Warum ist es mutig, die eigene Verletzlichkeit auszusprechen?
Sabrina Lorenz ist Autorin, Aktivistin und Sozialarbeiterin – und eine der wichtigsten Stimmen, wenn es um nicht-ersichtliche Behinderungen geht. Wir sprechen über wildfremde Personen, die ein Heilungsversprechen aufzwingen wollen und darüber, wie schnell andere Menschen glauben, besser zu wissen, was für deinen Körper gut sei.
Und wir tauchen tief in die Materie ein: in Ableismus, Diagnostik, Leistungsdruck, den Kampf um Pflegegrade und die Frage, warum Menschen mit nicht-ersichtlichen Behinderungen oft doppelt beweisen müssen, dass ihre Lebens-Realität wahr ist. Sabrina erklärt mir, wie Sprache unsere Körper prägt und warum „geheilt werden wollen“ manchmal mehr über die Gesellschaft verrät als über uns.
Und natürlich reden wir auch über Sonnenblumen, gute Restaurants, Guilty Pleasures und die Magie von Access Intimacy – diesen Moment, in dem Freundschaft ganz automatisch barrierefrei wird. Aufzugtür auf für Sabrina Lorenz!
Sabrinas Empfehlungen: Finns kunterbuntes Leben, Tag der pflegenden Eltern, Podcast „Inklusiv UNS“ mit Raúl und Tarek
00:00:04,059 –> 00:00:29,460 [Schindler]
Eine neue Aufzugsfahrt mit Raul steht an und daher vorher noch eine praktische Frage: Welche Taste drückst du, wenn du den Aufzug rufen willst? Viele machen hier einen Fehler, der die Wartezeit verlängern kann. Was die richtige Wahl ist, erfährst du am Ende dieser Folge. Jetzt viel Spaß mit Raul im Aufzug wünscht Schindler.
00:00:29,460 –> 00:01:11,020 [Raul Krauthausen]
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00:01:11,080 –> 00:02:03,920 [Raul Krauthausen]
Sabrina Lorenz ist Autorin, Aktivistin und Sozialarbeiterin. Eine der wichtigsten Stimmen, wenn es nicht ersichtliche Behinderungen, Care Arbeit und gesellschaftliche Stellen geht, wo wir noch nicht so oft hingeschaut haben. Wir sprechen über wildfremde Personen, die einem ein Heilungsversprechen aufzwingen wollen und darüber, wie schnell andere Menschen glauben, besser zu wissen, was für den eigenen Körper gut ist. Und wir tauchen tief in die Materie ein. In Ableismus, Diagnostik, Leistungsdruck, den Kampf Pflegegerade und die Frage, warum Menschen mit nicht ersichtlichen Behinderungen oft doppelt beweisen müssen, dass ihre Lebensrealität wahr ist. Und natürlich reden wir auch über Sonnenblumen, gute Restaurants, Guilty pleasures und die Magie von Access Intimacy, diesen Moment, in dem Freundschaft ganz automatisch barrierefrei wird.
00:02:03,920 –> 00:02:10,680 [Raul Krauthausen]
Also auf zur Tür auf für Sabrina Lorenz.
00:02:10,740 –> 00:02:28,120 [Raul Krauthausen]
Die Tür geht auf und wer kommt rein? Ich freue mich wirklich sehr. Wir folgen uns schon, puh keine Ahnung, seit vielen, vielen Jahren. Vielleicht über zehn Jahren. Gibt es so lange Instagram überhaupt schon bei mir? Auf Instagram folgen wir uns zumindest. Herzlich willkommen, Sabrina Lorenz.
00:02:28,120 –> 00:02:31,859 [Sabrina Lorenz]
Hello. Ich hab mich so auf dich gefreut. Wie schön.
00:02:31,860 –> 00:02:51,820 [Raul Krauthausen]
Schön, dass du da bist. Auf Instagram nennst du dich Fragments of Living. Äh Und ich hab mir gedacht, vielleicht könnt ihr das sogar ähm uns durch die Folge tragen. Was bedeutet Fragments? Ähm Und so weiter. Aber bevor wir anfangen, hattest du schon mal einen Awkward-Moment in einem Aufzug?
00:02:51,820 –> 00:02:55,840 [Sabrina Lorenz]
Ja, den hatte ich tatsächlich. Ich
00:02:55,840 –> 00:03:02,940 [Sabrina Lorenz]
glaube, dass ich da viel weniger Awkward-Momente hatte als du, weil äh ich
00:03:02,940 –> 00:03:16,580 [Sabrina Lorenz]
Teilzeitrollstuhlfahrerin bin und ah eigentlich schon schon immer für mich es leichter war, den Fahrstuhl zu nutzen als die Treppe oder die Rolltreppe, ähm aber tatsächlich erst
00:03:16,580 –> 00:03:35,560 [Sabrina Lorenz]
erst seit Kurzem ähm Rollstuhlfahrerin bin und dadurch dann nicht ganz so viele Momente wahrscheinlich hab als wie du. Aber tatsächlich, und zwar war ich neulich in einem Fahrstuhl einer U-Bahn, also äh an eine U-Bahn-Station zu kommen. Und
00:03:35,560 –> 00:04:08,340 [Sabrina Lorenz]
das Problem an diesen an Fahrstühlen ist ja, du kannst ja nicht rausgehen, wenn es nur eine Tür gibt und die eine Person diese Tür versperrt. Und da war eine Person, die hatte einen Flyer zu einem Gebetskreis, weil sie der Meinung war, sie muss mich heilen. Hmm Und es ist ganz wichtig, dass dass ich an diesem Gebetskreis teilnehme, weil ich sonst kein glückliches Leben führen könnte. Und sie wollte mich nicht aus dem Fahrstuhl lassen, bevor ich nicht zugesagt habe, diesen Flyer an mich zu nehmen und zu diesem Gebetskreis zu entscheiden.
00:04:08,340 –> 00:04:11,220 [Raul Krauthausen]
Wow, das ist ja Kidnapping fast.
00:04:11,220 –> 00:04:14,680 [Sabrina Lorenz]
Genau. Und das war, glaube ich, meine
00:04:14,680 –> 00:04:23,180 [Sabrina Lorenz]
awkwurste. Kann man das überhaupt ähm Superlativ daraus bilden? Fahrstuhlsituation. Ja.
00:04:23,180 –> 00:04:26,219 [Raul Krauthausen]
Und ähm wie bist du da rausgekommen?
00:04:26,220 –> 00:04:35,580 [Sabrina Lorenz]
Ich hab gesagt, ich meld mich, hab den Zettel genommen [kichern] und habe ihn dann äh bei der nächsten Straßenecke in den Papiermüll entsorgt.
00:04:35,580 –> 00:04:43,180 [Raul Krauthausen]
Ja, krass. Ja, manchmal ist dann so dieses Hinnehmen, ah das Einzige, was am schnellsten funktioniert ne.
00:04:43,180 –> 00:05:09,880 [Sabrina Lorenz]
Ja, total. Ja, also ich wusste, es macht jetzt gar keinen Sinn, mit dieser Person darüber zu diskutieren, ob ich geheilt werden möchte, ob eine Heilung überhaupt möglich ist, ähm inwiefern ich vielleicht schon Erfahrungen mit dem Thema gemacht habe. Ähm Ja, und dann dachte ich: „Okay, ich bin hier mit weniger mentalen Kapazitäten raus, wenn ich einfach nur Ja sage ja und sage: „Ich melde mich.
00:05:09,880 –> 00:06:06,216 [Raul Krauthausen]
Oh Mann. Ähm Wir beide haben uns ja zuletzt auf der Rehacare in Düsseldorf gesehen. Ahm Das ist so eine Messe für Rehabilitationsprodukte, Hilfsmittel und so weiter und so fort. Und [kichern] auf dem Weg durch die Hallen, weil ich wollte mal gucken, was so der Markt so hergibt, äh ähm gab es irgendwie einen Stand, ähm würd mal sagen, aus dem asiatischen Raum eher. Ähm Und die Verkäuferin äh fragte mich sehr vehement, ähm unaufgefordert, ähm was wenn mein Arzt dazu sagt, nicht so: „Hey, wie mein Arzt? Worum geht’s? Ja, kann man doch nicht noch was machen? [kichern] Und und drückt ihm einen Flyer in die Hand, äh wo draufstand: „If you knew recovery was possible, would you still wait?Mhm. Wow. Wo ich denke, so: „Wow, auf einer Reha-Messe
00:06:06,216 –> 00:06:18,296 [Raul Krauthausen]
jetzt irgendwie damit zu werben, dass man vielleicht geheilt werden könnte, das hat schon was fast Religiöses. Und vor allem,
00:06:18,296 –> 00:06:49,916 [Raul Krauthausen]
wie wenig muss man sich auseinandergesetzt haben mit den Leuten, die auf eine Reha-Messe gehen, wenn man-Das ist super übergriffig. Man kann auch noch Hoffnung verbreiten mit Heilung und so. Beziehungsweise wie viele Leute springen darauf an? Und dann habe ich weitergelesen und das ist tatsächlich ein Flyer für eine Klinik, Privatklinik natürlich, in Miami, in Madrid, in Zagreb und in Dubrovnik. Also ich glaube nicht, dass die AOK das bezahlt.
00:06:49,916 –> 00:07:00,876 [Sabrina Lorenz]
Ich glaube auch nicht. Und hast du das jetzt vor? Also das ist ja auch … Ich finde das immer ganz spannend, weil Heilungsversuch und Heilungsversprechen oder
00:07:00,876 –> 00:07:25,356 [Sabrina Lorenz]
Menschen, die an uns herantreten mit der Frage, ob man da nichts machen könnte, haben ja immer diese Erwartung, dass da ja was möglich ist. Und ich glaube, dass eine Sache total verkennt wird. Natürlich gibt es Erkrankungen, chronische Erkrankungen, es gibt vielleicht auch Formen von Behinderung, wo innerhalb dieser ein
00:07:25,356 –> 00:07:52,996 [Sabrina Lorenz]
gewisses Potenzial erreicht werden kann, eine gewisse Verbesserung stattfinden kann. Und gerade wenn ja viele Menschen eine Behinderung erst erwerben, ist das ja für die ganz häufig der Verlust von dem, was vorher da war. Und es ist der Verlust von einer Zukunft, die nicht eintreten wird, bei der man aber gehofft hat, dass sie eintreten wird, weil man sich von so einer Lebensperspektive vielleicht verabschieden muss. Und das sind natürlich Menschen, die
00:07:52,996 –> 00:08:16,236 [Sabrina Lorenz]
einen total großen Verlustprozess durchmachen müssen, einen Trauerprozess, einen Akzeptanzprozess und wo dieses Heilungsversprechen vielleicht greift. Bei dir und mir ist es ja so, wir sind als behinderte Menschen geboren worden. Für uns war ja ein … Ich weiß nicht, es würde mich, wenn du das erzählen möchtest: War für dich das jemals ein Thema? Wolltest du jemals geheilt werden?
00:08:16,236 –> 00:08:24,076 [Raul Krauthausen]
Nein, wollte ich tatsächlich nicht. Das glaubt mir auch nicht jeder, wenn ich das erzähle. Ich
00:08:24,076 –> 00:08:56,436 [Raul Krauthausen]
versuche, das dann immer so zu erklären: „Ich würde gerne laufen können, so wie du gerne fliegen können möchtest. Das wäre eine nette Erfahrung, kann man ja mal ausprobieren, würde nicht nein sagen, aber ich gehe jetzt nicht weinend ins Bett, weil ich nicht laufen kann, so wie andere nicht weinend ins Bett gehen, weil sie nicht fliegen können. Und ich werde auch nicht die ganze Zeit daran erinnert, dass ich nicht laufen oder fliegen kann. Deswegen wünsche ich mir das auch gar nicht Ich wünsche mir eher Rampen und Aufzüge oder dass man mir glaubt, als laufen zu können.
00:08:56,436 –> 00:09:25,836 [Sabrina Lorenz]
Ich finde, da sind da zwei Dinge dran gebunden. Zum einen dieses Ideal, diese ideale Erwartung, dass nur ein nicht-behinderter, nicht-konscher, erkrankter Körper das Ziel zu erreichen wäre, dass wenn du leistungsfähig bist, dass wenn du das alles selbstständig und leistungsfähig kannst, dass du dann in Anführungszeichen genug bist, dass du dann wertvoll bist. Genau. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass wir beide von unserer Geburt an keinen Wert hatten
00:09:25,836 –> 00:09:31,056 [Sabrina Lorenz]
oder dass unser Leben von Anfang an weniger Wert hatte. Und
00:09:31,056 –> 00:09:54,656 [Sabrina Lorenz]
wenn wir über Inklusion sprechen, dann sprechen wir ganz häufig darüber, dass das Außen sich verändern muss, damit wir einfach sein dürfen. Wenn wir eine Heilung erwarten, dann bedeutet das ja, ich muss mich anstrengen, damit ich mich anpasse, damit eben die Treppe die Treppe bleiben kann und nicht eine Rampe wird und nicht ein Auto zum Fahrstuhl wird. Und dann wird das Thema ja wieder ausgelagert, und zwar in einer Dimension, die ich ja niemals erreichen kann.
00:09:54,656 –> 00:09:56,996 [Raul Krauthausen]
Absolut, ja.
00:09:56,996 –> 00:10:00,276 [Raul Krauthausen]
Aber noch mal zurück zu dieser Klinik.
00:10:00,616 –> 00:10:05,156 [Raul Krauthausen]
Ich habe mich gefragt … Also ich würde es ausprobieren, wenn es eine Geld-zurück-Garantie gibt.
00:10:05,156 –> 00:10:08,356 [Sabrina Lorenz]
Stark. Ja.
00:10:08,356 –> 00:10:11,956 [Sabrina Lorenz]
Du gehst einfach mal hin, einfach nur, das Geld einzustecken.
00:10:11,956 –> 00:10:21,896 [Raul Krauthausen]
Ja, genau. Oder einfach nicht zu bezahlen, aber trotzdem so drei Wochen Treatment mit Massage und keine Ahnung was. Miami kann man schon mal machen.
00:10:21,896 –> 00:10:26,496 [Sabrina Lorenz]
Was für ein Treatment würdest du gerne ausprobieren wollen dann?
00:10:26,496 –> 00:10:40,675 [Raul Krauthausen]
Also das liest sich schon sehr so nach fünf Jahren Krankenhaus-Rehabilitations-Einrichtung. Also Pool wäre ja wohl das Mindeste, oder? Sauna, Massagen.
00:10:40,675 –> 00:10:44,156 [Sabrina Lorenz]
Sehr wohl nicht schlecht. Ja, gutes Buffet finde ich auch gut.
00:10:44,156 –> 00:10:46,936 [Raul Krauthausen]
Stimmt, ja. Und Einzelzimmer.
00:10:46,936 –> 00:10:58,776 [Raul Krauthausen]
Was mir gerade auffiel, weil du sagst es auch und ich sage das auch und ich habe immer wieder so ein leichtes Irritationsgefühl: Eine Behinderung erwerben.
00:10:58,776 –> 00:11:02,976 [Raul Krauthausen]
Das klingt ja so, als ob ich mir ein neues iPhone gekauft hätte.
00:11:02,976 –> 00:11:03,816 [Sabrina Lorenz]
Ja.
00:11:03,816 –> 00:11:14,935 [Raul Krauthausen]
Weil Erwerben hat schon was sehr Positives, ne? Weil Behinderung ist ja nicht immer positiv Eigentlich fast nie wahrscheinlich sogar. Ich habe noch keine bessere Formulierung gefunden.
00:11:14,936 –> 00:11:20,776 [Sabrina Lorenz]
Ich glaube, ich möchte ein bisschen diese Formulierung plötzlich an einer Behinderung leiden vermeiden.
00:11:20,776 –> 00:11:21,606 [Raul Krauthausen]
Ja, genau.
00:11:21,606 –> 00:11:26,756 [Sabrina Lorenz]
Und dann ist mir eher Werbeliebe lieber als Leiden. Und ähm…
00:11:26,756 –> 00:11:27,876 [Raul Krauthausen]
Haben, kriegen?
00:11:27,876 –> 00:11:33,815 [Sabrina Lorenz]
Haben, finde ich so, als würdest du es besitzen.
00:11:33,816 –> 00:11:38,196 [Sabrina Lorenz]
Ja. Und das weiß ich nicht, weil,
00:11:38,196 –> 00:11:41,656 [Sabrina Lorenz]
wenn du zum Beispiel sagst, ich
00:11:41,656 –> 00:11:46,036 [Sabrina Lorenz]
bekomme das oder ich kriege das oder
00:11:46,036 –> 00:11:47,856 [Sabrina Lorenz]
ich
00:11:47,856 –> 00:12:07,140 [Sabrina Lorenz]
erfahre eine Behinderung, dann klingt das, als wäre das so eine schöne, entspannte Reise. Und das ist es, glaube ich, in vielen Fällen auch nicht, weil ich glaube, dass mit plötzlich dem Erwerb einer Behinderung …Viel
00:12:07,140 –> 00:12:11,980 [Sabrina Lorenz]
herausfordernde Situation einhergehen, viel schmerzhafte Prozesse.
00:12:11,980 –> 00:12:44,000 [Raul Krauthausen]
Mhm. Ich finde das total spannend, weil, ähm, müssen wir mal gucken, wie wie tief wir Leute eintauchen wollen. Es ist ja auch wahrscheinlich nicht immer einfach, äh, über Behinderungen und so weiterzureden. Aber mir geht manchmal so ’n bisschen gegen den, äh, gegen den Strich, dass auch in der Behindertenbewegung, der wir uns jetzt wahrscheinlich alle zuzählen würden, ähm, dass wir auch in der Behindertenbewegung es uns zu einfach machen, wenn wir sagen, äh, wir sind nicht behindert, wir werden behindert.
00:12:44,000 –> 00:12:47,560 [Raul Krauthausen]
Weil es gibt ja auch eine Behinderung, die wir haben.
00:12:47,560 –> 00:12:47,680 [Sabrina Lorenz]
Ja.
00:12:47,680 –> 00:12:57,540 [Raul Krauthausen]
Und ein ein kaputter Aufzug oder ein existierender Aufzug hilft mir nicht, wenn ich mir ’n Bein gebrochen habe. Ähm,
00:12:57,540 –> 00:13:03,500 [Raul Krauthausen]
so dass dass wir die vielleicht auch selber so mit man ’n bisschen zu einfach machen oder auch schönreden.
00:13:03,500 –> 00:13:12,440 [Sabrina Lorenz]
Ja, total. Also ich ich würd mich da dir anschließen. Selbst wenn die ganze Welt barrierefrei wär, selbst wenn
00:13:12,440 –> 00:13:26,000 [Sabrina Lorenz]
überall Rampen und Fahrstühle und Brailleschrift und Gebärdensprachdolmetschende sind, wenn ich keine Luft bekomme und das Bett nicht verlassen kann, dann ist mir egal, wie barrierefrei die Welt ist, weil ich erst mal überhaupt klarkommen muss.
00:13:26,000 –> 00:13:26,540 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:13:26,540 –> 00:13:29,560 [Sabrina Lorenz]
Und ich
00:13:29,560 –> 00:13:31,740 [Sabrina Lorenz]
möchte nicht, dass
00:13:31,740 –> 00:13:47,900 [Sabrina Lorenz]
meine Existenz und meine Identität als behinderte Person nur von dem Außen bestimmt wird, weil die Symptome, die ich tatsächlich erfahre, das Leben in diesem Körper, in meinem Fall hab ich eine Körperbehinderung,
00:13:47,900 –> 00:13:52,780 [Sabrina Lorenz]
prägt ja auch mich schon darin, dass ich meine Empfindungen habe, meine
00:13:52,780 –> 00:13:53,540 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:13:53,540 –> 00:14:30,540 [Sabrina Lorenz]
Meine meinen Körper wahrnehme, wie ich ihn wahrnehme. Und dann kommen ja diese Barrieren im Außen zusätzlich dazu, die mir zusätzlich das Gefühl geben. Und natürlich, wenn die Welt barrierefrei wär, wenn sie antidiskriminierend wär, dann glaub ich, wären viele Prozesse für uns leichter. Dann würden wir uns vielleicht nicht ganz so viel am Platz häufig fühlen. Dann würden wir vielleicht nicht ganz so krasse Leistungsideale haben. Und gleichzeitig würde ich ja immer noch ein verändertes Körpergefühl haben und würde mein Körper einfach anders funktionieren. Und deswegen kann ich mich mit diesem,
00:14:30,540 –> 00:14:41,740 [Sabrina Lorenz]
mit mit der Symbiose aus ich bin behindert und ich werde behindert identifizieren, aber ich würd nicht für mich für mich fühlt es sich nicht richtig an zu sagen, ich hab keinen behinderten Körper, nur dass außen behindert mich.
00:14:41,740 –> 00:15:10,920 [Raul Krauthausen]
Mhm, mhm. Genau. Und ich hab mich manchmal gefragt, ob das in unserer, äh, Community, ja, die Community ist genauso divers wie wie die nicht behinderten Community natürlich. Ähm, aber ob es vielleicht ’n bisschen mehr Raum auch für Scham und Leid und Schmerz braucht, ohne ohne das Image permanent zu bedienen, der frustrierte, wütende, behinderte Mensch zu sein.
00:15:10,920 –> 00:15:21,080 [Sabrina Lorenz]
Mhm. Ja, total. Würde ich würde ich per se zustimmen. Ich mach immer wieder die Erfahrung, dass
00:15:21,080 –> 00:15:30,580 [Sabrina Lorenz]
dass wenn ich irgendwas erkläre oder irgendwas erzähle, dass ich ganz schnell anfange dabei zu lächeln und sagen, ja, war ist ja auch gar nicht so schlimm.
00:15:30,580 –> 00:15:31,080 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:15:31,080 –> 00:15:33,860 [Sabrina Lorenz]
Um mein Gegenüber
00:15:33,860 –> 00:15:47,480 [Sabrina Lorenz]
die Scham zu nehmen und als würde ich gerade, als würde es grade meine Aufgabe sein, mein Gegenüber zu komforten, wobei das ist halt gar nicht meine Aufgabe. Es ist ja gar nicht meine Verantwortung in dem Moment.
00:15:47,480 –> 00:16:28,200 [Sabrina Lorenz]
Natürlich darf ich darüber aware sein, ob das, was ich sage, etwas in meinem Gegenüber auslöst und vielleicht auch zu schauen, okay, vielleicht gibt es einfach grundsätzlich sensiblere Themen, die die einen sensibleren oder awaren Raum benötigen. Ähm, und das das wär jetzt sozusagen, wo ich wo ich da überlege, wo wir bei Trauma Dumping anfangen. Aber erst einmal ist es ja nicht meine Verantwortung, mein ganz alltägliches Leben als behinderte Person einer nicht behinderten Person möglichst schön darzustellen, damit die sich damit gut fühlt. Und Sogar
00:16:28,200 –> 00:16:36,260 [Raul Krauthausen]
mit ’ner behinderten Person habe ich manchmal das Gefühl, gegenüber meine Behinderung runterreden, runterspielen zu müssen.
00:16:36,260 –> 00:16:38,740 [Sabrina Lorenz]
Was sind das dann so für Situationen für dich?
00:16:38,740 –> 00:17:13,880 [Raul Krauthausen]
Na, wenn wenn jemand, keine Ahnung, ausm Autismus Spektrum, mit dem ich spreche, der auch keine Glasknochen hat, ähm, dann hab ich auch so diese Tendenz, dann zu sagen, ja, aber grad geht’s mir ja gut oder so, obwohl ich’s ja vielleicht da sogar empathisch am ehesten noch verstanden worden wäre. Also es sagt ganz viel über mich aus, ähm, wie sehr ich quasi auch das so weit internalisiert habe, den anderen ein gutes Gefühl zu geben.
00:17:13,880 –> 00:17:13,980 [Sabrina Lorenz]
Oh.
00:17:13,980 –> 00:17:17,960 [Raul Krauthausen]
Ähm, das würd ich auch bei Nichtbehinderten, bei Behinderten machen.
00:17:17,960 –> 00:17:22,000 [Sabrina Lorenz]
Ja. Ja, das kann ich nachvollziehen.
00:17:22,000 –> 00:17:27,960 [Sabrina Lorenz]
Ich hab eine Beobachtung, ich weiß nicht, ob Du die auch machst.
00:17:28,020 –> 00:17:43,360 [Sabrina Lorenz]
Wenn ich mir Social Media anschaue, dann seh ich zwei Themen. Das eine ist, Du teilst ’n ’n Urlaub und jemand antwortest, na, aber meine Berge waren höher und mein Strand war schöner und meine und meine Reise war ja noch zweihundert Kilometer weiter.
00:17:43,360 –> 00:17:43,400 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:17:43,400 –> 00:17:46,640 [Sabrina Lorenz]
Also Du machst ja schon Urlaub, aber ich mach ja krasseren Urlaub.
00:17:46,640 –> 00:17:47,120 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:17:47,120 –> 00:17:49,240 [Sabrina Lorenz]
Und wir haben so
00:17:49,240 –> 00:18:03,460 [Sabrina Lorenz]
eine Idealvorstellung, wie das Leben sein soll. Also wir haben dort, also ich ich grundsätzlich find ich erst mal, damit ich jetzt hier nicht auf eine falsche Fährte komme, dass Content, außer der es
00:18:03,460 –> 00:18:30,240 [Sabrina Lorenz]
überschreitet jetzt wirklich krasse Grenzen-Erst mal valide ist. Es ist ja total valide, dass Menschen ihre Fashionleidenschaft teilen, ihre Sportleidenschaft, ihre Reiseleidenschaft, was auch immer. Das hat ja alles eine Bubble und es darf alles sein. Und genauso finde ich es relevant und wichtig, dass es eine Sichtbarkeit der behinderten Community gibt. Dass es eine dass es dass die Chronic Ilness Community
00:18:30,240 –> 00:18:40,340 [Sabrina Lorenz]
sich so zeigt, wie sie gerne selber repräsentiert werden möchte, weil wir durch Social Media die Möglichkeit haben, selbstbestimmter uns zu
00:18:40,340 –> 00:19:01,260 [Sabrina Lorenz]
äußern, als wir das jemals konnten. Das ist ja super niederschwellig und das finde ich erst mal ’n ganz, ganz großen Gewinn. Gleichzeitig beobachte ich eben, dass diese Schere total auseinandergeht, dass wir also in dem einen Dimension immer darüber reden, ah ja und mein Marathon war krasser und meine Reise war weiter und mein Strand war weißer. Und auf der anderen Seite
00:19:01,260 –> 00:19:10,779 [Sabrina Lorenz]
habe ich das Gefühl, dass es häufig ein Battle ist, wer ist denn noch kranker? Und wem geht es noch schlechter und welche Diagnose ist noch krasser? Und
00:19:10,779 –> 00:19:15,480 [Sabrina Lorenz]
ah ja, Du hast zwölf Diagnosen, ja, ich hab ja dreizehn. Und
00:19:15,520 –> 00:19:16,860 [Sabrina Lorenz]
das
00:19:16,860 –> 00:20:30,780 [Sabrina Lorenz]
finde ich tatsächlich gefährlich. Ich glaube, was dahintersteckt, ist ganz häufig das Narrativ, anerkannt zu werden für das Leid. Und das kann ich total verstehen, weil gerade Menschen mit Behinderung und oder chronischen Erkrankungen so viele schmerzhafte Erfahrungen machen aufgrund von Medical Gaslighting, aufgrund von der Symptomlast, die einfach häufig super anstrengend sein kann und Diskriminierung. Und gleichzeitig fände ich es schade, wenn wir in eine Bewegung kommen, die sagt, meine Geschichte muss so krass sein, dass Du mit einer in Anführungszeichen weniger krassen Geschichte hier keinen Platz mehr haben darfst. Weil ich glaube, dass das Leben in all den Facetten dazwischen passiert. Ich bin ja nicht nur an den Momenten chronisch krank, wenn ich im Krankenhaus bin. Und das sind vielleicht diese krassen Momente, sind vielleicht die Momente, die in denen ich besonders vulnerable bin, die mir die besonders viele mit mir machen. Aber ich bin auch chronisch krank, wenn ich auf meinem Sofa, meinem Sofa nicht aufstehen kann und wenn mich die Welt nicht sieht, weil ich einfach eine Woche die Wohnung nicht verlassen kann.
00:20:30,780 –> 00:20:33,420 [Raul Krauthausen]
Und das Selbst wenn Du erst mal keine Diagnose hast.
00:20:33,420 –> 00:20:41,900 [Sabrina Lorenz]
Genau, genau. Und das ist auch ’n großer Punkt. Voll. Und ich ich weiß nicht, kennst Du diese Beobachtung?
00:20:41,900 –> 00:20:46,260 [Raul Krauthausen]
Also das mit diesem, mein Urlaub war krasser als deiner
00:20:46,260 –> 00:21:02,860 [Raul Krauthausen]
oder umgekehrt, deiner war krasser als meiner. Nee, das kenn ich nicht, weil ich hab bin irgendwie nicht in diesem Urlaubsalgorithmus. Aber aber das das andere mit dem meine Behinderung ist krasser als deine. Das kenn ich sehr, sehr stark und ich werd auch sehr viel
00:21:02,860 –> 00:21:23,200 [Raul Krauthausen]
mit Schicksalen angeschrieben und ich tue ja wahrscheinlich auch. Und und ich merk schon auch, dass da ’n großes Verantwortungsgefühl bei mir dann aufkommt, irgendwie zu helfen, aber ich hab meistens keine Hilfe. So ehrlich bin ich dann auch, weil ich auch Ha. Ganz oft,
00:21:23,200 –> 00:21:39,100 [Raul Krauthausen]
ja, so individuell die Herausforderungen sind, dass ich dann oft auch überfragt bin. Ich versuch dann irgendwie zu vermitteln, aber gelingt mir nicht immer. Und ich denke sehr lange in letzter Zeit darüber nach, also sehr oft in letzter Zeit darüber nach,
00:21:39,100 –> 00:22:14,240 [Raul Krauthausen]
irgendwie ist so eine Art Wettbewerb ausgerufen worden, ne. Also ja, es gibt dann diesen diesen Battle zwischen Geburtsbehindert und erworbene Behinderung, sichtbar behindert, unsichtbar behindert und Anzahl an Diagnosen. Und ich glaube, das das bringt uns nicht weiter. Wir müssen irgendwie anerkennen, wenn es mir nicht gut geht, dann brauche ich Hilfe und man sollte mir glauben, egal ob Du ’n Schwerbehindertengrad von hundert oder eins hast.
00:22:15,820 –> 00:22:20,880 [Raul Krauthausen]
Eins gibt’s gar nicht, aber ich weiß, was ich mein, dass wir erst mal
00:22:20,880 –> 00:22:23,000 [Raul Krauthausen]
da uns vertrauen sollten.
00:22:23,000 –> 00:22:40,460 [Sabrina Lorenz]
Ja. Ich ich ich glaube, dass dieser Gedanke von das, was Du mir erzählst und das, was Du wahrnimmst, das stimmt. Und ich glaube dir und ich nehme dich ernst in dem, was dich beschäftigt, total wichtig ist, weil
00:22:40,460 –> 00:22:45,540 [Sabrina Lorenz]
all diese Geschichten, die sind ja echt und all diese Geschichten
00:22:45,620 –> 00:22:55,800 [Sabrina Lorenz]
haben ihren Raum verdient. Und ich find’s einfach schade, wenn dann sone, Du hast grad gesagt, Wettbewerb passiert, weil
00:22:55,800 –> 00:23:08,120 [Sabrina Lorenz]
ich glaube, wenn Menschen ganz häufig die Erfahrung machen von, ich glaub dir nicht und Du bist nicht krank genug und ich nehm dich nicht ernst und Du hast ja vielleicht auch noch keine Diagnose, dann
00:23:08,120 –> 00:23:24,420 [Sabrina Lorenz]
wenn diese Menschen dann lesen, na ja, Du hast es ja gar nicht so schlimm, weil ich hab’s ja zwei Prozent schlimmer, dass es dann immer mehr in diesen Teufelskreis kommen kann von einer Selbstnegierung und dass das, glaub ich, gefährlich ist.
