Im Aufzug mit Stefanie Stahl

Wie werde ich meinem inneren Kind gerecht?

Stefanie Stahl ist wohl die bekannteste Psychologin Deutschlands. In ihren Podcasts und Büchern spricht sie über Themen wie Bindungsangst oder das innere Kind und will so mit dem Tabu um mentale Gesundheit brechen.
Dabei hat mich direkt interessiert, wie sie eigentlich von der „gewöhnlichen” Psychologin zur gefeierten Podcasterin wurde – und warum sie ursprünglich mal Jura studiert hat.
Wir sprechen aber auch darüber, ob wir wirklich denn Ursprung all unserer Probleme in der Kindheit finden und ob wir manches nicht auch überanalysieren. Steffi und ich haben beide den Eindruck, dass sich das Tabu Psychotherapie immer weiter auflöst – zum Glück.
Denn vielleicht werden dann auch psychische Krankheiten immer weniger. Was Selbstreflexion mit dem Klimawandel zu tun hat und warum Psychologin zu sein, privat kein dankbarer Beruf ist – das erfahrt ihr in dieser Folge.

Aufzugtür auf für Stefanie Stahl!

»Menschen erkennen heute viel früher, wenn sie ein Problem haben.« STEFANIE STAHL - FOLGE 30 Stefanie Stahl sitzt auf einer Treppe und schaut lächelnd in die Kamera.

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Raúl Krauthausen: Bevor es heute losgeht, ihr wisst was jetzt kommt, wie immer der Hinweis auf

Steady. Denn mit Steady könnt ihr diesen Podcast finanziell unterstützen. Mit einem kleinen monatlichen Beitrag helft ihr mir und dem Team, den Podcast Schritt für Schritt unabhängig zu produzieren. Jetzt unter www.im-aufzug.de informieren und Unterstützer*innen werden. Supporter*innen erhalten vorab Zugang zu neuen Folgen und werden namentlich im Podcast erwähnt. Diese Woche geht der Dank an die Unterstützer*innen Barbara, Cinderella und Stefan Oliver. Dankeschön. Los geht’s mit der Folge.

00:00:36.800
Raúl Krauthausen: Stephanie Stahl ist die wohl bekannteste Psychologin Deutschlands. In ihren

Podcasts und Büchern spricht sie über Themen wie Bindungsangst oder das innere Kind und will so mit dem Tabu um mentale Gesundheit brechen. Dabei hat mich persönlich direkt interessiert, wie sie eigentlich von der gewöhnlichen Psychologin zur gefeierten Podcasterin wurde und warum sie ursprünglich Jura studiert hat. Kaum sind wir mit dem Aufzug losgefahren, waren wir auch schon tief drin in den Psychologiethemen. Steffis Bild vom Schatten- und Sonnenkind wirft den Fokus auf kindheitliche Prägung. Ihre Devise ist, dass das Kind in uns Heimat finden muss. Wir sprechen aber auch darüber, ob wir wirklich den Ursprung all unserer Probleme in der Kindheit finden und ob wir manchmal nicht auch überanalysieren. Steffi und ich haben auf jeden Fall beide den Eindruck, dass sich das Tabu Psychotherapie immer weiter auflöst. Zum Glück, denn vielleicht werden dann auch psychische Krankheiten immer weniger. Was Selbstreflexion mit dem Klimawandel zu tun hat und warum Psychologin zu sein privat kein dankbarer Beruf ist, das erfahrt ihr in dieser Folge. Also, Aufzugstür auf für Stephanie Stahl. Die Tür geht auf und wer kommt rein? Ich fasse es nicht. Stephanie Stahl, Steffi genannt, hier im Aufzug. Schön, dass du da bist.

00:02:05.640
Stephanie Stahl: Ja, hallo Raul. Schön, dich hier zu treffen.

00:02:08.640
Raúl Krauthausen: Wie geht’s dir heute?

00:02:09.640
Stephanie Stahl: Gut. Sonne scheint. Ich war sehr ausgehungert, wie viele, nach diesem ewig

verregneten Frühjahr. Jetzt haben wir endlich mal so richtig Sommerfeeling und das geht mir total gut rein.

00:02:19.640
Raúl Krauthausen: Hattest du schon mal einen merkwürdigen Moment in einem Aufzug?

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00:02:22.640
Stephanie Stahl: Ja, ach ja, der merkwürdigste war, da war ich in San Francisco und bin

hochgefahren, oben war ein Club, das ist schon ewig her, ich war sehr jung. Und dann geht der Aufzug plötzlich außen hoch und ist durchsichtig und ich habe Höhenangst. Und ich fand das super spooky. In dieses hohe Gebäude und dann außen lang mit gläsernen Wänden. Ich bin fast schockgefroren in dem Ding.

00:02:49.440
Raúl Krauthausen: Kann man gegen Höhenangst oder, keine Ahnung, Klaustrophobie, die man ja oft

in Aufzügen erlebt, kann man dagegen eigentlich was machen? Was sagst du als Psychologin dazu?

00:03:01.040
Stephanie Stahl: Ja, sicherlich. Das ist mentales Training. Also Klaustrophobie ist ja nochmal was

anderes als Höhenangst. Höhenangst hat auch eine extrem hohe genetische Komponente, ist zu 90 Prozent genetisch festgelegt. Klaustrophobie ist ja diese Angst, irgendwie eingesperrt zu sein und irgendwo nicht mehr rauszukommen. Und in beiden Fällen hilft sehr viel mentales Training und auch Gewöhnung natürlich. Gewöhnung ist sowieso immer sehr gut bei vielen Ängsten, dass man eben die Situation nicht vermeidet, sondern sich langsam dran gewöhnt. Ja, und das geht dann oft auch mit mentalen Strategien, also dass man autosuggestiv Beruhigungsformeln hat oder Meditationen und so weiter .

00:03:47.160
Raúl Krauthausen: Wow, wir sind gleich ins Thema reingestolpert. Finde ich super interessant. Wo

sind denn die Grenzen dieser Selbsttherapie?

00:03:55.160
Stephanie Stahl: Die Grenzen der Selbsttherapie sind eigentlich da, zum einen, wo es Leuten sehr

schwerfällt, sich selbst zu reflektieren, beziehungsweise auch überhaupt an ihre Themen ranzukommen, die einfach da jemanden brauchen, der sie begleitet und ein bisschen mehr führt und mit ihnen sich gemeinsam auf die Suche begibt. Worum geht es eigentlich? Ich meine, an der Oberfläche wissen die meisten ja, welches Problem sie haben, aber manche tun sich sehr schwer zu verstehen, warum sie eigentlich das Problem haben, also was die Ursache ist. Denn wenn man die Ursache findet, ist die Lösung oft sehr viel leichter, da tun sich manche sehr schwer. Bei anderen ist es so, dass die ein schweres Päckchen zu tragen haben aus der Kindheit und auch traumatisiert sind. Die zum Beispiel sagen, nee, das ist mir einfach too much alleine. Ich brauche jemanden, der bei mir ist. Ich kann nicht solche Erinnerungen noch mal hervorholen und bin dann ganz alleine. Und gehe dann vielleicht noch mal total in die Verzweiflung rein oder in die Angst, das mute ich mir nicht zu. Das will ich mir auch nicht zumuten. das will ich mir auch nicht zumuten. Das sind zum Beispiel solche Fälle.

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00:05:05.240
Raúl Krauthausen: Kommen wir aber nochmal zurück zu dir. Du hast, bevor du zur Psychologie

kamst, zuerst ein Jurastudium angefangen.

00:05:14.240
Stephanie Stahl: Das stimmt.

00:05:15.240
Raúl Krauthausen: Was ich super interessant fand, weil ich mich dann gefragt

habe, ob es da vielleicht sogar Effekte gibt, die man mitnehmen kann aus dem Jurastudium in die Psychologie rein oder umgekehrt.

00:05:26.240
Stephanie Stahl: Ich würde sagen ja, wobei ich habe ja nicht lange Jura studiert. Mir war das ja schon

in einem Semester zu langweilig. Aber sowohl Juristen als auch Psychologen sind ziemlich trainiert darin, in sprachlichen Strukturen zu denken und Problemstellungen schnell zu erfassen. Da sind ja Juristen und Juristinnen ausgesprochen gut drin, ein Problem schnell zu erkennen und die Struktur des Problems zu erkennen und schnell eine Idee davon zu entwickeln, also worin die Lösung liegen könnte oder wie man sich jetzt anstellt mit der Lösung. Das heißt, Juristen und Juristinnen sind sehr gut darin, sich schnell in neue Zusammenhänge reinzudenken. Und da ist durchaus eine Parallele zu den Psychologen.

00:06:09.400
Raúl Krauthausen: Wobei es bei Juristen ja in der Regel auch eine Gegenpartei gibt, die den gleichen

Sachverhalt anders bewertet. Gibt es das in der Psychologie so auch?

