Im Aufzug mit Monchi

Was hilft mehr – Parolen oder Präsenz?

Monchi ist der Sänger der Punkband Feine Sahne Fischfilet. Auf der Bühne kennt man ihn mit Bierdusche, Parolen und jeder Menge Energie. In diesem Gespräch zeigt er mir aber eine ganz andere Seite. Wir reden nicht nur über die Punkszene, sondern darüber, was bleibt, wenn das Licht ausgeht. Über Körperbilder, innere Unruhe und die Sehnsucht nach einem Ort, der sich wie Zuhause anfühlt.

Was mich besonders beeindruckt: Monchi bleibt in Mecklenburg-Vorpommern, obwohl ihm da nicht alle wohlgesonnen sind. Wir sprechen über das Leben zwischen Dorfkneipe und Festivalbühne, über den Rechtsruck im Osten, über sein Festival in Jarmen – das „geilste Dorffest Ostdeutschlands“ – und über das Gefühl, dass Engagement nicht immer laut und kämpferisch sein muss, sondern manchmal einfach bedeutet, da zu bleiben und nicht wegzugucken.

Monchi ist keiner, der mit PR-Sätzen um sich wirft. Er ist direkt, reflektiert, manchmal hart, oft lustig – aber immer ehrlich. Und genau das macht dieses Gespräch so besonders. Aufzugtür auf für Monchi!

Monchis Empfehlungen: König hört auf, Förderverin Peenetal, Wasted in Jarmen

00:00:04,079 –> 00:00:27,479 [Steady]

Eine neue Aufzugsfahrt mit Raul steht an und daher vorher noch eine praktische Frage: Welche

Taste drückst du, wenn du den Aufzug rufen willst? Viele machen hier einen Fehler, der die

Wartezeit verlängern kann. Was die richtige Wahl ist, erfährst du am Ende dieser Folge. Jetzt

viel Spaß mit Raul im Aufzug, wünscht Schindler.

00:00:27,479 –> 00:01:12,839 [Raul Krauthausen]

Eine gute Aufzufahrt ist ganz schön aufwendig, aber mit Steady kannst du diesen Podcast

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Dankeschön geht diese Woche an die großzügigen Unterstützerinnen und Unterstützer, Yara,

Christina und Mirko. Wir schätzen eure Hilfe wirklich sehr. Und schon geht es los mit einer

brandneuen Folge.

00:01:12,839 –> 00:01:17,519 [Raul Krauthausen]

Monchi ist der Sänger der Punkband „Feine Sahne Fischfilet.

00:01:17,519 –> 00:01:26,639 [Raul Krauthausen]

Auf der Bühne kennt man ihn mit Bierdusche, Parolen und jeder Menge Energie. In diesem

Gespräch allerdings zeigt er mir eine ganz andere Seite.

00:01:26,639 –> 00:01:45,600 [Raul Krauthausen]

Wir reden nicht nur über die Punkszene, sondern darüber, was bleibt, wenn das Licht ausgeht.

Über Körperbilder, innere Unruhe und die Sehnsucht nach einem Ort, der sich wie zu Hause

anfühlt. Was mich besonders beeindruckt hat, Monchi bleibt in Mecklenburg-Vorpommern,

obwohl ihm da nicht alle wohlgesonnen sind.

00:01:45,600 –> 00:02:24,919 [Raul Krauthausen]

Wir sprechen über das Leben zwischen Dorfkneipe und Festivalbühne, über den Rechtsruck im

Osten, über sein Festival in Jarmen, das geilste Dorf Westdeutschlands, wie er sagt, und über

das Gefühl, dass Engagement nicht immer laut und kämpferisch sein muss, sondern manchmal

auch einfach bedeutet, da zu bleiben und nicht wegzugucken. Er ist direkt, reflektiert,

manchmal hart, oft lustig, aber immer ehrlich. Seid ihr gespannt? Abzug, tier auf für Monchi. Die

Tür geht auf und wer kommt rein? Jan Gorko, auch bekannt als Monchi von der Band „Feine

Sahne Fischfilet. Schön, dass du da bist.

00:02:24,919 –> 00:02:26,759 [Monchi]

Ja, danke schön für die Einladung.