00:23:24,420 –> 00:23:32,740 [Raul Krauthausen]
Mhm. Das ist eine spannende Perspektive. Ich hab in den letzten Jahren mich viel auseinandergesetzt mit,
00:23:32,740 –> 00:23:52,140 [Raul Krauthausen]
ja, so wie nennt man das, Konfliktdynamiken. Mhm. Und in jedem Konflikt gibt es ja immer ein ein Wechselspiel aus Unterdrücker und unterdrückter Person. Und
00:23:52,140 –> 00:24:20,736 [Raul Krauthausen]
Also jetzt mal ’n ganz einfaches Beispiel, Männer, Frauen. Nee, also es gibt ja ganz oft natürlich leider, dass Männer Frauen unterdrücken, sei es in Gehältern, sei es in in der Gesellschaft überhaupt Teilhabe.Teilhabe, Teilhabemöglichkeiten, ähm sich politisch zu engagieren, ist für Frauen wesentlich schwerer, wenn sie die Carearbeit machen und so weiter, als für Männer, die sie dann eben oft nicht machen.
00:24:20,736 –> 00:24:33,236 [Raul Krauthausen]
Nur mal so ein Beispiel. Ähm Und dann gibt es aber in dieser Dynamik auch ein Phänomen, dass wenn du als unterdrückte Person
00:24:33,236 –> 00:24:55,756 [Raul Krauthausen]
ähm darauf aufmerksam machst, du sehr schnell auch in so eine Dynamik verfällst. Also ich spreche jetzt als behinderter Mensch: Wenn ich diskriminiert werde, dann bin ich manchmal so wütend, dass ich möchte, dass die Person, die mich diskriminiert, jetzt auch kurz diesen Schmerz erlebt.
00:24:55,756 –> 00:25:08,456 [Raul Krauthausen]
Und das führt ja nicht dazu, dass wir einander Verständnis zeigen. Mhm ähm Und dieses Kurzschmerz erleben, ist ja eigentlich so eine Art Rache.
00:25:11,276 –> 00:25:13,376 [Raul Krauthausen]
Und
00:25:13,376 –> 00:25:40,376 [Raul Krauthausen]
oh Gott, wie sage ich das jetzt? Also das heißt, in der Tatsache unterdrückt zu werden und das anzusprechen als Frau oder als Mensch mit Behinderung, ähm hat auch was Machtvolles, weil viele Leute in unserem Freundeskreis erst recht wollen ja gar nicht diskriminieren oder unterdrücken. Ja Und wenn wir sie dann darauf hinweisen, dann können wir auch
00:25:40,376 –> 00:26:21,856 [Raul Krauthausen]
verletzen, ohne dass wir das so stark wollten. Ähm Und das nennt sich deference, also nicht die difference, sondern die deference, also die Ehrfürchtigkeit, die man oft auch ausstrahlt, ähm weil man betroffen ist. Also Aha. Was soll ich sagen? Irgendwo ist eine Rampe zu steil, wie übertrieben sich dann bei mir entschuldigt wird. Ja, das ist diese Ehrfürchtigkeit. Oder ja dieses Applaus nach ’ner Veranstaltung, der Applaus ist lauter als bei anderen und du weißt nicht genau, war ich wirklich so gut?
00:26:21,856 –> 00:26:23,575 [Sabrina Lorenz]
Oder bin ich da nur behindert? [kichern]
00:26:23,576 –> 00:26:30,756 [Raul Krauthausen]
Genau. Und diese Ehrfürchtigkeit, das ist auch was, das ist auch ein Machtinstrument, das man hat.
00:26:30,756 –> 00:26:37,196 [Raul Krauthausen]
Aha Und ich glaube, Betroffene spielen das auch manchmal aus.
00:26:37,196 –> 00:26:39,836 [Raul Krauthausen]
Aus
00:26:39,836 –> 00:26:49,776 [Raul Krauthausen]
also aus Verzweiflung auch ne. Also weil sie so oft Diskriminierung erleben, die wirklich schmerzhaft ist, die auch wirklich nicht in Ordnung ist, mhm
00:26:49,836 –> 00:26:51,396 [Raul Krauthausen]
dass
00:26:51,396 –> 00:26:57,316 [Raul Krauthausen]
dass das dann einfach dazu führt. Ich glaube, wir können gar nicht immer in allen Situationen richtig handeln.
00:26:57,316 –> 00:26:59,256 [Sabrina Lorenz]
Ja.
00:26:59,256 –> 00:27:01,136 [Raul Krauthausen]
Aber verstehst du, was ich meine?
00:27:01,136 –> 00:27:22,336 [Sabrina Lorenz]
Total. Das macht es ja so schwierig, weil wir fangen an, Themen zu vergleichen, die vielleicht auch gar nicht zu vergleichen sind. Mhm Also es gibt ja vielleicht eine Person, die hat eine Diagnose und das macht total viel mit der Lebensrealität dieser Person und jemand anderes hat fünf und
00:27:22,336 –> 00:27:39,376 [Sabrina Lorenz]
ist ähnlich schwer betroffen. Also wir können– Also wir fangen an ja, Themen zu oder wir fangen an, Diagnosen zu vergleichen, die gar nicht zu vergleichen sind. Ähm Und ich kann total nachvollziehen, dass das Menschen
00:27:39,436 –> 00:28:15,536 [Sabrina Lorenz]
sich ermächtigen, aus– weil wir einfach jetzt endlich diese Möglichkeit haben, mhm weil wir jetzt endlich diese Möglichkeit haben, zu sagen: „Hey, ich bin auch da und meine Realität ist auch wichtig. Mhm Und das finde ich– Ich finde es auch wichtig, dass wir anerkennen, dass es unterschiedliche Lebensrealitäten gibt. Ich finde es wichtig, dass wir anerkennen, dass es unterschiedlich schwer Betroffenheiten gibt. Es gibt ja auch Menschen, die sagen: „Okay, ich bin nicht betroffen. Ähm Das ist ja auch ein Wording, was ja nicht alle Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen für sich nutzen.
00:28:15,536 –> 00:28:56,916 [Sabrina Lorenz]
Ich glaube, ich würde gerne zu diesem Moment übergehen, wo wir unterschiedliche Geschichten nebeneinanderstellen und sagen: Alle sind wichtig und alle haben irgendwie ihren Platz und die eine ist nicht wichtiger als die andere. In unterschiedlichen Geschichten können wir nur ein Augenmerk auf unterschiedliche Themen drin legen. In der einen Geschichte zeigt sich vielleicht viel krasser, wie viel wir noch im Gesundheitswesen tun müssen und in der anderen Geschichte zeigt sich vielleicht viel mehr, was es für Alltagsdiskriminierung gibt und in einer dritten Geschichte zeigt sich vielleicht, dass individuell erlebte Leiden auf eine andere Weise. Aber
00:28:56,916 –> 00:29:12,336 [Sabrina Lorenz]
all diese Geschichten sind ja trotzdem valide und deswegen will ich jetzt auch– Also ich will– Mein Appell soll jetzt nicht sein: „Bitte teilt eure Geschichten nicht mehr, das ist nicht das, was ich auslösen will, mhm sondern ich glaube, dass
00:29:12,336 –> 00:29:25,016 [Sabrina Lorenz]
wir Leid oder eine Erfahrung anerkennen können und die neben einem dem Anerkennen einer anderen Geschichte einfach stehen können, ohne das in Konkurrenz miteinander sehen zu müssen.
00:29:25,016 –> 00:29:37,196 [Raul Krauthausen]
Genau, sehe ich hundert Prozent genauso. Ich habe manchmal ein bisschen Sorge, dass das dann so eine Art Teebeutelspruch wird, ähm weil
00:29:37,196 –> 00:29:40,756 [Raul Krauthausen]
das ist gar nicht so leicht,
00:29:40,756 –> 00:29:46,856 [Raul Krauthausen]
das alles gleichzeitig nebeneinander stehen zu lassen und diese Komplexität der Welt
00:29:46,856 –> 00:29:54,816 [Raul Krauthausen]
zu halten, auch auszuhalten und zu ertragen, ohne dann nicht doch wieder irgendwie zu priorisieren. Ähm
00:29:54,816 –> 00:29:59,416 [Raul Krauthausen]
Aber ich bin hier hundert Prozent deiner Meinung.
00:29:59,416 –> 00:30:03,276 [Raul Krauthausen]
Hast du schon mal deine
00:30:03,276 –> 00:30:08,456 [Raul Krauthausen]
Behinderung oder dein Frausein genutzt, um an dein Ziel zu kommen?
00:30:08,456 –> 00:30:12,616 [Sabrina Lorenz]
Selten, wirklich selten. Also ähm
00:30:12,616 –> 00:30:31,832 [Sabrina Lorenz]
ich hab– Also dadurch, dass ich-Ähm, ambulatory wheelchair User bin, also nicht jeden Tag ihn brauche, aber immer wieder und immer mehr, ähm, gibt es Momente, wo ich, wo ich gehe. Und, äh, ich hab
00:30:31,832 –> 00:31:04,092 [Sabrina Lorenz]
Herausforderungen, lange zu gehen und zu stehen. Deswegen ist es jetzt nichts, was jetzt ausgenutzt ist, was nicht da wär. Ähm, aber ich hab mal, ähm, bei einer Schlange, einer Menschenschlange, wo ich wusste: „Boah, das ist mir jetzt zu anstrengend anzustehen“, dann gefragt: „Okay, ich hab ’ne anerkannte Behinderung. Wäre das okay, wenn ich jetzt die Schlange hier skippe?“ Das, das hab ich mal gemacht, aber sonst, ähm,
00:31:04,092 –> 00:31:17,472 [Sabrina Lorenz]
sonst nicht. Also ich kann mich nicht dran erinnern. Vielleicht, vielleicht unbewussterweise, weil irgendwas internalisiert ist, vielleicht. Also das war jetzt, war jetzt nie so, dass ich gesagt habe: „Oh, okay, ich weiß, das kann ich mir rausnehmen, das mache ich jetzt.“ Also, das hab ich nicht.
00:31:17,472 –> 00:31:23,272 [Raul Krauthausen]
Okay, krass. So brav bist du. Ähm, also mir fallen, mir fallen so viele Beispiele ein, wie ich das schon mal gemacht habe.
00:31:23,272 –> 00:31:24,572 [Sabrina Lorenz]
Erzähl.
00:31:24,572 –> 00:31:43,492 [Raul Krauthausen]
Also, wir haben mal protestiert, äh, 2016 gegen das Teilhabegesetz, äh, an der Bannmeile, wo man eigentlich gar nicht protestieren darf. Wir waren zwanzig Menschen im Rollstuhl am Anfang und, äh, haben uns an das Geländer gekettet und unsere Assistenten nach Hause geschickt.
00:31:43,492 –> 00:31:45,532 [Sabrina Lorenz]
[kichert] Stark.
00:31:45,532 –> 00:32:28,492 [Raul Krauthausen]
Und wir wollten quasi das Bild gegebenenfalls produzieren, dass Polizei uns da wegträgt. Aber die Polizei wollte dieses Bild halt auch nicht erzeugen, ähm, sodass sie uns dann da vierundzwanzig Stunden hat protestieren lassen. Also ich würde schon sagen, das war ganz gezielt kalkuliert, benutzt. Jeden anderen nicht behinderten hätten wieder weggebeten oder am Ende geprügelt. Ähm, das haben sie aber bei uns halt nicht gemacht. Und ich würde schon sagen, das war berechnend von uns. Ähm, ja, oder keine Ahnung, meine Begleitperson mitnehmen und dann noch ’ne Begleitperson.
00:32:28,492 –> 00:32:40,392 [Raul Krauthausen]
Merkt ja keiner, dass die andere schon drin ist. [lachen] Also so kann man auch mal machen bei Konzerten. Ähm, ja und so weiter, ne? [kichern]
00:32:40,392 –> 00:32:50,032 [Sabrina Lorenz]
Okay, also noch mal auf den Anfang der Folge: Hast du dir schon mal eine Massage erschlichen? Hast du dir schon mal ein gutes Hotelzimmer erschlichen? Im Urlaub?
00:32:50,032 –> 00:33:57,682 [Raul Krauthausen]
Ähm, indirekt. [kichern] Also Massage: Ich hatte mal ’n Autounfall und, ähm, dann habe ich, äh– Es war zum Glück so ein bisschen tragisch, aber zum Glück war das ein Autounfall auf dem Weg zur Arbeit. Das heißt, es war ein sogenannter Arbeitsunfall. Und beim Arbeitsunfall kriegst du ja so eine Art Princess Treatment. Äh, wenn du aber einen Freizeitunfall hattest, dann, äh, bist du halt selber schuld. Und beim Arbeitsunfall zahlt dann die Unfallkasse. Und deren Interesse ist ja, dass du wieder arbeiten kannst. Und, ähm, das heißt, die haben ja irgendwie, keine Ahnung, der Arzt hat gesagt: „Ja komm, ich verschreib dir jetzt Massagen, das zahlt eh die Unfallkasse.“ Und da war ich halt, krankengymnastik genauso war das. Und dann war ich bei der Krankengymnastik und die meinte so: „Ja, also ganz ehrlich, das bringt jetzt auch nichts, dass Sie jetzt hier Krankengymnastik machen, aber ich kann Sie massieren.“ [schluckt] Und dann hat die mich irgendwie zwei Wochen lang jeden, alle zwei Tage massiert. Und, ähm, das war ganz nett. Also aber ’n Unfall, Autounfall dafür gehabt zu haben, ist, äh-
00:33:57,682 –> 00:33:58,592 [Sabrina Lorenz]
Hat sich nicht gelohnt.
00:33:58,592 –> 00:34:25,112 [Raul Krauthausen]
Hoher Preis. Auch das Schmerzgeld, das ich bekommen hab, also irgendein, war drei Monate krank. Schaffst du vielleicht vier im Jahr. [kichern] Die, die, keine Ahnung, viertausend Euro, die ich dann damals bekommen hab, das lohnt sich nicht, ist kein Geschäftsmodell. Ähm, es ist sehr schmerzhaft auf jeden Fall. Aber die Drogen sind gut, die man bekommt.
00:34:25,112 –> 00:34:26,232 [Sabrina Lorenz]
Mhm.
00:34:26,312 –> 00:34:36,712 [Raul Krauthausen]
Ähm, nee, aber Spaß beiseite, was hab ich denn noch erschlichen? [seufzt] Ach ja, liebes Land Berlin. Ähm,
00:34:38,072 –> 00:34:43,052 [Raul Krauthausen]
ich, äh, äh, man kann ja als Mensch mit Behinderung ’ne Wertmarke beantragen, ne?
00:34:43,052 –> 00:34:43,752 [Sabrina Lorenz]
Mhm.
00:34:43,752 –> 00:35:11,632 [Raul Krauthausen]
Damit du mit dem ÖPNV umsonst fährst. Ich wusste das nicht. Ich war, also, wusste ich einfach nicht. Und ich hatte halt schon jetzt seit zwanzig Jahren keine Wertmarke. Ich wurde aber auch nie kontrolliert. Ich kann jetzt diese Wertmarke beantragen und dann gab ich diese Wertmarke. Ist halt auch umsonst. Aber ja, habe ich jetzt was erschlichen oder einfach nicht beantragt? [kichert] Keine Ahnung.
00:35:11,632 –> 00:35:19,772 [Sabrina Lorenz]
Die ist, die ist nicht immer umsonst. Also du kannst die für ’nen gewissen GdB und gewisse Merkzeichen musst du ’nen Zusatzzahlen.
00:35:19,772 –> 00:35:23,332 [Raul Krauthausen]
Genau, aber ich würd sagen, da hab ich den Jackpot.
00:35:23,332 –> 00:35:29,352 [Sabrina Lorenz]
[kichern] Eine gewisse Merzkombination ist das kostenlos.
00:35:29,352 –> 00:35:32,472 [Raul Krauthausen]
Hast du die gewisse, hast du das, den Jackpot?
00:35:32,472 –> 00:35:39,952 [Sabrina Lorenz]
Das lass ich jetzt mal so stehen, glaub ich. [lachen] Aber ich, ich hab,
00:35:39,952 –> 00:35:49,652 [Sabrina Lorenz]
ich finde, manchmal passiert das aber auch ungefragt, dieses, dieses Treatment. Und zwar, ich war letztes Jahr auf der, auf dem CSD in Berlin
00:35:49,652 –> 00:35:55,612 [Sabrina Lorenz]
und von jedem Wagen hab ich irgendwas geschenkt bekommen [schnappt nach Luft] und meine Begleitperson nicht.
00:35:55,612 –> 00:35:55,932 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:35:55,932 –> 00:36:10,732 [Sabrina Lorenz]
Und dann habe ich mich irgendwann gefragt: „Habe ich einfach so ’n cutes Outfit, weil ich mich, mir sehr viel Mühe mit meinem Outfit gegeben hab oder bin ich einfach nur die behinderte Person?“ [kichert leise] Und das, also ich merk schon manchmal, dass Menschen
00:36:10,732 –> 00:36:27,372 [Sabrina Lorenz]
sehr zuvorkommend freundlich sind und das ist ganz spannend, weil ich-Zweitausendein. Je nachdem, wie es mir geht, unterschiedlich gelesen werde. Also wenn ich sage, an dem Tag geht es mir so gut, ich
00:36:27,372 –> 00:36:37,652 [Sabrina Lorenz]
laufe den Weg oder ich stehe, dann werde ich ganz anders gelesen, als würde ich im Rollstuhl sitzen. Und
00:36:37,652 –> 00:36:55,911 [Sabrina Lorenz]
ich habe vor Jahren zusätzlichen Sauerstoff bekommen, also für diejenigen, die mich jetzt noch hören. Und der Unterschied zwischen „ich werde ohne Sauerstoff als nicht behinderte Person gelesen und als nicht chronisch erkrankte Person gelesen
00:36:55,912 –> 00:37:04,092 [Sabrina Lorenz]
und ich nutze zusätzlichen Sauerstoff, ist so groß in der Außenwahrnehmung, dass es
00:37:04,092 –> 00:37:07,292 [Sabrina Lorenz]
für mich sehr
00:37:07,292 –> 00:37:15,592 [Sabrina Lorenz]
groß gewesen. Also dieser Unterschied ist, wie Menschen dann mir begegnet sind. Und
00:37:15,592 –> 00:37:28,692 [Sabrina Lorenz]
das ist dann schon krass, weil ich mich natürlich über die gesamte Zeit natürlich auch anders fühle im Zuge meiner Erkrankung und der Veränderung meiner Behinderung.
00:37:28,692 –> 00:37:51,652 [Sabrina Lorenz]
Aber ich bin jetzt nicht in dem Moment, wenn ich das jetzt runternehmen würde für ein Foto, bin ich jetzt nicht plötzlich mehr chronisch krank oder mehr behindert, als wenn ich dann drei Minuten später den Sauerstoff wieder aufsetzen würde. Aber die Wirkung ist eine andere und Menschen behandeln mich tatsächlich anders und das ist
00:37:51,712 –> 00:37:52,892 [Sabrina Lorenz]
krass.
00:37:52,892 –> 00:37:55,192 [Raul Krauthausen]
Ich denke halt so, ja,
00:37:55,192 –> 00:38:01,092 [Raul Krauthausen]
kann man dann auch mal genießen, die mehr Bonbons oder
00:38:01,092 –> 00:38:03,932 [Raul Krauthausen]
ein Freund von mir, der ist jetzt seit
00:38:03,932 –> 00:38:07,892 [Raul Krauthausen]
einer Weile im Rollstuhl
00:38:07,892 –> 00:38:23,492 [Raul Krauthausen]
und jetzt auch nicht mehr so viel wie früher, aber er war halt plötzlich, braucht er einen Rollstuhl. Und er meinte, auf einmal halten mir die Menschen die Türen auf. Ihm als Mann wurde noch nie in seinem Leben die Tür aufgehalten. Er kennt dieses Gefühl nicht
00:38:23,492 –> 00:38:50,292 [Raul Krauthausen]
und er fühlte sich am Anfang hilflos, so nach dem Motto: „Denke ich, kann jetzt keine Türen mehr aufhalten oder was? Aber jetzt, so lange dachte er, ist eigentlich auch schon nett, wenn man die Tür aufgehalten bekommt. Also so fühlt natürlich leichter. Und warum halten wir uns nicht alle gegenseitig die Tür auf? So aus der Perspektive denkt er quasi drauf. Aber ich kenne es zumindest gar nicht, dass mir niemand die Tür aufhält.
00:38:50,292 –> 00:38:51,972 [Sabrina Lorenz]
Na ja, du kommst auch nicht so gut dran.
00:38:51,972 –> 00:38:59,412 [Raul Krauthausen]
Ja, aber das stimmt. Aber dir wird doch wahrscheinlich auch die Tür aufgehalten, wenn du vorbeifährst.
00:38:59,412 –> 00:39:07,592 [Sabrina Lorenz]
Ich kenne aber auch Menschen, die, ich sage mal, die
00:39:07,592 –> 00:39:12,332 [Sabrina Lorenz]
Oberarmmuskulatur oder die die Oberkörper
00:39:12,392 –> 00:39:36,772 [Sabrina Lorenz]
möglich, vom Oberkörper die Möglichkeit haben, selber eine Tür zu öffnen. Dass viele dann aber sagen: „Nee, das mache ich jetzt selber. Und ich frag mich manchmal, ob das dann eine Sache von Selbstermächtigung ist, zu sagen: „Ich kann das selber. Und als behinderte Person wird mir so viel abgenommen oder auch so viel bevormundend gemacht, dass ich sage: „Nein, das möchte ich selber, weil ich kann das.
00:39:36,772 –> 00:39:37,132 [Raul Krauthausen]
Ja, klar.
00:39:37,132 –> 00:40:14,672 [Sabrina Lorenz]
Oder ist es vielleicht auch die Verweigerung von Unterstützung, weil wir so sehr internalisieren, dass Unterstützung annehmen etwas Schlimmes ist oder etwas ist, wo… Also weil wir ja vielleicht auch häufig hören: „Du bist ja so anstrengend und du bist eine Belastung. Das sind ja leider Vorteile, die Menschen hören. Und dass es natürlich leichter wäre, wenn einfach die Tür aufgehalten wird und wir einfach durchfahren können. Aber vielleicht dann auch Menschen sagen: „Nein, das mache ich jetzt alleine, weil sonst falle ich dir ja schon wieder zur Last. Und das, glaube ich, passiert auch.
00:40:14,672 –> 00:40:18,672 [Raul Krauthausen]
Oder einem die Tür aufgehalten wird, obwohl man gar nicht durch will.
00:40:18,672 –> 00:40:18,972 [Sabrina Lorenz]
Auch gut.
00:40:18,972 –> 00:40:26,632 [Raul Krauthausen]
Das passiert ja auch öfter. Oder blinde Menschen erzählen ja oft, dass ihnen über die Straße geholfen wird, über die sie gar nicht wollten.
00:40:26,632 –> 00:40:37,632 [Sabrina Lorenz]
Also ich wurde auch einfach schon mal innerhalb eines Gespräches angefangen, irgendwo hinzuschieben, weil ich ja auch noch mal irgendwo hin wollte, was nicht stimmte.
00:40:37,632 –> 00:40:46,512 [Raul Krauthausen]
Und da muss man natürlich schon auch Mensch mit Behinderungen glauben, wenn sie sagen: „Nein, ich kann das alleine oder „Ich brauche keine Hilfe.
00:40:46,512 –> 00:40:51,032 [Raul Krauthausen]
Ich finde es sehr spannend, mit dir darüber zu reden, weil
00:40:51,032 –> 00:41:21,792 [Raul Krauthausen]
normalerweise sind ja hier nicht behinderte Menschen zu Gast, überwiegend. Und da redet man halt das, was man sonst immer redet über Behinderung. Aber mit jemandem, der die ähnliche Erfahrung gemacht hat, kann man ja noch mal diese andere Perspektive aufzeigen. Also diese Hierarchisierung von Behinderungen oder dieses „Es hat halt auch manchmal tatsächlich Princess Treatment-Vorteile oder Princi-Treatment-Vorteile, die natürlich niemals
00:41:21,792 –> 00:41:35,372 [Raul Krauthausen]
das überwiegen, was die Nachteile sind. Aber dieses eine Mal kann man dann schon auch mal mitnehmen. Und das fand ich so schön, mit dir mich darüber auszutauschen.
00:41:35,372 –> 00:41:40,152 [Sabrina Lorenz]
Danke schön, dass du sie richtig lieb. Mal gucken, was jetzt noch kommt.
00:41:40,152 –> 00:41:44,872 [Raul Krauthausen]
Nein, ich glaube, wir können einfach so weitermachen.
00:41:44,872 –> 00:41:51,892 [Raul Krauthausen]
Ich habe mich nämlich gefragt, ob Menschen mit unsichtbaren Behinderungen
00:41:51,892 –> 00:41:54,412 [Raul Krauthausen]
doppelt kämpfen müssen.
00:41:54,412 –> 00:41:57,052 [Raul Krauthausen]
Also einmal
00:41:57,052 –> 00:42:02,572 [Raul Krauthausen]
mit der eigenen Behinderung klarzukommen,
00:42:02,572 –> 00:42:10,652 [Raul Krauthausen]
was Menschen mit sichtbaren Behinderungen auch machen müssen, aber zusätzlich müssen sie es noch belegen,
00:42:10,712 –> 00:42:20,012 [Raul Krauthausen]
was ja bei mir nicht der Fall ist. Wenn ich irgendwo den Raum betrete, bin ich halt sofort der Behinderte und ich brauche zwei, drei Sätze.
00:42:20,836 –> 00:42:20,915 [Sabrina Lorenz]
Mhm.
00:42:20,915 –> 00:42:27,154 [Raul Krauthausen]
Um zu erklären, dass ich aber mehr bin als meine Behinderung. Aber egal, was ich will-
00:42:27,156 –> 00:42:31,796 [Sabrina Lorenz]
Was sind dann deine Go to Sätze? Was sind deine… [lacht]
00:42:31,875 –> 00:42:41,236 [Raul Krauthausen]
Also früher war das immer ein Witz auf eigene Kosten. Ne, so wie du vorhin gesagt hast, den anderen ein gutes Gefühl geben. Ähm,
00:42:41,296 –> 00:43:00,556 [Raul Krauthausen]
das habe ich oft mit meinem Humor gemacht, wo ich dann Witz auf meine Kosten gemacht hab, damit die anderen sich leichter fühlen. Hab dann aber auch gemerkt, irgendwie tut mir das auch weh, weil dann die anderen auch anfangen, Witze auf meine Kosten zu machen. Und, äh, das ist dann nicht mehr so witzig. Ähm,
00:43:00,556 –> 00:43:11,145 [Raul Krauthausen]
ich experimentiere noch. Also ich habe noch keine korrekte Antwort auf „Go to setzt“. Aber was ich damit sagen will, ist: Ich gehe jetzt in diesen Raum und ich bin erster Behinderte, bevor ich …
00:43:11,145 –> 00:43:12,536 [Sabrina Lorenz]
[lacht]
00:43:12,536 –> 00:43:13,616 [Sabrina Lorenz]
[Gesprächspartner macht Lauten mit dem Mund]
00:43:13,616 –> 00:43:18,296 [Raul Krauthausen]
Ähm, du hingegen canst
00:43:18,296 –> 00:43:20,955 [Raul Krauthausen]
einen Raum betreten
00:43:21,016 –> 00:43:24,696 [Raul Krauthausen]
und du bist erst mal nicht behindert-
00:43:24,696 –> 00:43:24,716 [Sabrina Lorenz]
Ah!
00:43:24,716 –> 00:43:27,516 [Raul Krauthausen]
-wenn du die drei Minuten
00:43:27,516 –> 00:43:29,836 [Raul Krauthausen]
den Schlauch abmachst, vielleicht.
00:43:29,836 –> 00:43:29,955 [Sabrina Lorenz]
Ja.
00:43:29,955 –> 00:43:46,556 [Raul Krauthausen]
Also du kannst das. Ähm, und wenn du dann den Schlauch anmachst, dann sind vielleicht viele irritiert und haben Fragen und dann musst du das irgendwie erklären. Ich würde sagen, das hat vor und Nachteile, genauso wie es sofort zu ersehen vor und Nachteile hat.
00:43:46,556 –> 00:43:55,935 [Sabrina Lorenz]
Jein. Also ich, also ich würde, glaube ich, jein sagen, weil wie in allem uns in Gesprächen die Realität wahrscheinlich viel komplexer ist-
00:43:55,935 –> 00:43:56,386 [Raul Krauthausen]
Natürlich.
00:43:56,386 –> 00:44:15,316 [Sabrina Lorenz]
-und ich für meinen Fall natürlich nur sprechen kann und für mich und meine Erfahrung sprechen kann. Und ich glaube, dass eine andere Person ganz andere Erfahrungen macht. Ähm, zum Beispiel würde ich persönlich nicht sagen, eine sichtbare Behinderung, weil,
00:44:15,316 –> 00:44:20,756 [Sabrina Lorenz]
ähm, klar, wenn eine Person nichts sehen kann–
00:44:20,756 –> 00:44:31,524 [Sabrina Lorenz]
Also wir, also ich frag mich dann, ob das, ob das etwas macht für eine Person, die nicht sehen kann. Also ’ne Person, die, die würde dich vielleicht auch nicht sofort als behinderte Person lesen.
00:44:31,524 –> 00:44:31,856 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:44:31,856 –> 00:44:47,596 [Sabrina Lorenz]
Und deswegen frage ich mich halt, ob dieser Gedanke von sichtbar oder nicht sichtbar so wicht– also ob da ein anderes Wording für gibt, weil, ähm, ich irgendwie mit meinem Wording auch nicht dann sehende Menschen in ihrer Erfahrung-
00:44:47,596 –> 00:44:47,725 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:44:47,725 –> 00:45:21,496 [Sabrina Lorenz]
-ausschließen möchte. Das ist der eine Punkt und der andere: Ich glaube schon, dass viele Menschen sehr visuell geprägte Menschen sind oder dass wir viel auf unsere visuelle Wahrnehmung achten und was das mit uns macht oder unser, unsere Welt darüber wahrnehmen. Und nur weil etwas nicht direkt ersichtlich ist, heißt es nicht, dass es unsichtbar ist, dass es nicht da ist. Für mich ist es dann eher ein: Du hast nicht nah genug geschaut, du hast dich nicht lang genug damit beschäftigt. Weil auch wenn meine Behinderung vielleicht
00:45:21,556 –> 00:45:30,386 [Sabrina Lorenz]
gerade, ich sage mal jetzt, ein paar Jahre zurück, nicht direkt ersichtlich ist, ist sie nicht da. Also ist sie nicht nicht da. Also ist sie nicht weg.
00:45:30,386 –> 00:45:31,196 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:45:31,196 –> 00:45:45,024 [Sabrina Lorenz]
Du hast dich nur nicht damit beschäftigt, dass wir uns nur treffen an den Tagen, wo es mir gut geht. Du hast dich nur nicht damit beschäftigt, wie viele Medikamente ich nehmen musste und wie viele Hilfsmittel, die vielleicht direkt gerade nicht sichtbar sind, damit ich heute hier sein kann.