00:06:20.480
Stephanie Stahl: Ja, als ich Gutachterin war, da hatte ich die Situation. Ich hab ja sehr, sehr lange

psychologische Gutachten fürs Familiengericht gemacht. Und da hatte ich es ja häufig mit Eltern zu tun, die sehr zerstritten waren und vollkommen unterschiedliche Auffassungen darüber waren, wo das Kind jetzt leben soll und wie der Aufenthalt geregelt wird und so weiter. Das heißt, da hatte ich es auch mit ausgesprochen hochstrittigen Fällen zu tun als psychologische Gutachterin. Und wo man auch damit zu tun hat, ist natürlich in der Paartherapie oft, dass ein Paar ankommt und sehr unterschiedliche Auffassungen darüber vertritt, warum diese Beziehung so schwierig ist.

00:06:55.640
Raúl Krauthausen: Aber wenn es jetzt zwei Psychologinnen in diesem Raum säßen, würden die dann

auch zu unterschiedlichen Schlüssen kommen?

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00:07:03.680
Stephanie Stahl: Das kann durchaus passieren, weil wir haben ja in der Psychologie unterschiedliche

Schulen und wobei ich glaube, dass das irgendwann sich aufheben wird und die Wege alle zusammenfließen in einen großen roten dicken Faden, in einen großen Strang. Aber das kann absolut passieren, dass eine Psychoanalytikerin und ein Verhaltenstherapeut sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten.

00:07:30.360
Raúl Krauthausen: Aber Sie würden irgendwann zu selben Erkenntnis kommen?

00:07:32.840
Stephanie Stahl: Oh da bin ich jetzt ein bisschen überfragt? Also so weit habe ich da noch nicht

drüber nachgedacht. Weiß ich nicht. Nicht zwangsläufig. 00:07:40.360

Raúl Krauthausen: Deine Mutter ist Heilpraktikerin, habe ich gelesen. Hat das einen Einfluss auf deine Berufswahl als Psychologin gehabt?

00:07:50.360
Stephanie Stahl: Also meine Mutter war auch Heilpraktikerin für Psychotherapie und meine Mutter

war so, was psychologisches Denken betrifft, was Menschenkenntnis betrifft, eigentlich so, ich würde mal sagen, so ein Naturtalent, die hatte da einfach eine hohe Begabung auch in dem Bereich. Und ich denke, dass mich das auf jeden Fall beeinflusst hat. Also erstmal, weil sich ja doch auch viele Gespräche darum zu Hause drehten, um Menschen, über Menschen, über wie wer tickt, warum jemand sich so verhält und nicht anders. Zum anderen hat meine Mutter, die sich ja so sehr für diese Themen interessiert hat, die Psychologie heute, die kam damals raus, da war ich 15 Jahre alt, mit dem ersten Heft abonniert. Und ich habe die auch immer verschlungen. Also da sind auf jeden Fall ganz schöne auch Prägungen entstanden durch das Elternhaus.

00:08:40.280
Raúl Krauthausen: Und ist es denn so, dass meine Mutter ist Ärztin und ich habe viel mit ihr über,

keine Ahnung, alternative Medizin gesprochen, über Globuli und was es da auch alles noch an Therapieformen gibt. Und sie hat dann irgendwann gesagt, dass sie aufgehört hat, nach der Wahrheit zu suchen, weil am Ende des Tages galt für sie dann irgendwann, wer heilt hat recht. Und solange es den Patienten danach besser geht, ist eigentlich irrelevant, warum es gewirkt hat oder ob es gewirkt hat oder wie. Würdest du dem zustimmen? Wer heilt, hat Recht.

00:09:16.640
Stephanie Stahl: Ich finde, das ist ein wahnsinnig weisen Spruch von deiner Mutter, wirklich weise.

Finde ich auch ein sehr schönes Wording „Wer heilt, hat Recht“. Ja, dem kann ich zustimmen. Also

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meine Mutter war sehr erfolgreich, die hat vielen Menschen wirklich sehr, sehr geholfen. Und richtig, aber in der Schulmedizin oder mit wissenschaftlichen Untersuchungen ist die Heilpraktikerkunde ja nicht anerkannt oder nicht besonders gut belegt. Aber auch ich selbst mache immer mal wieder die Erfahrung, dass manche Sachen sehr helfen. Nehmen wir Arnika. Ich hatte eine OP an den Augen. Da sagte mir sogar noch eine Schulmedizinerin, nehmen Sie Arnika, das beschleunigt die Wundheilung. Das stimmt, das hat meine Mutter auch immer gesagt. Da hab ich mir direkt noch mal diese Anika- Globuli gekauft. Die Wundheilung war wirklich sehr schnell. Und war schneller als der andere Schulmediziner, der mich eben auch mitbehandelt hat, geschätzt hatte. Der hat gesagt, es wird ungefähr drei Wochen dauern. Aber es hat nur eine Woche gedauert mit diesen Globuli. Warum auch immer. Wenn man die jetzt wieder testen würde, hieß es wieder, das wirkt ja alles nicht. Aber ich selbst hab auch schon oft die Erfahrung gemacht, dass es wirkt.

00:10:27.120
Raúl Krauthausen: Was war für dich der Beweggrund mit Jura aufzuhören?

00:10:29.360
Stephanie Stahl: Ich fand das so langweilig. Ich fand die Texte so langweilig. Also ich war ja schon

immer eine Freundin von gutem Deutsch. Und die juristischen Texte sind kein gutes Deutsch. Die sind so furztlangweilig zu lesen und so anstrengend. Und ich fand das einfach langweilig. Und ich wollte ja eigentlich sowieso immer Psychologie studieren. Das hat mich viel mehr interessiert. Aber der NC war ja immer wahnsinnig hoch auf Psychologie. Der lag immer so bei 1, 1,0, 1,1, sowas. Und ich hatte so ein 2er-Abi gemacht. Dann bin ich noch mal zur Studienberatung gegangen, nachdem ich keinen Bock mehr auf Jura hatte. Und merkwürdigerweise, ich glaube, das war auch eine einmalige Sache, kein Mensch weiß, warum, war auf einmal der NC für Psychologie bei 2,3. Und damit bin ich reingekommen und hab gewechselt. Und ich glaube, seitdem ist er auch wieder nur bei 1,0. Also der ist irre hoch, ich glaube, nach wie vor.

00:11:21.000
Raúl Krauthausen: Aber wenn du jetzt quasi Psychologie studiert hast und dann jahrelang als

Psychologin gearbeitet hast. Wie kam denn dann der Sprung von der normalen Psychologin, sage ich jetzt mal, zur Autorin und Podcasterin?

00:11:34.440
Stephanie Stahl: Ja, also erst mal war ja die Autorin da. Und das kam eigentlich durch einen

komischen Zufall. Ich hatte…Ich saß abends beim Glas Wein mit einer Freundin und dann… Ich hatte damals auch einen festen Freund und der rief an, der war gerade aber im Ausland beruflich. Und da haben wir uns gestritten am Telefon. Dann habe ich aufgelegt und zu meiner Freundin gesagt, ich glaube, das liegt daran, dass der sowieso, ich sage jetzt keinen Namen, so ein Introvertierter ist, und ich bin eher extrovertiert. Und überhaupt, da gibt es ja so viele Unterschiede zwischen diesen beiden

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Typen. Und da hängt ja an Persönlichkeitsmerkmalen auch so viel dran, ob man eher Extro oder eher Intro ist. Darüber müsste man eigentlich mal ein Buch schreiben. Das ist den meisten Laien ja überhaupt nicht bewusst. Und so ist halt die erste Buchidee entstanden. Und dann haben wir aber nicht nur ein Buch über Intr-o und Extroversion geschrieben, sondern über dieses Konzept der Persönlichkeitstypen, auf das wir dann bei unseren Recherchen gestoßen sind. Und wir waren hellauf begeistert und überhaupt nicht verstanden, warum das in Deutschland noch nicht bekannt ist. Und so ist halt mein erstes Buch „So bin ich eben“ entstanden. Und da geht es ja darum, was wir so genetisch in die Wiege gelegt bekommen, einfach schon mal so an Kerneigenschaften, die jetzt unabhängig von unserer Erziehung existieren. Die Introversion ist zum Beispiel im hohen Anteil genetisch bedingt. Und da hängt wirklich, also die Intros, die sind ja eher so besonnen etwas zögerlich. Man sieht es auch schon am Kleidungsstil, da sind sie zurückhaltender. Sie haben reichhaltige Innenwelten, sie tanken ihre Energie auf. Eigentlich im Alleinsein, wenn sie ihre Ruhe haben. Die Extrovertierten sind risikobereit, Sprechdenker, tanken Energien auf, wenn sie unter Menschen sind und und und. Also es hängt ganz viele Eigenschaften daran. Und das ist alles genetisch. Da haben die Eltern noch gar nichts gemacht bis dahin.

00:13:23.960
Raúl Krauthausen: Und wo tankst du deine Energien auf? Du hast gesagt, du bist selber eher

extrovertiert, also unter Leuten.

00:13:30.200
Stephanie Stahl: Ja, ich also eigentlich beides. Ich tanke sie auch gerne mal beim Lesen auf oder so.

