechen. Ein paar Wochen später kam es dann raus.
00:57:35.640
Aljoscha Muttardi: So lange ist das her.
00:57:36.96
Raúl Krauthausen: Ja. Was hat es dir bedeutet, Teil dieser Show zu sein?
00:57:39.800
Aljoscha Muttardi: Alles hat mir das bedeutet. Das kleine, schwule Kind in mir hat im Kreis gesprungen und getanzt. Hat getanzt, hat im Kreis gesprungen und getanzt. Ich hab mich sehr gefreut. Es war total surreal, weil ich natürlich nie damit gerechnet hab, dass so was passiert. Und ich hab auch nie damit gerechnet,
30
dass ich mich mal vor so ’ne Kamera stelle, vor so ’n großes Publikum und so was mache. Aber ich bin sehr dankbar dafür, weil das ’ne unfassbar augenöffnende Experience auch für mich war. Im Sinne von umgeben zu sein von so vielen queeren Menschen und zum ersten Mal in meinem Leben so ’n doch sehr saferen Space zu haben im Vergleich zu dem, was ich davor immer hatte im Krankenhaus, das was doch sehr toxisch, toxisch-hierarchisch, heteronormativ geprägt ist, war extrem augenöffnet, würd ich sagen. Also, die eigene Queerness mal zu hinterfragen. Auch die Frage, die ich am Anfang gestellt habe, bin ich so, wie ich bin, weil ich ein Schutzschild angelegt habe, so Heteropassing, oder möchte ich wirklich so sein? Das kam tatsächlich alles durch Queer Eye.
00:58:47.240
Raúl Krauthausen: Und dann hat diese Serie den Grimme-Preis gewonnen. trotzdem nicht fortgesetzt.
00:58:51.760
Aljoscha Muttardi: Ja, das ist leider, again, Kapitalismus at its finest. Wenn die Zahlen nicht so stimmen, dann ist das eigentlich egal. Ich bin auch sehr traurig darüber, weil ich glaube, dass alle Indizien darauf hindeuten, dass es toll weiter hätte gehen können. Die Resonanz, sowohl auf persönlicher Ebene als auch von den Leuten, die mir folgen oder uns folgen, als auch die Auszeichnung, die wir bekommen haben. Wir haben ja auch noch zwei weitere Nominierungen. Sprechen die eigentlich für sich? Und ich glaube, allein schon, wenn man darüber nachdenkt, wie viele Menschen das etwas gibt, die Sichtbarkeit
überhaupt zu haben, sollte eigentlich in dieser Welt genug Grund sein, so eine Sendung weiterzuführen.
00:59:32.840
Raúl Krauthausen: Aber es ist endgültig, dieses Nein?
00:59:34.60
Aljoscha Muttardi: Also ich glaube, wenn jetzt nicht irgendwie auf einmal was Krasses passiert und irgendwelche riesengroßen Menschen mit riesen Accounts sagen, guckt euch das an, und von jetzt auf gleich wir Millionen mehr Views haben, dann sehe ich da jetzt keine große Chance, dass Netflix auf einmal auf uns zukommt. Also, die Zahlen müssten sich halt ändern.
00:59:51.520
Raúl Krauthausen: Was hättest du gerne noch gesagt?
00:59:54.400
Aljoscha Muttardi: Bei „Queer Eye“?
31
00:59:54.400
Raúl Krauthausen: Genau.
00:59:57.560
Aljoscha Muttardi: Bei „Queer Eye“ selbst hab ich nicht viel gesagt. Ich hab ja … Was heißt das? Da ging’s ja vor allem viel um Heroes, und es geht viel um Sichtbarkeit. Ich hätte Menschen gerne einfach ein schönes Gefühl gegeben. Und es geht in der Sendung … Es geht ja vor allem um Wohlfühl.
01:00:10.120
Raúl Krauthausen: Mhm.
01:00:12.360
Aljoscha Muttardi: Es geht um Wohlfühligkeit. Gibt’s das Wort?
01:00:14.400
Raúl Krauthausen: Ich weiß nicht. Lass mich so stehen, aber ja.
01:00:16.160
Aljoscha Muttardi: Und das hätte ich gerne mehr gemacht. Mir hätte das einfach viel gegeben, weiterzumachen, Menschen kennenzulernen und zu wissen, Menschen ein schönes Gefühl gebe, gleichzeitig dabei mega viel Spaß zu haben. Auch diese Dreharbeiten haben so viel Spaß gemacht. Mit den anderen abends im Hotelzimmer abzuhängen, mit den Heroes zwischendurch zu quatschen, wenn die Kamera mal nicht dabei ist. Das ist schon echt cool.