00:45:45,024 –> 00:45:45,055 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:45:45,056 –> 00:45:55,935 [Sabrina Lorenz]
Du hast dich nur nicht damit beschäftigt, wie viele Termine ich morgen absage, damit ich heute hier sein kann. Du hast dich nur nicht damit beschäftigt, dass ich, bevor ich in diese Vorlesung kam, eigentlich noch grade
00:45:55,935 –> 00:46:18,296 [Sabrina Lorenz]
acht Stunden bei meinen Ärztinnen war. Und du hast dich nur nicht damit beschäftigt, wie lange ich darum kämpfen musste, dass mein Schwerbehindertenausweis, mein Grad der Behinderung bestätigt wurde, weil eben ich so sehr darum kämpfen muss, dass ich auch behindert bin, obwohl oder während
00:46:18,296 –> 00:46:35,196 [Sabrina Lorenz]
meine Behinderung nicht direkt ersichtlich ist. Und deshalb, finde ich, ist sie nicht unsichtbar. Wir beschäftigen uns nur zu wenig mit dem Thema. Und deswegen nutze ich ganz häufig diesen Begriff von „nicht ersichtlich“, weil unsichtbar würde ja bedeuten, sie ist nicht da.
00:46:35,196 –> 00:46:48,196 [Raul Krauthausen]
Voll, hundert Prozent, geb ich, geb ich total recht. Ähm, ich hab mich auch gerade gefragt, ob einem blinden Menschen gegenüber wir beide erst mal als nicht behindert wahrgenommen
00:46:48,236 –> 00:46:49,355 [Raul Krauthausen]
würden.
00:46:49,356 –> 00:46:55,496 [Sabrina Lorenz]
Das, das habe ich mich auch gefragt. Also, ich habe eine Freundin, die ist blind und, ähm,
00:46:55,496 –> 00:47:02,875 [Sabrina Lorenz]
ich, wenn ich, wenn ich sie treffe, dann sage ich ihr: Ähm, wenn du mich umarmst, ich stehe oder ich sitze. Weil sonst-
00:47:02,875 –> 00:47:02,915 [Raul Krauthausen]
Ja.
00:47:02,915 –> 00:47:10,596 [Sabrina Lorenz]
-weiß sie ja– Also gerade, weil das, bei dir wüsste man immer ungefähr, wie groß du bist oder auf welcher Höhe du sitzt.
00:47:10,596 –> 00:47:12,336 [Raul Krauthausen]
Wenn man sieht, ja.
00:47:12,336 –> 00:47:14,576 [Sabrina Lorenz]
Wenn man dich kennt. Auch wenn man da nicht-
00:47:14,576 –> 00:47:16,616 [Raul Krauthausen]
Wenn man sehen kann. Genau.
00:47:16,616 –> 00:47:21,926 [Sabrina Lorenz]
Ja, aber wenn man dich zum Beispiel ganz häufig trifft und dich kennt, dann würdest du ja nicht-
00:47:21,926 –> 00:47:23,696 [Raul Krauthausen]
Dann bleibt die Sitzhöhe gleich. Du hast recht, ja.
00:47:23,696 –> 00:47:37,455 [Sabrina Lorenz]
Genau. Sorry. [lacht] Und, ähm, was ich manchmal mache, wenn ich eine Personenschreibung zu mir mache, ist, dass ich das Sauerstoff erkläre, weil das ’n Geräusch macht.
00:47:37,455 –> 00:47:37,556 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:47:37,556 –> 00:47:53,816 [Sabrina Lorenz]
Und dass Menschen, die nicht sehen können, wie ich aussehe, vielleicht sich dann fragen: „Okay, wo kommt das Geräusch gerade her?“ Und dann, ähm, dass sie da einen Eindruck zu haben. Deswegen beschreibe ich dann schon häufig meine Hilfsmittel.
00:47:53,816 –> 00:47:58,716 [Raul Krauthausen]
Das finde ich auch. Also den Gedanken hatte ich tatsächlich so gerade zum ersten Mal, dass, ähm,
00:47:58,716 –> 00:48:06,316 [Raul Krauthausen]
wir vielleicht unter blinden Menschen erst mal als nicht behindert wahrgenommen werden. Äh,
00:48:06,316 –> 00:48:08,796 [Raul Krauthausen]
muss ich mal fragen, muss ich mal rausfinden, wie das für die ist.
00:48:08,796 –> 00:48:13,556 [Sabrina Lorenz]
Also das war, das weiß ich nicht. Das ist jetzt auch nur, nur ’ne Vermutung, ne?
00:48:13,556 –> 00:48:35,332 [Raul Krauthausen]
Klar. Genau, und dann muss man eben– Du hast gesagt, dann hat man einfach sich nicht damit beschäftigt, ähm, weil die Behinderung ist ja trotzdem da, auch wenn sie nicht ersichtlich ist.Wenn sich jemand damit beschäftigt, bist du trotzdem in der Rolle, das zu erklären.
00:48:35,332 –> 00:48:35,682 [Sabrina Lorenz]
Ja, total.
00:48:35,682 –> 00:48:37,472 [Raul Krauthausen]
Mehr als ich es bin.
00:48:37,472 –> 00:48:46,252 [Sabrina Lorenz]
Total. Ich glaube, weil es so schwer erfahrbar ist, weil wir, weil wir damit,
00:48:46,252 –> 00:48:59,632 [Sabrina Lorenz]
weil wir davon ausgehen, dass alles, was wir wahrnehmen, sich auf eine gewisse Art und Weise präsentiert. Also wenn wir, zum Beispiel, wenn wir in die Medizin schauen. Es gibt diese Schmerzskala und es gibt eine Skala-
00:48:59,632 –> 00:49:05,232 [Raul Krauthausen]
Die lieb ich. Ich liebe die Schmerzskala. Das ist so ’ne Hilfe. Fang an, sorry.
00:49:05,232 –> 00:49:07,652 [Sabrina Lorenz]
Das war Ironie, ne? [lacht]
00:49:07,652 –> 00:49:13,072 [Raul Krauthausen]
Also, also mir hat sie tatsächlich schon als Kind geholfen. Ich hab ja ganz andere Assoziationen vielleicht damit.
00:49:13,072 –> 00:49:17,772 [Sabrina Lorenz]
Was dann– Oh, das find, das find ich jetzt spannend. Erzähl mal. Ich komm da gleich drauf zurück.
00:49:17,772 –> 00:50:20,172 [Raul Krauthausen]
Ja, okay. Bitte nicht vergessen. Ähm, also meine Mutter ist Ärztin und, äh, die hat mir als, als Kind schon immer gesagt: „Niemand muss Schmerzen haben.“ Ähm, so nach dem Motto: „Ey, wenn’s wirklich toll wehtut, dann finden wir schon ’ne Lösung.“ In Klammern: „Kein Medikament für dich.“ Und irgendwann wurden diese, diese Skalen eingeführt, auch im Krankenhaus. Und ich hatte immer das Gefühl, die Ärzte glauben mir nicht, dass ich wirklich Schmerzen hab. Und ich konnte damals noch keine Zahlen lesen. Ähm, da gab’s irgendwie so Smileys. Und da konnte ich anhand der Smileys sagen, wie schlecht es mir geht. Und ich hatte zum ersten Mal so ein empowerndes Gefühl, dass man mir glaubt. Und dass, wenn es mir besser ging, ich wollte ja auch, dass es mir besser geht, ich auch stolz war, wenn der Smiley nicht mehr so traurig war. Das heißt, es ging ja gar nicht um die Frage, ähm, ich mache immer maximal, ja? Das– Ich wollte ja auch beweisen, dass ich schon, äh, äh, gesünder geworden bin und so.
00:50:20,232 –> 00:50:22,572 [Raul Krauthausen]
Das hat was sehr Empowerndes für mich. Wie war das bei dir?
00:50:22,572 –> 00:50:56,592 [Sabrina Lorenz]
Das klingt nach ’ner richtig guten Erfahrung und ich glaube, das ist ’ne, ’ne Idee– Also, wenn jemand diese Skala oder als diese Skala erfunden wurde, ist das, bist du vielleicht der [übersprechen 00:03:02] ideelle Fall, für die das genauso funktioniert. Weil, wie du gerade beschrieben hast, es gibt einmal dieses, diese Skalen– Nein, ‚tschuldigung. Die Zahlenskala und es gibt die einmal mit Emojis und es gibt die auch ohne Emojis, sondern mit Bildern oder mit so Zeichnungen, wie das Gesicht einer Person aussehen muss. Und das bedeutet,
00:50:56,592 –> 00:51:25,552 [Sabrina Lorenz]
aus meiner Erinnerung, ab irgendwie sieben oder so, die Person, äh, verkneift das Gesicht. Und tatsächlich gibt es dazu auch so Beschreibungen, ähm, wie das Gesicht verzerrt werden muss oder wie die Person sich winden muss, damit dieser Zahlenwert gerade erreicht ist. Und dann, und ab irgendeinem Punkt fängt die Person an zu weinen oder zu schreien oder so. [holt Luft] Und Menschen, die mit chronischen Erkrankungen leben und gerade mit chronischen Schmerzerkrankungen,
00:51:25,552 –> 00:51:31,052 [Sabrina Lorenz]
müssen sich zwangsläufig daran gewöhnen. Ich glaube nicht, dass, dass,
00:51:31,052 –> 00:51:48,522 [Sabrina Lorenz]
also da kann ich nur so für, für die Erfahrung sprechen, mit den Menschen, mit denen ich gesprochen hab. Man gewöhnt sich nie hundertprozentig daran. Man gewöhnt sich nur einen Umgang damit an. Und dann sagt man, „Na ja, aber ich habe die Schmerz von sieben“, aber man verzerrt das Gesicht nicht.
00:51:48,522 –> 00:51:48,552 [Raul Krauthausen]
Mhm.
00:51:48,552 –> 00:51:54,532 [Sabrina Lorenz]
Und dann sagt die Person, „Ja, dann passt das ja hier nicht. Dann kann das ja nicht stimmen.“ Und-
00:51:54,532 –> 00:51:55,692 [Raul Krauthausen]
Ah ja, voll.
00:51:55,692 –> 00:52:09,812 [Sabrina Lorenz]
Und dann müssen wir uns anfangen zu erklären. Ich glaube, für Menschen mit nicht direkt ersichtlichen Erkrankungen, die plötzlich oder, oder die erst im Laufe des Lebens ihre Diagnose bekommen, ist es ganz hart, weil sie
00:52:09,812 –> 00:52:29,632 [Sabrina Lorenz]
erstmal dann beweisen müssen, weil sie von außen nicht plötzlich anders gelesen werden. Ähm, und dann heißt es: „Aber ich habe jetzt aber diese Diagnose und jetzt gerade geht’s mir schlecht.“ Ähm, und es wird nicht direkt von außen wahrgenommen. Es ist super herausfordernd,
00:52:29,692 –> 00:52:31,472 [Sabrina Lorenz]
weil
00:52:31,472 –> 00:52:46,352 [Sabrina Lorenz]
eine Sache, die ich gelernt habe im, im Laufe meines Lebens mit chronischer Erkrankung und Behinderung, ist, wenn wir akut krank sind, dann machen wir Pause, dann nehmen wir das ernst. Wenn du jetzt
00:52:46,352 –> 00:53:03,352 [Sabrina Lorenz]
Grippe hast, Magen-Darm-Virus, was auch immer, jede Person würde sagen: gar kein Problem, mach ’ne Woche frei. Äh, ich, ich übernehm deine Schicht, ich übernehm das Projekt für dich. Ruh dich mal aus. Chronisch krank zu sein und konstant mit Symptomen
00:53:03,352 –> 00:53:11,292 [Sabrina Lorenz]
zu dealen oder, oder umgehen zu müssen, ist dann der neue Normaleffekt oder das neue Normal.
00:53:11,352 –> 00:54:56,524 [Sabrina Lorenz]
Und das braucht einfach einen, einen anderen Umgang, weil wir nicht ’ne Woche Pause machen können, uns mal ’ne Woche ausschlafen können und dann geht’s uns besser. [holt Luft] Und wir müssen ganz viel anpassen, um dieses Leben dann somit weiterzuführen. Und dann ist es nicht mehr ein, ist gar kein Problem, ruh dich mal ’ne Woche aus, sondern ein: „Krass, ist schon wieder was mit dir?“ Und gestern waren deine Symptome doch anders als heute. Für mich siehst du aber, erscheinst du aber gleich zu gestern. Wie kann sich das denn jetzt verändert haben? Weil, weil diese Person ja nicht die gleiche sensorische Wahrnehmung hat wie ich, sondern ja nur in Anführungszeichen aus von Blickdiagnose oder sagen kann, die Art und Weise, wie du sprichst oder dich artikulierst, ist vielleicht anders oder, oder weiß ich nicht. Oder du bist heute vielleicht ein bisschen schlechter drauf. Das sind vielleicht Sachen, die wir bemerken, aber wir, wir können ja das Gefühl nicht nachvollziehen. Und dann lernst du irgendwann: „Ah ja, mit der ist ja immer was. Mit Sabrina ist ja immer irgendwas.“ Also Lärm Sabrina. Alles klar. Meine chronische Erkrankung darf dann ihren Platz haben, wenn sie andere nicht stört. Also lächle ich auch, wenn ich ’ne, ’ne Skala von sieben Schmerzen hab-Geht’s dir gut? Also sage ich auch, mir geht’s gut, auch wenn ich weiß, dass es nicht so ist, weil ich leichter durchs Leben komme, wenn ich andere nicht störe, weil bei mir ja immer irgendwas ist. Und wenn wir dann auf die Seite der Bürokratie und der Medizin schauen, dann multipliziert sich das Ganze nur, weil oder gerade so etwas wie Pflege gerade, ist total schwierig, weil dann weil es dann vielleicht heißt und vielleicht
00:54:56,524 –> 00:55:00,744 [Sabrina Lorenz]
ist es etwas, was auch viele Patientinnen mit
00:55:00,744 –> 00:55:08,284 [Sabrina Lorenz]
zum Beispiel c mit ME/CFS erleben oder vielleicht auch mit anderen Erkrankungen, die einfach nicht direkt ersichtlich sind.
00:55:10,224 –> 00:55:34,084 [Sabrina Lorenz]
Na ja, aber Du kannst doch dir selber motorisch etwas einschenken. Du hast doch die anatomisch veranlagt, die Muskelfunktion in deinem Arm dafür. Ja, aber die Kraft reicht nicht aus. Mhm. Ja, aber na ja, aber wenn Du jetzt wolltest, könntest Du doch dieses Glas umgreifen. ’ne ’ne Person, die vielleicht
00:55:34,084 –> 00:56:10,084 [Sabrina Lorenz]
eine Muskelschwäche hat, die vielleicht den Arm nicht ausgebildet hat, die kann das ja nicht. Und dann ist das, was das Erleben der Person ist und das, wie es aussieht in einer Divergenz. Und das wird aber bewertet, anstatt die Wahrnehmung dieser Person. Und dann ist es total schwer, eben ’n Schwerbehindertenausweis zu bekommen, ’n Pflegegrad zu bekommen, weil die Kraft und die Symptomlast, die da ist, vermeintlich nicht so ersichtlich ist oder nicht
00:56:10,144 –> 00:56:19,044 [Sabrina Lorenz]
nicht sich gleich zeigt wie die Person in der in der Physis.
00:56:19,044 –> 00:56:33,524 [Raul Krauthausen]
Und dann potenziert sich halt auch alles, ne. Genau. Also wenn Du dann den Ausweis nicht hast, weil Du die Kraft dafür nicht hast und dir glaubst keiner, Du musst erst zum Arzt und so weiter und so fort. Klar, verstehe ich total. Wahrscheinlich scheitert es
00:56:33,524 –> 00:57:03,424 [Raul Krauthausen]
am Vertrauen. Also wenn mir hat man halt als Kind damals geglaubt, aber meine Knochen sind halt offensichtlich krumm und schief und dann ist sie ja wahrscheinlich gebrochen und wird schon stimmen, wenn er sagt, er hat Schmerzen. So, also die die Erfahrung hab ich halt gemacht. Aber wenn man quasi das nicht gleich sofort ersichtlich hat, dann muss man Vertrauen schenken oder glauben und voraussetzen.
00:57:03,424 –> 00:57:07,844 [Raul Krauthausen]
Aber das mit den Grimassen und beziehungsweise Mimiken,
00:57:07,844 –> 00:57:13,264 [Raul Krauthausen]
da das find ich auch hoch fragwürdig. Weil man sieht mir auch nicht an, wenn’s mir nicht gut geht. Das haben wir ja auch nicht.
00:57:13,264 –> 00:57:32,564 [Sabrina Lorenz]
Aber dir aber dir wird’s man’s eher glauben. Genau. Und das ist das Herausfordernde. Ich ich bin total bei dir. Ich glaube, dass wir dann Menschen behandeln, wenn wir ihnen begegnen. Und das fängt ganz häufig an mit einem Ich glaube dir. Ich
00:57:32,564 –> 00:57:46,884 [Sabrina Lorenz]
hab Erfahrungen selber gemacht, ich kenne aber auch Erfahrungen von von befreundeten Menschen, wo die Antwort ist, na ja, aber ich hab ja Medizin studiert und Du nicht. Woher willst Du denn wissen, dass das hier grade relevant ist? Na ja, weil ich diesen weil ich in diesem Körper lebe.
00:57:46,884 –> 00:57:47,364 [Raul Krauthausen]
Ja, klar.
00:57:47,364 –> 00:59:18,124 [Sabrina Lorenz]
Und dann werden uns unsere Erfahrungen abgesprochen, weil vielleicht die Ergebnisse einen gewissen Prozentgrad nicht schlimm genug abweichen. Und dann sind wir wieder bei dem Thema, was wir vorne hatten. Wenn wir so viel Kraft aufwenden müssen, dass uns geglaubt wird und vor allem in unserem System wird ja Behinderung immer noch sehr durch einen medizinisch pädagogischen Blick geprägt. Das heißt, das, was die Medizinerinnen attestieren und schwarz auf weiß als Diagnose aufschreiben oder als Wert, das ist das, was geglaubt wird. Das ist das, was beim Amt geglaubt wird, beim MDK geglaubt wird, grundsätzlich bei allen Formen von Anträgen. Und wenn Und ich kenn so viele Menschen, die Angst haben, diese Diagnose nicht zu bekommen und nicht krank genug zu sein für diese eine Diagnose, dass es an einem Tag ’n Prozent zu gut ist, dass dann all dieser Kampf wieder losgeht, sich immer wieder beweisen zu müssen. Und das ist gerade herausfordernd mit dynamischen Erkrankungen, bei denen die Symptome eine also unterschiedlich stark sich von Tag zu Tag präsentieren. Und das führt dann natürlich irgendwann, wenn all wenn dir jahrelang gesagt wird, ich glaube dir nicht, führt das natürlich irgendwann dazu, dass Du dich selber hinterfragst und selber sagst, okay, glaub ich mir denn selber? Hinzu kommt, dass
00:59:18,124 –> 00:59:26,184 [Sabrina Lorenz]
dass unser medizinisches System ganz häufig an weißen, nicht behinderten Männern
00:59:26,184 –> 00:59:46,544 [Sabrina Lorenz]
sich in der Forschung orientiert und nicht an POCs, BPOCs, an FLINTA Personen. Und uns dadurch, also ich als als FLINTA Person wird mir einfach weniger schnell geglaubt und ich werde weniger ernst genommen.
00:59:46,544 –> 01:00:00,284 [Sabrina Lorenz]
Und das und das potenziert sich dann ja. Und wenn dann vielleicht auch noch jeden Tag meine Symptome sich unterscheiden, hinterfrage ich mich irgendwann, okay, was stimmt denn jetzt noch und was nicht? Und im worst case passiert das ja, dass
01:00:00,284 –> 01:00:35,724 [Sabrina Lorenz]
Patientinnen irgendwann ihre Symptome nicht mehr ernst nehmen, dann sagen, na ja, wird mir wird ja eh nicht geglaubt oder vielleicht ist das ja auch gar nicht echt und gehen dann nicht in eine Behandlung oder gehen, holen sich dann nicht die entsprechende Unterstützung. Und dann passiert vielleicht medizinisch, aber vielleicht auch psychisch total viel, was vermeidet hätte werden können, wenn von Anfang an gesagt werden würde, alles klar, ich glaube dir. Vielleicht sehe ich das grade noch nicht in dem Blutbild, aber ich glaube dir und wir gehen dem nach. Aber dafür hat unser System keine Zeit.
01:00:36,312 –> 01:00:57,052 [Raul Krauthausen]
Und am Ende, diese ewige Rumgerenne zu Ärzten, sind auch Kosten, ähm, die auch gar nicht berücksichtigt werden, wenn wir immer Gesundheit als Kostenfaktor, was auch schon problematisch ist, äh, da gern in die Backscheine werfen. Ähm, ich hab trotzdem noch mal eine andere Frage.
01:00:57,112 –> 01:01:08,652 [Raul Krauthausen]
Oder nee, nicht trotzdem. Ergänzend dazu: Ganz oft hören aber auch Menschen mit Behinderung, „aber was würde denn ’ne Diagnose ändern?“ Und
01:01:08,652 –> 01:01:27,072 [Raul Krauthausen]
ich verstehe diese Frage oder wo die Frage herkommt, weil am Ende steht es halt auf dem Papier, dass du ABC hast. Ähm, aber sie ist halt ’n Meilenstein, weil du mit diesem Dokument dann quasi Zugänge zu ganz neuen, äh, hoffentlich, äh, äh, Dienstleistungen bekommst.
01:01:27,132 –> 01:01:27,232 [Sabrina Lorenz]
Mhm.
01:01:27,232 –> 01:01:54,672 [Raul Krauthausen]
Und, äh, das ist, glaub ich, der Punkt, warum es, äh, für viele auch so wichtig ist, aber auch für die eigen– für, für das eigene, für die eigene mentale Gesundheit, dass man eben nicht mehr diese ganze Zeit diese Unsicherheit hat, ähm, vielleicht ist es doch was anderes oder irgendwie so. Das wird, glaube ich, oft ’n bisschen zu wenig, äh, dann gesehen, obwohl es stimmt, dass die Diagnose einen erst mal nicht gesund macht.
01:01:54,672 –> 01:02:02,112 [Sabrina Lorenz]
Ja, ich, ich bin da total bei dir. Ganz häufig wird ja diese Frage gestellt:
01:02:02,112 –> 01:02:06,831 [Sabrina Lorenz]
Was war deine erste Reaktion, als du die Diagnose hattest? Und warst du nicht im Schock oder so?
01:02:06,832 –> 01:02:08,872 [Raul Krauthausen]
Ja, genau, Nee, Erleichterung.
01:02:08,872 –> 01:02:17,292 [Sabrina Lorenz]
Genau und ich glaube, dass, dass das für viele Leute stimmt, aber auch für viele Leute ist die Antwort: „Nee, ich war erleichtert.“
01:02:17,352 –> 01:02:24,852 [Sabrina Lorenz]
Diagnostik ist natürlich ’n super herausforderndes Gebiet, weil
01:02:24,852 –> 01:02:29,432 [Sabrina Lorenz]
es ja nicht immer ist: „Ich habe einen Wert und wenn der klar ist-
01:02:29,432 –> 01:02:29,462 [Raul Krauthausen]
Mhm.
01:02:29,462 –> 01:02:43,272 [Sabrina Lorenz]
-dann ist es diese eine Diagnose“, sondern viele Diagnosen präsentieren sich durch sehr viele unterschiedliche Symptome oder durch unterschiedliche Diagnose, äh, zeigen sich durch sehr ähnliche Symptome.
01:02:43,272 –> 01:02:45,812 [Sabrina Lorenz]
[holt Luft] Manchmal
01:02:45,812 –> 01:03:41,692 [Sabrina Lorenz]
bedeutet– Also gerade bei seltenen Erkrankungen ist das total schwierig, weil für viele seltene Erkrankungen noch gar keine Leitlinien gegeben sind. [holt Luft] Das heißt, manchmal muss, manchmal muss dann so sehr darum gekämpft werden, ein Off-Label-Medikament zu nutzen, weil das nicht für diese Diagnose anerkannt ist, aber für ’ne andere Diagnose, obwohl es eigentlich bei dieser Symptomatik auch helfen würde. Ich glaube, dass es ganz identitätsstiftend sein kann und ich glaub, dass das ein Prozess ist, der parallel zueinander funktionieren darf. Und zwar, dass ich zum einen geschockt sein darf, diese Diagnose zu bekommen und ’n Trauerprozess haben darf, zu sagen, boah, okay, was bedeutet das jetzt für mein Leben und was verändert sich jetzt dadurch und, und was macht das jetzt alles, vielleicht auch mit mir, mit meinem sozialen Umfeld? Und parallel dazu darf auch sein: „Aber endlich hab ich ’ne Antwort und endlich hab ich eine Diagnose.“ [holt Luft] Und
01:03:41,692 –> 01:04:02,192 [Sabrina Lorenz]
endlich muss ich nicht mehr immer kämpfen. Was natürlich dann herausfordernd ist, ist, wenn Diagnosen sich sehr ähnlich präsentieren und wir Patientinnen uns dann damit identifizieren und plötzlich ’ne Antwort für unser Leben haben. Wenn dann diese Diagnose vielleicht revidiert wird und gesagt wird, ah, okay, ich glaube, vielleicht ist es doch ’ne andere Diagnose-
01:04:02,192 –> 01:04:02,222 [Raul Krauthausen]
Mhm.
01:04:02,222 –> 01:04:21,231 [Sabrina Lorenz]
-was ja, was ja total verständlich ist, weil eben nicht immer dieser eine Test diese eine Diagnose mit sich bringt, sondern, ähm, vieles ja auch Ausschlussdiagnostik ist. Aber das macht es halt umso herausfordernder, da eine ganz stabile
01:04:21,232 –> 01:04:35,172 [Sabrina Lorenz]
Identität mit zu entwickeln, wenn ich das Gefühl hab, alles schwimmt und, äh, die, die Ärztinnen und das Fachpersonal um mich herum ist sich auch nicht sicher und ich bin mir nicht sicher. Aber ich persönlich
01:04:35,232 –> 01:04:52,432 [Sabrina Lorenz]
bin mir, ich hab, ich find es fairer und, äh, professioneller, wenn medizinisches oder auch anderes Fachpersonal sagt: „Ich bin mir grad nicht sicher, aber wir finden das gemeinsam heraus“, anstatt zu sagen: „Na ja, ich glaub dir nicht nur, weil ich grade nicht die Kapazität hab, mich da reinzudenken.“
01:04:52,432 –> 01:04:55,092 [Raul Krauthausen]
Absolut, also auch wieder so ’ne Art Vertrauen, ne? Also-
01:04:55,092 –> 01:04:55,102 [Sabrina Lorenz]
Genau.
01:04:55,102 –> 01:05:05,052 [Raul Krauthausen]
-zu sagen, ähm, der Patient wird schon, äh, Gründe haben, warum er oder sie das so sagt. Ähm…
01:05:05,112 –> 01:05:09,112 [Raul Krauthausen]
Jetzt haben wir– sind wir sofort in dieses tiefe Thema eingestiegen.
01:05:09,112 –> 01:05:09,812 [Sabrina Lorenz]
[lacht]
01:05:09,812 –> 01:05:37,412 [Raul Krauthausen]
Äh, ich hab auch gar nicht, ähm, äh, dich wirklich um Erlaubnis gefragt, äh, äh, ob das okay ist, wenn wir das so tief in der Breite austreten. [räuspert sich] Hatte mich eingeladen gefühlt, weil du von dir aus auch den Rollstuhl erwähnt hast und, und so und ich erlebe dich auch online als Aktivistin, die viel über dieses Thema spricht.
01:05:37,412 –> 01:05:47,792 [Raul Krauthausen]
Ähm, wann hast du denn für dich gemerkt, dass du, ich sag’s jetzt mal, so wie ich, die berufsbehinderte Person wirst?
01:05:47,792 –> 01:05:52,592 [Sabrina Lorenz]
Ich glaub, diesen Moment gab es gar nicht so richtig. Also
01:05:52,592 –> 01:05:53,172 [Sabrina Lorenz]
ich hab mir jetzt-
01:05:53,172 –> 01:05:57,532 [Raul Krauthausen]
Oder fühlst du dich so? Bist du eine Berufsbehinderte?
01:05:57,532 –> 01:06:03,712 [Sabrina Lorenz]
Ich finde den Ausdruck stark. Ich weiß nicht, ob ich ihn für mich selber claimen würde. Ähm,
01:06:03,712 –> 01:06:07,092 [Sabrina Lorenz]
findest du– Ist das ’n, ist das ’n Wording, was für dich passt?
01:06:07,092 –> 01:06:15,442 [Raul Krauthausen]
Also, ähm, ich tu mich super– Ich mag das Wort auch Berufsbehinderter, weil der wollt ich nie werden, der wollt ich auch nie sein.
01:06:15,442 –> 01:06:16,052 [Sabrina Lorenz]
Mhm.
01:06:16,052 –> 01:06:19,412 [Raul Krauthausen]
Aber ich bin es irgendwie geworden und ich kann damit leben.
01:06:19,412 –> 01:06:19,852 [Sabrina Lorenz]
Mhm.
01:06:19,852 –> 01:06:29,872 [Raul Krauthausen]
Ähm, also Hintergrund meiner Frage an dich ist: Wann hast du gemerkt, de-das schlägt für dich diese Bahnen ein, äh, und was hast Du vorher gemacht?
01:06:29,872 –> 01:06:34,272 [Sabrina Lorenz]
Oh, gute Frage. Also ich,
01:06:34,272 –> 01:06:52,741 [Sabrina Lorenz]
ich würde gerne von dem Wo– Also ich find das Wort „berufsbehinderte Person“, ähm, oder „berufsbehindert“, ähm, find ich eigentlich stark. Ich würd aber gerne…[stammelt] -sagen, dass nicht alle Menschen mit Behinderung berufsbehinderte Menschen werden müssen.
01:06:52,741 –> 01:06:53,542 [Raul Krauthausen]
Ja, auf keinen Fall.
01:06:53,542 –> 01:07:06,741 [Sabrina Lorenz]
So nach dem Motto: „Na ja, Sabrina ist behindert, Raul ist behindert. Was sollen die schon anderes werden?“ Ich glaube, dass, dass du und ich auch ganz viele andere Interessen oder Themen gehabt hätten, die wir auch beruflich hätten nachgehen können.
01:07:06,741 –> 01:07:07,382 [Raul Krauthausen]
Mhm.
01:07:07,382 –> 01:07:22,582 [Sabrina Lorenz]
Ähm, ich habe eigentlich erst mal nur geschrieben. Also ich habe einfach nur über das Leben mit, mit zu dem Zeitpunkt nicht direkt ersichtlicher chronischer Erkrankung und Behinderung geschrieben
01:07:22,582 –> 01:07:26,982 [Sabrina Lorenz]
und habe,
01:07:27,042 –> 01:07:56,442 [Sabrina Lorenz]
habe anscheinend Menschen erreicht, die sich damit identifizieren konnten oder die mir vielleicht zugestimmt haben oder gesagt haben: „Oh, mit diesen Worten, die machen was mit mir oder damit, damit kann ich mich gerade verbunden fühlen.“ Und erst einmal finde ich das total schön. Und ich finde es [schmunzelt] total schön, dass, dass wir eine Community haben, in der ganz häufig, dass dieses Erleben da ist. So,
01:07:56,522 –> 01:07:59,582 [Sabrina Lorenz]
vielleicht ’n–
01:07:59,582 –> 01:08:26,921 [Sabrina Lorenz]
Also, wo vielleicht dieser Gedanke da ist: „Ich mache diese Erfahrungen alleine.“ Und dann zu sehen, okay, ich bin aber nicht mit diesen Erfahrungen allein. Und das sind die Kollektiverfahrungen und natürlich in all, in all seinen Nuancen, in all seinen Schattierungen, weil eben, ähm, unsere, unsere Erlebnisse am Ende doch sehr individuell sind, gleichzeitig aber verbunden sein können mit ’nem ähnlichen Gefühl-
01:08:26,921 –> 01:08:27,142 [Raul Krauthausen]
Mhm.