Aber ich bin schon ein Typ, also wenn du mich fragst. Feierabend, das ist ja jetzt so die typische Situation. Du hast vielleicht einen Arbeitsalltag hinter dir. Also deine Batterien sind schon ein bisschen empty. Und was macht dich jetzt mehr an? Ein Treffen mit Freunden? So geselliges Beisammensein? Oder macht es dich mehr an, jetzt erst mal allein auf der Couch zu liegen? Und am besten soll dich keiner ansprechen. Und du willst einfach nur deine Ruhe haben. Und die meisten Extros macht halt das Treffen mit Freunden mehr an. Und die meisten Intros macht es mehr an, wenn sie erst mal komplett ihre Ruhe haben. Und im Alleinsein, also vom Computer oder vom Fernseher oder mit dem Buch oder im Garten oder beim Angeln whatsoever ihre Batterien auftanken.

00:14:20.560
Raúl Krauthausen: Aber wie viel Flucht steckt da eigentlich drin? Also ich bin ja, glaube ich, auch

eher so ein extrovertierter Mensch. Und ich habe mich dann irgendwann gefragt, ob ich eigentlich vor mir selber fliehe. Oder dem Nachdenken, dem Grübeln.

00:14:35.680
Stephanie Stahl: Ja, das ist ein anderes Konzept. Also das ist unabhängig, ob du jetzt extro oder

introvertiert bist. Du kannst als introvertierter genauso gut flüchten vor deinen inneren Gespenstern

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und deinen inneren Ängsten wie ein extrovertierter flüchten kann. Die Fluchtwege sind vielleicht anders. Ja, vielleicht verliert sich der Intro total in Computerspielen. Ja, sackt also komplett in der virtuellen Welt ab. Ja, kann tagelang, wochenlang allein sein und ist voll in dieser virtuellen Welt. einfach jetzt mal um ein Beispiel aufzumachen und der Extro flüchtet sich vielleicht eher in die Party- Szene und Drogenwelt, ja, also geht mehr nach außen in seiner Flucht, weil die Neigung unangenehme Gefühle, die einen belasten, die weh tun, die schmerzhaft sind, Angstgefühle, Schamgefühle, alles, was uns einfach auch an negativen Gefühlen so stressen kann, dass wir die gern vermeiden wollen, dass wir das nicht fühlen wollen, die ist uns ja in die Wiege gelegt, das gehört auch zu zu unseren vier psychischen Grundbedürfnissen. Wir haben nur vier psychische Grundbedürfnisse. Und das vierte Grundbedürfnis ist das, dass wir alle drauf aus sind, uns gut zu fühlen, also gute Gefühle zu haben. Und drauf aus sind, negative, belastende Gefühle zu vermeiden. Und da ist die Flucht halt ein beliebter Weg, um diesen Gefühlen aus dem Weg zu gehen.

00:15:58.120
Raúl Krauthausen: Aber holt einen das immer ein? Oder kann man damit bis zu seinem Lebensende

eine gute Strategie fahren?

00:16:04.480
Stephanie Stahl: Ich glaube, das kommt so ein bisschen aufs Themengebiet an. Also wenn es etwas ist,

was so tief in dir drin sitzt, also zum Beispiel einfach so ein Minderwertigkeitskomplex, dass du immer so das Gefühl hast, boah, die anderen sind wertvoller als ich, ich bringe es nicht, ich bin Loser, ich bin Versager, ich sehe scheiße aus. Also wenn du so ein tiefes Gefühl von Minderwertigkeit in dir hast, das wird dich immer wieder einholen. Da ist es besser, das wirklich zu bearbeiten. Aber es gibt ja auch so Probleme, die, ich sage mal Liebeskummer. Man hat akut Liebeskummer und da kann Ablenkung auch wahnsinnig wohltun. Und eine feste Tagesstruktur, dass man eben nicht komplett versackt und versumpft in diesem Gefühl, sondern sich durch eine äußere Struktur einfach auch ein bisschen Ablenkung verschafft. Und irgendwann ist der Liebeskummer ja auch weg. Und dann war es nicht die schlechteste Strategie, sich einfach auch abzulenken und nicht ständig in diesem Gefühl zu versacken.

00:17:02.200
Raúl Krauthausen: Um den Beruf der Psychologin oder des Psychologen gibt es ja eine Menge

Klischees oder eben auch so Sätze, die man wahrscheinlich auch ständig unterstellt bekommt, dass man sie hört oder sagt. Ich kann mir vorstellen, sowas wie „Analysierst du mich gerade?“ oder keine Ahnung, Psychologinnen, die das studieren, die wollen ja nur ihre eigenen Komplexe lösen. Das sind so die zweigängigen Klischees, die ich kenne. Wirst du in deinem Alltag oft um Rat gefragt von Freunden?

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00:17:35.840
Stephanie Stahl: Das waren jetzt 2 Fragen auf einmal. Ich beantworte mal erst die 1.

00:17:38.160
Raúl Krauthausen: Gerne alle auf einmal.

00:17:41.640
Stephanie Stahl: Was die Klischees betrifft, in beiden Sätzen steckt ja eine Angst. Die haben ja alle

selber Probleme. Ist ja so, was wir gerne machen, wenn wir so Angst haben. Jemand könnte uns das durchschauen und weiß direkt, was mein Problem ist. Oder der würde mich jetzt analysieren, dann löst das ja Unsicherheit aus. Das verunsichert ja Menschen. Und Unsicherheit, selbst Unsicherheit, macht ja schnell aggressiv. Das kennt jeder. Wenn man unsicher ist, dass man gerne mal so ein bisschen in die Aggression reingeht. Und daher ist ja diese Aggression, die haben doch selber alle einen an der Klatsche. Also ich fühle mich eigentlich ein bisschen minderwertig, vielleicht in der Gegenwart eines Psychologen oder verunsichert und werte den anderen dann ab, also dem Psychologen, um wieder auf Augenhöhe zu kommen. Das ist ja eine ganz beliebte Strategie, die in allen möglichen Kontexten immer wieder stattfindet. Oder zu sagen, was hast du eben gesagt, das andere war, analysierst du mich gerade, genau. Das ist ja dasselbe, eben diese Angst, jetzt irgendwie durchschaut zu werden. Und dann kommt schnell die Abwertung. Also Psychologe im Privatleben ist nicht immer so ein dankbarer Beruf, weil es manche Menschen halt wirklich verunsichert. Der zweite Teil deiner Frage ist, ob ich oft um Rat gefragt werde. Ich glaube, ich würde normal oft um Rat gefragt im Freundeskreis. Ich glaube, ich würde vielleicht nicht weniger um Rat gefragt, wenn ich keine Psychologin wäre. Weil unter Freunden ist das ja eigentlich das ist eine übliche Strategie, wenn man ein Problem hat, dass man mit einer Freundin spricht und sagt, wie siehst du das? Ich komme an der Stelle nicht weiter oder mir geht es total schlecht. Im Freundeskreis habe ich nicht das Gefühl, dass ich da über die Maßen um Rat gefragt werde. Natürlich werde ich um Rat gefragt. Mein Rat wird natürlich auch geschätzt von vielen Freundinnen und Freunden. Ansonsten werde ich dann eher professionell um Rat gefragt.

00:19:42.240
Raúl Krauthausen: Und gibt es einen Ratschlag, den du als Psychologin deinen Patientinnen oder

Klientinnen gibst, der dir selber aber schwerfällt umzusetzen?

00:19:53.240
Stephanie Stahl: Oh, das ist eine Frage, die hätte ich mal… Ich bin zwar als extrovertierte

Sprechdenkerin, aber ich muss das mal überlegen. Die gibt es auf jeden Fall.

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00:20:06.240
Raúl Krauthausen: Also im Freundeskreis meiner Mutter, die ja Ärztin ist und ihre Freundinnen oft

auch Ärzte sind, also das sind Raucher, die trinken Alkohol. Und das ist doch der erste Rat, den man hört. Ja, trinken Sie wenig Alkohol, achten Sie auf Ihren Körper.

00:20:20.040
Stephanie Stahl: Ja, ja, ja, ja, ja. Würde bei mir auch in die Richtung gehen. Ich trinke auch sehr

gerne Wein und genau. Aber jetzt auf der psychologischen Ebene. Bei mir ist es ja so, dass ich eigentlich mit sehr klaren Strategien arbeite als Psychologin, weil das ist auch mal in meinem neuesten Buch „Wer wir sind“, da mache ich ja so den Bauplan der Psyche, beschreibe ich
da ja. Und wenn wir aber alle gleich psychisch strukturiert sind, dann sind natürlich die Lösungswege auch nicht so wahnsinnig, jedes Mal neu und originell und individuell. Und das, was ja das Aller, Allerwichtigste ist, dass man lernt, die Vergangenheit von der Gegenwart zu unterscheiden.