00:02:26,759 –> 00:02:29,439 [Raul Krauthausen]

Hast du schon mal einen Awkward-Moment in dem Aufzug?

00:02:29,439 –> 00:02:31,019 [Monchi]

Ein Awkward? Was ist das?

00:02:31,019 –> 00:02:32,420 [Raul Krauthausen]

Ein merkwürdiger Moment.

00:02:32,420 –> 00:02:43,319 [Monchi]

Ach so, ja, ja Oder unangenehm. Oh ja, doch. Bestimmt ein, zwei schon. Also ich meine, wenn

ich mich an einen erbärmlichen Moment erinnere, dann auf jeden Fall,00:02:43,319 –> 00:03:08,079 [Monchi]

wie ich mal in einen Aufzug reingegangen bin. Damals hatte ich noch eher so 182 Kilo auf

meinem Leib und ich bin reingegangen und die Leute standen alle so drinnen und als ich

reingekommen bin, hat es gepiept. „fährt nicht weiter. Das war so: „Oh, bitte. Und das waren

auch Leute, die ich kannte. Das ist jetzt ein paar Jahre schon her und ich weiß, da stand auch

ein Mensch. Da stand eine Frau, die ich ziemlich toll fand.

00:03:08,079 –> 00:03:17,819 [Monchi]

Und das war ein bitterer Moment. Ich weiß noch, ich habe es dann irgendwie lustig überspielt.

Ich habe, glaube ich, so was gesagt: „Ja, ich glaube, das liegt jetzt aber an euch.

00:03:17,819 –> 00:03:30,719 [Monchi]

Und bin dann wieder rausgegangen. Das war… Aber ich hatte jetzt letztimlich auch einen

Schönen. Da war ich mit meinen Eltern, mit meiner Familie im Urlaub und ich habe ein bisschen

abgenommen

00:03:30,719 –> 00:03:35,379 [Monchi]

und mein Papa ist dann reingekommen und es hat gepiept.

00:03:35,379 –> 00:03:48,319 [Monchi]

Und dann habe ich mich… Das geht ja gar nicht. Vielleicht ist das irgendwie was anderes. So

liegt das Gewicht. Ja, genau. Das rede ich mir dann so ein.

00:03:48,319 –> 00:03:51,299 [Monchi]

Aber jetzt, wo du das sagst,

00:03:51,299 –> 00:03:56,839 [Monchi]

du hast ja auch ein Buch geschrieben, wie man es sagt, wo du auch über

00:03:56,839 –> 00:04:36,479 [Monchi]

deine Veränderung, die du durchgemacht hast, so innerlich wie auch vielleicht jetzt optisch

äußerlich durch Gewichtsabnahme. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass Menschen, die

körperlich anders sind, als eine ihrer Verarbeitungsstrategien sehen, dann irgendwie so Witze

über sich selbst zu machen. Also ich kenne das auch aus meiner Biografie, dass ich als Mensch

mit Behinderung immer dachte, ich mache es den anderen angenehmer, wenn ich einfach über

mich selber lachen kann. Und im Nachhinein weiß ich gar nicht, ob das so klug ist. Ja, man

macht sich selber vielleicht kleiner, als man ist, ne? Genau.

00:04:36,479 –> 00:04:50,099 [Monchi]

Ja, also ich habe das, glaube ich, auch in einem Kapitel in dem Buch beschrieben, dass ich mich

selber immer schon als der Fette oder selber immer über mich lustig gemacht habe. Ich sage

mal, wenn ich den ersten Spruch gegen mich bringe, dann

00:04:50,099 –> 00:04:54,059 [Monchi]

tut der andere von den zweiten schon gar nicht mehr weh oder ich habe das Gefühl,

00:04:54,059 –> 00:04:57,119 [Monchi]

dann kann es gar nicht so…

00:04:57,119 –> 00:05:09,119 [Monchi]

Mich kriegt ihr nicht. Nicht mit der Scheiße. Aber trotzdem ist es sozusagen, wenn man das auf

Mittelstrecke, Langstrecke, glaube ich, sich reinzieht, ist es halt auch selbst00:05:09,119 –> 00:05:11,779 [Monchi]

eine Selbstentwertung.