01:00:42.160
Raúl Krauthausen: Was ich interessant finde, Zeitpunkt der Aufnahme, gerade nach den Pride Month, also im Juni. Was ich interessant finde, wie schnell dann Firmen auch dabei sind, so eine Regenbogenflagge irgendwo zu zeigen. Ich sag’s immer, respektierlich, eine Regenbogenflagge auf den Parkplatz stellen. So, und dann sind wir alle queerfreundlich. Aber das reicht ja nicht, dieses Rainbow- Washing hat auch Jan Böhmermann in seinem letzten Video vor der Sommerpause auch ganz gut aufs Korn genommen. Welche Marken plötzlich da alle mitmachen und wie viel dann aber dann doch vielleicht auch Stigmatisierung im eigenen Betrieb stattfindet, wird dann quasi damit auch weggeblendet.
01:01:20.280
Aljoscha Muttardi: Ja, voll.
01:01:21.400
Raúl Krauthausen: Wie kann man denn ein guter Ally sein für queere Menschen, die wir vielleicht auch in unserem Umfeld kaum haben? Also, ich glaub, es ist jetzt wichtiger … also, wirklich jetzt wichtiger denn je. Und Pride ist für mich jeden Tag.
32
Für alle queeren Menschen ist Pride jeden Tag. Das ist ein symbolischer Monat. Es wäre schön, wenn wir das außerhalb des Pride Months auch machen würden. Das gilt aber auch für alle anderen Formen der Diskriminierung. Ich denke mal, das, was ich jetzt sage, kannst du auch sehr gut nachempfinden und wünsch dir für dich auch.
01:01:52.280
Aljoscha Muttardi: Wir sagen immer, der Tag der Menschen mit Behinderung ist dann der 3. Dezember. Und für behinderte Menschen ist es halt Tag.
01:01:59.080
Raúl Krauthausen: Ja, genau.
01:02:00.20
Aljoscha Muttardi: Ich glaube, ich hab auch mal ein Video dazu gemacht, da habt ihr zehn Punkte genannt. Ich weiß nicht, ob mir jetzt noch alle einfallen. An erster Stelle für mich steht immer zuhören. Ich glaube, Ego beiseitelegen und zuhören. Wenn Betroffene etwas sagen, bedeutet das nicht, dass du angegriffen wirst, dass du ein schlechter Mensch bist, dass du mit Absicht dich homo- oder transfeindlich geäußert hast. Wir alle werden so sozialisiert, um das anzuerkennen. Ich glaube, es gibt kleinere Sachen, die man machen kann. Wenn man einen Kaffee oder einen Laden besitzt, sich eine progressive Pride-Flag tatsächlich reinzukleben, ändert das Problem nicht, aber es sendet ein Signal. wenn es auch nur ein Kleines ist, dass hier Menschen sind, die versuchen, einen saferen Space zu machen. Das bedeutet natürlich nicht, dass es einer ist. Deswegen sagt man ja auch immer „safe fair space“. Ich glaube, es ist wichtig, sich weiterzubilden, eigenständig. Bedeutet, Instagram-Accounts folgen, Bücher lesen, Filme gucken, Serien konsumieren, Podcasts hören, die darüber aufklären. Ich habe auch einen Podcast, „Out and About“, wo es wirklich nur ausschließlich um Coming-out- Geschichten von tollen Menschen geht. Allein schon mal zu hören, krass unterschiedliche Coming-out- Geschichten gibt. Von super positiv über ganz traumatisierend und schlimm. Alles ist mit dabei. Das macht einem auch bewusst, wie vielfältig das alles sein kann. Dann, wenn ihr Gewalt seht, ob es im Internet ist, in der Kommentarspalte, ob es auf der Straße ist, laut werden, einschalten, nicht einfach nur zugucken. Es gibt keine Neutralität. Neutralität bedeutet, Gewalt zu tolerieren. Das ist keine Lösung. Und ich finde auch so Kleinigkeiten wie seine Pronomen in die Insta-Bio oder so schreiben, „Geschlechtergerechte Sprache nutzen“, bedeutet ja einfach nur, mit Menschen mitzudenken. Ihr müsst es nicht machen. Falls jetzt jemand sagt, hier wird jemand gezwungen zu gendern, niemand wird gezwungen. Ich möchte nur Bewusstsein schaffen, dass es vor allem um nicht-binäre Menschen geht, die mit dem Gender-Sternchen gedacht sind. Dass es nicht nur darum geht, Frauen und Männer sichtbarer zu machen in der Sprache, um nichtbinäre Menschen.
33
01:04:03.32
Raúl Krauthausen: Ja.
01:04:03.320
Aljoscha Muttardi: Und das wird sehr oft verkannt.