Also, dass alte Prägungen, alte Erfahrungen, die man gesammelt hat in der Vergangenheit, nicht immer wieder meine Erwartungshaltung in der Gegenwart bestimmen. Also wenn ich als Kind z.B. häufig die Erfahrung gemacht habe, dass ich irgendwie nicht wirklich so mich akzeptiert fühle,
dass ich mich nicht wirklich verstanden fühle, dass ich das Gefühl habe, ich bin hier nicht willkommen. Dass ich dann erwarte als Erwachsene, wenn ich irgendwo bin, wahrscheinlich bin ich nicht willkommen oder die mögen mich nicht. Und wirklich dann zu verstehen, hey, das waren vollkommen willkürliche Prägungen in der Vergangenheit. reinste Willkür, wären deine Eltern ein bisschen anders drauf gewesen, dann hättest du heute auch andere Prägungen. Und diese Prägungen sagen eigentlich überhaupt nichts über dich aus, sondern eigentlich eher etwas über deine Eltern aus. Und wenn man sich diese Zusammenhänge immer klarer macht, sich dann eigentlich auch aus diesem Korsett seines geprägten Gehirns befreien kann, ja? Und einfach neue Entscheidungen treffen kann. Und das ist halt so fundamental und so generell, dass ich sagen würde, das habe ich als Psychologin selber auch verstanden. Und kann danach leben.

00:22:11.040
Raúl Krauthausen: Okay, aber gelingt es dir auch dann regelmäßig?

00:22:14.040
Stephanie Stahl: Ja, sagen wir mal so, ich würde mal sagen, dass ich jetzt relativ gut aufgestellt bin in

meinem Erwachsenenleben. Was ja nicht heißt, dass ich durchaus mal gekränkt sein kann, oder wütend sein kann, oder ein bisschen impulsiv bin. Das passt ja zu mir als Extrovertierte, dass wir manchmal die Zündschnur nicht so lang ist oder wir so ein bisschen zu Ungeduld neigen, dann muss ich mich halt ertappen und umschalten. Das ist mein zweites Steffi-Stahl-Mantra, also überhaupt mein Steffi-Stahl-Mantra, nicht mein einziges, dass ich immer sage, ertapp dich und schalte um. Also merke, wenn du wieder in irgendeinem Film bist und sei es nur eine genetische Verhaltensdisposition, wie zum Beispiel Impulsivität, ertapp dich rechtzeitig, schalte um auf dein Erwachsenen-Ich. Hole dich

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nochmal runter und reagiere angemessen auf die Situation. Und das gelingt natürlich mal, aber auch nicht immer.

00:23:07.040
Raúl Krauthausen: Gleich geht’s weiter. Wenn du diesen Podcast unterstützen möchtest, dann kannst

du das mit einem kleinen monatlichen Beitrag tun. Im Gegenzug kannst du aktuelle Folgen vorab hören und du wirst, sofern du das möchtest, hier im Podcast auch namentlich genannt. Alle Infos findest du auf raul.de/aufzug. Ende der Service-Durchsage. Viel Spaß beim zweiten Teil der Folge.

00:23:38.480
Raúl Krauthausen: Wie entstehen eigentlich deine ganzen Bücher? Du hast ja zahlreiche Bücher zu

dem geschrieben. Bekannt bist du, glaube ich, mit dem Buch geworden „Das Kind in dir muss Heimat finden“, 2015 erschienen. Ist das dann deine eigene Empirie oder machst du da Studien oder machst du Recherche? Wie funktioniert das?

00:24:01.920
Stephanie Stahl: Das kann ich dir genau sagen. Also es ist immer, meine Bücher sind immer eine

Zusammenfügung von zwei Dingen. Das eine ist, ich bin in den Sachgebieten, wo ich schreibe, ziemlich gut informiert über den aktuellen Stand der Forschung. Deswegen gehen den Büchern auch öfter mal längere Literaturstudien voraus, bevor ich überhaupt anfange zu schreiben, dass ich, was die Wissenschaft betrifft, einen festen Stand habe, einen festen Boden unter den Füßen und nicht irgendeinen Mist dahin schreibe. Aber in der psychologischen Wissenschaft ist ja so, das ist ja auch noch ein junges Gebiet. Ich sage, da ist ja noch lange nicht alles kartografiert. Also die Landkarte ist ja noch nicht komplett aufgemalt. Und da gelingt es mir halt immer wieder, Dinge zu verbinden, die bisher gar nicht miteinander verbunden waren. Das heißt, ich füge Sachen zusammen, ich mache neue Ansätze. Ich mache dir das mal ganz konkret am Beispiel von diesem Kind, in dem es Heimat finden Buch. Diesen Ansatz vom inneren Kind, der ist uralt, den habe ich nicht erfunden. Das ist ein alter Hut. Aber was ich dann daraus gemacht habe, das ist wiederum neu. Und das habe ich auch aus meiner psychotherapeutischen Erfahrung entwickelt, dieses Konzept. Das innere Kind war früher immer nur so Gefühl. Also man hatte eine alte Kindheitsprägung, ist vielleicht als Kind oft zurechtgewiesen worden. Also man hat oft gehört, das war jetzt wieder nicht gut genug, was stellst du dich so dumm an? Und hat als Kind sich deswegen oft geschämt. Und jetzt als Erwachsener mit diesem inneren Kind als Metapher für diese alten Prägungen ist man dann schnell getriggert und jemand zieht nur die Augenbrauen hoch und man denkt, oh, was habe ich jetzt wieder falsch gemacht? Und schon wieder kommt dieses alte Schamgefühl hoch. Ja, also dieses alte Gefühl. Und früher war das innere Kind halt immer nur diese alten Gefühle. Und ich habe dann gesagt, nee, das sind aber auch die Glaubenssätze. Also welche Glaubenssätze gehören dazu? Zum Beispiel, ich genüge nicht, ich bin wertlos, was auch immer. Also welche Glaubenssätze? Und ich habe dem hinzugefügt, was

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mache ich denn eigentlich damit? Also diese Selbstschutzstrategien, dass ich so ein Gefühl habe, ich genüge nicht und das denke und diesen Glaubenssatz und mich schnell schäme deswegen. Ja, aber was mache ich denn, um das zu kompensieren? Ja, zum Beispiel, ich versuche, alles perfekt zu machen. Ich versuche, alle Erwartungen zu erfüllen. Ich versuche, möglichst jeglichen Fehler zu vermeiden. Ich lebe stark in der Defensive. d.h. ich gehe manchen Herausforderungen auch aus dem Weg, weil ich keinen Bock habe zu scheitern. Also mache ich es lieber erst gar nicht. Das sind dann ja „Selbstschutzstrategien“. Das habe ich diesem Ansatz auch hinzugefügt. Und dann diese Übung, dass man das auch wirklich mal aufmalt, sein Schattenkind, das Wording ist auch von mir, dass ich erfunden habe, wir haben so eine Art Schattenkind. Das ist der Anteil, der schwierig ist, schwierige Prägungen, wo ich immer wieder in dieselbe Falle laufe. Und das Sonnenkind habe ich dem als Pendant gegenübergesetzt. Das Sonnenkind steht für unsere guten Prägungen, was auch gut gelaufen ist, aber eben auch für all das, was wir uns jetzt als Erwachsene neu gestalten können. Wir sind ja nicht mehr klein und abhängig von Mama und Papa. Ich habe einen ganz neuen Ansatz daraus kreiert. Und ich habe psychologische Konzepte, die bisher unverbunden waren, eben auch miteinander verbunden. Und so kreiere ich meine Bücher. Es ist selten, eigentlich nur bei „So bin ich eben“ war es so, dass ich einfach nur das noch mal wirklich schön und neu beschreibe und für Deutsche gut verständlich beschreibe, was es schon gibt. Weil dieses „So bin ich eben“-Konzept, wo es um die Persönlichkeitstypen ging, Konzept, was so existiert in der Welt zurückgegriffen, hat mich darauf bezogen. Aber in allen anderen Büchern steckt auch viel Originalität.

00:27:46.280
Raúl Krauthausen: Was ich mich bei sowas immer frage, also wirklich tut mir leid, wenn ich da jetzt

vielleicht ein bisschen unbedarft reingehe, aber es gibt ja auch den Barnum-Effekt, also diesen Effekt, dass man sich immer, so ähnlich wie bei Horoskopen, dann auch in irgendetwas wiederfindet. Also wir hatten alle eine Kindheit und natürlich gab es in unserer Kindheit, egal wer, irgendwelche Niederlagen oder schmerzhaften Erfahrungen, die ja nicht automatisch Auswirkungen ins Erwachsenenleben tragen müssen. Das heißt, ich kann mich ja theoretisch auch überhinterfragen oder überproblematisieren, wo es vielleicht eigentlich eine relativ normale Kindheitserfahrung ist. Normal in Anführungsstrichen natürlich.

00:28:32.160
Stephanie Stahl: Also die meisten Menschen haben ja ein sehr genaues Gefühl dafür, wo sie immer

wieder sich verstricken, wo sie immer wieder in Sackkassen laufen, wo sie immer wieder in Gefühlssituationen kommen, die sie richtig, richtig belasten. Das heißt, sie haben ja einen Leidensdruck.

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00:28:46.560
Raúl Krauthausen: Also sobald das so quasi ein gewisses Maß überschreitet, sollte man hellhörig

werden.