00:05:11,779 –> 00:05:14,359 [Monchi]

Genau. Und

00:05:14,359 –> 00:05:22,099 [Monchi]

ich habe das manchmal noch. Also ich glaube, da stehe ich dann drüber oder mache dann auch

mal einen lustigen Spruch über mich. Aber ich glaube, wenn

00:05:22,099 –> 00:05:25,799 [Monchi]

ich was auch am Lernen bin, dann auch,

00:05:25,799 –> 00:05:27,899 [Monchi]

mich nicht

00:05:27,899 –> 00:05:35,459 [Monchi]

selber schlechter zu machen, als ich bin. Oder mich nicht selber immer gleich so

00:05:35,459 –> 00:05:37,359 [Monchi]

erbärmlich zu machen.

00:05:37,359 –> 00:05:58,439 [Monchi]

Das fällt mir schwer. Du hast auch mal in dem Buch gesagt, du kannst alles außer Ruhe. Ja.

Was, würdest du sagen, braucht es, damit du dich nicht mehr dir selbst gegenüber vielleicht

auch beweisen musst? Ich glaube, das ist schon ein bisschen besser geworden, aber ich meine,

man sagt ja immer so, das ist jetzt ein Prozess.

00:05:58,439 –> 00:06:24,856 [Monchi]

Lebenslanges Lernen. Genau. Ich hatte jetzt die letzten vier, fünf Wochen sehrWilde Wochen

hinter mir, so mit Rock am Ring spielen, Rock im Park, neues Album raus und alles. Und jetzt

sind gerade so die ersten zwei, drei Tage, ähm, wo ich mal so wirklich zu Hause bin und auch

mal ein paar Stunden für mich total allein und so diese Ruhe im Sinne von „Einfach nur was, äh,

so mit mir machen, richtig genießen kann. Das ist ’n,

00:06:24,856 –> 00:06:32,355 [Monchi]

was sehr, sehr tolles. Und ich glaube, in erster Linie, glaub ich, brauch ich für Ruhe, dass ich mir

selber

00:06:32,355 –> 00:06:52,596 [Monchi]

ja, ’n Umfeld schaffe, so, äh, in dem ich gerne auch ruhig bin, in dem ich nicht, von dem ich

nicht weg will, ja? Weder auf… Was weiß ich. Du hast ja auch manchmal Situationen, wo du

dann vielleicht die Ruhe gar nicht ertragen kannst oder wo du vielleicht auch sagst, okay, du

schallerst dich so weg mit Drogen, mit Saufen, wie auch immer, äh,

00:06:52,596 –> 00:06:55,915 [Monchi]

weil Ruhe würde bedeuten, sich mit sich selber auseinanderzusetzen.

00:06:55,915 –> 00:06:56,215 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:06:56,215 –> 00:07:02,055 [Monchi]

Genau. Die Stimme. Und ich glaube, das ist, fühlt sich sehr schön an, dass das weniger ist.00:07:02,055 –> 00:07:05,035 [Raul Krauthausen]

Und was hast du dafür getan, damit es besser wurde?

00:07:05,035 –> 00:07:07,735 [Monchi]

Ich glaub,

00:07:07,735 –> 00:07:12,795 [Monchi]

vor allen Dingen sich mit mir selbst viel auseinandergesetzt

00:07:12,795 –> 00:07:20,815 [Monchi]

auf unterschiedlichsten Ebenen. Ich meine, so was wie zum Beispiel das Buch schreiben. Das

war schon etwas, was

00:07:20,815 –> 00:07:31,155 [Monchi]

doch so ’n bisschen wie ’ne Therapie gewirkt hat, ja? Das war ja sehr, sehr viel Hose

runterlassen und auch sehr viel, ähm,

00:07:31,155 –> 00:07:45,235 [Monchi]

ja, von sich preisgeben. Aber vor allen Dingen in erster Linie selbst viel sich mit

auseinandersetzen. Und das ist dann oftmals schwer, hat vielleicht harte Momente, nicht

vielleicht, sondern hat harte Momente, aber hat auch sehr schöne Momente,

00:07:45,235 –> 00:07:47,075 [Monchi]

nämlich auf Langstrecke.