01:08:27,142 –> 01:08:53,192 [Sabrina Lorenz]
-oder mit einer ähnlichen Verbundenheit. Und ich merke auch, dass innerhalb der Community wir ganz unterschiedliche Erfahrungen machen. Ich habe auch Freundinnen mit Behinderung, die ’n ganz anderen Umgang damit haben, die vielleicht ganz viele Erfahrungen nicht machen. Oder gerade wenn ich mit, mit behinderten Männern spreche, die machen ganz viele Erfahrungen, die ich als flinter Person nicht mache. Ne, andersrum. Nee, also, ich mach ganz viele Erfahrungen, die sie nicht machen. So rum.
01:08:53,192 –> 01:08:53,642 [Raul Krauthausen]
Mhm.
01:08:53,642 –> 01:08:59,362 [Sabrina Lorenz]
Und das– Darüber habe ich einfach geschrieben und
01:08:59,362 –> 01:09:00,921 [Sabrina Lorenz]
[holt Luft] ich
01:09:00,921 –> 01:09:04,282 [Sabrina Lorenz]
hab mich dann immer gefragt: Warum ist das denn so?
01:09:04,282 –> 01:09:14,062 [Sabrina Lorenz]
[holt Luft] Und wollte dem ge-, dem Thema noch, noch mehr einsteigen. Und, ähm,
01:09:14,062 –> 01:09:16,721 [Sabrina Lorenz]
eigentlich wollte ich immer Ärztin werden
01:09:16,721 –> 01:09:19,362 [Sabrina Lorenz]
[lacht] und ich wollte immer es besser machen.
01:09:19,362 –> 01:09:19,402 [Raul Krauthausen]
Mhm.
01:09:19,402 –> 01:09:33,991 [Sabrina Lorenz]
Und damit meine ich jetzt nicht, äh, die bessere Diagnose stellen oder den– länger die krasseren Fälle betreuen. Darum geht es gar nicht, sondern ich habe immer gesagt, ich möchte empathischer sein. Ich würde so gerne mit mehr Empathie Menschen begegnen und, ähm-
01:09:33,991 –> 01:09:35,782 [Raul Krauthausen]
Als dir begegnet wurde.
01:09:35,782 –> 01:10:55,122 [Sabrina Lorenz]
Genau. Und, ähm, hab dann angefangen Medizin zu studieren und hab aber da sehr viele Herausforderungen erlebt und war am Ende eigentlich nur noch im Krankenhaus, entweder als Studentin oder als Patientin. Und ich habe wenig nicht das Krankenhaus gesehen, ähm, und habe dann aus verschiedenen Gründen dann gesagt: „Okay, vielleicht ist das hier nicht mein Place to be.“ [schnieft] Hab dann soziale Arbeit angefangen zu studieren und ich finde das total wichtig, dass wir sagen: „Nicht alle Menschen mit Behinderung haben die Möglichkeit, mit zu– Zugang zu Bildung. Nicht alle haben den– die Möglichkeit, zu studieren.“ Und das macht aber ihre Expertise nicht weniger wertvoll. Das macht die Expertise nicht weniger relevant und nicht weniger wichtig. Ich für mich hab entschieden, ich würde aber gerne verstehen, warum die Gesellschaft ist, wie die Gesellschaft ist. Hab dann soziale Arbeit studiert, bin jetzt ausgebildete Sozialarbeiterin und durfte innerhalb dessen alle Bereiche, die ich an, an wissenschaftlichen Arbeiten ausfertigen
01:10:55,122 –> 01:11:10,002 [Sabrina Lorenz]
musste, ähm, auf das Thema Inklusion ausgerichtet und auf das Thema, ähm, Behinderung und durfte ganz viel zu dem Thema machen. Ich habe meine Bachelorarbeit zum Thema Medical Gaslighting geschrieben und, ähm,
01:11:10,002 –> 01:11:43,952 [Sabrina Lorenz]
so versucht, mich noch mal von einer anderen Seite als der eigenen Erfahrung an das Thema zu wagen. Und, ähm, parallel dazu ist dieser Account irgendwie gewachsen und hab dann Einladungen bekommen, dass ich doch meine Geschichte erzählen darf und was am Anfang ein: „Oh, Menschen, Menschen möchten meine Geschichte erfahren“, ist dann irgendwann geswitcht zu einem: „Ich möchte nicht über meine Geschichte sprechen, sondern ich möchte über die kollektiven Erfahrungen sprechen.“
01:11:43,952 –> 01:11:43,982 [Raul Krauthausen]
Mhm.
01:11:43,982 –> 01:11:50,962 [Sabrina Lorenz]
Weil, weil am Anfang hat sich das für mich ganz häufig angefühlt, wie:
01:11:50,962 –> 01:12:13,682 [Sabrina Lorenz]
Endlich werden unsere Geschichten gehört, endlich bekommen Geschichten eine Bühne, endlich dürfen wir dort sein. Und irgendwann hat sich das ein bisschen verändert zu diesem: Ich weiß nicht, ob ich auf jeder Bühne sein möchte und meine persönliche Geschichte erzählen möchte und damit ein Interesse von fremden Menschen befriedigen möchte, sondern: Warum bin ich denn auf dieser Bühne?
01:12:13,682 –> 01:12:15,742 [Raul Krauthausen]
Auch so ’ne Art Voyeurismus, ne, den man empfindet.
01:12:15,742 –> 01:12:16,072 [Sabrina Lorenz]
Genau.
01:12:16,072 –> 01:12:16,502 [Raul Krauthausen]
Ja.
01:12:16,502 –> 01:13:28,433 [Sabrina Lorenz]
Also, ich glaube, ich, ich glaube nicht, dass das– Also, es gibt immer, immer mal Momente, wo ich Einladungen bekomme, die sich so anfühlen und da gehe ich nicht hin. Und dann ist aber vielleicht eher die Frage: „Okay, ihr fragt mich um meine Geschichte zu erzählen, aber was ist denn das Ziel?“ Ist das Ziel vielleicht, ähm, über, über Inklusion zu sprechen? Oder ist das Ziel vielleicht über die Annahme von einer Diagnose zu sprechen? Oder [holt Luft], ähm, weiß ich nicht. Dann sage ich: „Alles klar, dann, ähm, möchte ich-„Die diese Mischung aus meinen Erfahrungen, die Erfahrungen der vielen Gespräche, die, die du sicherlich auch kennst. Also einfach mit Menschen aus der Community, mit mit ähm geteilten Erfahrungen. Diese diese sammeln, wenn wenn die Personen das möchten, wenn Personen sagen „Hey, das ist ’n Thema, das ist mir wichtig, das soll mal nach draußen getragen werden“. Und das verbinde ich son bisschen mit meiner Arbeit als Sozialarbeiterin und dann darf ich das heute auf Bühnen bringen und da bin ich sehr dankbar für.
01:13:28,434 –> 01:13:58,574 [Raul Krauthausen]
[Mikrofonklingeln] Gleich geht’s weiter. Wenn Du diesen Podcast unterstützen möchtest, dann kannst Du das mit einem kleinen monatlichen Beitrag tun. Im Gegenzug kannst Du alle Folgen vorab hören und wirst, wenn Du das möchtest, hier im Podcast namentlich genannt. Alle Infos findest Du auf im minus Aufzug Punkt de. Ende der Servicedurchsage. Viel Spaß beim zweiten Teil der Folge.
01:13:58,574 –> 01:14:41,174 [Raul Krauthausen]
Kann ich total nachvollziehen. Also bei mir war das ganz ähnlich. Ahhh Ich hab ja Werbung studiert, hab jahrelang in Werbeagenturen beim Radio gearbeitet und hab fand es immer komisch, dass ich der Einzige oder der erste Mensch mit Behinderung überhaupt war. Ahhhm Und hab mich gefragt, wo das herkommt und hab dann mein Studium genau verwendet mit meiner Diplomarbeit, das dann zu erforschen. Ahhhm Und ahhh hab dann realisiert im Nachgang, was ich alles selber für internalisierte Ableismen in mir trage, ahhhm also auch noch trage, ne, das, ahhh was für Annahmen und Vorteile ich habe ahhhm und auch
01:14:41,174 –> 01:14:50,874 [Raul Krauthausen]
wie wie krass die nicht behinderte Gesellschaft ahhh diese Vorurteile noch viel mehr wahrscheinlich in sich trägt. Und
01:14:50,874 –> 01:14:54,534 [Raul Krauthausen]
aber jetzt wo wir beide hier in diesem Aufzug stecken, ahhhm
01:14:54,534 –> 01:14:56,494 [Sabrina Lorenz]
[lachen]
01:14:56,494 –> 01:15:42,834 [Raul Krauthausen]
Stelle die, also gebe ich offen zu, es gibt immer noch, auch wenn ich es jetzt seit fünfundzwanzig Jahren mache, die Situation, wo ich erst auf der Bühne merke, ich bin gerade ein Token. Ich wurde gerade instrumentalisiert. Also dieses, ja, dann geh ich halt da nicht hin. Ich merk das oft zu spät, ahhh weil ich schon auch noch oft denke, ja, aber da kannst Du vielleicht wirklich ’n kleinen Unterschied machen oder das Thema ist ja wirklich interessant. Ahhh Und dann steh ich auf der Bühne und merke, wow, ich bin eigentlich so der, der ich nie sein wollte jetzt auf der Bühne. Hast Du das Ding auch manchmal noch? Bitte sag ja.
01:15:42,834 –> 01:15:55,634 [Sabrina Lorenz]
Ja. Ey, ich glaub, das ist total natürlich, weil wie können wir, wir haben vielleicht durch unser Erfahrungswissen, durch
01:15:55,714 –> 01:16:20,974 [Sabrina Lorenz]
verschiedene Erlebnisse, die wir machen und vielleicht, weil wir mit ’ner gewissen, also Du ja noch viel, viel, viel mehr als ich mit einer mit einem Erfahrungsschatz und vielleicht auch einer Erwartung gewisse Anfragen lesen und dann vielleicht schon was herauslesen können. Aber das heißt ja nicht immer, dass das dass mein erster Impuls stimmt. Es kann ja auch Mhm. Passieren,
01:16:20,974 –> 01:16:20,994 [Raul Krauthausen]
Ja, klar.
01:16:20,994 –> 01:16:37,313 [Sabrina Lorenz]
Dass Du denkst, boah, da bin ich total der Token und eigentlich ist es gar nicht gar nicht so, aber das Wording ist vielleicht nicht ideal gewählt. Also es kann ja auch in die andere Richtung gehen. Mhm. Und ich glaube, das ist total menschlich, dass wir das nicht im
01:16:37,313 –> 01:16:42,834 [Sabrina Lorenz]
im Vorhinein alles wissen können.
01:16:42,834 –> 01:16:57,614 [Sabrina Lorenz]
Ich hab auch mal die Erfahrung gemacht und das ist jetzt son bisschen das das das andersrum, wie Du das jetzt beschrieben hast, dass ich wusste, ich bin der Token. Und
01:16:57,614 –> 01:17:02,174 [Sabrina Lorenz]
ich hab mich aber gefragt, okay,
01:17:02,174 –> 01:17:41,754 [Sabrina Lorenz]
wir können uns entweder dazu entscheiden zu sagen, das ist nicht meine Bühne, da möchte ich nicht hin. Das ist nicht der Raum, in dem ich sein möchte. Das ist nicht meine Form von Arbeit, die ich gerne machen möchte. Und wir können Grenzen ziehen und das finde ich total wichtig. Ich find’s total wichtig, dass Menschen mit Behinderung sagen, nee, das erklär ich dir jetzt nicht, weil ich grade hier im Bus sitze und als Privatperson und Du kannst gerne meinen Workshop buchen. Hier ist meine Karte. Das ist, ich find das wichtig, weil wir halt irgendwie nicht das das Ableismus Lexikon für die ganze Welt sind und das kostenlos und immer zugänglich. Ich find das total wichtig, dass wir nicht ständig das Entertainment von anderen Menschen sind. Ich find es wichtig, dass wir nicht
01:17:41,754 –> 01:17:47,754 [Sabrina Lorenz]
die Interessensbefriedigung sind. Also ich ich bin nicht die Kinoleinwand. Mhm.
01:17:47,754 –> 01:17:48,494 [Raul Krauthausen]
So mit mir kann
01:17:48,494 –> 01:17:51,952 [Sabrina Lorenz]
Also so da das möchte ich nicht sein.
01:17:51,954 –> 01:18:05,353 [Sabrina Lorenz]
Und ich find das richtig, dass es dass wir an dem Punkt sind, wo wir sagen, alles klar, da geh ich nicht hin, das möchte ich nicht machen. Ich glaube aber parallel dazu, dass es
01:18:05,353 –> 01:18:16,333 [Sabrina Lorenz]
dass wir nicht vorankommen, wenn wir immer nur sagen, nee, da geh ich nicht hin. Die Frage ist natürlich, unter welchen Bedingungen und und was und was ist das Setting und welche Personen sind vielleicht auch da?
01:18:16,334 –> 01:19:07,790 [Sabrina Lorenz]
Ich möcht aber, und jetzt klingt das sehr pathetisch, ich möchte viel lieber Brücken als Mauern bauen. Ich möchte viel lieber sagen, okay, wollen wir uns hinsetzen und das besprechen, weil ich dir gerne meine Perspektive erklären möchte. Dafür brauche ich von dir die Offenheit und Bereitschaft, dass Du das mit mir machen möchtest. Mhm. Ich bin dir aber auch nicht böse, wenn Du nicht in den nach den ersten drei Sätzen komplett ableismusfrei sprichst. Mhm. Und Ja. Es gibt manchmal Orte, in denen ich weiß-Der Higher Purpose ist vielleicht für mich persönlich wahrgenommen gerade wichtiger als die Gefahr, dass eine Person mich als Token sehen könnte oder dass eine Person was Ableistisches sagt. Weil ich
01:19:07,790 –> 01:19:25,710 [Sabrina Lorenz]
vielleicht die, also wenn ich die Veranstaltung wichtig finde und weil ich vielleicht das Thema wichtig finde und weil ich vielleicht hoffe, ’ne Brücke mehr bauen zu können und dafür stecke ich dann gerne die eine ableistische Aussage ein, weiß aber auch, dass ich, dass ich
01:19:25,710 –> 01:19:32,190 [Sabrina Lorenz]
doppelt so viele Menschen dann irgendwie was mitgeben konnte. Kannst, kannst du das nachvollziehen?
01:19:32,190 –> 01:19:50,010 [Raul Krauthausen]
Absolut. Hast du manchmal das Gefühl, du hast, wenn du auf so einer Bühne stehst… Also ich hatte jetzt vor einer Woche das Gefühl, ähm, das habe ich gar nicht so oft. Ähm, wie erklär ich das? Das geht nämlich in diese Richtung:
01:19:50,010 –> 01:20:08,689 [Raul Krauthausen]
Also, äh, man, man, man steht ja dann auf der Bühne und redet, weil man glaubt, man kann ’ne Brücke schlagen und so. Und dann ist es aber dann doch ein Vortrag wie jeder andere. Und man fragt sich, oder ich frage mich dann oft: „Hat das jetzt überhaupt irgendwas gebracht?“
01:20:08,690 –> 01:20:23,830 [Raul Krauthausen]
Und, ähm, ich glaube, das ist zu kurzfristig gedacht, weil ich war vor ’ner Woche auf ’ner Bühne, wo mir derjenige, der mich eingeladen hat, gesagt hat, er hätte mich vor fünfundzwanzig Jahren mal interviewt und es hätte ihn bewegt.
01:20:23,890 –> 01:20:23,980 [Sabrina Lorenz]
Wow.
01:20:23,980 –> 01:20:28,250 [Raul Krauthausen]
Und da hat ich euch wieder daran erinnert.
01:20:28,250 –> 01:21:21,830 [Raul Krauthausen]
Und deswegen war ich auf dieser Bühne bei einem Mobilitätskongress, so zum Thema, keine Ahnung, barrierefreie Mobilität. Und dann dachte ich so: „Ja, okay, vielleicht ist es gar nicht so ein kurzfristiger Effekt, äh, den man erwarten sollte, sondern einfach dieses, diese Momente, diese Begegnungen, die du nicht vorhersehen kannst, die nicht im– in dem Einladungstitel ersichtlich sind, ähm, sondern einfach wirklich diese Begegnung. Es kann dieser eine Mensch sein, der, die in fünfundzwanzig Jahren auf die Idee kommt, jemanden einzuladen. Und ich glaube, das, das dürfen wir einfach nicht, nicht vergessen bei dieser Arbeit, ohne dass es jetzt nicht bedeutet, dass wir jetzt immer auf jeder Bühne stehen müssen. Im Gegenteil, wir brauchen viel mehr Menschen mit Behinderung, die auf Bühnen stehen, als dass, äh, Sabrina und Raul das machen.
01:21:21,830 –> 01:21:31,850 [Sabrina Lorenz]
Ja, bitte. Also ich finde das ganz, ganz wichtig. Also ich– Es gibt auch so– Also ich, ich weiß nicht, ob du das Gefühl nachvollziehen kannst.
01:21:31,850 –> 01:22:05,310 [Sabrina Lorenz]
Ich finde, eine gewisse Reichweite bedeutet auch das Potenzial für Anfragen, was total schön ist und gleichzeitig finde ich es einfach so schade, weil einfach nicht, du weiß ich nicht, die fünf Menschen mit Behinderung mit der größten Reichweite das ganze Bild von Menschen mit Behinderung abbilden können. Also ein Account, der viel kleiner ist, kann ja genauso richtige, wertvolle und konstruktive Themen zum T– zur Behindertenrechtsbewegung-
01:22:05,310 –> 01:22:05,760 [Raul Krauthausen]
Ja, klar.
01:22:05,760 –> 01:22:52,130 [Sabrina Lorenz]
-mit sich bringen. Und ich finde das total wichtig, dass die Stimmen vielfältiger werden und dass wir einfach… Weiß ich nicht. Ich hab– Es gibt ganz viele Menschen, die ich kenne, wenn ich sagen würde: „Kennst du eine behinderte Person? Die würden dich nennen“, die würden immer sagen: „Ja, Raul.“ Und dann fragen wir: „Alles klar, aber kennst du noch ’ne andere behinderte Person?“ „Ähm, ja, dich und vielleicht noch meine Tante“, aber dann war’s das. Und dann sage ich: „Okay, aber was ist– Wie viele behinderte Schauspielerinnen kennst du? Wie viele behinderte Autorinnen kennst du? Wie viele, wie viele behinderte Menschen in der Fashion-Branche kennst du?“ Also, du kannst jetzt jede Branche aufzählen. Ähm,
01:22:52,130 –> 01:23:03,090 [Sabrina Lorenz]
wir sind ja, wir sind ja so viel mehr als, als, äh, als Raul und Sabrina, die irgendwie auf Bühnen stehen, sondern Aktivismus passiert an so vielen Bereichen. Und ich wünschte-
01:23:03,090 –> 01:23:03,700 [Raul Krauthausen]
Total.
01:23:03,700 –> 01:23:08,890 [Sabrina Lorenz]
-dass so viele Menschen
01:23:08,890 –> 01:23:24,670 [Sabrina Lorenz]
uns diese Bühnen mehr geben. Und damit meine ich jetzt nicht dich und mich im Spezifischen, sondern uns als Community. Und ich weiß nicht, ob du das Video von, von Kübra Sekin gesehen hast. Sie wurde mit einem Preis ausgezeichnet und sie hat in ihrer Laudatio eben genau darüber gesprochen.
01:23:24,670 –> 01:23:25,370 [Raul Krauthausen]
Absolut.
01:23:25,370 –> 01:23:29,809 [Sabrina Lorenz]
Und das war ’ne so, so, so tolle Rede. Und, ähm, ja-
01:23:29,809 –> 01:23:31,630 [Raul Krauthausen]
Wurde auch nachzitiert.
01:23:31,630 –> 01:23:31,830 [Sabrina Lorenz]
Ja.
01:23:31,830 –> 01:23:33,350 [Raul Krauthausen]
Fand ich ganz stark, ja.
01:23:33,350 –> 01:23:35,690 [Sabrina Lorenz]
Eine richtig tolle Rede.
01:23:35,690 –> 01:23:43,340 [Raul Krauthausen]
Ähm, ich gieß jetzt trotzdem mal ein bisschen Öl in die Wunde. [schmunzeln] Öl in die Wunde, ne, wie heißt das? Öl ins Feuer, Salz in die Wunde.
01:23:43,340 –> 01:23:45,220 [Sabrina Lorenz]
Öl ins Feuer und Salz in die Wunde. [lachen]
01:23:45,220 –> 01:23:49,590 [Raul Krauthausen]
Genau. Ähm, weil
01:23:49,590 –> 01:23:57,410 [Raul Krauthausen]
ich habe auch die Erfahrung gemacht als Mensch mit Behinderung, der in diesem Bereich jetzt einige Jahre unterwegs ist:
01:23:57,410 –> 01:24:37,990 [Raul Krauthausen]
Nur weil man behindert ist, ist man nicht automatisch Expertin. Und das ist auch so ein bisschen ein Tabu in unserer Bewegung, glaube ich. Weil, also ich versuche das dann immer so zu erklären. Also wenn, wenn eine Architektin zu mir kommt und sagt: „Hey, hier, ich würde gerne ein Haus bauen. Wie mache ich denn barrierefrei?“ Dann sage ich der, der Architektin: „Frag nicht mich“, weil ich hab zwar, ich sitze zwar im Rollstuhl, aber ich bin keine Architektin und die Gefahr ist zu groß, dass ich was übersehe, dass ich was falsch mache, ähm, weil ich das nur aus meiner Perspektive sagen kann. Und dieses Expertin in eigener Sache
01:24:37,990 –> 01:25:05,674 [Raul Krauthausen]
ist ein Wert, gar keine Frage. Und das ist auch so ein bisschen der Hintergrund, warum ich dich gefragt habe, was du vorher gemacht hast, weil man merkt in deiner Arbeit, dass du eben auch noch in einem anderen Feld Expertin bist.[Musik läuft im hintergrund] Die soziale Arbeit, äh, du, du, also alleine wie du über medizinische Fachbegriffe, äh, um dich wirfst, zeigt ja schon auch, dass du da ein bisschen mehr
01:25:05,674 –> 01:25:40,754 [Raul Krauthausen]
weißt, als ich es sogar weiß, der älter ist, der auch ’ne Behinderung hat, länger die Behinderung hat. Aber verstehst, was ich meine? Die Behinderung zu haben, alleine macht einen nicht zu ’nem Disability Rights Activist. Genauso wie Frau zu sein, macht einen nicht automatisch zu ’ner Feministin. Sondern da fehlt eben auch, äh, ähm, ja, die, die, das Interesse dafür, die Expertise dafür, die man sich aneignen kann. Die kann man sich auch als nicht behinderter Mensch aneignen oder eben auch als Mann aneignen.
01:25:40,754 –> 01:25:56,114 [Sabrina Lorenz]
Total. Ja, ja, kann ich, kann ich voll nachvollziehen. Ähm, du bringst hier wirklich die ganz leichten Themen drauf, ne? [lachen] Also auch da würde ich, äh, ausholen wollen, wenn ich darf.
01:25:56,114 –> 01:25:56,974 [Raul Krauthausen]
Ja, unbedingt.
01:25:56,974 –> 01:26:06,754 [Sabrina Lorenz]
Ähm, erst mal vielen Dank für, für deine lieben Worte zu, zu meiner Arbeit und zu mir. Ich glaube, du hast grad einen ganz
01:26:06,754 –> 01:26:12,154 [Sabrina Lorenz]
großen Unterscheidungspunkt gemacht, und zwar, wann
01:26:12,154 –> 01:26:21,314 [Sabrina Lorenz]
ist eine Person Expertin in eigener Sache und wann ist eine Person Expertin der Disability-Right-Bewegung?
01:26:21,314 –> 01:26:29,134 [Sabrina Lorenz]
Und ich glaube, dass wir alle Experten in, in einer Sache sind, weil das Einzige, was wir alle richtig gut können, ist unser eigenes Leben leben.
01:26:29,134 –> 01:26:29,434 [Raul Krauthausen]
Ja.
01:26:29,434 –> 01:27:48,273 [Sabrina Lorenz]
Egal, egal wie, wie, wie groß das vielleicht ist, egal wie, ähm, wie sehr wir das Gefühl haben, unser Leben vielleicht im Griff zu haben oder vielleicht auch an manchen Stellen so gar nicht. Trotzdem sind wir die einzigen Menschen, die unser Leben leben. Und ich hab, ähm, auf der RehaCare ’n Vortrag darüber gehalten, was diese Diagnose bedeuten kann. Und da würde ich gerne anschließen. Und zwar hab ich gesagt, diese Erfahrung als behinderte Person ist valide. Wenn du seit, also ob du jetzt ’ne Diagnose hast oder nicht, also das ist noch mal ’n anderes Thema, so wie komplex ’n Diagnoseprozess ist. Ähm, aber wenn, wenn jetzt eine Person eine Diagnose chronische Erkrankung Behinderung hat– ich versuch das grad ’n bisschen zu vereinfachen, dann ist das per se egal, ob die seit ’ner Stunde da ist oder ob die Symptome seit ’ner Stunde da sind oder seit ’nem Jahr oder seit ’nem Jahrzehnt oder bei dir ’n bisschen, ’n bisschen länger schon und bei mir ja auch schon ’n bisschen länger und in unseren Fällen seit unserer Geburt. Dann ist trotzdem oder gleichzeitig unsere Erfahrung damit valide. Eine Erfahrung ist valide,
01:27:48,274 –> 01:29:26,914 [Sabrina Lorenz]
die ich als, in meinem Fall als, äh, als behinderte queere Flinta-Person mache, ist genauso valide wie die, wie die Erfahrungen, die eine, ein behinderter cis-Mann, der weiß ist, der mit mir befreundet ist. Die sind genauso valide, aber sie unterscheiden sich. Und wenn– Und wie soll ich erwarten– und das fände ich tatsächlich vermessen, wenn ich sagen würde, alles klar, du bist seit vielleicht ’nem, drei Monaten hast du eine Behinderung oder eine chronische Erkrankung. Du musst grad dein gesamtes Leben umstellen, vor allem, wenn wir uns zu einem gewissen Zeitpunkt erst mit Ableismus auseinandersetzen, müssen wir den alten Ableismus aufrollen und aufarbeiten, den wir bis dahin hatten. Wenn wir mit sechzehn ’ne chronische Erkrankung bekommen, dann müssen wir uns fragen, was hab ich sechzehn Jahre lang für ein Bild von Menschen mit Behinderung gehabt? Wenn ich sechsundsechzig bin, dann muss ich ja fünfzig Jahre mehr ableistische Sozialisation aufarbeiten. Also kann ich nicht verlangen, dass ich nach– dass, dass die Person, also weil leider, äh, wir alle noch ableistisch sozialisiert werden, weil wir alle noch nicht inklusiv und antidiskriminierend sozialisiert werden. Also kann ich nicht verlangen, dass ’ne Person nach drei Monaten genauso viel Erfahrung mit dem Thema Behindertenrechtsbewegung hast wie Raul Krauthausen, der das einfach seit fünfundzwanzig Jahren beruflich macht.
01:29:26,914 –> 01:29:30,934 [Raul Krauthausen]
Noch weniger Ahnung hat als Theresa Degner oder andere.
01:29:30,934 –> 01:29:37,914 [Sabrina Lorenz]
Genau. Und da sind so, so viele Menschen, die sich damit auseinandersetzen. Und
01:29:37,914 –> 01:30:05,254 [Sabrina Lorenz]
es ist ja ’n ganz großer Punkt der, der Disability Rechtsbewegung und auch der Disability Studies, dass wir unser Wissen verwissenschaftlicht bekommen. Und weil einfach die Zugänge für Menschen mit Behinderung noch ganz häufig nicht da sind und weil, ähm, ganz häufig die Strukturen nicht da sind. Und deswegen ist diese Bewegung so wichtig. Und gleichzeitig
01:30:05,254 –> 01:31:06,334 [Sabrina Lorenz]
ist die Erfahrung einer Person, die nicht studiert hat, die sich damit nicht auseinandergesetzt hat, in ihrer Erfahrung auch wichtig und, und, und echt und relevant. Die Frage ist dann, wann bin ich Behindertenrechtsaktivistin und auf welcher Bühne bin ich? Ich finde auch, dass es ganz viele Bühnen gibt, auf denen ich nicht sprechen sollte. Ich zum Beispiel bin eine Person. Ich find es total, in meinem Fall, wichtig, dass wir diese Komplexität betrachten. Also ich bin wirklich gar nicht gut auf ’ner Deno-, Demobühne, wo ich innerhalb von drei Minuten einen wichtigen Satz sagen soll und, äh, d-damit ’ne wichtige Aussage treffen kann, weil ich immer erst mal starte: „Da hol ich jetzt mal aus.“ Ich bin auch nicht gut in ’ner Talkshow, weil ich sag, alles klar, wie viel Zeit haben wir? Ähm, ich pack da mal ’n paar Studien aus. Und es gibt Menschen, die sagen-Für mich ist das so klar. Ich bin so präzise, ich kann das in drei Minuten erzählen und mache damit total meinen Punkt. Es gibt
01:31:06,334 –> 01:31:13,614 [Sabrina Lorenz]
Räume, in denen wir unterschiedlichen Menschen begegnen. Also ich glaube, dass
01:31:13,614 –> 01:32:22,794 [Sabrina Lorenz]
auf einer… Ich gibt jetzt einfach mal zwei fiktive Beispiele. Wir haben eine Bühne, was vielleicht ein politisches Podium ist. Und da sind Menschen, die vielleicht ihr Parteiprogramm verteidigen möchten oder sagen möchten: „Ich möchte Bürgermeisterin dieser Stadt werden, dann kannst du als aktivistische Person ja ganz andere Forderungen stellen und sagen: „Nee, wir sind hier und wir haben Recht auf Inklusion und ich bleibe hier und ich gehe hier nicht von dieser Bühne, bis Sie mir versprechen können, dass Sie in Ihrem Parteiprogramm behinderte Menschen mit inkludieren. Dann ist der Tonfall ja ein ganz, ganz anderer, als wenn ich jetzt zum Beispiel in der Ausbildung mit pädagogischen und medizinischen Fachkräften bin, die unterschiedliche Biografien mitbringen, die unterschiedlich im Alter sind, die einen unterschiedlichen Wissenstand haben und du sagen möchtest: „Alles klar, wie können wir denn Patientinnen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen begegnen? Und das auf eine empathische Art und Weise. Das heißt, der Auftrag und die Intonation ist ja eine ganz andere. Und ich finde das toll, dass wir unterschiedliche Aktivistinnen sind
01:32:22,794 –> 01:32:26,334 [Sabrina Lorenz]
und deswegen auch an unterschiedlicher Stelle
01:32:26,334 –> 01:32:31,814 [Sabrina Lorenz]
strahlen dürfen und unsere Meinung kundtun dürfen. Und es gibt vielleicht
01:32:31,814 –> 01:33:05,794 [Sabrina Lorenz]
Momente, wo es total wertvoll ist, Patientinnen Geschichten zu hören oder Erfahrungswissen, weil das ja eben auch eine Expertise an sich mitbringt. Und dann gibt es vielleicht Räume, in denen es hilfreich ist zu sagen: „Alles klar, wir gucken da mal mit einem politischen Blick drauf oder „Wir gucken da oder wir besprechen das oder thematisieren das Thema aus der pädagogischen Sichtweise oder aus der rechtlichen Sichtweise oder aus einer aktivistischen Sichtweise. Und deswegen, glaube ich, ist viel eher die Frage:
01:33:05,794 –> 01:33:07,694 [Sabrina Lorenz]
Wann
01:33:07,694 –> 01:33:22,034 [Sabrina Lorenz]
würde welche Intonation und welche Geschichte in welchem Raum sinnvoll sein? Und parallel dazu all unser Erfahrungswissen ist valide.