00:28:53.160
Stephanie Stahl: Ja, aber ich finde auch überhaupt, weil jedes Gehirn auf der Welt hat eine komplett

subjektive Prägung. Weil jedes Gehirn auf der Welt unfertig auf die Welt kommt und sich so entwickelt, also mit der Umwelt entwickelt, also mit der Umwelt interagiert und so entwickelt, wie seine Umwelt ist. Und die wenigsten Umwelten sind nur gut oder nur gesund. Also jeder hat irgendwo seine Prägung. Und wenn ich, ich sag mal so, die Prägung ist die Brille, durch die ich meine persönliche Welt sehe. Und wenn ich gar nicht merke, dass ich überhaupt eine Brille auf der Nase habe, die auch ein paar Wahrnehmungsverzerrungen hat, die ein paar Filter hat, dann bin ich immer voll identifiziert und dann glaube ich alles, was ich fühle und denke und interagiere auch eben nicht nur aus meinen gesunden Anteilen der Persönlichkeit, sondern eben auch aus den weniger gesunden Anteilen aus der Persönlichkeit. Und mir ist es ehrlich noch selten passiert, dass Leute sich überanalysieren, beziehungsweise wenn sie es tun, dann sind sie irgendwie auf dem falschen Pfad. Also sie denken an über die falschen Sachen nach, also laufen in die falsche Richtung. Aber es gibt Millionen und über Millionen und Milliarden Menschen da draußen, die sich unteranalysieren. Weil sonst hätten wir ja das ganze Elend auf der Welt nicht. Also wenn jeder Mensch wirklich reflektiert wäre, dann hätten wir keine Kriege, dann hätten wir keine Armut, dann hätten wir keine Klimakatastrophe. Das hängt ja ganz, ganz viel. Das allergrößte Leid auf dieser Welt ist ja alles menschengemacht. Alles menschengemacht. Und Menschen, die einfach nicht genügend sich reflektieren, auch die Prägung ihrer Kultur zum Teil nicht richtig reflektieren, Stichwort weibliche Beschneidung und so Sachen. Es passieren ja überall auch kulturell grausame Sachen und religiös grausame Sachen, weil die Menschen das nicht genügend reflektieren. Also die Gefahr, dass jemand zu viel reflektiert, die fand ich aber so was von Verschwinden gegen 0,0 und Millionen-Null-Prozent im Unterschied zu, dass jemand zu wenig reflektiert.

00:30:58.000
Raúl Krauthausen: Ja, nee, da hast du natürlich recht. Ich meine jetzt auch nicht zu viel im Sinne von

Übertherapieren, sondern ich meine damit, zu viel vielleicht in die falsche Richtung, wie du sagst, gelaufen sind. Aber wenn ein Buch nun mal heißt „Das Kind in dir muss Heimat finden“, dann gehe ich als potenzielle Kund*in davon aus, dass irgendwas mit meiner Kindheit nicht in Ordnung ist. Weil es muss ja Heimat finden. Und es kann oder wird oder darf Heimat finden. Verstehst du, was ich meine? Es gibt eine Art Heilungsdruck vielleicht beim Lesen dieser These, das innere Kind, das Maß aller Dinge ist.

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00:31:35.680
Stephanie Stahl: Das finde ich sehr intellektuell. Tatsächlich ist mir noch keiner persönlich begegnet,

der mir sagte, Steffi, dein Buch hat mir so einen Heilungsdruck gemacht. Das muss ich erst mal zur Seite legen. Also das habe ich noch nicht gehört, ehrlich gesagt.

00:31:49.320
Raúl Krauthausen: Okay, gut, dann lassen wir es.

00:31:51.480
Stephanie Stahl: Bücher sind ja auch ungefährlich. Ich sage immer, ein guter Ratgeber kann im

Übrigen mehr helfen als eine schlechte Psychotherapie. Das ist auch was viele, viele Menschen mir auch schon zurückgemeldet haben. Dass sie sagen, dein Buch hat mir tatsächlich mehr geholfen als die eine oder andere Psychotherapie, die ich vorher gemacht habe. Wobei es natürlich auch wahnsinnig viele Kollegen und Kolleginnen gibt, die super Arbeit leisten. Aber bei uns Psychotherapeuten ist es wie in allen Berufen. Es gibt gute, sehr gute, mittelmäßige und schlechte. Und ein schlechter Therapeut ist viel schädlicher als ein Buch. Weil ein Buch kannst du immer noch sagen, ich lege das jetzt in die Ecke oder ich schmeiße in die Mülltonne. Ja, also, aber ein Therapeut, der dich auf eine Art und Weise behandelt, dass du dich eigentlich nach den Sitzungen immer noch kleiner und schlechter fühlst als vor der Sitzung oder die einfach vielleicht auf den falschen Weg mit dir gehen, das halte ich für problematischer als ein Buch, das man im Zweifelsfall einfach beiseite schieben kann. Und sagen, kannst mich mal. Scheiß muss ich, mein Kind, blöde Nuss, du. Aber da richte ich ja auch keinen Schaden an mit dem Buch. Ich kann gar nichts mit anfangen, ich verstehe den ganzen Hype um dieses blöde Buch da nicht.

00:33:03.200
Raúl Krauthausen: Apropos Kind. Vor ein paar Tagen war ich auf einer Veranstaltung von Menschen

mit Behinderungen, wo natürlich auch Kinder mit Behinderungen dabei waren. Und mir ist aufgefallen, dass drei Jahre alte Kinder super genau über ihre Diagnosen Bescheid wussten. Was für eine Diagnose sie haben, warum sie das haben, was das bedeutet. Und die haben sich angehört wie kleine Ärztinnen oder Ärzte. Und dann dachte ich, okay, wo kommt jetzt eigentlich dieses Wissen her? Haben die, dass die Eltern sagen, also wiederhole ich eigentlich das, was die Eltern immer gesagt haben? Und die Eltern sind so in Sorge und so weiter und so fort, dass dann einfach das Thema Medizin so ein Dauerthema ist. Dass ich mich an ein Interview erinnere, das ich mal mit Katja Seifrank geführt habe, wo ich sie gefragt habe, ob grundsätzlich alles therapiert werden muss. Also nur weil du behindert bist, heißt das ja nicht automatisch, dass das dein Thema deines Lebens werden wird.

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00:34:03.640
Stephanie Stahl: Dann heißt das nicht automatisch, dass du behindert bist.

00:34:06.640
Raúl Krauthausen: Ja, oder das eben auch. Und ich kann da aus meiner Kindheit sprechen, was meine

Eltern mich zu Therapeutinnen geschleppt haben, und ich immer nicht wusste, was ich da soll. Weil ich hatte in dem Moment andere Fragen an mein Leben als meine Behinderung. Es bricht mir dann immer so ein bisschen das Herz, wenn ich dann 3-jährige Kinder sehe, die dann so genau auch Dinge über sich selber preisgeben, wo sie gar nicht wissen, was sie da sagen.

00:34:33.000
Stephanie Stahl: Mhm. Ja, verstehe ich sehr gut. Die Sorge kann ich auch mit dir teilen. Und ich

denke, Kinder sollten vor allen Dingen Kinder sein. Und gerade bei Kindern kann man so schön auch mit Fantasie, mit Märchen und mit Magie die begleiten beim Großwerden. Und da so ein bei Dreijährigen schon so ein restloses Bewusstsein dafür zu schaffen, du, mit dir stimmt irgendwas nicht, finde ich auch nicht gut. Also da bin ich auf deiner Seite.

00:35:00.400
Raúl Krauthausen: Und das fällt mir auf, dass das später dann im Erwachsenenleben sich quasi

fortsetzt. Ich bin, sagen wir mal, jemand, der auch in der Öffentlichkeit steht, so wie du, vielleicht nicht ganz so sehr. Aber zum Thema Inklusion, denke ich, bin ich schon jemand, den man leicht googeln kann. Und jede E-Mail, die ich von einem betroffenen Menschen bekomme, bestimmt 95 Prozent, beginnen mit der Selbstdiagnose. „Hallo, mein Name ist sowieso und ich habe XYZ und mein Problem ist folgendes.“ Wo ich denke, es reicht mir doch eigentlich, wenn du mir dein Problem erzählst, ohne dass du mir deine Diagnose erzählt haben musst, um zu rechtfertigen, warum du jetzt dieses Problem hast. Also die schreiben zum Beispiel, ich bin… Ab dem 6. Halswirbel gelähmt.

00:35:45.120
Stephanie Stahl: Ah, okay.

00:35:45.640
Raúl Krauthausen: Oder keine Ahnung, bin Tetraplegiker und muss katheterisiert werden. „Mein

Problem ist die Deutsche Bahn.“ Und dann denke ich so, die ganze Info davor, die brauche ich gar nicht, wenn dein Problem die Deutsche Bahn ist.

00:36:00.120
Stephanie Stahl: Ja, aber das kann ich ja jetzt irgendwie intuitiv sofort verstehen, weil wenn ich im

Rollstuhl sitze, habe ich natürlich ein anderes Problem mit der Deutschen Bahn, als wenn ich irgendwie zwei gesunde Beine habe.

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00:36:09.960
Raúl Krauthausen: Man könnte aber sagen, ich sitze im Rollstuhl, aber ich muss ja die Diagnose

wissen.

00:36:13.640
Stephanie Stahl: Ach so, jetzt verstehe ich, was du meinst.

00:36:15.440
Raúl Krauthausen: Und ich glaube, das kommt daher, dass junge Menschen einfach schon dass sie

aber immer gelernt haben, zu wiederholen, zu wiederholen.