01:04:05.200
Raúl Krauthausen: Ich finde, zuzuhören gehört noch Glauben. Also, dass man dem Menschen nicht nur zuhören sollte, sondern auch glauben sollte.
01:04:13.200
Aljoscha Muttardi: Ja, good point.
01:04:13.200
Raúl Krauthausen: Ganz oft ist es ja auch so, er hat zugehört und eine andere Meinung gehabt. Aber ganz oft wird ja an den noch nicht mal geglaubt.
01:04:20.120
Aljoscha Muttardi: Da hast du recht, ja. Und dann wird immer irgendwas gesagt von wegen, ja, ich hab halt eine andere Meinung. Diskriminierung ist halt für mich keine richtige Meinung, dass du mich „Schwuchteln“ nennen kannst, zum Beispiel, dann bin ich der Meinung, dass das ziemlich scheiße ist. Und dass es extrem verletzend ist.
01:04:37.440
Raúl Krauthausen: Wir hätten auch super viel über Veganismus reden können, aber der Aufzug kommt langsam am Ziel an.
01:04:43.600
Aljoscha Muttardi: Okay, go vegan, alle, go vegan!
01:04:45.440
Raúl Krauthausen: Go vegan, macht alle Veganismus. Ich wollte dir eine absurde Geschichte erzählen, dass ich mich erinnern kann, dass ich damals als Kind Fernsehwerbung gesehen habe von Danone Fruchtzwerge, wo es hieß „so wichtig wie ein kleines Steak“.
01:04:59.960
Aljoscha Muttardi: Oh mein Gott.
01:05:00.960
Raúl Krauthausen: Und ich hab mich die ganze Zeit gefragt, warum ist Steak eigentlich wichtig? Und dann kennt man, wenn man sagt, naja, wegen der Proteine, wegen dem Eiweiß, wird dann immer gesagt, aber das ist ja Bullshit, weil die Tiere selber ja auch in der Regel kein Fleisch essen, und so weiter und so fort.
34
Aber dass das so tief in meinem Kopf sitzt, dass ich immer noch diesen Spruch kenne, „so wichtig wie ein kleines Steak“ Mit dem Gesunden aus der Mild.
01:05:26.560
Aljoscha Muttardi: Ja, ja, voll. Ich kann mich an so viele Werbesprüche erinnern. Ich hab früher immer gedacht, das ist alles so bescheuert, weil das so generisch und überzogen ist mit diesem Gedudel. Aber ganz ehrlich, weißt du, wie viele Songs ich noch in meinem Kopf hab? Von früher, „Dani Sahne“, „Von Danone“. Davon krieg ich nie genug.
01:05:44.320
Raúl Krauthausen: Ja, siehst du, und mir fallen noch ganz viele andere ein,
01:05:47.440
Aljoscha Muttardi: „Haribo macht Kinder froh“ und „Erwachsene ebenso“. Das funktioniert. Voll.
01:05:51.560
Raúl Krauthausen: Mit „Zot ins Weekend Feeling“. Genau. Ja, es ist sehr krass.
01:05:55.640
Aljoscha Muttardi: Ich glaube, wenn ich abschließend noch was dazu sagen kann, auch da, das ist ja auch eine soziale Gerechtigkeitsbewegung, da geht’s darum, so gut es geht und so umsetzbar wie möglich, sich mit dem Leid von Tieren auseinanderzusetzen und das aktiv zu boykottieren, das kann überfordernd wirken. Setzt euch einfach damit auseinander. Schaut euch auf YouTube den Film „Dominion“ an, das ist ziemlich hart und heftig, aber das ist das, was hinter den Kulissen passiert. Also, wenn man sich machtlos fühlt, und diese Tiere sind komplett machtlos und haben eigentlich nur uns, die ihnen eine Stimme geben können. Und wenn wir nicht drauf angewiesen sind, dann haben wir eine Option, und … Ja, setzt euch einfach damit auseinander. Das ist ein furchtbares Thema. Also ein schönes, aber ein furchtbares.
01:06:39.160
Raúl Krauthausen: Ja, furchtbar, das stimmt. Aber wichtig. Eine Frage, die ich meinen Gästen immer stelle am Ende der Reise, in diesem Aufzug. Gibt es eine Organisation, eine NGO, ein Thema, dass du unterstützen möchtest, was sich unsere Zuschauer*innen mal anschauen können, was wichtig ist.