01:33:22,034 –> 01:33:25,414 [Raul Krauthausen]
Ja, du sagst es immer so
01:33:25,414 –> 01:33:31,454 [Raul Krauthausen]
So, wie sagt man das? So harmonisch.
01:33:31,454 –> 01:33:44,414 [Raul Krauthausen]
Du hast ja total recht und ich würde dem 100% zustimmen. In mir gibt es diesen genervten Aktivisten aber eben auch,
01:33:44,474 –> 01:33:52,154 [Raul Krauthausen]
der dann auch von der eigenen Community manchmal genervt ist, wenn
01:33:52,154 –> 01:34:13,274 [Raul Krauthausen]
jemand, der genauso viel Zeit hatte, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, sich dann ins Fernsehen hinstellt und eigentlich die aktivistische Arbeit mit dem Arsch niederreißt, indem er oder sie dann einfach doch wieder einen Behindertenwitz macht.
01:34:13,274 –> 01:34:16,054 [Raul Krauthausen]
Und wo ich dann denke,
01:34:16,054 –> 01:34:20,614 [Raul Krauthausen]
ja klar, alle Erfahrungen sind wichtig und natürlich sind behinderte Menschen auch nicht alle
01:34:20,614 –> 01:34:28,714 [Raul Krauthausen]
einer Meinung. Aber ich würde sagen, wir sind in einigen Stellen auch schon weiter.
01:34:28,714 –> 01:34:35,633 [Sabrina Lorenz]
Aber das macht für mich den Unterschied zwischen wann teile ich Erfahrungswissen und wann teile ich den Konsens der Community? Und
01:34:35,634 –> 01:34:39,894 [Sabrina Lorenz]
ich glaube, dass wir da zwischen unterscheiden dürfen.
01:34:39,894 –> 01:34:55,194 [Sabrina Lorenz]
Ich weiß nur nicht, ob das für alle Menschen, die das konsumieren oder zuschauen oder dann die Person sind, die der Menschen zuhören, sich das klar sind. Weil ich glaube, die
01:34:55,194 –> 01:34:58,474 [Sabrina Lorenz]
Außenwirkung ist, dass das
01:34:58,474 –> 01:35:03,474 [Sabrina Lorenz]
alles das Gleiche ist. Na ja, weil du bist ja ein Mensch mit Behinderung. Genau. Und
01:35:03,514 –> 01:35:15,214 [Sabrina Lorenz]
aus meiner Perspektive würde ich da differenzieren und würde eher sagen, in welchem Raum brauchen wir welche Stimme, was zu erreichen. Und manchmal
01:35:15,293 –> 01:35:31,674 [Sabrina Lorenz]
geht es vielleicht eine Außenwirkung zu einem gewissen Thema. Es geht vielleicht einen Input in der Gesellschaft, vielleicht ist es ein politischer Input, vielleicht ist es aber auch einfach total relevant. Einfach, und einfach meine ich jetzt nicht bagatellisierend,
01:35:31,674 –> 01:35:57,634 [Sabrina Lorenz]
Menschen einen Raum zu geben, ihre Stimme zu ermächtigen. Und wie toll das ist, wenn Menschen ermächtigt werden. Und das darf auch seinen Raum haben. Aber es ist natürlich ein Unterschied, wie blickt die Community darauf? Was ist der Konsens der Community? Und wie du sagst, der ist vielleicht auch nicht in jedem Bereich gleich. Und was
01:35:57,634 –> 01:36:08,194 [Sabrina Lorenz]
nehmen die Menschen davon mit, die da zuschauen, zuhören und sich dann erst damit beschäftigen? Weil ja
01:36:08,194 –> 01:36:14,134 [Raul Krauthausen]
Also ich finde das auch … Aber hast du diese Wut nicht auch manchmal?
01:36:14,194 –> 01:36:17,834 [Raul Krauthausen]
Also Wut ist ein großes Wort. Sagen wir immer, diese Genervtheit.
01:36:17,834 –> 01:36:23,774 [Sabrina Lorenz]
Ja, es gibt diese Momente, wo ich mir denke, dass
01:36:23,834 –> 01:36:26,874 [Sabrina Lorenz]
nicht jede
01:36:26,874 –> 01:36:30,014 [Sabrina Lorenz]
Person gerade im richtigen Raum
01:36:30,014 –> 01:36:33,214 [Sabrina Lorenz]
sich kundtut.
01:36:33,214 –> 01:36:36,734 [Raul Krauthausen]
Ach, du bist so schön diplomatisch. Das finde ich so gut.
01:36:36,734 –> 01:36:44,734 [Sabrina Lorenz]
Aber das ist Genauso sehe ich mich aber auch nicht, dass ich … Ich habe eine sehr
01:36:44,794 –> 01:36:55,014 [Sabrina Lorenz]
sozialarbeiterische/aktivistische Perspektive auf Themen und es gibt Räume, in denen ich nicht sprechen sollte. Es gibt Räume, ich kann
01:36:55,014 –> 01:37:06,738 [Sabrina Lorenz]
nicht für Menschen sprechen, die eine Sinnesbehinderung haben. Ich kann nicht für Menschen sprechen.Die, also auch ich
01:37:06,738 –> 01:37:17,078 [Sabrina Lorenz]
bin, ähm, ich bin jetzt, ich bin jetzt Mitte Ende zwanzig. Das heißt, ich hab ja eine ganz andere soziale Prägung als du. Und du, als ich
01:37:17,078 –> 01:37:25,078 [Sabrina Lorenz]
groß geworden bin, gab es auch noch so viel mehr Ableismus als jetzt und es gab so viel mehr andere Themen. Und
01:37:25,078 –> 01:38:10,938 [Sabrina Lorenz]
gleichzeitig weiß ich ja, wie krass uns dieser Weg schon bis dahin geebnet wurde, dass ich in meiner Arbeit heute da anknüpfen darf. Also weiß ich auch, dass ich nicht für die Aktivistinnen der ersten Stunde sprechen kann. Und das ist– Deswegen würde, denke ich, dass ich, es Räume gibt, in denen ich eben auch nicht ideal bin. Und dass es, dass es den Purpose nicht erfüllt, wenn ich da meine, meine Arbeit kundtue. Und das sind dann Momente, wo ich dann auch sag: „Nee, da, das ist– da möchte ich anderen Menschen diese Bühne lassen.“ Und, ähm, ich glaube aber, dass diese Differenziertheit nicht alle Menschen machen, die entsprechend die, ähm, die Veranstaltungen kuratieren.
01:38:10,938 –> 01:38:55,538 [Raul Krauthausen]
Beziehungsweise die Leute, die angefragt werden und da fass ich mir auch meine eigene Nase, natürlich auch sich in ihrem Ego so geschmeichelt fühlen, dass sie sich dann nicht doch überlegen, warum sie die richtige Person sind. Ähm, also, ich sprech jetzt mal von mir: Ich hab viele Interviews in meinem Leben gegeben über das Thema Behinderung und Sexualität. Und, ähm, mir ist schon im Laufe der Zeit dann aber irgendwie immer unwohler geworden. Aber trotzdem, weil ich das Thema irgendwie spannend finde und weil ich es ja auch schon wirklich stark unterrepräsentiert finde, ähm, hab ich’s halt immer wieder gemacht. Und mir fiel dann irgendwann aber auf – und seitdem mach ich das nicht mehr
01:38:55,538 –> 01:39:14,958 [Raul Krauthausen]
–, dass ich als Mann, ähm, sowieso schon, wenn es um das Thema Behinderung und Sexualität geht, genug gehört wurde, also Männer mit Behinderung. Wenn du das Thema Behinderung und Sexualität googelst, geht es meistens um Männer. Und
01:39:14,958 –> 01:39:40,498 [Raul Krauthausen]
wenn ich jetzt angefragt werde für dieses Thema, dann empfehle ich grundsätzlich nur noch Frauen. Weil ich denke, so die weibliche Perspektive von jungen Frauen, ah, mit Behinderung, die, und ich sage es jetzt mal ganz plump, ja, die einfach nur ihre Lust ausleben wollen, ihre sexuelle Lust ausleben wollen, ähm, die werden gar nicht gefragt.
01:39:40,498 –> 01:39:40,638 [Sabrina Lorenz]
Ja.
01:39:40,638 –> 01:40:05,538 [Raul Krauthausen]
Und ich mein, Frauen und Sexualität ist sowieso ’n, äh, ähm, tabuisierteres Thema als Männer und ihre Sexualität, was ja auch schon falsch ist. Aber die weibliche behinderte Lust, jenseits von Dating, jenseits von Beziehung, Fortpflanzung, Partnerschaft, aber nur den eigenen Körper erleben dürfen, lustvoll, ähm, ist entweder
01:40:05,538 –> 01:40:24,758 [Raul Krauthausen]
bedient von Männern, also dann wird ein Sexualbegleiter interviewt, der dann auch ein bisschen fast schon cringe rüberkommen kann, so als, als, als Fetisch, auch wenn das vielleicht gar nicht immer der Fall ist. Aber, ne, so, das ist ja das Klischee, das dann eben kommt. Ähm, und
01:40:24,758 –> 01:40:41,558 [Raul Krauthausen]
dann gibt’s natürlich bei Männern, ja, das weiß inzwischen fast jeder, dass es da Angebote gibt. Ähm, aber was machen eigentlich Frauen mit Behinderung? Und solange der Journalismus diese Fragen nicht stellt, ah, solange, ich, werde ich für Interviews nicht mehr zur Verfügung stehen.
01:40:41,558 –> 01:40:44,118 [Sabrina Lorenz]
Und dann vor allem
01:40:44,118 –> 01:41:04,358 [Sabrina Lorenz]
werden dann die Personen auch öfter gefragt oder angefragt, die das Thema entweder möglichst sensationslüsternd oder möglichst normschön beschreiben können. Also entweder ist das eine, eine Person, die
01:41:04,358 –> 01:41:35,818 [Sabrina Lorenz]
dann so sehr einem Schönheitsideal entspricht, wo halt die „Behinderung“ in Anführungszeichen, aus der Perspektive jetzt der Journalistinnen nur dabei ist, damit wir das Thema jetzt mal aufmachen können. Oder das Thema muss ganz dramatisch sein. Aber was ist denn mit den, der ganzen Realität? Was ist mit den Perspektiven von Menschen, die sich eben nicht verbal ausdrucken können? Was ist mit den Menschen, die
01:41:35,818 –> 01:41:53,298 [Sabrina Lorenz]
vielleicht eine Sexualassistenz nutzen oder darauf angewiesen sind. Auch das sind ja eine Vielschichtigkeit dieser Themen, die dann nicht abgebildet wird, sondern Hauptsache, wir haben irgendwie das Wort Sexualität und Behinderung in einer Verbindung dastehen.
01:41:53,358 –> 01:42:04,378 [Raul Krauthausen]
Genau. Und, ähm, am schlimmsten ist es dann, wenn dann wieder nur Nichtbehinderte darüber sprechen, also die Sexarbeiterin mit der Journalistin, ähm-
01:42:04,378 –> 01:42:04,778 [Sabrina Lorenz]
Genau.
01:42:04,778 –> 01:42:10,078 [Raul Krauthausen]
und dann quasi Behinderte ganz außen vor gelassen wurden.
01:42:10,078 –> 01:42:18,988 [Raul Krauthausen]
Genau, aber da ist quasi, wo ich sage, das ist nicht mehr mein Tanzbereich, da spreche ich einfach nicht, auch wenn ich was dazu sagen könnte, aber ich will das auch nicht.
01:42:18,988 –> 01:42:19,058 [Sabrina Lorenz]
Ja.
01:42:19,058 –> 01:42:22,478 [Raul Krauthausen]
Das ist dann die Verantwortung, die ich dann
01:42:22,478 –> 01:42:23,878 [Raul Krauthausen]
rausnehme.
01:42:23,878 –> 01:42:32,098 [Sabrina Lorenz]
Gibt es Themenbereiche, wo du sagst, da würdest du viel gern, viel lieber mal dafür angefragt werden? Dazu hast du eine Menge zu sagen.
01:42:32,098 –> 01:43:10,097 [Raul Krauthausen]
Äh, entgegen des von Behinderung? Also ich glaube, Social Media, ich glaub, Social Media, da kenn ich mich einigermaßen aus, ähm, Innovation, Technologie, offene Daten. Da, da kann ich ’ne Menge zu sagen. Muss jetzt nichts zwangsläufig mit Behinderung zu tun haben. Aber gerade mit der Perspektive Behinderung, äh, gewinnt das noch mal ’n ganz neuen Twist oder wie man in den Medien sagt, einen neuen Dreh, ähm, was man so noch nicht, ähm, ähm, vielleicht beleuchtet hat, ne. Also du hast ja auch… Super Überleitung übrigens. Danke für, für, für das Handreichen.
01:43:10,098 –> 01:43:11,698 [Sabrina Lorenz]
Ach so, gar kein Problem. [lacht]
01:43:12,134 –> 01:43:16,233 [Raul Krauthausen]
Du hast an der Zukunftsklage mitgemacht,
01:43:16,233 –> 01:43:56,014 [Raul Krauthausen]
zusammen mit Greenpeace, wo ihr die Bundesregierung verklagt. Varo Vicentara war auch hier in meinem Podcast zu Gast und da erzählte sie auch von der Zukunftsplage und sie erzählte auch von dir deiner Arbeit. Was ich sagen will, ist, dass wenn wir über Klimaschutz reden beziehungsweise über Maßnahmen, die das Grundgesetz die Bundesregierung machen sollte, das Klima zu schützen, behinderte Menschen auch mitgedacht werden müssen. Ja. Und die Konsequenzen, die der Klimawandel auch für Menschen mit Behinderung hat, die vielleicht sogar stärker sind,
01:43:56,014 –> 01:44:00,594 [Raul Krauthausen]
als sie für Nichtbehinderte schon schlimm genug sind.
01:44:00,594 –> 01:44:13,754 [Raul Krauthausen]
Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist so wichtig, dass wir auch zu anderen Themen sprechen, nämlich zum Beispiel Klimaschutz, Klimawandel, als nur über Behinderung.
01:44:13,813 –> 01:44:18,733 [Sabrina Lorenz]
Ja, ich persönlich finde,
01:44:18,733 –> 01:44:27,433 [Sabrina Lorenz]
Menschen mit Behinderung kommen überall da … Also ich muss anders anfangen. Diskriminierung kommt überall da vor, wo Menschen mit Behinderung sind und
01:44:27,433 –> 01:44:39,654 [Sabrina Lorenz]
kommt auch da vor, wo Menschen mit Behinderung nicht sind, weil es so unbarrierefrei ist, dass wir gar nicht erst da sein können. Was das im Umkehrschluss aber heißt, meine Behinderung ist ja immer dabei. Die
01:44:39,654 –> 01:45:07,693 [Sabrina Lorenz]
wird mich mein Leben lang begleiten und die ist in jedem Lebensbereich präsent. Und ich glaube, dass es natürlich für jede Person mit Behinderung natürlich noch mal ganz unterschiedlich ist. Und es gibt bestimmt auch Menschen, die sagen, in dem Lebensbereich tangiert die mich gar nicht. Aber ich gehe auch ins Kino mit Behinderung. Ich setze mich auch mit dem Klima auseinander, mit Behinderung. Ich überlege, ob und welcher Sport für mich möglich ist mit Behinderung.
01:45:07,693 –> 01:45:09,334 [Raul Krauthausen]
Also erklär alles.
01:45:09,334 –> 01:45:26,914 [Sabrina Lorenz]
So und deswegen, ich glaube, es ist zu leicht gedacht, wenn wir sagen, es gibt so viele Themenbereiche, in denen die Behinderung nie eine Rolle spielt, weil zum Beispiel beim Klimaschutz total relevant ist, dass Menschen mit Behinderung
01:45:26,914 –> 01:45:52,514 [Sabrina Lorenz]
einfach ganz anders affektiert werden, aber auch, wenn wir über Klimaschutzmaßnahmen sprechen, wenn wir über Rettungsmaßnahmen sprechen, wenn wir über Maßnahmen in der Veränderung unserer Gesellschaft sprechen, die gegen den Klimawandel wirken, zum Beispiel. Ich gebe dir ein Beispiel: Wenn wir sagen, der ÖPNV muss so gut ausgebaut werden, dass wir keine Autos mehr nutzen,
01:45:52,574 –> 01:46:00,732 [Sabrina Lorenz]
dann muss der aber auch so gut ausgebaut sein, dass der immer barrierefrei ist, dass der immer so viel Platz ist, dass alle Menschen all
01:46:00,733 –> 01:46:11,514 [Sabrina Lorenz]
die notwendigen Hilfsmittel mitnehmen können. Da müssen immer Assistenzen zur Verfügung stehen, die das Ein-und Ausladen ermöglichen.
01:46:11,514 –> 01:46:20,853 [Sabrina Lorenz]
Und es gibt einfach Menschen, für die aufgrund ihrer Behinderung es einfach nicht mal ebenso möglich ist, den ÖPNV zu nutzen.
01:46:20,853 –> 01:46:25,594 [Raul Krauthausen]
Und hier kommt jetzt aber kurz der Twist. Ganz kurz, merkt ihr den Gedanken?
01:46:25,594 –> 01:46:28,954 [Sabrina Lorenz]
Ja.
01:46:28,954 –> 01:46:39,054 [Raul Krauthausen]
Weil das noch nicht so ist miteinander… Weil der ÖPNV nicht barrierefrei ist auf dem Land und immer und so und die Angebote nicht barrierefrei sind,
01:46:39,054 –> 01:46:53,094 [Raul Krauthausen]
kommt dann irgendein konservativer Politiker hin und sagt: „Ja, aber was machen wir denn mit den Behinderten? Die brauchen ja ihr Auto, und dann werden behinderte Menschen wieder benutzt, bloß nichts verändern zu müssen.
01:46:53,094 –> 01:46:56,534 [Sabrina Lorenz]
Genau. Und das ist ja
01:46:56,534 –> 01:47:16,273 [Sabrina Lorenz]
eben nicht das Ziel, sondern die Frage ist: Aaa wie kann der ÖPNV verändert werden, dass wir immer weniger das Auto brauchen? Und Punkt zwei: Wenn es Menschen gibt, wo das nicht möglich ist, wie können wir das Auto so schaffen, dass es
01:47:16,273 –> 01:47:27,554 [Sabrina Lorenz]
vielleicht klimaneutraler ist, aber dann auch möglich ist, noch erworben zu werden? Weil viele Menschen, die die Eingliederungshilfe nutzen, also
01:47:27,554 –> 01:47:36,183 [Sabrina Lorenz]
zum Beispiel ganz, ganz viele Formen der Assistenz fallen darunter, die dürfen kein Vermögen besitzen. Oder da würde das Vermögen …
01:47:36,183 –> 01:47:37,974 [Raul Krauthausen]
Ja, davon bin ich gerade betroffen.
01:47:37,974 –> 01:48:09,674 [Sabrina Lorenz]
Da würde das Vermögen verrechnet werden. Das heißt, viele Menschen, die eine Assistenz nutzen oder Eingliederungshilfe, unter die eben Assistenz fällt, dürfen kein Auto besitzen, weil sonst das Amt sagen würde: „Du hast ja ein Vermögen von XY, also der Wert des Autos. Du kannst ja das Auto dann verkaufen und von dem Geld wieder deine Assistenz bezahlen. Und dann sind wir wieder bei dem Ursprungsproblem. Alles klar, wie kommen wir denn dann voran? Das heißt,
01:48:09,674 –> 01:48:29,233 [Sabrina Lorenz]
es wäre ja fatal, die Klimabewegung ohne Behinderung zu denken. Natürlich gibt es Lebensbereiche, in denen für mich meine Behinderung weniger eine Rolle spielt als in anderen. Und es gibt bestimmt Menschen, die sagen, es gibt Lebensbereiche, da spielt die gar keine Rolle. Aber
01:48:29,233 –> 01:48:38,994 [Sabrina Lorenz]
für mich persönlich in meiner Lebensrealität ist meine Behinderung immer dabei und parallel dazu kann ich ganz viele Themen haben, über die ich auch reden kann.
01:48:38,994 –> 01:48:56,174 [Sabrina Lorenz]
Wenn ich über Filme rede, dann kann ich über den Film inhaltsschauend sprechen. Meine Behinderung kommt dann zur Rolle, wenn wir darüber sprechen, wie lange ist der Film und ist das Kino-barrierefrei. Aber ich darf parallel dazu ein Interesse für Filme haben. Und deswegen, ja.
01:48:56,174 –> 01:49:04,114 [Raul Krauthausen]
Zwei Gedanken dazu. Also natürlich, also einmal, behinderte Menschen wollen natürlich auch das Klima schützen und sind auch
01:49:04,114 –> 01:49:20,693 [Raul Krauthausen]
wahrscheinlich Klimaaktivistinnen, viele von ihnen, sodass das quasi, wie du sagst, ein einhergehen kann.Und die, wenn du ein elektrisches Auto hast, da muss die E-Ladesäule barrierefrei sein, sonst bringt ihr das Auto nichts.
01:49:20,693 –> 01:49:22,654 [Sabrina Lorenz]
Stimmt.
01:49:22,654 –> 01:49:30,994 [Raul Krauthausen]
Und bevor jetzt hier jemand von den Zuhörer*innen glaubt: „Das mit dem Auto glaube ich nicht, das kann ja gar nicht sein.“
01:49:30,994 –> 01:49:48,634 [Raul Krauthausen]
Doch, es ist leider so. Ähm, man kann dann sicherlich mit viel bürokratischem Aufwand versuchen, die Ämter davon zu überzeugen, dass man das Auto braucht und dann zählt es Sicherheitsvermögen. Ähm, aber dieser bürokratische Akt ist so aufwendig, das will niemand. Und, ähm-
01:49:48,634 –> 01:49:49,574 [Sabrina Lorenz]
Ja.
01:49:49,574 –> 01:50:47,154 [Raul Krauthausen]
-behinderte Menschen haben ehrlich gesagt auch gar keine Lust mehr, viele von denen, immer wieder neu zu erklären, dass das wirklich so ist. Ähm, das ist tatsächlich, schickt mir nicht diese Mails, [kichern] dass das gar nicht sein kann, sondern es ist ganz einfach. Ich habe das auch durch. Ähm, ich habe gerade geerbt und ich darf das Erbe nicht haben. Und ik-ich verschwende dieses ganze Geld jetzt für den Anwalt, äh, um irgendwie möglichst viel noch retten zu können. Und das, das kann sich keiner ausmalen so. Ähm, das… Und wir reden nicht von viel, viel Geld. Das ist jetzt, ne, das ist echt ’ne überschaubare Summe. Aber allein, dass ich mich mit Anwälten rumschlagen muss, wie niemand anderes muss, ist tatsächlich bei all dem Verlust, äh, äh, den man natürlich auch hat, äh, durch, dadurch, dass man erbt. Ähm, ja, das wünsche ich wirklich niemandem.
01:50:47,154 –> 01:50:49,374 [Sabrina Lorenz]
Ich drück dir die Daumen dafür. Ich-
01:50:49,374 –> 01:50:50,153 [Raul Krauthausen]
Danke.
01:50:50,154 –> 01:50:50,974 [Sabrina Lorenz]
Wenn ich an-
01:50:50,974 –> 01:50:55,314 [Raul Krauthausen]
Man wird’s bestimmt auf Instagram lesen, was das Ergebnis dessen war. [kichern]
01:50:55,314 –> 01:51:10,534 [Sabrina Lorenz]
Ich, ich bin hungrig. Ich, ich, ich mach die Notification an. [lachen] Ähm, wenn wir über Klimawandel sprechen, vielleicht erinnerst du dich: Es gab vor Jahren mal einen sehr, wie ich finde, berechtigten
01:51:10,534 –> 01:51:14,494 [Sabrina Lorenz]
Aufschrei in Anführungszeichen zum Thema Plastikstroheimer.
01:51:14,494 –> 01:51:16,654 [Raul Krauthausen]
Oh ja.
01:51:16,654 –> 01:51:18,614 [Sabrina Lorenz]
Und zwar
01:51:18,614 –> 01:51:32,814 [Sabrina Lorenz]
wurden oder sollten Plastikstroheimer abgeschafft werden und viele Menschen mit Behinderung haben gesagt: „Das ist aber für mich die einzige Form, wie ich gerade Nahrung oder Getränke zu mir nehmen kann. Ich bin total darauf angewiesen. Ich kann
01:51:32,814 –> 01:52:08,214 [Sabrina Lorenz]
nicht jeden Metallstroheim oder Glasstroheim nutzen.“ Und was das– dazu möchte ich gerne the bigger Picture, das größere Bild ziehen. Und zwar, es gibt so viele Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderung, wo’s um Alltagsgegenstände geht, aber vor allem auch, wo’s medizinische Versorgung geht. Und es gibt Möglichkeiten, gewisse medizinische Produkte nachhaltiger zu gestalten. Aber wenn wir über Ernährungssonden sprechen, über Katheterisierungen, über, äh, gewisse
01:52:08,214 –> 01:52:24,274 [Sabrina Lorenz]
Spritzen, über Injektionen, über Medikamente, die einfach über verschiedene Ports oder oder Hickman Lines oder was auch immer. Also es gibt ganz viele medizinisch notwendige
01:52:24,274 –> 01:52:43,374 [Sabrina Lorenz]
Themen für, für viele Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen. Die können wir nur zu einem gewissen Punkt nachhaltig machen, weil eine Hygiene total relevant ist, um Infektionen zu vermeiden, um ’ne Sepsis zu vermeiden, um sehr große medizinische Konsequenzen zu, ähm,
01:52:43,374 –> 01:53:06,654 [Sabrina Lorenz]
zu vermeiden. Oder viele können sich vielleicht damit das Bild vorstellen, wenn eine Person ganz viele Tabletten am Tag zu sich nimmt/nehmen muss, wie viel Plastikmüll und wie viel Aluminiummüll dabei anfällt. Aber wir können manche medizinische Prozesse halt nicht mal eben so nachhaltig machen.
01:53:06,654 –> 01:53:09,754 [Raul Krauthausen]
Und wir haben ja auch ein schlechtes Gewissen, wenn der Mülleimer voll ist mit wieder neu Plastik.
01:53:09,754 –> 01:53:14,314 [Sabrina Lorenz]
Natürlich. Aber, aber, genau, aber wir können es ja gar nicht anders machen-
01:53:14,314 –> 01:53:14,384 [Raul Krauthausen]
Ne, genau.
01:53:14,384 –> 01:53:24,334 [Sabrina Lorenz]
-weil wir sind ja darauf angewiesen, weil das unsere Gesundheitsversorgung, unser Wohlbefinden, ähm, aufrechterhält und
01:53:24,334 –> 01:53:29,644 [Sabrina Lorenz]
auch wenn das jetzt extrem klingt, das ist so, unser Überleben sichert. Und dann-
01:53:29,644 –> 01:53:33,614 [Raul Krauthausen]
Da kommt immer irgendjemand, der einem sagt: „Nimm doch ’n Glasstrohhalm.“
01:53:33,614 –> 01:53:34,713 [Sabrina Lorenz]
Genau, aber-
01:53:34,713 –> 01:53:35,744 [Raul Krauthausen]
„Oder nimm doch-„
01:53:35,744 –> 01:53:55,894 [Sabrina Lorenz]
Genau, nimm doch, nimm doch ’n bisschen weniger davon. Ja, okay. Also soll ich jetzt überlegen, wie häufig ich, wie häufig eine Person, die vielleicht die Blase catheterisiert, jetzt noch am Tag aufs Klo gehen möchte oder darf, damit der, damit der, äh, Mülleimer nicht überquillt. Und das Ganze ist dann
01:53:55,894 –> 01:54:25,174 [Sabrina Lorenz]
in dem Moment diese Prävention: Was können wir tun? Was ist in unserem, was ist in unserem Maß machbar? Oder viele Menschen, die die Wohnung nicht gut verlassen können, die hausgebunden sind, die die Herausforderungen haben hier mit der Energie, die bestellen vielleicht mal eher einen Einkauf. Also es ist ja nicht immer direkt hier online Shopping und, äh, und es geht nicht die Frage von: „Brauche ich das fünfunddreißigste T-Shirt?“
01:54:25,174 –> 01:54:28,994 [Sabrina Lorenz]
Sondern auch einfach
01:54:28,994 –> 01:54:34,554 [Sabrina Lorenz]
Lebensmittel oder Konsumgegenstände, die einfach für den alltäglichen Gebrauch und für das Überleben relevant sind.
01:54:34,554 –> 01:54:37,034 [Raul Krauthausen]
Und wenn man sie bestellt, sind sie teurer und behinderte Menschen-
01:54:37,034 –> 01:54:37,424 [Sabrina Lorenz]
Genau.
01:54:37,424 –> 01:54:39,413 [Raul Krauthausen]
-haben nicht unbedingt Geld.
01:54:39,414 –> 01:55:21,168 [Sabrina Lorenz]
Nächster Punkt. Dann kommen die ganzen Verpackungsmaterialien. Also wir können, wir, ich kann in dem Maße mich entscheiden, was fürs Klima zu tun. Und genauso zum Beispiel das Thema Ernährung. Ähm, wenn wir, wenn wir a-auf den Klimawandel schauen, dann wär ’ne, wär ’ne saisonale vegane Ernährung das klimafreundlichste. Wenn ich aber aufgrund meiner, meiner chronischen Darmerkrankung aber ganz viel gar nicht verdauen kann oder gar nicht zu mir nehmen kann, dann, dann kann ich komplett verstehen, wenn ’ne Person sagt: „Alles klar, dann leb ich nicht vegan oder vegetarisch, weil ich aber anders gar keine Nährstoffe-Das kriegen kann. Und das sind-
01:55:21,168 –> 01:55:26,057 [Raul Krauthausen]
Und damit werden behinderte Menschen wieder zu Tätern, ne, zu denen, die die Umwelt verschmutzen.
01:55:26,058 –> 01:55:27,138 [Sabrina Lorenz]
Richtig.
01:55:27,138 –> 01:55:28,718 [Raul Krauthausen]
Was auch immer. Ja.
01:55:28,718 –> 01:55:50,058 [Sabrina Lorenz]
Und ja, und jetzt sind wir grade nur in dem Bereich, wo’s darum geht, das das Klima zu schützen vor der Katastrophe. Abgesehen davon, dass wir ja schon längst in der Klimakatastrophe sind. Wenn wir dann gucken, alles klar, was passiert denn bei Bränden? Was passiert bei ’ner Überflutung? Was passiert bei Stürmen? Dann steht, das wirst Du kennen, wie gut, dass wir uns in ’nem Aufzug befinden, im Brandfach nicht benutzen.
01:55:50,058 –> 01:55:51,918 [Raul Krauthausen]
Ja, genau. Danke Phoenix.
01:55:51,918 –> 01:56:20,618 [Sabrina Lorenz]
Genau. Oder viele, viele Boote sind nicht für Rollstuhlfahrerinnen ausgelegt. Also das gibt ganz viele Mensch, ganz viele Boote, die gar nicht Menschen, die Rollstühle nutzen oder mobilitätseingeschränkt sind, transportieren dürfen, weil in Anführungszeichen im Fall einer Rettung oder Evakuierung, so rum, die Person gar nicht gerettet werden könnte. Alles klar. Das heißt,
01:56:20,618 –> 01:56:26,938 [Sabrina Lorenz]
alle Bewohnenden eines Hauses dürfen auf das Boot aber die Person mit Behinderung nicht.