00:36:21.680
Stephanie Stahl: Da gebe ich dir recht. Natürlich, weil das dann ja auch sehr stark ins Selbstbild

einfließt. 00:36:26.080

Raúl Krauthausen: Genau. 00:36:27.080

Stephanie Stahl: Das prägt dann ja auch das Selbstbild. Und wie du eben sagtest, deine Eltern, die sind ja wohlmeinend. Die wollten dir ja Unterstützung zukommen lassen, mit dir zu Therapeuten gegangen. Und du hast gesagt, ich hatte ganz andere Fragen ans Leben.

00:36:41.800
Raúl Krauthausen: Ja.

00:36:42.320
Stephanie Stahl: Das heißt, sie haben dich eigentlich mehr, dir mehr ein Defizitempfinden gegeben,

als es überhaupt nötig gewesen wäre, weil du aus dir heraus ja gar nicht so dieses Defizitempfinden hattest, wenn ich dich richtig verstanden habe.

00:36:53.560
Raúl Krauthausen: Genau und das, was ich dann später entwickelt habe oder hatte, da waren dann

meine Eltern nicht mehr für mich zuständig. Da musste ich mir dann selber quasi Therapien suchen. Das war total interessant, auch so zu merken, dass das muss ja aus einem selbst herauskommen und nicht, weil man vermutet, der könnte das und das Problem haben, ihn dann irgendwo hinzuschicken.

00:37:15.480
Stephanie Stahl: Ja, also ich denke, das ist ein sehr, sehr sensibles Gebiet, was auch nicht pauschal zu

beantworten ist. Weil auf der anderen Seite ist es ja auch Aufgabe der Eltern, manchmal sehr feinfühlig wahrzunehmen, wo das Kind Probleme hat, die es aber selber vielleicht gar nicht so gut

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artikulieren kann, weil es das selbst nicht so reflektieren kann und das einfach auch nicht so gut in Worte packen kann. Also nicht jedes Kind kann ja explizit sagen, irgendwie mit fünf oder sechs oder acht Jahren, „Du, Mama, ich hab da echt jetzt Minderwertigkeitsgefühle entwickelt, weil so und so, und die anderen mich mobben. Bitte hilf mir mal und geh mit mir zum Psychotherapeuten oder geh mit mir sonst wohin.“

00:37:53.160
Raúl Krauthausen: Ja, das stimmt.

00:37:55.800
Stephanie Stahl: D.h. das ist ja so ein zweischneidiges Schwert. Da muss man halt auch immer genau

gucken, wie ist mein Kind drauf, wie geht mein Kind damit um, dass es so ist, wie es ist. Und, ähm, ja. 00:38:06.760

Raúl Krauthausen: Jetzt hatten wir vor Kurzem erst, oder haben ja eigentlich immer noch, sagen wir mal, offiziell beendet, Corona, wo ganz viele Psychologinnen und Politiker*innen auch die Sorge geäußert haben, dass das auch Auswirkungen auf unsere Psyche hat. Kannst du das bestätigen? Wenn ja, welche?

00:38:25.520
Stephanie Stahl: Also pauschal kann ich da zu wenig sagen, weil ich dieses Thema tatsächlich

irgendwie, ich sag mal, hinter mir gelassen habe. Und selbst in meinen psychologischen Gesprächen, dass eigentlich keine besondere Rolle spielt. Ich bekomme aber mit, dass manche Menschen, auch einer in meinem familiären Kreis, irgendwie abgerutscht sind in dieser Zeit. Also an den Menschen, an denen ich jetzt denke, der hat sich halt sehr stark isoliert, weil er Asthma als Vorerkrankung hat, also starkes Asthma. Und ist in dieser Isolation irgendwie abgerutscht, hat zu viel getrunken und hat so richtig den Boden unter den Füßen verloren und hat den Boden jetzt auch noch nicht wiederbekommen. Es ist natürlich auch häufig so, dass die Menschen, die dann abrutschen, natürlich auch oft vorher schon verletzbar waren oder vulnerable waren, also vorher schon eine Prädisposition mitgebracht haben. Also jetzt, wenn ich an meinen Familienfall denke, er war vorher auch nicht so super sozial immer eingebunden. Ja, klar, er hatte seine sozialen Kontakte, er hatte auch ein, zwei Freunde, aber es hätte durchaus mehr sein können. Und schon vorher, also, dass häufig die, die Corona dann noch mal besonders gewaffelt hat, schon vorher ein bisschen wackelig manchmal auf den Füßen waren und Corona ihnen dann sozusagen noch den Rest gegeben hat.

00:39:56.400
Raúl Krauthausen: Aber es kann auch, das habe ich jetzt in der Corona-Zeit bei einem Podcast,

Kinderpsychologen-Podcast gehört, es kann auch für viele Kinder zum Beispiel eine Erleichterung gebracht haben, weil zum Beispiel der Schuldruck in der Klasse plötzlich weg war und man im

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eigenen Tempo lernen konnte. Oder auch das FOMO, die Angst, was zu verpassen, für viele einfach weg war.

00:40:23.400
Stephanie Stahl: Ja, ja, ja. Jeder hat ja auch Corona anders erlebt. Und es kommt ja auch wahnsinnig

auf diesen familienbackground drauf an. So wie Kinder jetzt Homeschooling erlebt haben, wie überfordert Eltern waren oder auch gar nicht überfordert waren. Ich sag, besonders Glück hatten die Kleinsten, die Kita-Kinder. Weil die Kinder leider heute rein jetzt vom Hirnbiologischen, ich beziehe mich da jetzt völlig auf die Wissenschaft, leider zu früh oft in die Kita kommen. Da dachte ich, die haben jetzt alle schon mal Glück. Die können jetzt bei ihren Eltern bleiben. Und genau, es ist sehr, sehr unterschiedlich.

00:40:57.080
Raúl Krauthausen: Die Kinder kommen zu früh zur Kita, sagst du?

00:40:59.320
Stephanie Stahl: Das sage nicht ich, das sagt die ganze Bildungsforschung.

00:41:02.520
Raúl Krauthausen: Was wäre denn das richtige Alter?

00:41:04.600
Stephanie Stahl: Ja, also ich muss da ein bisschen ausholen. Es ist auch ein schwieriges Thema, weil

wir ja auch in gesellschaftlichen Strukturen leben. Und die gesellschaftlichen Strukturen ja nicht so sind, dass Eltern, Mütter, Väter immer so die Möglichkeiten haben, sich da auch anders zu entscheiden. Deswegen ist das natürlich auch ein sehr sensibles Thema. Aber wenn ich mich jetzt mal nur auf die Bindungsforschung beziehe, und die ist da einmütig und eindeutig, ist es ja so, dass mit diesem unfertigen Gehirn, mit dem wir auf die Welt kommen, Kinder nicht vom Gehirn her in der Lage sind, selbst Stress zu regulieren. Und die Kinder brauchen vor allem im 1. Lebensjahr ein unheimlich hohes Erleben von Sicherheit. D.h. wenn sie schreien, wenn sie Stress haben, dass Mama oder Papa kommt und ihnen diesen Stress abnehmen. Und gerade die Mama, das ist biologisch einfach so, ist die schnellste Beruhigungsperson, weil das Kind die Mama so gut kennt von der Schwangerschaft. Das ist so vertraut, der Geruch, der Herzschlag, die Stimme. Die ist am besten geeignet, dem ganz kleinen Kind den Stress abzunehmen. Und dann spuren sich, wenn das immer wieder passiert, dass der Stress durch die Eltern abgenommen wird, weil das Gehirn des Kindes kann Stress nicht selbst regulieren. Dann spurt sich im Gehirn des Kindes ungefähr mit einem zweieinhalbsten Lebensjahr so ein Kreislauf ein. Von Stresshormonen wird ausgeschüttet, aber dann wird auch das Beruhigungshormon ausgeschüttet, dass das Gehirn das allmählich selber leisten kann. Und das heißt, diese Gehirnentwicklung und diese ganze Bindungsentwicklung und die Stressregulation, das wird alles

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noch angelegt in den ersten zwei Lebensjahren. Und wenn man sich das irgendwie leisten kann, von den Lebensumständen, sollte man das Kind eigentlich nicht vor 2,5, 3 Jahren in die Kita geben.

00:42:53.080
Raúl Krauthausen: Noch mal kurz zu dem Thema Kind, das fände ich ganz spannend. Es gibt ja

trotzdem Menschen, die von sich sagen, dass sie eigentlich eine ganz schöne Kindheit haben. Und dann aber eine Depression bekamen im Erwachsenenleben. Kann man alles auf das innere Kind berufen?