01:06:57.360
Aljoscha Muttardi: Also, es gibt einige tatsächlich, aber ich sag einfach mal, ich hab letztes Jahr sehr viel mit dem Deutschen Tierschutzbüro zusammengearbeitet. Die machen fantastische Arbeit, weil die sich sehr viel … Also, diese ganzen Videos, die man online sieht, in Masten, in Milchbetrieben, Schweinebetrieben,
35
Pelzbetrieben, das ist alles, das machen alles Menschen wie die von Arriva, vom Deutschen Tierschutzbüro. Und das muss natürlich irgendwie finanziert werden. Es gibt aber auch so tolle Projekte wie das Trevor Project zum Beispiel aus den USA, die setzen sich für Queere, besonders für Transmenschen ein. Es gibt, ja, ich find auch Hate Aid zum Beispiel. Ich weiß nicht, inwieweit, das ist keine Spendenorganisation,
aber ich find die wichtig, weil wir viel Hass erfahren.
01:07:42.400
Raúl Krauthausen: Die packen auf jeden Fall in die Schuhe an uns. Weil ich das auch ein wichtiges Thema finde, dass wir auch alle, jeder mit seinem oder ihrem Bereich, irgendwas Kleines tun können. Und wenn wir es nur lesen, dann war das ja auch schon mal ein super kleiner Anfang. Aljoscha, wenn jetzt gleich Ihr Aufzugstür aufgeht, wo geht’s für dich weiter?
01:08:01.600
Aljoscha Muttardi: Im Leben oder aus diesem Gebäude raus?
01:08:03.720
Raúl Krauthausen: Was machst du heute noch?
01:08:05.200
Aljoscha Muttardi: Ich hab heute noch ein paar Calls. Ich muss noch ein bisschen was produzieren heute, weil ich morgen nach Berlin fahre. Ich muss versuchen, mich zu organisieren. Ich muss mit meinem Hund noch spazieren gehen, müsste ich mir einfach mal einen Tagesplan schreiben, weil ich ein sehr unstrukturierter Mensch bin. Und ganz viele E-Mails beantworten.
01:08:24.040
Raúl Krauthausen: Ich hab vor vielen, vielen Jahren mal ein Interview geführt mit Simon Unge. Und da hat er mir erzählt, und das fand ich total krass, dass Influencer*innen, die online arbeiten, das ist ein riesiges Problem, das Urlaub zu machen. Weil du musst ja liefern. Und der Algo muss ja da sein.
01:08:41.520
Aljoscha Muttardi: Ja, es ist tatsächlich so. Ich kenn das Gefühl, ich hab schon drüber nachgedacht, ob ich mal zwei Wochen Auszeit nehme und habe aber jetzt schon Stress, weil ich mir denke, was ist, wenn da irgendwas Wichtiges reinkommt?
01:08:54.240
Raúl Krauthausen: Ich danke dir sehr, dass du dir die Zeit genommen hast für diesen Podcast, für diese Aufzeichnung. Und ich hoffe, wir sehen uns mal live an einem Event.
36
01:09:03.240
Aljoscha Muttardi: Sehr, sehr gerne.
01:09:05.240
Raúl Krauthausen: Und dann trinken wir mal einen Kaffee ohne Mikro und Kamera.
01:09:08.240
Aljoscha Muttardi: Und mit Hafermilch.
01:09:10.240
Raúl Krauthausen: Gerne.
01:09:12.240
Aljoscha Muttardi: Vielen Dank für die Einladung nochmal.
01:09:14.240
Raúl Krauthausen: Gerne, gerne.
01:09:20.480
Aljoscha Muttardi: Es hat mir sehr viel Spaß gemacht und danke, dass du mich nochmal darauf hingewiesen hast, auch intersektionaler zu denken.
01:09:20.480
Raúl Krauthausen: Ja, wir können alle nur lernen. Das gilt auch für mich natürlich. Schön, dass du da warst.
01:09:28.040
Aljoscha Muttardi: Dankeschön.
01:09:28.040
Raúl Krauthausen: Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese Folge Spaß gemacht hat, bewertet diese Folge bei Apple Podcast, Spotify oder wo auch immer ihr zuhört. Alle Links zur Folge sowie die Menschen, die mich bei diesem Podcast unterstützen, findet ihr in den Show Notes. Schaut da gerne mal rein. Wenn ihr meine Arbeit unterstützen möchtet, würde ich mich freuen, euch bei Steddy zu begrüßen. Mit einer Steady-Mitgliedschaft bekommt ihr exklusive Updates von mir und die Gelegenheit, mich zweimal im Jahr persönlich zu
treffen. Im Aufzug ist eine Produktion von Schönlein Media. Ich freue mich auf das nächste Mal hier im Aufzug.
37
Aljoshas Herzensangelegenheit:
Podcast abonnieren
Hier findest du mehr über mich:
So kannst du meine Arbeit unterstützen!
Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann
Coverart: Amadeus Fronk