01:56:26,938 –> 01:56:30,918 [Sabrina Lorenz]
Weiß ich nicht.
01:56:30,918 –> 01:56:37,838 [Raul Krauthausen]
Wow, wir sind jetzt hier schon zwei Stunden im Aufzug und der fährt, der fährt, wir sind nicht steckengeblieben. Der fährt noch.
01:56:37,838 –> 01:56:40,978 [Sabrina Lorenz]
Aber ja, wir wir kommen von einem ins andere.
01:56:40,978 –> 01:56:48,398 [Raul Krauthausen]
Aber super krass, super deep. Ich find das total cool. Ich würd gern noch mal ’n bisschen über deine Arbeit reden. Ja.
01:56:48,458 –> 01:56:52,238 [Raul Krauthausen]
Also, weil da haben wir wirklich noch gar nicht gesprochen.
01:56:52,238 –> 01:56:57,418 [Sabrina Lorenz]
Ist das hier nicht alles irgendwie meine Arbeit? Schon auch, ne.
01:56:57,418 –> 01:57:18,458 [Raul Krauthausen]
Ich fang mal anders an. Ich hatte vor Kurzem hier die Band Blond zu Gast. Und der Bassist Johann ist blind. Und die zwei Frauen, Nina und Lotta, Kummer, die Geschwister von Kraftklub,
01:57:18,458 –> 01:57:21,658 [Raul Krauthausen]
sind Geschwister. Und
01:57:21,658 –> 01:57:39,158 [Raul Krauthausen]
wir sprachen in diesem Podcast quasi über diese, dass er die ganze Zeit gefragt wird, wie das ist mit zwei Frauen in ’ner Band. Und die zwei Frauen sagten, wir werden nie gefragt, wie das ist mit ’nem Blinden in ’ner Band.
01:57:39,158 –> 01:57:44,418 [Raul Krauthausen]
Ja, fand ich superspannend. Und und dann sind wir so ins Gespräch gekommen und
01:57:44,418 –> 01:58:07,138 [Raul Krauthausen]
dann irgendwann entwickelte sich das Gespräch so in die Richtung, dass man als behinderter Mensch auch ein Gespür dafür entwickelt mit der Zeit, wie sehr man sein Umfeld, seine Freundinnen, Kolleginnen mit bestimmten Themen in Anführungsstrichen behelligen sollte.
01:58:07,138 –> 01:58:37,118 [Raul Krauthausen]
Ja, also er er erzählte dann, dass er schon darauf achtet, dass alle im Team gleichermaßen ihn unterstützen auf Festivals oder so. Kommt im Festival ist ja maximal für blinde Menschen nicht barrierefrei, wenn jedes Festival anders aussieht. Das heißt, das ist dann tatsächlich wahrscheinlich ein erhöhter Assistenzbedarf in der Zeit, aber er versucht, das quasi zu steuern. Versuchst Du das auch zu steuern, wie Du was mit wem
01:58:37,118 –> 01:58:48,338 [Raul Krauthausen]
besprichst, damit Du eben nicht, wie Du sagst, Trauma Dumping machst oder oder diese ganze Zeit die Leute somit so oversharesst?
01:58:48,338 –> 01:58:51,358 [Sabrina Lorenz]
Ich glaub, dass ich
01:58:51,358 –> 01:58:59,798 [Sabrina Lorenz]
nicht die Person bin, die sagt, oh, ich muss dir mal was erzählen und dann einfach los lospreschen.
01:58:59,798 –> 01:59:00,658 [Sabrina Lorenz]
Ich finde der eine
01:59:00,658 –> 01:59:01,157 [Raul Krauthausen]
Worauf ich hinaus will.
01:59:01,158 –> 01:59:44,118 [Sabrina Lorenz]
Ich weiß, ich weiß total, worauf du hinaus möchtest. Ich ich glaube, der eine Aspekt ist, wenn wir über Assistenzen sprechen, mhm. Wie sehr, wie sehr verteile ich die Assistenzaufgaben oder die pflegerischen Aufgaben. Und ich glaube, in einer ideellen Welt hätten wir genug Pflegepersonal, das genug Zeit hätte und wir hätten genügend Assistenzen und die Anträge gehen immer durch. Und in einer ideellen Welt würde ich natürlich auch sagen, das ist total ausgeglichen und niemand muss grad die eigenen Bedürfnisse so sehr zurückfahren, weil ich grade auf so viel Unterstützung angewiesen bin. In der Realität sieht das natürlich ’n bisschen anders aus, weil ganz häufig Menschen
01:59:44,118 –> 01:59:48,658 [Sabrina Lorenz]
immer wieder Unterstützung benötigen oder
01:59:48,658 –> 02:00:16,438 [Sabrina Lorenz]
ja, zum Beispiel, wenn ich jetzt wenn ich jetzt an pflegende Eltern zum Beispiel denke, die können sich ja in vielen Fällen nicht aussuchen, ob grad ihre eigenen Bedürfnisse vorgehen. Mhm. Wenn ich aber auf das Thema Gespräche komme und und Themen teilen, in den meisten Fällen haben die Menschen, die mich umgeben, die Wahl. Die können auch einfach gehen. Ich
02:00:16,438 –> 02:00:21,058 [Sabrina Lorenz]
zwinge niemanden, mit mir befreundet zu sein.
02:00:21,058 –> 02:01:03,898 [Sabrina Lorenz]
Und wenn die wenn die Personen sagt, ich kann das hier nicht, dann hab ich da Verständnis für. Also ich ich hab das eher, dass ich ich das vorziehe. Also es gibt immer wieder Gespräche, die vielleicht für mein Gegenüber ziemlich hart sein können. Und dann sage ich, Du, ich hab ich hab keine Wahl, ob ich das hier erleben will. Ich kann mich nicht dafür entscheiden, morgen nicht mehr chronisch krank zu sein. Mhm. Und ich kann nur bedingt den den Verlauf meiner Erkrankung beeinflussen. Aber Du hast eine Wahl, ob Du bleiben möchtest und ich hab, ist dir jederzeit frei, ob du gehen möchtest und ob du dich damit beschäftigen möchtest. Aber wenn du dich dafür entscheidest zu bleiben,
02:01:03,898 –> 02:02:03,062 [Sabrina Lorenz]
dann find ich’s schön, wenn du die Bereitschaft hast, dich mit diesem Thema auch auseinanderzusetzen. Mhm. Und dass ich keine Triggerwarnung vor mein Leben stellen muss und dass ich mich nicht immer dafür entschuldigen muss, dass mein Leben immer ein Leben ist, weil ich ja auch keine, weil das Leben sich auch nicht von mir entschuldigt. Und weil das Leben ja auch nicht sagt, Du Sabrina, ich würd jetzt mal ganz vorsichtig anklopfen mit ’ner neuen Diagnose, sondern hi, hier bin ich. So. Deal with it.[kichern] Und ich hab, ich hab natürlich die Verantwortung für das, was ich, was wie ich damit umgehe, aber ich find, es ist auch okay zu sagen: „ Du, ich brauch dich gerade und ich weiß gerade nicht, wohin mit mir und ich muss es gerade einfach loswerden und ich würde mir wünschen, dass du gerade einfach kurz da bist, dass du einfach diesen Moment hältst, dass du diesen Raum halten kannst.“ Und dann kann ja jede Person immer noch sagen, kann ich oder kann ich nicht leisten. Das setzt aber voraus, dass wir eine Verantwortung uns selbst gegenüber haben und dass Personen
02:02:03,062 –> 02:02:11,010 [Sabrina Lorenz]
selber gute Grenzen wahren können und gut einchecken können, ob die Person das gerade halten kann oder nicht, ähm, aber-
02:02:11,010 –> 02:02:17,682 [Raul Krauthausen]
Das gilt ja auch für uns selber. Wir sind ja auch für andere da- Total. Ohne zu merken, dass wir vielleicht selber gerade uns vergessen.
02:02:17,682 –> 02:02:23,702 [Sabrina Lorenz]
Ja, total. Also, ne, genauso ist es. Ich ge– ich glaube, als behinderte oder chronisch erkrankte Person
02:02:23,702 –> 02:02:44,652 [Sabrina Lorenz]
geht es da auch in zwei Richtungen. Entweder wird uns gar nichts angetragen, weil wir es ja schon in Anführungszeichen so schwer haben und dann zu sagen: „Nee, du, ich, ähm, will aber auch Teil deines Lebens sein. Ich will auch, dass du mir Dinge erzählst.“ Und vielleicht ist es in manchen Momenten auch so ein: „Ich bin ganz froh, wenn ich mich mal nicht mit meinem eigenen Thema beschäftigen muss. Ich, ich freu mich mal über–
02:02:44,652 –> 02:02:45,692 [Raul Krauthausen]
Gib mir dein Problem. [kichern]
02:02:45,692 –> 02:03:02,622 [Sabrina Lorenz]
So. Und an anderer Stelle ist es ein: „Hey, du, wir schwimmen gerade beide und ich glaube, wenn wir uns gerade, wenn wir beide gerade ertrinken und versuchen, uns zu retten, dass das hier nicht klappt. Ich glaube, wir brauchen gerade mal einen Moment Abstand.“ Und das ist nicht immer leicht, das in diesen,
02:03:02,622 –> 02:03:41,902 [Sabrina Lorenz]
in diese, dieses Gespräch reinzugehen, weil ich darauf vertrauen muss, dass mein Gegenüber mir da ehrlich ist und sagt– Also ich kann anbieten und sensibel sein und sagen: „Das könnte jetzt schwer sein. Kannst du das tragen? Willst du das tragen?“ Und dann muss ich aber darauf vertrauen, dass die Person „Ja“ oder „Nein“ sagt und das auch meint. Weil schwierig– Also natürlich darf sich auch ’ne Meinung im Laufe von Zeit ändern, aber ich, ich find’s immer sehr herausfordernd, wenn ich sage: „Okay, das ist jetzt schwer. Willst du mich begleiten?“ „Ja, klar.“ Ähm, und dann: „Ja, du hast mich ja gar nicht gefragt.“ „Ja, habe ich ja doch.“ „Ja, aber du hättest ja einfach noch mal dreimal nachfragen müssen und dann hätte ich ‚Nein‘ gesagt.“
02:03:41,902 –> 02:03:44,162 [Raul Krauthausen]
Und das ist tatsächlich passiert, ja?
02:03:44,162 –> 02:03:56,202 [Sabrina Lorenz]
Oh, das, oh, das passiert immer mal wieder, ja. [kichern] Das ist dann so mein Learning, dass, ähm, dass gute Kommunikation schwer ist, aber wichtig.
02:03:56,202 –> 02:04:19,822 [Raul Krauthausen]
Ich bin überwiegend unter Nichtbehinderten aufgewachsen, ähm, in der Kita, in der Schule. Ich war einer von fünf behinderten Kindern in einer Regelschule, wo wir fünfundzwanzig Kinder waren, ähm, also zwanzig ohne Behinderung. Und das war irgendwie ganz normal. Und irgendwann habe ich aber nur noch nichtbehinderte Freunde gehabt, vor allem je älter ich wurde,
02:04:19,822 –> 02:04:23,681 [Raul Krauthausen]
und habe dann in meinem Studium gemerkt, ah, irgendwie fehlt mir
02:04:23,682 –> 02:04:34,602 [Raul Krauthausen]
diese Dimension, ähm, behinderte Freundschaften. Und, äh, man kann ja behinderte Menschen auch nicht am Baum pflücken. [kichern] Ist jetzt auch nicht so, dass man sie irgendwie findet.
02:04:34,602 –> 02:04:36,942 [Sabrina Lorenz]
Kann man doch nicht wie so ’n Smartphone kaufen.
02:04:36,942 –> 02:04:49,622 [Raul Krauthausen]
Ja, ja, genau. Und dann, dann hab ich irgendwie, äh, über Jahre mir ’n Behindertenfreundeskreis aufgebaut, wurde dann Berufsbehinderter und wir reden jetzt fast nur noch über dieses Thema.
02:04:49,622 –> 02:05:32,742 [Raul Krauthausen]
Und merke seit ’n paar Jahren, wie wholesome das aber auch ist, mal mit nicht behinderten Menschen über ganz andere Dinge zu reden, als über dieses ganze Inklusionsbumms, ja? Also, so ich, äh, wir haben ’n behinderten Filmregis– äh, nicht behinderten Filmregisseur im Freundeskreis, ähm, Musiker*innen, äh, das ist superspannend, über deren Welten zu sprechen und ohne diese Monstranz, Inklusion, Behinderung, äh, in den Mittelpunkt zu stellen, was ich sonst beruflich immer mache. Hmm. Und dann auch zu merken und ich, mir fällt da grad das Wort, aber so dieses,
02:05:32,742 –> 02:05:39,402 [Raul Krauthausen]
dieses, das, was wir uns immer wünschen, wenn wir über Inklusion sprechen,
02:05:39,402 –> 02:05:48,982 [Raul Krauthausen]
das erlebe ich schon auch in meinem privaten Freundeskreis, äh, von nicht behinderten Freundinnen, die dann aber deswegen ja auch Freundinnen sind-
02:05:48,982 –> 02:05:48,992 [Sabrina Lorenz]
Aha.
02:05:48,992 –> 02:06:07,482 [Raul Krauthausen]
-die von sich aus darauf achten, dass etwas ’ne Rampe hat, äh, die von sich aus, ähm, äh, äh, darauf, äh, äh, achten, dass man hinkommt, dass sie sagen, ob der Aufzug funktioniert oder grad nicht, ähm, dass man einfach mitgedacht und mitgemeint ist. Und ich hab neulich dafür ’n Wort gelernt
02:06:07,482 –> 02:06:20,362 [Raul Krauthausen]
und das Wort ist Access Intimacy. Also dass unsere unsere Freundschaft so intim ist, dass Access, also Zugang, eingebaut ist quasi.
02:06:20,362 –> 02:06:24,082 [Sabrina Lorenz]
Oh, wie schön. Ja.
02:06:24,082 –> 02:06:31,082 [Raul Krauthausen]
Und manchmal, glaube ich, übersehe ich in dieser ganzen aktivistischen Arbeit
02:06:31,082 –> 02:06:35,721 [Raul Krauthausen]
diesen, diesen Wert,
02:06:35,722 –> 02:06:56,721 [Raul Krauthausen]
den Freundschaften mit nicht behinderten Menschen auch haben können, dass es eben geht, dass es nicht das Regenbogen-Einhorn-Land ist, dass es auch keine Raketenwissenschaft ist, ne. Das ist einfach, es klingt jetzt so plump wie der Teebeutelspruch, auch eine Frage der Haltung ist, ja? Also, wie will ich, will ich diesen Menschen in meinem Umfeld haben? Und wenn ja, dann
02:06:56,722 –> 02:07:10,242 [Raul Krauthausen]
achte ich darauf, dass, dass das Essen vegan ist, wenn er Veganer ist oder Veganerin. Und dann achte ich darauf, dass es eine Rampe gibt. Ähm, es ist nicht mehr, aber auch nicht weniger.
02:07:10,242 –> 02:07:12,442 [Sabrina Lorenz]
Ja.
02:07:12,442 –> 02:07:12,962 [Sabrina Lorenz]
Ja, total.
02:07:12,962 –> 02:07:16,501 [Raul Krauthausen]
Freundschaften.
02:07:16,501 –> 02:07:22,082 [Raul Krauthausen]
Ich hab noch zwei große Themenblöcke. Ähm. [kichern]
02:07:22,082 –> 02:07:25,642 [Sabrina Lorenz]
Willst du ’ne neue Folge aufnehmen? [lachen]
02:07:25,642 –> 02:07:39,030 [Raul Krauthausen]
Nee, so groß sind die nicht, aber der eine Themenblock, den will ich unbedingt noch mit dir machen.Du bist auch bekannt dafür, als Poetry Slammerin ab und zu aufzutreten.
02:07:39,030 –> 02:07:42,809 [Sabrina Lorenz]
Also ich würd aber nicht behaupten, dass ich dafür bekannt bin, ähm-
02:07:42,809 –> 02:07:48,110 [Raul Krauthausen]
Also jedenfalls habe ich dich schon auf zwei, drei Bühnen gesehen. Für mich bist du so bekannt.
02:07:48,110 –> 02:07:48,429 [Sabrina Lorenz]
Danke schön. [lacht]
02:07:48,429 –> 02:07:55,049 [Raul Krauthausen]
Es gibt auch Videos von dir dazu. Sogar in deinem TED Talk, meine ich, TED Talk Freiburg, glaube ich, war das-
02:07:55,049 –> 02:07:55,349 [Sabrina Lorenz]
Ja.
02:07:55,349 –> 02:08:03,160 [Raul Krauthausen]
äh, äh, meine ich, diesen Poetry Slam Sing sang rausgehört zu haben. Also scheinst du es nicht zum ersten Mal gemacht zu haben.
02:08:03,160 –> 02:08:13,030 [Sabrina Lorenz]
[lacht leise] Danke. An der, an der Stelle liebe Grüße ans TED Talk Freiburg Team. Es war ’ne richtig schöne Zeit. Das war echt richtig toll mit euch. [lacht leise]
02:08:13,030 –> 02:08:15,769 [Raul Krauthausen]
Und du hast ein Buch geschrieben mit Poetry Texten.
02:08:15,769 –> 02:08:17,089 [Sabrina Lorenz]
Ja.
02:08:17,089 –> 02:08:20,070 [Raul Krauthausen]
Ähm, Weil Sonnenblumen auch im Winter blühen.
02:08:20,070 –> 02:08:22,490 [Sabrina Lorenz]
Ja.
02:08:22,490 –> 02:08:24,849 [Raul Krauthausen]
Was magst du mir darüber erzählen?
02:08:24,849 –> 02:08:27,889 [Sabrina Lorenz]
Was möchtest du dazu wissen?
02:08:27,889 –> 02:08:36,030 [Raul Krauthausen]
Ist der Titel Weil Sonnenblumen auch im Winter blühen, eine Metapher für chronische Erkrankungen?
02:08:36,030 –> 02:08:55,889 [Sabrina Lorenz]
Indirekt. Also es ist alles gar nicht, ähm, intendiert, und zwar, ich, ich mag die Geschichte hinter dem Titel total gerne. Und zwar saß ich mit einer Freundin, ähm, zusammen in der Sonne im Herbst und, ähm,
02:08:55,889 –> 02:09:00,209 [Sabrina Lorenz]
wir haben darüber– Wir haben über das Sterben gesprochen
02:09:00,209 –> 02:09:08,070 [Sabrina Lorenz]
und ich lebe mit einer fortschreitenden Erkrankung, was das Sterben und den Tod in meinem Leben
02:09:08,070 –> 02:09:26,969 [Sabrina Lorenz]
phasenweise und immer mehr präsent macht. Und wir haben darüber gesprochen und wir hatten ein richtig, richtig tolles Gespräch. Und dann haben wir darüber gesprochen, wie ich mir das dann irgendwann mal vorstelle,
02:09:26,969 –> 02:09:45,629 [Sabrina Lorenz]
weil die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß ist, dass ich vor meiner, also vor der Person versterbe, mit der ich gesprochen hab. Und, ähm, dann hat sie mich irgendwann angeguckt und meinte: „Weißt du, Sabrina? Egal wie hart der Winter ist,
02:09:45,629 –> 02:09:49,830 [Sabrina Lorenz]
du bist irgendwie so ’ne Sonnenblume, die immer noch blüht.“
02:09:49,830 –> 02:09:55,030 [Sabrina Lorenz]
Und ich glaube, dass das im Endeffekt schon ’ne Metapher ist für
02:09:55,030 –> 02:09:58,549 [Sabrina Lorenz]
chronische Erkrankung, vielleicht aber auch einfach für Schicksalsschläge.
02:09:58,549 –> 02:09:58,769 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:09:58,769 –> 02:10:14,440 [Sabrina Lorenz]
Und jetzt ist mal die Frage, wie, ob, ob du an Schicksal glaubst oder nicht. Und das darf ja vielleicht auch jede Person für sich selber beantworten. Und was ich damit auch nicht ausdrücken muss, ist: Du musst, du musst immer stark sein und den Winter überstehen.
02:10:14,440 –> 02:10:14,469 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:10:14,469 –> 02:10:20,509 [Sabrina Lorenz]
Das ist absolut nicht das, was ich damit ausdrücken will, sondern: Vielleicht
02:10:20,509 –> 02:10:36,230 [Sabrina Lorenz]
sind wir viel stärker, als wir manchmal glauben und vielleicht aber auch an vieler Stelle, weil wir keine andere Wahl haben, als stark sein zu müssen. Und nach all dem harten Winter und nach all dem, was uns passiert, sind wir noch immer hier. Und, ähm,
02:10:36,230 –> 02:10:54,290 [Sabrina Lorenz]
mit diesem Buch ist es, ne, ne, kein chronologisches Buch, es ist keine Geschichte. Es ist vielmehr eine Textsammlung, die in verschiedenen Jahreszeiten versucht, ähm, das Leben mit chronischer, in meinem Fall fortschreitender Erkrankung zu beleuchten.
02:10:54,290 –> 02:11:06,589 [Raul Krauthausen]
Äh, das hat gerade was in mir ausgelöst. Finde ich ganz interessant. Ähm, die Sonnenblume, die da für dich als Bild funktioniert, das ist bei mir die Flamme.
02:11:06,589 –> 02:11:07,610 [Sabrina Lorenz]
Mhm.
02:11:07,610 –> 02:11:42,650 [Raul Krauthausen]
Solange die irgendwie brennt, ähm, lebt man halt und versucht irgendwie, das Beste daraus zu machen, ähm, ohne zu wissen, wie lange. Ähm, man kann es beeinflussen mit Wachs und und Docht länger, äh, und Sauerstoff und und Wind und so, ja? Aber am Ende des Tages wird alles auch ein Ende. Ähm, und niemand weiß, wann das Ende da ist. Ich finde es auch, ehrlich gesagt… Hmmm.
02:11:42,650 –> 02:11:45,969 [Raul Krauthausen]
Meine Behinderung ist jetzt nicht unbedingt
02:11:45,969 –> 02:12:09,169 [Raul Krauthausen]
fortschreitend vielleicht wie bei dir, aber ich sag mal so: Es werden mehr, ja? Also ich trag jetzt ’n Hörgerät, ich trag eine Brille. Ich merke, ich bin schneller erschöpft. Ich brauche länger für die Regeneration. Ähm, und das hat wahrscheinlich auch was mit dem Alter zu tun. Hm, gleichzeitig merke ich aber, dass in
02:12:09,169 –> 02:12:45,870 [Raul Krauthausen]
ähnlichem Maße bei mir auch ’ne Gelassenheit kommt. So nach dem Motto: Ja, das ist halt jetzt so. Ähm, ich muss auch nicht mehr alles erleben. Ich hatte meine Party, ich hatte meine Erlebnisse und das, was ich jetzt mache, das mache ich, versuche ich nur zu machen, weil ich wirklich dran glaube und nicht, weil ich das Abenteuer suche. Das war früher, glaube ich, ein bisschen anders. Und das, was auch ’ne Gelassenheit, trotz aller Schmerzen und Struggles und Zweifel, die natürlich auch einhergehen. Deswegen, selbst die Sonnenblume, die im Winter noch blüht,
02:12:45,870 –> 02:12:49,089 [Raul Krauthausen]
wird wahrscheinlich im nächsten Winter anders aussehen als in diesem Winter.
02:12:49,089 –> 02:12:49,929 [Sabrina Lorenz]
Ja.
02:12:49,929 –> 02:13:01,530 [Raul Krauthausen]
Vielleicht ein bisschen schwächer. Vielleicht hat sie zwei, drei Blüten verloren, Blätter verloren, aber sie ist halt noch da, so wie die Flamme.
02:13:01,530 –> 02:13:07,240 [Raul Krauthausen]
Und wir haben auch drei Sonnenblumen grade im Garten. Ich bin erstaunt, wie robust die sind-
02:13:07,240 –> 02:13:08,169 [Sabrina Lorenz]
[lacht]
02:13:08,169 –> 02:13:09,049 [Raul Krauthausen]
wie lang die sind.
02:13:09,049 –> 02:13:10,150 [Sabrina Lorenz]
Ich sag’s dir.
02:13:10,150 –> 02:13:18,330 [Raul Krauthausen]
Ohne abzubrechen. Und wie die sich zur Sonne entgegen drehen, auch so ein bisschen nach, nach, nach Leben lechzend.
02:13:18,330 –> 02:13:21,669 [Sabrina Lorenz]
Das finde ich auch an Sonnenblumen so cool, dass die sich immer nach dem Licht drehen und-
02:13:21,669 –> 02:13:22,309 [Raul Krauthausen]
Genau.
02:13:22,309 –> 02:13:23,509 [Sabrina Lorenz]
Ich glaube, das ist-
02:13:23,509 –> 02:13:23,969 [Raul Krauthausen]
Die wollen ja was. Das ist ja– Die wollen ja was.
02:13:23,969 –> 02:13:44,866 [Sabrina Lorenz]
Genau, ja. Und, äh, das ist etwas, womit ich mich irgendwie auch gut identifizieren kann mit diesem Gedanken von-Es gibt so viele schwere Momente, es gibt so viele Momente des Verlusts, der Trauer, des Schmerzes, der der der gewaltvollen
02:13:44,925 –> 02:13:48,846 [Sabrina Lorenz]
Themen, die die auch unsere Welt irgendwie betreffen.
02:13:48,846 –> 02:14:14,965 [Sabrina Lorenz]
Und in all diesem können wir versuchen, so kleine Momente der Sonne und des Sonnenlichts zu schaffen, weil wir diese so dringend brauchen, damit wir die harten Momente irgendwie überstehen. Und für mich ist es immer son bisschen bisschen Licht, die Dunkelheit herum zu bauen, weil die Dunkelheit eh wieder kommt, aber dann hatte ich für den Moment das Licht.
02:14:14,965 –> 02:14:18,326 [Raul Krauthausen]
Kennst Du den Kinofilm von Pixar? Alles stillt Kopf?
02:14:18,326 –> 02:14:20,306 [Sabrina Lorenz]
Ja.
02:14:20,306 –> 02:14:44,985 [Raul Krauthausen]
Die Figur heißt ja Joy, ne? Mhm. Die Hauptfigur. Und ich hab ’n Interview mit den Regisseurinnen gelesen. Und die sagten, dass Joy in vielen Sprachen falsch übersetzt ist. Also Deutsch ist es dann Freude. Aber Joy ist mehr. Joy ist der Lebenswille
02:14:44,986 –> 02:15:11,186 [Raul Krauthausen]
und und zwar das, was in jedem Lebewesen steckt. Der Grund, warum die Sonnenblume sich nach der Sonne richtet. Der der Grund, warum der Hund nicht einfach weiterschläft und irgendwann irgendwas macht. Der Grund, warum das Baby atmet, wenn es auf die Welt kommt, ja. Also so dieses, da ist irgendeine Energie in jemandem drin, das ist dieser Lebenswille.
02:15:11,186 –> 02:15:12,885 [Raul Krauthausen]
Und der
02:15:12,885 –> 02:15:16,045 [Raul Krauthausen]
der das heißt nicht automatisch, dass alles Freude ist.
02:15:16,045 –> 02:15:17,906 [Sabrina Lorenz]
Nee, das stimmt.
02:15:17,906 –> 02:15:22,085 [Raul Krauthausen]
Und das fand ich irgendwie eine ganz schöne, ganz schöne
02:15:22,085 –> 02:15:23,146 [Raul Krauthausen]
Analogie.
02:15:23,146 –> 02:15:32,066 [Sabrina Lorenz]
Joy ist ja auch die einzige Figur oder der einzige Charakter, der nicht nur in Gelb gekleidet ist. Alle anderen Charakter sind ja auch nur in ihrer Farbe gekleidet.
02:15:32,066 –> 02:15:33,306 [Raul Krauthausen]
Mhm. Genau.
02:15:33,306 –> 02:15:49,165 [Sabrina Lorenz]
Und und Joy hat ja auch was Grünes und was Blaues. Genau. Und das finde ich, ich weiß nicht, ob es beabsichtigt ist. Also wahrscheinlich ist es beabsichtigt, wie die wie die Figur gezeichnet wurde. Ich weiß nicht, ob’s ’ne Metapher dafür ist, dass dass
02:15:49,166 –> 02:15:55,986 [Sabrina Lorenz]
neben neben Freude ganz viel stehen darf oder dass Freude eben nicht nur nicht nur Dopamin und Endorphine sind.
02:15:55,986 –> 02:15:57,925 [Raul Krauthausen]
Genau, genau. So, sondern
02:15:57,925 –> 02:16:00,385 [Sabrina Lorenz]
vielleicht auch dieses
02:16:00,385 –> 02:16:07,045 [Sabrina Lorenz]
dieses Gefühl von zufrieden sein, dieses Gefühl von cosy sein, dieses Gefühl von
02:16:07,045 –> 02:16:12,005 [Sabrina Lorenz]
von friedvoll sein und
02:16:12,005 –> 02:16:12,085 [Sabrina Lorenz]
ja.
02:16:12,085 –> 02:16:17,866 [Raul Krauthausen]
Aber auch dieses Gefühl von Lernen, ich kann Schmerzen tragen. Ja. Auch wenn es Schmerzen sind.
02:16:17,866 –> 02:16:20,026 [Sabrina Lorenz]
Wenn Sonne, son Zuversicht irgendwie.
02:16:20,026 –> 02:16:25,925 [Raul Krauthausen]
Genau. Ja. Das fand ich tatsächlich sehr, sehr schön.
02:16:25,925 –> 02:16:30,746 [Sabrina Lorenz]
Wird ja nur richtig poetisch mit uns beiden hier.
02:16:30,746 –> 02:16:36,626 [Raul Krauthausen]
Und das andere Thema, das ich mit dir anschneiden wollte, aha
02:16:36,626 –> 02:16:41,825 [Raul Krauthausen]
du organisierst ja auch regelmäßig fast einmal im Jahr.
02:16:41,825 –> 02:16:43,886 [Sabrina Lorenz]
Bisher war’s einmal mehr, ja.
02:16:43,886 –> 02:16:46,466 [Raul Krauthausen]
Gab’s nicht auch eine Coronapause oder so? Weiß ich nicht.
02:16:46,466 –> 02:16:49,745 [Sabrina Lorenz]
Wir sind Okay, dann jedes Jahr. Nee.
02:16:49,745 –> 02:16:52,925 [Raul Krauthausen]
Organisiert ihr
02:16:52,925 –> 02:17:30,405 [Raul Krauthausen]
die sogenannte Kämpferherzentreffen einmal im Jahr in Kassel. Und ich hab das über Instagram mal mitbekommen und war ein bisschen skeptisch am Anfang. Okay. Muss ich zugeben wegen diesem Wort Kämpferherzen, weil ich dann irgendwie dachte, ah, wir wissen noch nicht immer alle kämpfen und mein Herz ist ja, funktioniert ja und so. Also ich hab mich a, mich angesprochen gefühlt, weil ich dachte, es geht im Moment für eine Herzerkrankung. Und b dachte ich, ja, ich will aber nicht immer kämpfen müssen. Hab dann aber mich daran erinnert, dass meine Organisation Sozialhelden heißt, was jetzt auch nicht besser ist.
02:17:30,405 –> 02:17:35,985 [Raul Krauthausen]
Und dieses ganze Kämpfen, Held sein und so
02:17:35,985 –> 02:17:40,686 [Raul Krauthausen]
bin ich ein bisschen überdrüssig gewesen damals.