00:43:13.080
Stephanie Stahl: Nein. Nein, nein, nein. Man kann auch nicht alle Entwicklungsverläufe von Kindern

sagen, da sind die Eltern jetzt dran schuld. Ja, also Kinder bringen einfach ihr eigenes mit auf die Welt, bringen ihre eigenen Gene mit auf die Welt. Gerade Depressionen haben viele verschiedene Ursachen. Es gibt auf jeden Fall auch eine genetische Komponente, die bei vielen depressiven Erkrankungen auch eine Rolle spielt. Es gibt so was wie kritische Lebensereignisse, dass du wirklich eine sogenannte reaktive Depression hast. Das heißt, es ist ganz, ganz Schlimmes passiert in deinem Leben, und dann bist du erst mal depressiv. Es gibt drogeninduzierte Depressionen. Also, es gibt ja da sehr, sehr viele verschiedene Ursachen. Und auch eine gewisse Vulnerabilität, die manche Menschen mit auf die Welt bringen. Es ist einfach so, dass, ich glaub, 20 Prozent der Kinder haben eher so eine erhöhte Angstbereitschaft. Die kommen schon so auf die Welt. Die sind dünnhäutiger, sensibler, schreien schneller, sind schlechter zu beruhigen, sind schneller gestresst. Und dann gibt es so dickfällige Frohnaturen. Und viel ist einfach auch Gene. Du kannst nicht sagen, das sind alles die Eltern. Und auch andere Einflüsse, also Peer-Gruppen, andere Jugendliche, in welche Kreise du vielleicht als Jugendlicher gerätst, ja. Oder in welche Schule du kommst. und wenn du da echt beschissene Lehrer hast und blöde Mitschüler, also da gibt es ja ganz, ganz viele Einflussfaktoren. Aber das ist ja das, was ich in meinem Buch auch sage, du kannst all diese Übungen machen. Also ich rede jetzt von dem Buch „Das Kind, in dir muss Heimat finden“. Wende sie auf dich individuell an, weil es ist wie ein Lösungsalgorithmus. Jeder kann sein Individuelles reinpacken. Wenn du sagst, meine Kindheit war tippitoppi, aber meine Lehrer haben mich gekillt, dann mach die Übung mit deinen Lehrern. Dann wende sie so an, also für deine Lehrer oder wenn du sagst, ich hatte super liebe Eltern, aber ich hatte einen ganz fiesen Bruder. Und dieser Bruder, der hat mich so drangsaliert, dass ich bis heute da echt eine Macke von getragen hab. Dann mach die Übung mit deinem Bruder. Also das ist ja das Schöne. Jeder kann sein Individuelles darauf anwenden.

00:45:23.240
Raúl Krauthausen: Aber wenn der Bruder keinen Bock hat?

00:45:25.040
Stephanie Stahl: Nee, der muss ja gar nicht.

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00:45:26.200
Raúl Krauthausen: Der braucht gar nicht dabei sein.

00:45:27.720
Stephanie Stahl: Nein, nein. Du füllst deine Schablone aus. Du füllst dein Schattenkind darauf aus und

schreibst da nicht Mama und Papa hin, sondern Justus oder wer auch immer. 00:45:36.960

Raúl Krauthausen: Ja, ich habe den Eindruck, dass das Tabu rund um Psychotherapie, zumindest in jüngeren Generationen, immer geringer wird. Und die Erkenntnis, dass Therapie sinnvoll sein kann. Ist das etwas, wo man sagt, da entwickelt sich unsere Gesellschaft zum Guten hin?

00:45:54.160
Stephanie Stahl: Absolut, absolut. Weil ich habe es ja vorhin schon gesagt, dass ich diese

Selbstreflektionen für auch an der politischen Notwendigkeit halte. Und selbstreflektiert heißt ja, dass ich mir meiner Gefühle bewusst bin, dass ich auch einen Zugang zu meinen Gefühlen habe, dass ich mir bewusst bin darüber, wo ich manchmal, ich sage mal, eine Fehlzündung in meinem Gehirn habe, die mich immer in die falsche Richtung laufen lässt, sodass ich das verändern kann. Wenn ich Zugang zu all meinen Gefühlen habe und mir erlaube, immer authentischer zu werden, im positiven Sinne. Authentisch heißt ja nicht, dass ich nicht anpassungsfähig wäre. Man muss natürlich auch anpassungsfähig sein. Und immer mehr in meine innere Balance komme, umso weniger gestresst bin ich, umso mehr Mitgefühl und Wohlwollen kann ich auch für andere Menschen aufbringen. Ich meine, das kennt ja jeder. Wenn wir selber gerade Stress haben, entweder weil wir tatsächlich körperliche Schmerzen haben oder weil wir komplett unter Druck sind oder weil wir gerade Versagensängste haben, Prüfungsstress, was auch immer, also in einem gestressten Zustand sind, dann sind wir einfach auch nicht so in der guten Ressource, mit den anderen Menschen immer so gut umzugehen. Also plötzlich denkt man, da draußen laufen nur Idioten rum. Was fährt der Idiot denn da schon wieder so? Muss der mir jetzt im Weg stehen? Also man ist ja dann mit sich nicht nur gestresst, sondern man geht auch gestresster mit anderen Menschen um, und man hat nicht mehr so viel Wohlwollen und auch nicht viel Mitgefühl, weil man viel zu sehr mit sich selber beschäftigt ist. Und im Idealfall, wenn ich mich selbst gut reflektiere, bin ich ja am Ende des Prozesses immer weniger mit mir beschäftigt, weil ich einfach innerlich nicht mehr so viele Baustellen habe. Und wenn ich innerlich keine Baustelle habe, dann habe ich die volle Kapazität, mich auf andere Menschen zu konzentrieren und auf das Leben da draußen zu konzentrieren. Also diese Selbstreflexion führt ja zu weniger

Selbstbezüglichkeit und nicht zu mehr. 00:47:53.000

Raúl Krauthausen: Das heißt, in Zukunft werden wir, wenn das so weitergeht, weniger psychische Erkrankungen haben.

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00:47:58.680
Stephanie Stahl: Ja, das wäre sehr, sehr schön, wenn wir weniger psychische Erkrankungen hätten. Im

Moment sinken sie nicht. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Menschen viel früher erkennen, wenn sie ein Problem haben, mehr Hilfe suchen. Und auch in Fachkreisen, auch in ärztlichen Kreisen psychische Probleme auch besser diagnostiziert werden.

00:48:19.320
Raúl Krauthausen: Jetzt haben wir aber das Problem, dass wenn ich, keine Ahnung, bei der

Krankenkasse, ich sag jetzt mal AOK, also jetzt nicht Privatpatient, ich melde mich bei der AOK und sage, ich würde gerne Therapie bekommen, dass ich dann unter Umständen ein oder ein halbes Jahr warten muss, bis ich überhaupt einen Platz bekomme. Und dann wiederum, wenn der nicht passt, weil wir uns nicht gut verstehen, oder der muss ja auch einfach passen, dann bekomme ich nicht den nächsten Vorschlag, sondern muss dann wieder ein halbes Jahr oder ein Jahr warten. Haben wir zu wenig Psychotherapieplätze in Deutschland?

00:48:54.000
Stephanie Stahl: Ja, das würde ich auf jeden Fall bewahren. Bejahen, ich meine, das geht ja auch mit

anderen Fachärzten. Und Fachärztin, also Krankenkassenpatient, kann ja auch oft ewig lang auf eine absolut notwendige medizinische Untersuchung warten. Und das haben wir nicht nur in der Psychotherapie das Problem, sondern überhaupt in der medizinischen Versorgung. Und, ähm, ja, das ist … schlecht, das ist blöd, das ist bedauerlich. Und dafür ist es ja gut, auch dass es Menschen wie mich gibt, die Ratgeber schreiben, die da auch schon mal viel Zeit überbrücken können oder im günstigsten Fall sogar eine Therapie danach obsolet machen.

00:49:30.520
Raúl Krauthausen: Was hältst du von diesen ganzen Apps und Anwendungen im Smartphone?

00:49:34.560
Stephanie Stahl: Ja, ich denke, viele Apps können sehr hilfreich sein, sie gut programmiert sind und

Apps haben ja so den Vorteil, dass sie auch dieses Alltagsbegleitende haben, wo man dann auch immer wieder dran erinnert wird, hey, hast du heute schon genug getrunken oder hast du heute schon fünf Minuten meditiert oder guck mal hier, denk doch mal über diese Lebensweisheit nach oder was auch immer. Das kann schon sehr hilfreich sein. Ich bin eine Freundin von modernen Medien, die man eben auch sehr gewinnbringend einsetzen kann.

00:50:06.520
Raúl Krauthausen: Ist das etwas, wo, das ist meine Sorge, wenn dann die Leute, die zu deinen

Veranstaltungen gehen oder die Leute, die deine Bücher kaufen, dann oft eben dann auch die sind, die

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es, also dass es Menschen gibt, die es noch mehr brauchen könnten, aber es sich einfach nicht leisten können.