00:07:47,075 –> 00:07:49,375 [Raul Krauthausen]

Hast du das Buch alleine geschrieben oder hattest du Hilfe?

00:07:49,375 –> 00:07:54,055 [Monchi]

Nee, ich hab das alleine geschrieben. Also klar, mit ’nem Lektor im Sinne von, der einen so

beraten hat, ne? Äh.

00:07:54,055 –> 00:07:54,795 [Raul Krauthausen]

Ja.

00:07:54,795 –> 00:08:19,415 [Monchi]

Aber ich hab– Oder der mal gesagt hat: „Mensch, da wiederholst du dich aber zum hundertsten

Mal“, ne? [lachen] Äh, oder, äh: „Ich glaub, mit der Story hast du eigentlich schon alles gesagt.

Das brauchst– Dein nächstes Kapitel wiederholt das eigentlich nur.“ Das war total gut, da

eigentlich wie so ’n bisschen wie so ’n Trainer zu haben. So, so hatte ich manchmal das Gefühl,

ne, der so, so ’n Blick von außen drauf hat. Aber ich hab, äh, die Kapitel und, äh,

00:08:19,415 –> 00:08:21,355 [Monchi]

all das alleine geschrieben.

00:08:21,355 –> 00:08:32,975 [Raul Krauthausen]

Weil– Also ich hab auch mal ’n paar Bücher geschrieben und, ähm, ich hab das teilweise mit,

mit Ghost Writern oder Co-Autorinnen gemacht. Und, ähm, ich finde, das ist so auch…

00:08:32,975 –> 00:08:36,255 [Raul Krauthausen]

Man kann sich auch ganz schön verlieren in seinen eigenen Gedanken.

00:08:36,255 –> 00:08:36,755 [Monchi]Total.

00:08:36,755 –> 00:08:50,655 [Raul Krauthausen]

Und da war’s irgendwie dann doch hilfreich, dass es noch jemanden gab, der dann noch mal,

äh, ich will jetzt nicht sagen, drauf guckt oder so, sondern mit dem man das auch spiegelt. Weil

kann man, wenn man alleine ist, kann es einen ja auch in so ’nen Strudel nach unten ziehen.

00:08:50,655 –> 00:09:36,035 [Monchi]

Ach so, äh, Raoul, total, ne? Also, wie gesagt, jemand, der mich da gespiegelt hat. Ich hatte

’nen Lektor, ne, Christian Neidhart, der mich da begleitet hat. Ich hab noch nie ’n Buch

geschrieben und das war total wichtig für mich. Also der war, äh, wirklich richtig maßgeblich

daran beteiligt, dass ich jetzt für mich auch sagen kann: „Ey, ich find dieses Buch toll.“ Ich mein

einfach nur, ich hab die, die Zeilen, die Kapitel einfach selber geschrieben. Der hat mich aber

einfach oftmals begleitet im Sinne von, er hat gesagt: „Mensch, guck mal, da hast du dich

wiederholt, aber das wär vielleicht doch mal interessant.“ Oder Fragen gestellt, die dann

vielleicht hart waren, die bei ihm aufgekommen sind, wo er gesagt hat: „Ey, hast du nicht

darauf Bock, äh, ’n Kapitel zu schreiben, ja?“ So was wie: „Mann, wie kann es sein, dass du

irgendwann sechs XL getragen hast und es nicht mal gemerkt hast, wenn du es sagst, ja?“

Hundertzweiundachtzig Kilo gewogen. Äh,

00:09:36,035 –> 00:09:38,555 [Monchi]

ich hab in diesem Buch

00:09:38,555 –> 00:09:44,615 [Monchi]

die Zeilen geschrieben, glaube ich, so sinngemäß so was wie, dass ich das Gefühl hatte, ich hab

mir selber eine Behinderung angefressen, ja?