02:17:40,686 –> 02:17:58,966 [Raul Krauthausen]
Und dann hab ich aber gesehen, wie viele Leute da waren auf Instagram. Und auf einmal hatte ich FOMO. Auf einmal dachte ich, Fuck, ich hab echt mein Urteil zu schnell gefällt. Und dann war ich irgendwann da. Und ich habe selten
02:17:58,966 –> 02:18:04,585 [Raul Krauthausen]
eine Veranstaltung erlebt, die
02:18:04,646 –> 02:18:49,585 [Raul Krauthausen]
so, also wo ich nicht das Gefühl hatte, da stehen jetzt wieder selbsternannte Expertinnen ohne Behinderung, die am Thema Behinderung Geld verdienen, auf der Bühne für ein teures Budget, die den behindert Menschen erklären, wie die Welt läuft. Sondern es ist eine Veranstaltung organisiert von Betroffenen für Betroffene, wo Betroffene auf der Bühne über ihre Erfahrungen, Strategien und so weiterreden. Und das kann schöne Momente beinhalten, so nach dem Motiv jeder kann es schaffen. Es kann aber auch ernste Momente beinhalten, so was wie, so organisierst Du Assistenz bei aller Scheißigkeit.
02:18:49,585 –> 02:18:53,526 [Raul Krauthausen]
So und Also ich fand das wirklich schön.
02:18:53,526 –> 02:18:54,686 [Sabrina Lorenz]
Danke.
02:18:54,686 –> 02:19:00,866 [Raul Krauthausen]
Was möchtest Du noch dazu erzählen? Ich hab jetzt wahrscheinlich nur die Hälfte erwähnt.
02:19:00,866 –> 02:19:25,985 [Sabrina Lorenz]
Oh, wie schön. Also du, also es freut mich total, dass dir das so gut gefallen hat. Und für mich ist grad oder ich geb das gerne an an alle weiter, die daran beteiligt sind, dass Du der Meinung bist, das gibt’s schon so lange, dass es sogar eine Coronapause benötigt hatte. Uns gibt’s, glaub ich, ich ich, also wir waren jetzt im vierten Jahr. Das heißt, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierundzwanzig und fünfundzwanzig.
02:19:25,985 –> 02:19:29,026 [Raul Krauthausen]
Das heißt, ich hab nur eins verpasst?
02:19:29,026 –> 02:19:35,346 [Raul Krauthausen]
Klar, ich dachte, Du warst letztes Jahr das erste Mal. Du warst letztes Jahr das erste Mal da, also warst Du zwei mit.
02:19:35,346 –> 02:19:38,626 [Sabrina Lorenz]
Zwei verpasst, zwei warst Du dabei. Also fünfzig Prozent hast Du.
02:19:38,626 –> 02:19:42,126 [Raul Krauthausen]
Genau. Kann ich mich wieder aufholen?
02:19:42,418 –> 02:19:51,068 [Sabrina Lorenz]
[stammelt] Die zwei kannst du nicht noch mal aufholen, aber du kannst auf jeden Fall aufs nächste kommen. Dann hast du auf jeden Fall mehr als die Hälfte erlebt. [lacht]
02:19:51,068 –> 02:19:51,137 [Raul Krauthausen]
[lacht]
02:19:51,137 –> 02:19:53,678 [Sabrina Lorenz]
Ähm,
02:19:53,738 –> 02:20:04,158 [Sabrina Lorenz]
ich find deine Gedanken dazu total spannend. Die Herausforderung ist natürlich, dass, dass wir alle Bedarfe abdecken.
02:20:04,158 –> 02:20:04,788 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:20:04,788 –> 02:20:33,578 [Sabrina Lorenz]
Ähm, weil, du hast es vorhin erzählt, in, in Freundinnenschaften hat man irgendwann die Intimität, dass man genau weiß, das brauchst du gerade. Die Person braucht ’n veganes Restaurant und die Person braucht, ähm, ’n Hublift oder was auch immer. Das ist ’n bisschen herausfordernder, wenn du zweitausendsechshundert Menschen versuchst ihre Bedarfe zu decken. Weil es Momente gibt, wo der eine, wo der eine Bedarf
02:20:33,658 –> 02:20:38,458 [Sabrina Lorenz]
zu erfüllen, eine Barriere für einen anderen Bedarf ist.
02:20:38,458 –> 02:20:38,938 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:20:38,938 –> 02:21:07,918 [Sabrina Lorenz]
Und, ähm, das macht das Ganze sehr herausfordernd und ich hab mich in der Vorbereitung an ganz vielen Stellen gefragt, reicht das denn? Und was ist, wenn AktivistInnen kommen, die sagen, ja, aber an der Stelle war’s nicht barrierefrei. Also ihr habt zwar zweiundzwanzig Punkte auf der Barrierefreiheitsskala erreicht, aber den dreiundzwanzigsten nicht. Wie kannst du? Und wie kannst du dich als Aktivistin nennen? Und das, ähm,
02:21:07,918 –> 02:21:15,858 [Sabrina Lorenz]
fand ich spannend, wie sehr das irgendwie doch in mir was gemacht hat. Ähm,
02:21:15,858 –> 02:21:17,818 [Sabrina Lorenz]
ich
02:21:17,818 –> 02:21:34,368 [Sabrina Lorenz]
möchte das immer wieder betonen, ich bin sehr dankbar für das Team, mit dem wir das gemacht haben. Also wir sind wirklich ’n Kollektiv aus ursprünglich aus nur chronisch erkrankten Menschen, inzwischen chronisch erkrankte behinderte Menschen und ihre Angehörigen. Ähm, und-
02:21:34,368 –> 02:21:36,418 [Raul Krauthausen]
Wie viele seid ihr?
02:21:36,418 –> 02:21:39,578 [Sabrina Lorenz]
Das ist ’n bisschen schwer zu sagen. Also wir sind
02:21:39,578 –> 02:22:25,618 [Sabrina Lorenz]
im, im Laufe der ganzen Kämpferherzen Zeit sind’s dreißig Leute, die immer mal wieder daran mitgewirkt haben. Aber es gab Menschen, die gesagt haben, okay, ich hab das erste Jahr mitgearbeitet und, äh, jetzt nicht mehr oder vielleicht, die sich zwischendurch eine Auszeit genommen haben. Deshalb, ähm, ist– würde, würde ich jetzt nicht sagen, das sind dreißig Menschen, die kontinuierlich da– daran mitwirken, aber über die gesamte Zeit waren’s dreißig Personen. Ähm, ursprünglich mal durch, durch einen Aufruf von, von Kevin Hoffmann, der auf Instagram Kevin Kämpferherz heißt. Und das ist eigentlich der Ursprung, warum es das Kämpferherzentreffen heißt, weil er den– weil er das initiiert hat. Ähm, inzwischen–
02:22:25,618 –> 02:22:27,797 [Sabrina Lorenz]
ich selber
02:22:27,797 –> 02:22:52,938 [Sabrina Lorenz]
kann mich mit dem Wort auch nicht so sehr identifizieren und das mag jetzt vielleicht im Widerspruch stehen, weil ich aber hinter der Sach– also ich steh ja genauso dahinter und ich find das, und ich mag das, was wir da machen und ich mag die Menschen, mit denen wir das machen. Und ich mag, welche Begegnungen wir dadurch auslösen können. Aber ich persönlich, ich, eh, die Rückmeldung, ob es Herzkranken geht, weil, ähm, ich daran irgendwie so ’n bisschen beteiligt bin, ähm,
02:22:53,018 –> 02:23:16,018 [Sabrina Lorenz]
kann ich nachvollziehen, die ist aber nicht gegeben. Ähm, ich kann mich auch mit dem Wort Kämpferin nicht identifizieren. Es gibt aber Menschen, die können das. Und es gibt– Und ich find das– Wer bin ich, ähm, dann zu sagen, dass es nicht so ist? Ich glaube, dass es total bestärkend sein kann, selber sich
02:23:16,018 –> 02:23:26,137 [Sabrina Lorenz]
einen, einen Raum zu schaffen oder Bezeichnungen zu geben, die einen empowern. Für mich war’s total empowernd, als ich gesagt, als ich irgendwann mal mit Stolz sagen durfte, nee, ich bin behindert. Punkt.
02:23:26,137 –> 02:23:26,918 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:23:26,918 –> 02:23:44,898 [Sabrina Lorenz]
Und das ist für, das ist für mich irgendwie… Und, und andere Menschen sagen, nee, mir ist es total wichtig, dass ich jemand ein Kämpferherz bin. Oder sich, dass ich, dass ich, ähm… Oder vielleicht and– andere Attribute, aber ursprünglich war der Gedanke eben durch den Account von Kevin. Und
02:23:44,898 –> 02:23:52,108 [Sabrina Lorenz]
der, ein Großteil der, von unserem Team kommt aus der MS, also Multiple Sklerose Community.
02:23:52,108 –> 02:23:52,938 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:23:52,938 –> 02:23:56,738 [Sabrina Lorenz]
Gar nicht, gar nicht aus der Herzcommunity
02:23:56,738 –> 02:24:07,698 [Sabrina Lorenz]
[lacht] oder aus der kardiologischen Community. Ähm, ich glaube, es– unser Wunsch ist oder unser Ziel wäre, eine, eine Plattform zu bieten,
02:24:07,698 –> 02:24:17,377 [Sabrina Lorenz]
bei der Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen sie selbst sein dürfen und,
02:24:17,378 –> 02:25:20,118 [Sabrina Lorenz]
und sich Informationen suchen können. Ähm, wir haben mal gesagt, der Best Case wäre, wenn wir ein Jahr lang Fragen uns aufstellen können und dann zum Kämpferherztreffen kommen können und dann direkt das alles fragen können. Immer bei der Selbsthilfegruppe, bei AnwältInnen zum Thema Schwerbehindertenausweis, bei, ähm, bei verschiedenen HomecareversorgerInnen, ähm, Hilfsmittel ausprobieren können. Also so ’n– einfach, um Lebensrealitäten mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen ja als Ganzes abzudecken. Und tatsächlich hab ich einmal eine Rückmeldung bekommen, ähm, von einer Person, die nicht behindert und nicht chronisch krank ist. Ähm, na ja, ihr wollt ja eh nicht, dass wir kommen und dann bleibt doch mal unter euch. Und, ähm, eigentlich diskriminiert ihr ja, diskriminiert ihr ja mich, weil ich ja jetzt hier nicht kommen darf. Und, äh, das fand ich ’ne sehr interessante Perspektive, die ich so nicht zustimme, weil
02:25:20,118 –> 02:25:26,118 [Sabrina Lorenz]
wir ja ganz– Also wir Menschen mit Behinderung haben ja über Jahrzehnte und Jahrhunderte und Jahrtausende
02:25:26,118 –> 02:25:34,018 [Sabrina Lorenz]
so viel Diskriminierung und Gewalt erlebt, dass es ein Schutzraum ist, wenn wir in Anführungszeichen unter uns sind.
02:25:34,018 –> 02:25:34,518 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:25:34,518 –> 02:26:02,682 [Sabrina Lorenz]
Das heißt ja nicht, dass ich nicht auch nicht behinderte FreundInnen haben möchte oder nicht, ähm, auch nicht behinderte…Geben, Menschen in meiner Umgebung, die mich begleiten oder mit denen ich gerne spreche oder mich gerne unterhalte oder was auch immer. Mhhhm Und ich empfinde auch Freundinnenschaften zu nicht grundstückkrank, nicht behinderten Menschen total wertvoll, wenn sie aware sind, weil herausfordernd ist ja, eine Verbindung zu
02:26:02,742 –> 02:26:17,002 [Sabrina Lorenz]
führen, in der ich a konstant darüber nachdenken muss, was darf ich jetzt sagen? Damit wie sehr muss ich mich jetzt zensieren? Wie sehr darf ich gerade meine Realität nicht
02:26:17,002 –> 02:27:00,462 [Sabrina Lorenz]
als Platzraum einräumen? Und b, wie sehr habe ich gerade in dieser Verbindung das Potenzial, immer wieder Gewalt zu erleben, mhhhm immer wieder Diskriminierung zu erleben. Und ähm es wird natürlich herausfordernd und das meine ich jetzt nicht bezogen auf die Kämpferherzen Community, sondern einfach grundsätzlich auf auf Mensch sein. Nur weil ich behindert bin, heißt das nicht, dass ich nie diskriminiere. Mhhhm Gleiches heißt es nie, dass ich mich da nicht auch reflektieren muss und dass ich da nicht auch sensibel sein muss. Und das heißt ja jetzt nicht, dass nur weil wir einen Raum ein versuchen ein safer space zu machen, ähm dass alle Menschen, die dort sind,
02:27:00,462 –> 02:27:13,942 [Sabrina Lorenz]
immer immer freundlich und nett sind. Mhhhm Ich glaube aber, dass wir mit dem Kämpferherzog Community das Potenzial haben, eine sehr hohe Trefferquote zu erzielen. [kichern] Also ich
02:27:13,942 –> 02:27:24,762 [Sabrina Lorenz]
habe so viele tolle Erlebnisse dadurch erfahren dürfen. Es gibt so viele großartige Menschen, mit denen ich da zusammenarbeiten darf, ähm
02:27:24,762 –> 02:27:35,062 [Sabrina Lorenz]
so viele Menschen, mit denen wir gemeinsam diesen Weg begleiten dürfen. Ähm Ich bin so stolz auf dieses Team, das sich immer wieder
02:27:35,062 –> 02:27:40,422 [Sabrina Lorenz]
selber hinterfragt, zusammenrückt,
02:27:40,422 –> 02:27:46,221 [Sabrina Lorenz]
wachsen darf auf verschiedenen Ebenen und ähm
02:27:46,222 –> 02:27:54,951 [Sabrina Lorenz]
ja, dass wir irgendwie Teil dieser Community sein dürfen, die eigentlich noch viel, viel größer ist. Und deswegen, wie schön, dass du dabei warst.
02:27:54,951 –> 02:28:19,902 [Raul Krauthausen]
[kichern] Kriegst du denn von dieser Veranstaltung ähm überhaupt noch so viel mit, wenn du da Mitorganisatorin bist? Weil ich habe erlebt, dass du und Kevin ah ja so die ganze Zeit belagert wart, auch von entweder Kamerateams oder Leuten, die unbedingt mit euch sprechen wollten. Ich habe euch ganz bewusst in Ruhe gelassen, weil ich dachte so: „Wow, ähm in der Rolle will ich jetzt aber auch nicht sein.
02:28:19,902 –> 02:28:37,282 [Sabrina Lorenz]
Da lade ich dir meinen Podcast ein, mit der mit zweieinhalb Stunden zu sprechen. [kichern] Jein. Also ich würde schon sagen, dass ich wenig noch davon mitbekomme und mir tut es total leid, dass ich
02:28:37,282 –> 02:28:47,942 [Sabrina Lorenz]
ganz viele Gespräche nicht in der Intensität führen kann, wie ich es mir gerne wünsche, mhhhm weil das ja auch für mich ganz häufig
02:28:47,942 –> 02:28:52,702 [Sabrina Lorenz]
Begegnungen sind, die endlich, dass wir uns wiedersehen oder vielleicht auch erstmalig.
02:28:54,282 –> 02:28:57,222 [Sabrina Lorenz]
Ich würde aber
02:28:57,222 –> 02:29:02,742 [Sabrina Lorenz]
das nicht auf Kevin und mich kondensieren, sondern ähm auf das gesamte Team.
02:29:02,742 –> 02:29:03,922 [Raul Krauthausen]
Ja, das klar.
02:29:03,922 –> 02:29:05,662 [Sabrina Lorenz]
Und äh.
02:29:05,662 –> 02:29:08,062 [Raul Krauthausen]
Auch wenn’s nur bei euch erlebt. [kichern]
02:29:08,062 –> 02:29:14,662 [Sabrina Lorenz]
Okay, ja stimmt. Ähm Dass das ganze Team an so vielen Ecken und Enden
02:29:14,722 –> 02:29:39,762 [Sabrina Lorenz]
so viel macht. Und ähm ich glaube, das ist eine große Herausforderung, eine Teamstruktur zu schaffen, in der alle Menschen gut auf die eigenen Kapazitäten achten können mhhhm und wo man dann eben auch sagt, alles klar, wo holen wir uns auch Unterstützung von nicht behinderten Assistenzen, ähm damit eben auch unser Team nicht nur
02:29:39,762 –> 02:29:53,262 [Sabrina Lorenz]
nicht nur das den Tag rockt und das so krass. Ähm Und ich bin so dankbar, dass die alle da sind, sondern auch zu sagen: „Okay,
02:29:53,262 –> 02:30:00,062 [Sabrina Lorenz]
bitte genieß auch den Tag für dich. Also wir planen da zehn, elf Monate im Jahr dran
02:30:00,062 –> 02:31:21,022 [Sabrina Lorenz]
ähm und dann alles für einen einzigen Tag. Und wie schade das ist, wenn Menschen dann vielleicht auch ganz viel Kontakt zu Ausstellenden hatten oder zu Leuten in der Community und dann nicht mal eine Viertelstunde Zeit haben, sich das auch anzuschauen, was sie da eigentlich die ganze mhhhm Zeit geplant haben. Weil wenn man da irgendwelche Dinge am Laptop macht, dann wirkt das manchmal so abstrakt und mhhhm dann steht man plötzlich in Kassel in der Stadthalle und das ist so monumental und groß und man denkt so: „Oh krass, okay, irgendwie waren das für mich E-Mails und jetzt sind es, [kichern] die Tische sind doch ein bisschen größer, als ich dachte und jaaa der Hall ist doch ein bisschen größer, als ich dachte. [kichern] Ähm Und das ist schön. Und das ist, glaube ich, mir dann ganz wichtig, dass ähm die Arbeit auf all unsere Schultern verteilt ist in den Kapazitäten, die für uns jeweils möglich sind und dass wir genügend Raum schaffen, ähm dass wir das auch miterleben dürfen. Und an der Stelle bin ich so ein bisschen zerrissen zwischen: „Ich würde gerade so gerne so viele Menschen treffen und sprechen und gleichzeitig, ich möchte so sehr, dass es meinem Team gut geht und für die da sein. Und irgendwie bin ich auch eine Person mit einer begrenzten Kapazität und das ist dann immer wieder herausfordernd.
02:31:21,022 –> 02:31:50,122 [Raul Krauthausen]
Kann ich auf jeden Fall jedem empfehlen, Kämperherzen.de, sich noch mal genauer anzuschauen. Ähm Auch das Buch, weil Sonnenblumen auch im Winter blühen, unbedingt noch mal von Sabrina ähm sich anschauen, zumindest online oder sogar kaufen am besten. Ähm Sabrina unbedingt auf Instagram zu folgen, auf äh-äh unter Fragments of Living. Ähm Klingt jetzt nach einer Verabschiedung ist es aber noch nicht.
02:31:50,122 –> 02:31:52,162 [Sabrina Lorenz]
Ach so. [kichern] Ich habe gedacht.
02:31:52,558 –> 02:32:49,738 [Raul Krauthausen]
Woll s– Genau, noch mal. Wollte es einfach noch mal wiederholen, weil du hast auch noch, und ganz ehrlich, also ich werde das oft gefragt: „Wie machst denn du das alles?“ Und jetzt frag ich das genauso: „Wie machst du das alles, wenn du schon sagst, du hast begrenzte Kapazitäten?“ Du organisierst ein Jahr lang diesen Kongress, du stehst auf Bühnen, ähm, musst auf dich achten, hast vielleicht weniger Löffel als andere und du machst ’n Podcast. Du machst ’n Podcast mit Moritz Brückner, mit dem Titel „Inklusiv uns“. Ähm, du musst mir kurz den Titel erklären, äh, „Inklusiv uns“. Ich, äh, krieg das grade grammatikalisch noch nicht ganz zusammen. Äh, äh, aber ihr macht ihn jede Woche, die Ausgabe. Und ehrlich gesagt, ich find ja diesen Podcast hier schon alle zwei Wochen herausfordernd für meinen Schedule.
02:32:49,738 –> 02:32:53,088 [Sabrina Lorenz]
Aber wir sprechen noch nicht zweieinhalb Stunden. [lachen]
02:32:53,088 –> 02:32:54,918 [Raul Krauthausen]
Aber schon ’ne Stunde.
02:32:54,918 –> 02:33:00,038 [Sabrina Lorenz]
Nee, meistens so eine Dreiviertelstunde, ja. Äh, „Inklusiv uns“, ähm, das geht-
02:33:00,038 –> 02:33:02,098 [Raul Krauthausen]
Kannst du mir kurz das grammatische Konstrukt erklären?
02:33:02,098 –> 02:33:07,778 [Sabrina Lorenz]
Ich glaub, dass das Grammatikalisch auch nicht ganz so korrekt ist. Ähm,
02:33:07,778 –> 02:33:10,998 [Sabrina Lorenz]
im Prinzip wollten wir
02:33:10,998 –> 02:33:15,798 [Sabrina Lorenz]
diesen Gedanken von „nicht über uns“, sondern „mit uns“, ähm,
02:33:15,798 –> 02:33:23,057 [Sabrina Lorenz]
kondensieren. Und ei-eigentlich hieß der ursprünglich mal „Inklusiv exklusiv“ oder „Exklusiv inklusiv“.
02:33:23,118 –> 02:33:23,338 [Raul Krauthausen]
Ja.
02:33:23,338 –> 02:33:37,048 [Sabrina Lorenz]
Weil wir dachten, na, das ist ’n funny Wortspiel, bis uns aufgefallen ist, dass, dass dieser Titel bereits vergeben ist. Ähm, wir haben dazu meine Podcast-Folge gemacht, die Podcast-Folge mit Tarek, um diese ganze Geschichte mal zu erzählen.
02:33:37,048 –> 02:33:40,038 [Raul Krauthausen]
Okay. Die hab ich nämlich nicht gehört.
02:33:40,038 –> 02:33:45,028 [Sabrina Lorenz]
Da wird die– Die empfehle ich dir. Ich empfehle auch natürlich die Podcast-Folge mit dir, Raoul. Du warst auch schon da.
02:33:45,028 –> 02:33:46,528 [Raul Krauthausen]
Ja, die kenne ich gar nicht.
02:33:46,528 –> 02:34:06,738 [Sabrina Lorenz]
Viel, viel Spaß. Riecht das aber ’ne relativ schöne Podcast-Folge. Aber vielleicht kennen das noch nicht alle Menschen, die jetzt hier gerade zuhören. Vielen Dank an der Stelle. Ähm, genau, also brauchten wir in recht kurzer Zeit einen neuen Titel, „Statt exklusiv inklusiv“. Und dann war uns das alles klar. Wir wollen aber diesen Gedanken beibehalten. Ähm,
02:34:06,738 –> 02:34:57,778 [Sabrina Lorenz]
na ja, dann sprechen wir halt– Also, also ist ja die, die Kondensierung von „nicht über uns“, „ohne uns“, sondern halt „mit uns“ ist halt, na ja, Hauptsache wir sind halt auch mit dabei. Und dadurch ist dann so ’n bisschen „inklusiv uns“ entstanden und, ähm, der wird dann immer abgeändert für die Menschen, die wir einladen, weil wir eben auch sagen, wir können nicht für alle Lebensrealitäten sprechen. Also Moritz ist, ähm, ist eine Person, die als junger Erwachsener, ähm, einen Unfall hatte und dadurch in den, seit seither einen Rollstuhl nutzt. Und das ist natürlich eine ganz andere Lebensrealität als ich als Person, die, die eine angeborene Behinderung hat. Also es sind eben viele Themen, die wir jetzt auch grade schon angesprochen haben, ähm, dadurch, dass er als Mann natürlich auch andere Erfahrungen macht als ich.
02:34:57,778 –> 02:35:19,758 [Sabrina Lorenz]
Und dann haben wir aber gesagt, okay, aber, aber selbst dann werden wir nicht über alle Lebensrealitäten mit Behinderung oder chronischen Kranken sprechen. Also laden wir Menschen ein. Also heißt das inklusiv mit Raoul, inklusiv mit Sabrina, inklusiv… Sondern de– weil wir diese, diese inklusive Perspektive einfach super wichtig finden und die hervorheben möchten.
02:35:19,758 –> 02:35:21,058 [Raul Krauthausen]
Jetzt hab ich’s verstanden.
02:35:21,058 –> 02:35:21,878 [Sabrina Lorenz]
Gerne. [kichern]
02:35:21,878 –> 02:35:33,098 [Raul Krauthausen]
Ich dachte, ich dachte die ganze Zeit, es heißt inklusive uns, macht ja auch Sinn, aber da hat ja irgendwie das e gefehlt. Ähm, okay, jetzt hab ich’s verstanden. Danke für die Erläuterung.
02:35:33,098 –> 02:35:33,598 [Sabrina Lorenz]
Gerne, ist kein Problem.
02:35:33,598 –> 02:35:38,358 [Raul Krauthausen]
Kann ich auf jeden Fall sehr empfehlen, guck mir auch in, in die Show Notes.
02:35:38,358 –> 02:35:38,688 [Sabrina Lorenz]
Danke schön.
02:35:38,688 –> 02:35:46,638 [Raul Krauthausen]
Du hast gerade Tarek erwähnt. Ja. Und, ähm,
02:35:46,638 –> 02:36:10,798 [Raul Krauthausen]
auf dem Köpfe herzlichen Treffen. Es gibt sehr wenige, äh, ähm, Veranstaltungen im Jahr, die ich treffe, wo ich so viele bekannte Gesichter sehe. Ähm, also Alana, äh, Kevin, Moritz, Tarek und viele, viele andere, die mir jetzt natürlich spontan nicht einfallen. Aber das, das ist einfach wie so ’n Klassentreffen.
02:36:10,798 –> 02:36:13,417 [Sabrina Lorenz]
Ja, das ist richtig schöner Gedanke.
02:36:13,418 –> 02:36:16,178 [Raul Krauthausen]
Ihr habt quasi das Klassentreffen
02:36:16,178 –> 02:36:19,918 [Raul Krauthausen]
in ’n Podcast geholt, um den übers ganze Jahr zu ziehen.
02:36:19,918 –> 02:36:26,338 [Sabrina Lorenz]
Oh. Noch nicht so gesehen, ja, stimmt. Ja.
02:36:26,338 –> 02:36:50,358 [Raul Krauthausen]
Und ich hab– ich werde sehr oft gefragt, ob ich nicht mal ihn oder sie in den Podcast einladen könnte, über Behinderung zu sprechen. Und ich versuche ja schon, das Thema Behinderung immer mal wieder auch auftauchen zu lassen. Hmm, deswegen sprechen wir ja jetzt auch schon über zweieinhalb Stunden, [kichern] was krass ist. Vielen Dank für deine Zeit. Ähm-
02:36:50,358 –> 02:36:51,618 [Sabrina Lorenz]
Gerne.
02:36:51,618 –> 02:36:56,898 [Raul Krauthausen]
Ich, ich denke nur manchmal, dass Behinderung alleine
02:36:56,898 –> 02:36:59,398 [Raul Krauthausen]
aber
02:36:59,398 –> 02:37:08,918 [Raul Krauthausen]
auch nicht das Thema sein muss. Ne? Also, ich bin wahrscheinlich der Tarek auch noch ganz viele andere Dinge zu erzählen. Ich weiß, dass er ’n Wohnwagen hat.
02:37:08,918 –> 02:37:09,438 [Sabrina Lorenz]
Ja.
02:37:09,438 –> 02:38:00,778 [Raul Krauthausen]
Ah, also, ähm, habt ihr wahrscheinlich auch drüber gesprochen, äh, so und diese, diese Vielfalt auch auf dem Kämpferherzentreffen zu sehen, okay, da gibt es natürlich auch, keine Ahnung, äh, äh, Influencerinnen mit Behinderung, die dann genauso am influencen sind, wie sie’s halt auf ’ner Filmmesse wären, ja, oder auf ’ner Automesse gibt’s auch Influencerinnen. Äh, oder dann gibt es irgendwie Leute, die gerne Rockmusik hören, die tragen dann Lederkutten und so. Und, und das, das heißt, in diesem Mikrokosmos, äh, Leben mit Behinderung gibt es natürlich auch diese Vielfalt an, an Talenten, Leidenschaften, Hobbys, äh, äh, Figuren, Charakteren, inklusive Menschen, die man vielleicht nicht so sympathisch findet. Ähm, und, und, und das ist ja auch das Leben.
02:38:02,308 –> 02:38:02,508 [Sabrina Lorenz]
Mhm.
02:38:02,508 –> 02:38:17,367 [Raul Krauthausen]
Ich weiß gar nicht, das klingt auch alles wieder so nach T-Beutelspruch, aber [lachen] deswegen finde ich diese Podcasts auch so wichtig, auch wenn sie monothematisch erst mal klingen, äh, die reden da über Behinderung, redet man ja dann doch auch über mehr.
02:38:17,367 –> 02:38:21,627 [Sabrina Lorenz]
Total. Also, ähm, ich glaub, das ist
02:38:21,627 –> 02:38:28,287 [Sabrina Lorenz]
etwas, was die Lebensrealität von Moritz und mir total unterscheidet: Dass er
02:38:28,287 –> 02:38:33,007 [Sabrina Lorenz]
eine, eine Behinderung hat, die sich so nicht verändert
02:38:33,008 –> 02:39:03,287 [Sabrina Lorenz]
und dadurch dem, was sich verändert, manchmal viel präsenter ist. Also dann ist das, dann ist es der Umzug oder dann ist das irgendwie, ähm, weiß nicht, dass er, wenn er, wenn er, ähm, er ist Rugbyspieler in der Nationalmannschaft, wenn er irgendwo hinfliegt, Rugby zu spielen, dann geht’s meistens um, um das Flugzeug und die Reise und so, nicht den Rollstuhl. Ähm, und
02:39:03,287 –> 02:39:22,088 [Sabrina Lorenz]
mein Leben ist einfach sehr anders geprägt. Für mich, ähm, spielt meine Behinderung einfach eine viel größere Rolle und es gibt immer mal wieder Podcast-Folgen, in denen wir auch gar nicht über Behinderung sprechen. Also in der letzten haben wir, ähm, also ich weiß nicht, wann die hier entscheint, äh, daher weiß ich nicht, ob das dann auch die letzte-
02:39:22,088 –> 02:39:22,637 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:39:22,637 –> 02:39:42,127 [Sabrina Lorenz]
die bei uns war. [lachen] Da, ähm, da nerdet Moritz sehr über Astronomie ab und das ist irgendwie cool. Und was wir, was ich total schön finde, ist, wir haben, wenn wir Guest et al. haben, haben wir immer noch mal wichtige Fragen, die natürlich total relevant sind. Mhm.
02:39:42,127 –> 02:39:56,588 [Raul Krauthausen]
Also drehst du deine Spaghetti oder schneidest du die? Und, ähm, wenn deine Bettdecke Knöpfe hat, äh, und die oben liegen, drehst du die dann noch mal um? [kichern] Weil das sind natürlich auch die wichtigen Fragen im Leben, Ja. die eben
02:39:56,588 –> 02:40:28,107 [Raul Krauthausen]
auch spannend sind. Weil, ähm, vielleicht kennst du das, wenn du jemanden, wenn du dich vorstellst, je nachdem, in welchem Kosmos oder in welchem Raum du dich befindest, sagst du, ähm, also ich sag, „Hi, ich bin Sabrina und ich arbeite als das und das und das und das und das.“ Oder ich sage, „Hi, ich bin Sabrina und ich lebe mit ’ner chronischen, äh- Mhm. Erkrankung und Behinderung.“ Also die Frage ist natürlich, in welchem Raum bin ich? Manchmal ist das auch nicht ganz so relevant, aber wir sagen selten: „Hi, ich bin Sabrina und ich kann übrigens den Zauberwürfel lösen.“ Und, ähm- Du kannst den Zauberwürfel lösen?