00:50:26.280
Stephanie Stahl: Ich würde sagen, die Bücher kann sich jeder leisten. die gibt es auch auszuleihen in

der Bibliothek. Und wie gesagt, meine ganzen Online-Formate sind absolut kostenfrei. Ich mache jetzt zum Beispiel diesen Podcast „Stahl aber herzlich“. Und viele, das sind ja Psychotherapie-Gespräche, die ich da führe. Und viele meiner Hörer können sich absolut identifizieren mit diesen Problemen und sagen, „Boah, wo ich dazugehört habe, ich habe so für mich mitgedacht und so für mich mitgelöst.“ Also, mir ist so viel klar geworden über mich selbst, weil, wie ich schon vorhin sagte, es geht immer um Strukturen. Und die Probleme sind, was die individuelle Lebensgeschichte betrifft, individuell, aber nicht in ihrer Grundstruktur. Die Strukturen, die psychischen Strukturen sind immer dieselben. Und wenn ich erkenne, Mensch, das ist ja auch genau meine Struktur, ich sage zum Beispiel eine ganz typische Struktur, die man unheimlich häufig antrifft, ich bin eigentlich überall angepasst. Ich versuche immer, überall alle Erwartungen zu erfüllen. Das habe ich als Kind schon so gelernt, weil ich irgendwie, obwohl meine Eltern das sicherlich nicht gewollt haben, aber es ist halt so passiert, ich habe irgendwie die Botschaft erhalten, wenn ich will, dass man mich liebt, muss ich Bedingungen erfüllen. Und dieses Programm ist jetzt fest bei mir in der Birne installiert. Und ich verstehe jetzt, dass das ja eigentlich Quatsch ist und dass das ja einfach eine Fehlbotschaft war. Und eigentlich muss ich ja nicht jede Erwartung erfüllen und mich da auf den Weg mache. Dann ist es ja, ich sag mal, völlig egal, welche ganz individuelle Geschichte man selber damit verbindet, aber die Grundstruktur ist dieselbe. Und dann kann man sagen, jo, das betrifft mich ja genauso. Also die Grundstrukturen sind immer sehr, sehr ähnlich. Und deswegen können sich unheimlich viele Menschen in meinen Podcasts identifizieren oder finden sich in meinen Büchern wieder, weil da geht es ja immer um Strukturen. Und dafür muss man jetzt wirklich kein Geld ausgeben oder wenig Geld ausgeben.

00:52:17.960
Raúl Krauthausen: Wie gewährleistest du die Sicherheit der Leute, die du dann in deinen Podcasts als

Fall quasi berätst?

00:52:26.760
Stephanie Stahl: Wie meinst du Sicherheit? Inwiefern sind die gefährdet?

00:52:29.480
Raúl Krauthausen: Naja, dass die vielleicht einfach 100.000 Hörer*innen mitbekommen, was jemand

erzählt. Also ich will nicht unterstellen, dass es ein Problem ist, aber vielleicht hast du da bestimmte Technik und Maßnahmen, Anonymisierung zum Beispiel.

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00:52:42.280
Stephanie Stahl: Also erstmal dürfen die, erstmal ist das ja alles total freiwillig. Zweitens haben die

meisten wählen einen Pseudonymnamen. Die meisten lassen sich nicht mit ihrem Real Name ansprechen. Und es ist ja auch so, wir müssen einfach ein bisschen davon wegkommen, als Gesellschaft psychische Probleme immer als so Fui Teufel-Probleme zu bezeichnen, wo man in so ein dunkles Hinterzimmer geht. Und das darf auch keiner wissen. Und das ist total… Dafür muss man sich ja eigentlich auch schämen. Da darf man nicht öffentlich drüber reden, weil das ist ja bäh. Davon müssen wir einfach wegkommen. Jeder Mensch hat in jeder oder in irgendeiner Lebensphase mal ein richtiges Problem, hat einen Schicksalsschlag, hat aber auch vielleicht schwerere Probleme, dass wir eine Gemeinschaft sind, dass wir wirklich eine Gemeinschaft sind, dass wir als Menschen alle im selben Boot sitzen. Und da muss man nicht wie im Puff durch die letzte Hintertür gehen, damit bloß nicht der Nachbar merkt, dass man vielleicht auch ein Problem hat. Davon müssen wir einfach wegkommen.

00:53:43.360
Raúl Krauthausen: Gibt es einen Tipp oder einen Ratschlag oder einen Gedankenanstoß, den du

unseren Hörerinnen oder Hörern mitgeben kannst, den jeder für sich anwenden kann?

00:53:54.360
Stephanie Stahl: Ja, also ich finde, ein ganz wichtiger Anstoß ist, setz dich doch mal in einer ruhigen

Minute hin und denk mal darüber nach, was hat mich eigentlich so geprägt. Hatte ich so das Gefühl, dass ich geliebt bin von meinen Eltern oder von den Personen, wo ich aufgewachsen bin, hatte ich das Gefühl, ich wurde gut verstanden. Oder hatte ich öfter mal so das Gefühl, hm, nee, da war vielleicht ein bisschen wenig Zeit, da war Stress. Oder vielleicht hattest du das Gefühl, die mögen mich nicht wirklich oder die mögen mich nur, wenn ich immer die Einsen nach Hause schleppe. Und dann spür mal so in dich, im tiefsten Inneren, was glaubst du eigentlich, was du wert bist. Also, welche tiefen inneren Überzeugungen hast du eigentlich? Und gehen die eher in die Richtung, ich bin okay, so wie ich bin, auch mit meinen Fehlern, also ich darf auch so sein, wie ich bin. Was ja nicht heißt, dass ich mich weiterentwickele und an mir arbeite, sondern aber so im Großen und Ganzen habe ich so das Gefühl, ich mag mich, ich kann gut mit mir leben. Oder habe ich eher im Großen und Ganzen das Gefühl, ich bin nicht okay, ich kann nicht so gut mit mir leben. Und sich dann wirklich klarzumachen, woher kommt das eigentlich? Ja, stimmt, hat tatsächlich viel mit früher zu tun, mit Eltern, mit Schülern, mit wem auch immer, daher kommt das. Und sich dann zu überlegen, was sagt das denn eigentlich wirklich über meinen wahren Wert aus? Was sagt das denn jetzt wirklich über mich aus? Und jeder, der einigermaßen klar in der Birne ist, kann nur zu einem Ergebnis kommen, nämlich gar nichts. Null Komma nichts. Das sagt was darüber aus, wie ich aufgewachsen bin. Aber über mich und meinen Wert sagt das überhaupt nichts aus. Und von dort aus kann man dann weitergehen.

22

00:55:30.680
Raúl Krauthausen: Jetzt in deinem Expertinnengebiet gibt es wahrscheinlich sehr viele Themen, die

man noch alles bearbeiten könnte. Der Aufzug kommt jetzt auch langsam zum Stillstand. Deswegen erlaub mir noch eine letzte Frage. Gibt es einen Verein oder eine Organisation, die du für besonders unterstützenswert hältst, die sich vielleicht in deinem Themenbereich bewegt, die unsere Hörerinnen oder Hörer sich mal anschauen oder gar unterstützen können?

00:56:00.280
Stephanie Stahl: Ich persönlich bin Botschafterin bei der Nestwärme. Nestwärme ist ein Verein, die

sich auch nur selber und durch Spendengelder finanzieren, die Familien mit Schwerstkranken oder dem Tode geweihten Kindern begleiten. Die diese Familien einfach unterstützen, als ganzes Familiensystem klarzukommen. Die Kinder unterstützen, die Pfleger, Pflegerinnen haben, die in die Familien reingehen, die einfache Strukturen haben, wo die Eltern vielleicht einfach auch mal einen Abend frei haben oder mal ausgehen können und Kindergartenstrukturen haben. In Trier machen sie jetzt auch eine Palliativstation für Kinder usw. Und das ist ein wunderbarer Verein, der sich einem sehr traurigen Thema widmet, aber auch notwendigen Thema widmet. Und da ich da auch Botschafterin bin, würde ich natürlich dafür plädieren, sich damit mal zu befassen.

00:57:03.800
Raúl Krauthausen: Das ist ein spannender Hinweis. Danke für den Tipp. Wenn jetzt die Tür gleich

aufgeht, wo geht es für dich weiter?

00:57:09.720
Stephanie Stahl: Mir geht es in den Wald. Und ich werde gleich mit dem Hund spazieren gehen, da

freue ich mich drauf. 00:57:14.720

Raúl Krauthausen: Ein Aufzug in den Wald, das ist doch auch gut. Ja. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast.

00:57:21.120
Stephanie Stahl: Ja, danke. Danke für die spannenden Fragen. War irgendwie ganz interessant, deine

Fragen zu beantworten. Manchmal auch ein bisschen herausfordern, aber das mache ich ja gerne. 00:57:29.920

Raúl Krauthausen: Ja, wir hätten auch über so viele Sachen reden können. Über den Tod, über die Kindheit, über das Leben, den Sinn des Lebens. Ist jeder seines Glückes Schmied oder nicht?

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00:57:38.680
Stephanie Stahl: Ja.

00:57:39.000
Raúl Krauthausen: Vielleicht ein anderes Mal.

00:57:40.160
Stephanie Stahl: Gerne.

00:57:40.760
Raúl Krauthausen: Gerne.

00:57:41.320
Stephanie Stahl: Gut, Raúl.

00:57:42.240
Raúl Krauthausen: Super, danke schön.

00:57:43.120
Stephanie Stahl: Danke dir auch.

00:57:43.840
Raúl Krauthausen: Auf bald.

00:57:44.480
Stephanie Stahl: Auf bald.

00:57:45.240
Raúl Krauthausen: Tschüss.

00:57:45.880
Stephanie Stahl: Tschüss.

00:57:46.640
Raúl Krauthausen: Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese Folge Spaß gemacht hat,

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Stefanies Herzensangelegenheit:

Nestwärme e.V

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Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann

Coverart: Amadeus Fronk

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