00:09:44,615 –> 00:09:45,035 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:09:45,035 –> 00:09:52,395 [Monchi]

So und, äh, das ist ja was, wenn man das so ausformuliert und dann auch raufschreibt, so

ausschreibt

00:09:52,395 –> 00:10:13,335 [Monchi]

und dann auch sich dafür entscheidet, das so rauszuhaben. Das, äh, war schon sehr intensiv für

mich und da war es immer toll, jemanden zu haben, der mich begleitet, total. Da bin ich sehr,

sehr dankbar für gewesen. Wie– Hast du denn auch, also was heißt denn Ghostwriter oder

Ghostwriterin? Also du erzählst ihnen die Geschichten und die schreiben dann das? Oder wie

war, was ist das?

00:10:13,335 –> 00:10:49,815 [Raul Krauthausen]

Genau. Also oft gibt verschiedene Methoden, wie man das machen kann. Also entweder, also

eine Co-Autorin hat mich ein Jahr lang begleitet und dann haben wir das quasi aufgeschrieben

und ganz viele Gespräche aufgenommen und dann paraphrasiert. Und, ähm, beim Ghostwriting,

da haben wir vor allem andere Leute interviewt. Da hab ich dann die Interviews gemacht und,

äh, der, der Ghostwriter hat das dann aufgeschrieben und dann quasi so ’n roten Faden da

reingedacht. Aber das Therapeutischste war eigentlich diese Ein-Jahr-Begleitung, wo dann,

00:10:49,815 –> 00:10:54,895 [Raul Krauthausen]

ähm, die Marion Abbild, ähm, ja, auch,

00:10:54,895 –> 00:11:09,835 [Raul Krauthausen]da habe ich dann irgendwann gefragt: „Aber wie war das denn damals für dich? Und wie hat

sich das für dich angefühlt? Und du redest immer so wie so ’n Werbetexter, aber da fehlen die

Gefühle. Beschreib das doch mal.“ Und das war schon ganz schön deep.

00:11:09,835 –> 00:11:53,855 [Raul Krauthausen]

Und das Interessante war, wenn ich ’n– Das war eine Biografie. Wenn ich die Biografie

geschrieben hätte, dann wär die wahrscheinlich bei meinem, keine Ahnung, bei meiner Geburt

angefangen und in der Gegenwart aufgehört. Aber das ist halt langweilig, so im Alter zwischen

neun und vierzehn. Da passiert ja nicht so viel im Leben. Ähm, und dann hat sie aber den roten

Faden gefunden, vielleicht so ein bisschen wie bei dir, ähm, wie ich gelernt habe mit meiner

Behinderung, von der ich immer wusste, dass ich sie habe, ähm, souverän umzugehen oder

souveräner umzugehen, ohne, und diese Scham irgendwie auch abzulegen und auch darüber

zu sprechen, was am Anfang aber total schambehaftet noch war.

00:11:53,855 –> 00:11:56,135 [Monchi]

Wie lange war das bei dir schambehaftet?

00:11:56,135 –> 00:11:59,855 [Raul Krauthausen]

Bis zum, ja, Mitte zwanzig oder so.

00:11:59,855 –> 00:12:04,355 [Monchi]

Und was heißt schambehaftet? Also du– Was hat, was war, was hat das ausgelöst?

00:12:05,060 –> 00:12:27,920 [Raul Krauthausen]

Ähm, also ich wusste ja, dass ich mein Leben lang behindert bin und ich wusste das auch schon

mein Leben lang. Ähm, das heißt, es war jetzt nicht so, dass ich diesen

Mega-Erkenntnis-Moment hatte: „Oh mein Gott, ich bin ja behindert“, ähm, sondern es waren

da eher so, ähm– ich hatte nur behinderte, nichtbehinderte Freunde und ich hatte keine

behinderten Freunde

00:12:27,920 –> 00:12:31,059 [Raul Krauthausen]

und ich hatte nie ’nen Spiegel in der Wohnung.

00:12:31,059 –> 00:12:37,839 [Raul Krauthausen]

Und meine erste Partnerin hat dann ’nen Spiegel in der Wohnung aufgehangen, gegen meinen

Willen,

00:12:37,839 –> 00:12:45,460 [Raul Krauthausen]

und wollte einfach, dass, dass ich mich sehe. Ähm, und das war sehr anstrengend am Anfang,

00:12:45,460 –> 00:12:50,219 [Raul Krauthausen]

aber inzwischen, glaube ich, ist es, kann ich das ohne Probleme.