02:40:28,107 –> 02:40:38,508 [Sabrina Lorenz]
Ja. [kichern] Okay. [räuspern] Oder, oder „Hi, ich bin Sabrina und meine, meine Lieblingsnudelsorte ist, weiß ich nicht, äh…“
02:40:38,508 –> 02:40:39,908 [Raul Krauthausen]
Barilla neun.
02:40:39,908 –> 02:40:45,848 [Sabrina Lorenz]
[kichern] Zum Beispiel. Und wie cool wäre das? Ja. Weil wir
02:40:45,848 –> 02:41:30,008 [Sabrina Lorenz]
versuchen, Menschen… Also damit wir Menschen, auf Menschen reagieren können, versuchen wir das abzuklären mit dem Bekannten, mhm. Was wir bereits haben. Und wenn wir Menschen in Schubladen stecken können, dann ist es für uns leichter, darauf zu reagieren, weil wir gucken können: „Okay, in welche Schublade kann ich die Person stecken?“ Und was habe ich gelernt? Wie diese, welche, welche Verhaltensweise bedarf jetzt meine Schublade? Und wenn ich sage, äh, „Hi, ich bin Raul und ich hab ’ne Behinderung oder hi, ich bin Raul und ich hab, bin Aktivist“, dann können wir schon ’ne ganz andere, ähm, Identifikation damit ziehen und ’ne ganz andere Schublade öffnen, als wenn, als wenn, als die die Schublade ist: „Hi, ich bin Raul und ich mag Barilla Nummer neun.“ So. [lachen]
02:41:30,008 –> 02:41:40,808 [Raul Krauthausen]
Ähm, hier steht tatsächlich auf meinem Zettel: Äh, was ist deine Guilty Pleasure? Und du hast mir jetzt quasi erzählt, du kannst mit Zauberwürfel lösen.
02:41:40,808 –> 02:41:40,828 [Sabrina Lorenz]
Ja.
02:41:40,828 –> 02:41:48,107 [Raul Krauthausen]
Das ist jetzt also, weiß ich nicht so, kann ich halt nicht. Wusste ich nicht, sieht man dir nicht an, hast du mich auf Instagram erzählt.
02:41:48,107 –> 02:41:50,308 [Sabrina Lorenz]
Sieht man das von meiner Behinderung nicht so an. [kichern]
02:41:50,308 –> 02:41:54,928 [Raul Krauthausen]
Genau. Aber was ist denn jetzt deine Guilty Pleasure? Hast du noch eine?
02:41:54,928 –> 02:41:58,228 [Sabrina Lorenz]
Mein Guilty Pleasure?
02:41:58,228 –> 02:42:01,928 [Sabrina Lorenz]
Oh, gute Frage. Da müsste ich wirklich nachdenken. [kichern]
02:42:01,928 –> 02:42:03,178 [Raul Krauthausen]
Ich kann ja mit meiner mal anfangen.
02:42:03,178 –> 02:42:05,068 [Sabrina Lorenz]
Ja, fang du mal an.
02:42:05,068 –> 02:42:19,747 [Raul Krauthausen]
Ich wusste nicht, dass ich diese Guilty Pleasure habe, aber irgendwie habe ich meinen YouTube-Algorithmus so trainiert, bewusst oder unbewusst, ähm, dass der mir jetzt, äh, Wohnwagen-Test-Videos zeigt.
02:42:19,747 –> 02:42:20,687 [Sabrina Lorenz]
Stark.
02:42:20,687 –> 02:42:36,607 [Raul Krauthausen]
Ich hab keinen Führerschein, ich will gar keinen Wohnwagen besitzen, aber ich habe ein ähnliches Glückserlebnis, wenn ich diese Videos mir anschaue, wie Leute das Glückserlebnis haben, wenn sie sich ASMR-Videos anschauen. Mhm. Also ich finde es unfassbar
02:42:36,607 –> 02:42:59,668 [Raul Krauthausen]
holdsam, zu sehen, wie jemand in dem Wohnwagen die Schubladen aufmacht und die Features zeigt und, und, und einfach sone Follow-me-around-Tour von dem Scheißwohnwagen. Äh, und ich weiß extrem viel über Wohnwagen, obwohl ich nicht gerne campen fahre oder so, aber ich, ich bleib da drauf hängen. Jeden Abend guck ich Wohnwagen-Videos.
02:42:59,668 –> 02:43:04,908 [Raul Krauthausen]
Warst du, äh, in der Woche vor der Reha-Care, war in der Messe Düsseldorf die Caravan-Messe?
02:43:04,908 –> 02:43:17,527 [Raul Krauthausen]
Oh fuck, ich hab sie verpasst. Ich komme als Rollstuhlfahrer ja eh nicht rein und in die, in die ich reinkomme, die will ich gar nicht haben, weil die sind dann so hässlich. Ähm, ich wär diese Geil nicht. Es gibt diese,
02:43:17,527 –> 02:43:56,367 [Raul Krauthausen]
es gibt ’n Trend, das nennt sich Stealth Camping, mhm, also umgebaute Handwerkerautos, die von innen Wohnwagen sind und von außen aussehen wie ein Handwerkerauto, also meistens auch keine Fenster haben, weil die Idee ist, dass du damit illegal irgendwo campst, ähm, also weil das eigentlich verboten ist, in der Stadt zu campen. Hm. Ja, und das find ich irgendwie faszinierend, dass man sich da alles überlegen kann, damit das bloß nicht so aussieht wie ein Wohnwagen. Aber trotzdem brauchst du ja Abwasser und Belüftung und Licht und was sich dann so für Hacks überlegen. Das ist meine Guilty Pleasure, ich geb’s ganz offen zu.
02:43:56,367 –> 02:44:01,328 [Raul Krauthausen]
Hast du dir schon mal darüber nachgedacht, ob du in einen Wohnwagen-Podcast startest?
02:44:01,328 –> 02:44:22,228 [Raul Krauthausen]
Äh, davon gibt’s genug. Ähm… Ach so.Mhm. Ja, äh, auch problematische Charaktere, die da teilweise auftreten, sehr sexistisch leider, wie sie übereinander reden und, und so. Viel Männer, ähm, Männer, die irgendwas gebastelt haben. Ist ja auch nicht immer einfach, aber, äh,
02:44:22,228 –> 02:44:24,027 [Raul Krauthausen]
was ist deine Guilty Pleasure?
02:44:24,027 –> 02:44:35,907 [Sabrina Lorenz]
Boah, das ist echt schwer. [lacht] Ich, ähm, ich überlege grade. Ich google manchmal, also ich gucke immer, wo würde ich richtig gern mal essen gehen, in welcher Stadt.
02:44:35,907 –> 02:44:36,306 [Raul Krauthausen]
Ja.
02:44:36,308 –> 02:44:53,408 [Sabrina Lorenz]
Und, äh, guck dann nach guten Restaurants, aber ich geh halt nie hin. So. Also ich hab ’n, ich hab ’n Faible für, äh, für gutes Essen und, äh, Geselligkeit und so. Ähm, und das finde ich total schön. Ich, ich kann das
02:44:53,467 –> 02:45:03,607 [Sabrina Lorenz]
nicht in dem, ähm, ich kann das nicht so machen, wie, wie ich’s gerne machen würde, weil ich einfach, ähm, dafür
02:45:03,648 –> 02:45:12,988 [Sabrina Lorenz]
nicht immer fit genug bin. Ähm, und das bedeutet, ich hab eine riesengroße Liste an Restaurants, wo ich gerne mal essen gehen würde, aber einfach nie hingehe.
02:45:13,027 –> 02:45:16,248 [Raul Krauthausen]
Aber du isst schon manchmal gerne gut essen?
02:45:16,248 –> 02:45:22,688 [Sabrina Lorenz]
Mal– A-also, wenn die Möglichkeit besteht, auf jeden Fall. Und „gut essen“ meine ich jetzt nicht immer– Es muss nicht immer teuer sein. Also da ist-
02:45:22,688 –> 02:45:26,367 [Raul Krauthausen]
Oh, da habe ich auch ein Guilty Pleasure. Am liebsten Sterne-Lokale.
02:45:26,367 –> 02:45:27,107 [Sabrina Lorenz]
[lacht]
02:45:27,107 –> 02:45:29,328 [Raul Krauthausen]
Das mache ich auch sehr, sehr gerne.
02:45:29,328 –> 02:45:35,467 [Sabrina Lorenz]
Also falls da jetzt Sterne-Lokale zuhören, ähm,
02:45:35,467 –> 02:45:42,408 [Sabrina Lorenz]
Raoul guckt auch immer, ob, ob ihr da noch n bisschen was Netteres macht, weil er ist ja auch behindert. [lacht]
02:45:42,408 –> 02:45:53,787 [Raul Krauthausen]
Ja, aber auf jeden Fall, also wenn wir beide die, äh, mentalen, körperlichen und finanziellen Ressourcen haben, können wir gerne mal essen gehen in einem unserer Lokale.
02:45:53,787 –> 02:46:08,728 [Raul Krauthausen]
Kann ich sehr empfehlen, will ich unbedingt auch die Besitzerin, die in meinem Podcast einladen, aber dazu ein anderes Mal mehr. Ähm, und eine andere Guilty Pleasure, die ich habe,
02:46:08,728 –> 02:46:17,207 [Raul Krauthausen]
ich hoffe, es hört keiner zu: Ich erschleiche mir gerne Dienstleistungen in Luxushotels.
02:46:17,207 –> 02:46:25,348 [Raul Krauthausen]
Ähm, ich wusste nicht, dass ich diese Guilty Pleasure habe, aber ich war mal im Urlaub in Teneriffa.
02:46:25,348 –> 02:46:54,308 [Raul Krauthausen]
Du kennst es vielleicht: Willst du in dem schönen Haus wohnen und auf das hässliche Haus gucken? Oder möchtest du in dem hässlichen Haus wohnen und auf das schöne Haus gucken? Und ich habe in dem hässlichen Haus gewohnt und auf das schöne Haus geguckt. Also Hotel. Das Hotel war gut, nicht hässlich, war gut, aber das da drüben war halt besser. Und dann dachte ich: „Okay, ich will einfach noch mal wissen, wie es da drin aussieht.“ Und bin dann in die Lobby reingefahren
02:46:54,308 –> 02:48:07,328 [Raul Krauthausen]
und da kommst natürlich an der Lobby auch nicht vorbei. Da sind dann da irgendwie Wachleute und Concierges und so. Und dann habe ich nen Handwerker beobachtet, wie er mit seinem, ja, Containerwagen, äh, rausfuhr und in die Tiefgarage reinfuhr. Und dann bin ich dem einfach gefolgt. Und, ähm, dann hielt er mir die Tür auf und auf einmal war ich hinter der, äh, Lobby und war im Wellness-Bereich. Oh wow. Und, äh, das war halt super geiles Wetter. Äh, die Leute lagen auf ihren Liegen, es war ruhig, es war warm, alle hatten gute Laune, alle haben sich amüsiert. Und dann habe ich gesehen, dass die, ähm, alle so Armbänder, so Festivalarmbänder haben, die Gäste. Mhm. Du brauchtest also schnell ein Armband, ja. Genau, dann habe ich ihn gefragt: „Wie funktioniert dieses System?“ Und bin am nächsten Tag wieder rein und da hatten die Armbänder eine andere Farbe. Und dann habe ich verstanden, dass sie erkennen quasi ihre Gäste anhand der Festivalbändchen-Farbe, die jeden Tag anders ist.
02:48:07,328 –> 02:48:10,047 [Raul Krauthausen]
Und das wiederholt sich nach sieben Tagen.
02:48:10,047 –> 02:48:12,027 [Sabrina Lorenz]
Das heißt, du warst zwei Wochen da?
02:48:12,027 –> 02:48:15,688 [Raul Krauthausen]
Ja, zehn Tage. Und,
02:48:15,688 –> 02:48:27,728 [Raul Krauthausen]
äh, du musst dann einfach nur die Farbe, die richtige Farbe sammeln, die ja am Tagesende weggeschmissen wird. Mhm, für die nächste Woche. Genau. Ja, so viel zum Thema: So kriminell ist meine Energie.
02:48:27,728 –> 02:48:32,268 [Sabrina Lorenz]
[lacht] Das ist richtig frech, Raoul.
02:48:32,268 –> 02:48:36,027 [Raul Krauthausen]
Aber ich fands irgendwie auch… Was soll denn passieren?
02:48:36,027 –> 02:48:36,588 [Raul Krauthausen]
Was man rausgeschmissen-
02:48:36,588 –> 02:48:38,668 [Sabrina Lorenz]
Ja, aber wenn das alle machen?
02:48:38,668 –> 02:48:40,328 [Raul Krauthausen]
Ja, das sollte halt nicht passieren.
02:48:40,328 –> 02:48:41,268 [Sabrina Lorenz]
[lacht] Ja.
02:48:41,268 –> 02:48:43,287 [Raul Krauthausen]
Deswegen erzähle ich ja nur dir.
02:48:43,287 –> 02:48:45,366 [Sabrina Lorenz]
Ja, gut, dass dir auch wirklich gar keiner zuhört, mhm.
02:48:45,367 –> 02:48:50,447 [Raul Krauthausen]
Und das war in Teneriffa. Aber,
02:48:50,447 –> 02:48:56,027 [Raul Krauthausen]
äh, ich finde solche Guilty-Pleasures-Fun-Facts, ähm-
02:48:56,027 –> 02:48:57,728 [Sabrina Lorenz]
Macht auf jeden Fall was aus. Ja.
02:48:57,728 –> 02:49:00,808 [Raul Krauthausen]
Oder? Ja.
02:49:00,808 –> 02:49:25,768 [Raul Krauthausen]
Okay, jetzt sind wir aber also richtig hart abgeschwoffen, abgeschweift. Ähm, wir haben gerade über einige, äh, ähm, Menschen mit Behinderung gesprochen, die man vielleicht aus Social Media kennt. Alana, beispielsweise Tarek, ähm, dich sowieso. Ähm, ich hab bei Köpfersen treffen zum ersten Mal Lisa Brück, äh,
02:49:25,768 –> 02:49:26,568 [Raul Krauthausen]
auf der Bühne.
02:49:26,568 –> 02:49:26,588 [Sabrina Lorenz]
Jaaa.
02:49:26,588 –> 02:49:28,547 [Raul Krauthausen]
Großartig.
02:49:28,547 –> 02:49:30,207 [Sabrina Lorenz]
Ja, großartige Künstlerin.
02:49:30,207 –> 02:49:48,768 [Raul Krauthausen]
Also ihr seid tatsächlich auch… Genau, ihr seid tatsächlich auch, äh, Scouts irgendwie auf eine Art von, von, von coolen Leuten, ähm, die dann auch meine, meine Perspektive noch immer weiter verändern. Aber wenn ich dich jetzt konkret frage, so als eine der letzten Fragen:
02:49:48,828 –> 02:50:03,107 [Raul Krauthausen]
Gibt es ne Organisation oder ne Person, n Buch, n Film, ähm, den du den ZuhörerInnen unbedingt empfehlen würdest, die man sich noch mal anschauen könnte?
02:50:03,107 –> 02:50:16,607 [Sabrina Lorenz]
Boah, total, ähm, schwierige Frage, weil ich das total-Herausfordernd findet, zu sagen, schaut euch genau den Content an, aber den nicht ungefähr, ähm,
02:50:16,607 –> 02:50:30,687 [Sabrina Lorenz]
weil ich so viele nennen würde. Du hast gerade schon ganz viele genannt. Eine Person, die, an die ich gerade direkt gedacht habe, als du, als du das, ähm, noch gesagt hat, ist Finn. Finns Account heißt „Finn’s kunterbunte Welt“.
02:50:30,687 –> 02:50:30,908 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:50:30,908 –> 02:50:40,518 [Sabrina Lorenz]
Oder jetzt muss ich nachgucken, wo da ist das Finn. Moment, Moment. [lacht] Nicht, dass ich jetzt hier was Falsches sage. Ähm, „Finn’s kunterbuntes Leben“, so rum.
02:50:40,518 –> 02:50:40,947 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:50:40,947 –> 02:50:58,978 [Sabrina Lorenz]
Weil die hat sich in meinem Kopf schon nicht ganz richtig angehört. Also Finns kunterbuntes Leben, ähm, Finn macht, macht ganz viel Content, ähm, und sagt selber über sich, er möchte Menschen daran erinnern, dass, ähm, dass man lebensfroh sein kann.
02:50:58,978 –> 02:50:59,488 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:50:59,488 –> 02:51:43,928 [Sabrina Lorenz]
Und, äh, Finn war dieses Jahr bei uns auf der Bühne und, ähm, ich habe vorher ganz lange mit ihm gesprochen vor seinem Auftritt und, ähm, dick ganz lange mit ihm, ihn begleitet in der Vorbereitung darauf. Und dann hat er immer gesagt: „Was ist, wenn, wenn dann niemand klatscht?“ So, ich mache so häufig diese Erfahrung, dass, dass ich peinlich bin, dass ich nicht gut genug bin oder so. Und am Ende hat er Standing Ovations bekommen und du meintest: „Okay, den Fall haben wir nicht durchgesprochen.“ Wir haben, wir haben den Fall [lacht] durchgesprochen. Was passiert, wenn niemand klatscht? Was ist, wenn nur ein paar klatschen? Was ist, wenn die Leute klatschen? Aber Standing Ovation haben wir nicht durchgesprochen. Was machen wir denn dann?
02:51:43,928 –> 02:51:44,408 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:51:44,408 –> 02:52:30,687 [Sabrina Lorenz]
Und das war so schön zu sehen, wie stolz er war und einfach diese Freude. Er hat gesagt, er will, dass Menschen da rausgehen und fröhlich sind. Und Finn war da fröhlichst, so fröhlich, dass es einfach Spaß gemacht hat, ihm zuzuschauen. Dass es einfach so cool war, ihn dabei zu begleiten. Ähm, Finn, ja, großes Shoutout an dich. Und wenn ich ’ne Organisation empfehlen darf, dann auch da ist es– Also, es ist so herausfordernd, immer mal wieder als NGO, ähm, Fördermittel zu bekommen, Begleitmittel, Anträge, jada, jada, jada. Das Feld ist groß. Ähm, ein Thema, womit ich mich seit
02:52:30,687 –> 02:52:34,367 [Sabrina Lorenz]
noch nicht ganz so langer Zeit beschäftige, ist pflegende Elternschaft.
02:52:34,367 –> 02:52:35,428 [Raul Krauthausen]
Mhm.
02:52:35,428 –> 02:53:44,447 [Sabrina Lorenz]
Und ich glaube, dass das ein Thema ist, wo wir auch mehr aufmerksam machen dürfen, weil, ähm, ich als, als Person mit Behinderung kenn meine Lebensrealität und in dem Moment, in dem– Also auch ich kann ’ne angehörige Person sein. Und ich glaube, dass aber pflegende Eltern auch in unserer Gesetzeslage noch mal ganz krasse Herausforderungen haben, weil sie ja nicht nur ganz viel Care-Arbeit leisten müssen, die ganz häufig unbezahlt ist, sondern zusätzlich auch noch den Ableismus mitbekommen, ähm, und abbekommen, und, ähm, und zwar würde ich den, äh, Verein „Wir pflegen e.V.“ empfehlen. Also da geht’s, ähm, um den Support und die Rechte von pflegenden Angehörigen. Und, ähm, ja, das finde ich total wichtig, dass, dass es eben nicht nur ein, ähm, es ist nicht, nicht ein Wir gegen die. Es ist nicht ein: behinderte Menschen gegen nichtbehinderte Menschen. Es ist nicht ein, ähm, Zugehörige
02:53:44,447 –> 02:53:53,607 [Sabrina Lorenz]
und Angehörige versus, äh, betroffene Menschen. Natürlich können Angehörige und Zugehörige niemals
02:53:53,607 –> 02:54:19,848 [Sabrina Lorenz]
mein Leben in meinen Erfahrungen nachempfinden, weil sie nicht in meiner Position sind. Und zugleich weiß ich es vielleicht nicht, wie es ist, angehörig und zugehörig zu sein und was das für, für Hürden, Herausforderungen mit sich bringt. Und die machen darauf aufmerksam, gerade was, äh, die gesetzliche Thematik für pflegende Angehörige und Eltern bedeutet. Ähm, und deswegen würde ich den empfehlen.
02:54:19,848 –> 02:54:23,707 [Raul Krauthausen]
Auch super spannendes Thema: pflegende Eltern, weil
02:54:23,707 –> 02:54:29,908 [Raul Krauthausen]
das ist ja auch ein Spektrum, ne. Es gibt ja auch viele Eltern, die
02:54:29,967 –> 02:54:36,387 [Raul Krauthausen]
dann vielleicht auch Herausforderungen haben, Nähe und Distanz, ähm, im Griff zu haben-
02:54:36,387 –> 02:54:36,838 [Sabrina Lorenz]
Ja, total.
02:54:36,838 –> 02:55:01,848 [Raul Krauthausen]
und dann viel da auch passiert, wo ich sagen würde: „Ah, das würde ich jetzt meinem Kind nicht in der Öffentlichkeit so zeigen, wie du das gerade machst und so.“ Ähm, aber trotzdem sehr, sehr wichtiges Thema, dass diese doppelte Care-Arbeit quasi, äh, zu wenig beleuchtet wird. Ich habe neulich, äh, in meinem Newsletter einen Take-over gehabt, äh, mit Blickpunkt Geschwister.
02:55:01,848 –> 02:55:02,168 [Sabrina Lorenz]
Mhm.
02:55:02,168 –> 02:55:02,428 [Raul Krauthausen]
Wo es, äh,
02:55:02,428 –> 02:55:03,588 [Sabrina Lorenz]
Ja.
02:55:03,588 –> 02:55:05,447 [Raul Krauthausen]
Mit Geschwisterkindern.
02:55:05,447 –> 02:55:07,607 [Sabrina Lorenz]
Mit, mit Noemi?
02:55:07,607 –> 02:55:08,588 [Raul Krauthausen]
Genau, Naomi.
02:55:08,588 –> 02:55:10,748 [Sabrina Lorenz]
Ja, ach no.
02:55:10,748 –> 02:55:13,588 [Raul Krauthausen]
Naomi, Noemi, ich glaub Naomi, ähm,
02:55:13,588 –> 02:55:20,168 [Raul Krauthausen]
und die, äh, sich für Geschwister einsetzen, von behinderten Geschwistern quasi.
02:55:20,228 –> 02:55:21,748 [Sabrina Lorenz]
Ja, Naomi, genau.
02:55:21,748 –> 02:55:27,408 [Raul Krauthausen]
Auch, auch wichtiges Thema, finde ich, äh, Kinder, die ihre Eltern pflegen.
02:55:27,408 –> 02:55:28,287 [Sabrina Lorenz]
Ja.
02:55:28,287 –> 02:55:29,908 [Raul Krauthausen]
Wow, Sabrina.
02:55:29,908 –> 02:55:37,828 [Sabrina Lorenz]
Damit machen wir ’n ganz anderes Thema auf, ne. Also, also grade wenn wir Generationswandel betrachten und
02:55:37,828 –> 02:55:49,008 [Sabrina Lorenz]
was es dann vielleicht bedeutet, jung und behindert und chronisch krank zu sein, ähm, in Hinblick auf, auf die älter werdende, ähm, Generation. Ja, aber gut, äh, vielleicht machen wir das-
02:55:49,008 –> 02:56:14,687 [Raul Krauthausen]
Das machen wir ein andermal, genau. Ähm, auch vor allem muss ich mich dafür noch mal mehr mit auseinandersetzen, als jetzt einfach so rumzulabern, äh, ich merke gerade, dass ich da ein bisschen schwimme. Ähm, also Wir pflegen e.V., tun wir da auf jeden Fall auch ebenfalls in die, in die Show Notes und empfehlen, dass jeden, jeder, die Bock hat. Letzte Frage an dich, Sabrina, mit unfassbar tausendhaften Dank, dass du so viel Zeit dir genommen hast, äh, das ist-
02:56:14,687 –> 02:56:17,148 [Sabrina Lorenz]
Ich hab damit auch nicht gerechnet, aber es war richtig schön.
02:56:17,148 –> 02:56:26,467 [Raul Krauthausen]
Wirklich auch für mich ein bisschen unerwartet gewesen. Ich glaube, das ist die letzte, längste Podcast-Folge, die wir je produziert haben. Ähm, vielleicht machen wir daraus zwei. Mal schauen.
02:56:26,467 –> 02:56:26,988 [Sabrina Lorenz]
Mhm.
02:56:27,496 –> 02:56:33,096 [Raul Krauthausen]
Auf jeden Fall, wenn die Aufzugtür jetzt aufgeht, äh, wo geht’s für dich weiter?
02:56:33,096 –> 02:56:36,154 [Sabrina Lorenz]
Jetzt direkt nach dem Podcast oder grundsätzlich perspektivisch?
02:56:36,155 –> 02:56:39,055 [Raul Krauthausen]
Wie du das beantworten möchtest.
02:56:39,055 –> 02:56:45,856 [Sabrina Lorenz]
Ich mach jetzt Mittagsschlaf. [lachen] Ähm,
02:56:45,856 –> 02:56:53,395 [Sabrina Lorenz]
ich, ich muss sagen, ich bin grad tatsächlich in so einer Umbruchsphase. Und, ähm,
02:56:53,395 –> 02:57:06,175 [Sabrina Lorenz]
bei mir verändert sich grad gesundheitlich n bisschen was, dass ich gerade nicht mehr die Kapazitäten hab, wie ich es bisher hatte. Und, ähm,
02:57:06,176 –> 02:57:41,975 [Sabrina Lorenz]
wenn ich– Es gibt viele Projekte, die ich gerne machen möchte und es gibt so viel, was ich, also woran ich gerne mitwirken möchte, weil ich diese Themen so zentral find wie, na ja, auch wir. Wir sind ja auf so viele Themen einfach gekommen, weil es einfach noch, weil das Leben mit Behinderung einfach so, so groß und so komplex ist oder sein kann. Ähm, und ich könnt mich jetzt dafür entscheiden, all meine Kraft zu nutzen, dem nachzugehen und dann mich zwischen, ähm, Symptomen und dem Laptop zu bewegen.
02:57:41,975 –> 02:58:09,916 [Sabrina Lorenz]
Aber ich möchte auch, ähm, vielleicht doch noch mal ’n Restaurant von innen sehen und vielleicht doch noch mal ’n guten Kaffee trinken und doch vielleicht ’nen Moment in der Sonne sitzen. Und das bedeutet nicht, dass ich frei hab und dass ich jetzt, äh, nur rumliegen werde, aber dass ich, ähm, die Ressourcen hab, die gerade ’n bisschen mehr schwinden, nicht nur in Arbeit stecken möchte und deswegen, ähm,
02:58:09,916 –> 02:58:15,715 [Sabrina Lorenz]
ist es grad eher, deswegen fühl ich grad den Herbst ’n bisschen dolle. Ähm,
02:58:15,715 –> 02:58:26,095 [Sabrina Lorenz]
es gibt grade irgendwie Veränderung und die fühlt sich gut und richtig an. Und, äh, vielleicht stellst du mir die Frage in drei Monaten noch mal und ich hab eine andere Antwort darauf und hab ’n konkreten Plan.
02:58:26,096 –> 02:58:33,735 [Raul Krauthausen]
Ähm, das ist völlig okay. Ähm, natürlich, äh, kann ich das auch total nachvollziehen und
02:58:33,735 –> 02:58:37,456 [Raul Krauthausen]
ich danke dir umso mehr für die Zeit, die Du dir genommen hast.
02:58:37,456 –> 02:58:50,616 [Sabrina Lorenz]
Es war mir eine Riesenfreude, eine Riesenähre. Ähm, ich– Es ist ’n bisschen wie auf dem Kempferzen treffen, als ich gesagt hab, Dora, hol dich sehe ich eh noch mal, weil wir müssen heute gar nicht quatschen. Und, ähm,
02:58:50,616 –> 02:59:20,096 [Sabrina Lorenz]
ich würde diese Arbeit nicht machen und ich würde diese Begegnungen nicht haben, wenn ich dann nicht auch, wenn– Das ist ja, das ist ja nicht alles, ähm, dass ich dann nichts von hab. Und wenn das ’n total schönes Gespräch ist, ich ich werd jetzt hier rausgehen, ähm, und Mittag schlafen und sagen, ich hatte ’n unfassbar schönen Morgen, eine unfassbar tolle Begegnung und bin dir sehr, sehr dankbar für deine Kraft, deine Arbeit, dein Laut sein. Ähm, dass du bist
02:59:20,096 –> 02:59:45,596 [Sabrina Lorenz]
neben einigen anderen, zum Beispiel neben Ninia La Grande, für mich einer der ersten Menschen, die ich in meiner, in meinem Leben als behinderte Person, als Aktivistin erfahren durfte und als eine Person, mit der ich mich im weitesten Sinne identifizieren konnte. Ähm, und es ist mir eine Freude, dass ich, dass wir heute hier sprechen durften. Und, äh, ja, ich würd mich freuen auf ein auf bald.
02:59:45,596 –> 02:59:57,055 [Raul Krauthausen]
Danke, unbedingt auf bald. Grüße gehen auch raus an Ninia La Grande, die wir sicherlich auch hier, äh, mal einladen werden. Ähm, aber erst mal sag ich dir vielen Dank noch mal. Bis bald.
02:59:57,055 –> 02:59:59,076 [Sabrina Lorenz]
Bis bald.
02:59:59,076 –> 03:00:10,036 [Raul Krauthausen]
Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese Folge Spaß gemacht hat, bewertet diese Folge bei Apple Podcast, Spotify oder wo auch immer ihr zuhört.
03:00:10,036 –> 03:00:20,676 [Raul Krauthausen]
Alle Links zur Folge, sowie die Menschen, die mich bei diesem Podcast unterstützen, findet ihr in den Show Notes. Schaut da gerne mal rein.
03:00:20,676 –> 03:00:50,516 [Raul Krauthausen]
Wenn ihr meine Arbeit unterstützen möchtet, würde ich mich freuen, euch bei Steady zu begrüßen. Mit einer Steady Mitgliedschaft bekommt ihr exklusive Updates von mir und die Gelegenheit, mich zweimal im Jahr persönlich zu treffen. „Im Aufzug“ ist eine Produktion von Schönlein Media. Ich freue mich auf das nächste Mal, hier „Im Aufzug“.
03:00:50,576 –> 03:01:26,916 [Schindler]
Diese Folge wurde dir präsentiert von Schindler. Am Anfang der Folge haben wir uns gefragt, welche Taste man drücken sollte, wenn man den Aufzug ruft. Die Antwort: Immer die Richtung, in die du fahren möchtest. Willst du nach oben, drück die Pfeil-nach-oben-Taste. Und willst du nach unten, drück die nach unten. So hält der Aufzug nur für diejenigen, die in die gleiche Richtung fahren und du kommst schneller ans Ziel. Willst du auch mehr über Aufzüge erfahren, dann steig doch bei uns ein. Unter schindler.de/karriere findest du viele Möglichkeiten, um mit uns nach ganz oben zu fahren.
Diese Folge wurde dir präsentiert von Schindler Aufzüge. Willst du noch mehr über Aufzüge erfahren und vielleicht mit uns ganz nach oben fahren, dann steig gern ein. Unter schindler.de/karriere findest du viele Möglichkeiten für Einsteiger und Senkrechtstarter.
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Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Tim Rodenkirchen
Schnitt und Post-Produktion: Tim Rodenkirchen
Coverart: Amadeus Fronk