00:12:50,219 –> 00:12:50,940 [Raul Krauthausen]

Und-

00:12:50,940 –> 00:12:51,839 [Monchi]

Ich glaub-

00:12:51,839 –> 00:12:53,979 [Raul Krauthausen]

Das war schon ein Prozess, auf jeden Fall.

00:12:53,979 –> 00:12:56,959 [Monchi]Dieses Ding mit dem Spiegel…

00:12:56,959 –> 00:12:59,859 [Monchi]

Ich hab das ganz lange selber gar nicht gecheckt.

00:12:59,859 –> 00:13:00,179 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:13:00,179 –> 00:13:11,100 [Monchi]

Aber als 2020 war, da waren wir, sagen wir mal, so zehn, fünfzehn Jahre schon unterwegs und

dann kam Corona, ja. Also, es gab Pause

00:13:11,100 –> 00:13:16,779 [Monchi]

und ich würde echt sagen, ich hab mich, ich bin natürlich an Spiegeln vorbeigelaufen, aber ich

hab mich eigentlich nie wirklich angeguckt.

00:13:16,779 –> 00:13:17,100 [Raul Krauthausen]

Genau.

00:13:17,100 –> 00:13:19,439 [Monchi]

Und, äh,

00:13:19,439 –> 00:13:39,199 [Monchi]

dieser Moment, ich wusste natürlich, dass ich, äh, ich bin jetzt kein Leichtathlet und ich wusste,

dass ich, äh, äh, zu dick bin, aber ich hätte überhaupt nicht sagen können, wie viel ich wiege.

Null Komma null, ja? Es gab Momente, wo ’ne Wiege mich nicht ausgehalten hat. Es gab

Momente, wo Stühle unter mir zusammengebrochen sind, wo nicht mal mehr das Klo, ja,

00:13:39,199 –> 00:14:00,620 [Monchi]

also, ja, nicht mal das Klo, der Klodeckel ausgereicht hat, ja? So Klamotten, ähm, nachher bis

sechs x l mich hochgefressen habe, aber ich hätte dir nicht sagen können, wie viel ich wiege.

Und so die ersten Male, als ich mich dann wirklich im Spiegel angeschaut habe und gedacht

habe: „Alter, was, was ist da passiert?“ Mhm. Äh,

00:14:00,620 –> 00:14:10,019 [Monchi]

es ist natürlich auch ’n, es ist natürlich ein Unterschied, den sehe ich, ne? Ich hab da ’n sehr

großen Eigenanteil dran. Äh, ich hab da

00:14:10,019 –> 00:14:25,899 [Monchi]

sehr viel mit kompensiert oder kompensiere bis heute noch sozusagen mit Essen ganz viel

Gefühle und so. Aber, äh, also den Unterschied zu dir, ich mein, du hast dir ja nicht, äh, du hast

dir nichts angefressen, sondern du bist seit deiner Kindheit, ne, hast du diese Behinderung,

richtig?

00:14:25,899 –> 00:14:28,339 [Raul Krauthausen]

Ja, genau, von Geburt an.

00:14:28,339 –> 00:14:29,880 [Monchi]

Und

00:14:29,880 –> 00:14:36,259 [Monchi]

da hab ich mich natürlich dann auch gefragt, krass, wie… Weil ich konnte ganz viele Sachen gar

nicht mehr machen, die ich… Also was weiß ich, so was wie-00:14:36,259 –> 00:14:37,919 [Raul Krauthausen]

Aber sehr schleichend.

00:14:37,919 –> 00:14:38,739 [Monchi]

Bitte?

00:14:38,739 –> 00:14:40,379 [Raul Krauthausen]

Das war ja schleichend wahrscheinlich.

00:14:40,379 –> 00:14:42,000 [Monchi]

Ja, ja, total. Total.

00:14:42,000 –> 00:14:43,759 [Raul Krauthausen]

Das war ja nicht von jetzt auf gleich.

00:14:43,759 –> 00:14:48,419 [Monchi]

Total. Also, das war etwas, was,

00:14:48,419 –> 00:15:02,599 [Monchi]

wie gesagt, bis heute ich sozusagen gelernt habe. Ich hätt das damals nicht gesagt, dass ich ’ne

Sucht habe oder mit Essen was kompensiere. Äh, aber, äh, dass das Endergebnis nachher war,

dass ich ganz viele Sachen einfach nicht mehr machen konnte, die ich machen wollte, ja?

00:15:02,599 –> 00:15:02,839 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:15:02,839 –> 00:15:58,879 [Monchi]

Die bis heute auch noch im Kopf sind, keine Ahnung. Wenn ich jetzt, jetzt mal im Kino war, geh

ich rein und guck immer noch sofort, ob da jetzt ’n Doppelsitz ist. Ja? So weil, mein Kopf passe

ich immer noch nicht in den normalen Sitz. Ja? Und es ist auch etwas, was immer wieder, wenn

ich jetzt zum Beispiel auf Tour bin grade oder so, was, äh, ich liebe es, Konzerte zu spielen und

alles, aber es ist gleichzeitig auch ’ne dolle Angst, weil ich denke, fuck, das ist wieder, ne, alles,

ähm, die ganze Zeit Verlockung. Scheiße, das geht ganz schnell wieder hoch mit dem

Jo-Jo-Effekt, ne? Ich hatte– Ich hab in den letzten Jahren das einmal ausgerechnet. Ich war ja

jetzt letztes Mal wieder auf Lesereise und hab dazu so weiter für eine Kapitel einfach

geschrieben für die Leute, die da waren. Und, äh, hab da aufgeschrieben, dass ich in den

letzten vier Jahren, glaub ich, äh, hundertzwanzig Kilo abgenommen habe und neunzig Kilo

zugenommen habe. So, ne? Das ist, weiß ich, das ist so zweimal mein kleiner Bruder. So.

00:15:58,879 –> 00:15:59,899 [Raul Krauthausen]

Hm, krass, ja.

00:15:59,899 –> 00:16:05,539 [Monchi]

Wenn man sich das, also so in diesem Extrem bewege ich mich und da ist es…

00:16:05,539 –> 00:16:10,479 [Monchi]

Ich habe gemerkt, das ist kein, kein Sprint, sondern ’n Marathon mit dem Fressen.

00:16:10,479 –> 00:16:27,939 [Raul Krauthausen]

Du thematisiertest aber ja nicht nur deinen Körper, sondern auch die sozialen Ursachen, äh, von

Adipositas. Zum Beispiel der Zusammenhang zwischen Armut und Ernährung. Hast du dir das

dann anrecherchiert? Weil, dass du jetzt arm bist, würdest du wahrscheinlich nicht sagen.00:16:27,939 –> 00:16:33,879 [Monchi]

Nee, war ich noch nie. Also man braucht nicht, ich brauch nicht irgendwie einen auf, oh, ich

komme aus ’nem

00:16:33,879 –> 00:16:46,899 [Monchi]

Ghetto oder so was machen. Meine Eltern sind hier aufm– Ich wohne im Dorf, in ???????, leben

mein Leben lang in Mecklenburg-Vorpommern. Meine Mutti ist Zahnärztin, mein Papa, äh,

Bauunternehmer. Äh, und

00:16:46,899 –> 00:16:59,439 [Monchi]

es ist etwas, was mir aufgefallen ist, als ich… Umso mehr ich dieses Buch geschrieben habe,

habe ich natürlich auch umso mehr mich ’n bisschen mal, äh, dazu belesen. Ja? Und da gab’s

Artikel halt, wir sind in Mecklenburg-Vorpommern, eins der

00:16:59,439 –> 00:17:09,799 [Monchi]

ärmsten Bundesländer beziehungsweise einer der ärmsten Landkreise, in denen ich lebe. Ja?

Und gleichzeitig ist auch die Adipositas, äh, äh, Rate sehr, sehr hoch, vor allen Dingen auch bei

Jugendlichen.

00:17:09,799 –> 00:17:10,839 [Raul Krauthausen]

Tatsächlich?

00:17:10,839 –> 00:17:11,259 [Monchi]

Ja.

00:17:11,259 –> 00:17:11,859 [Raul Krauthausen]

Krass.

00:17:11,859 –> 00:17:18,219 [Monchi]

Und das fand ich, äh, bemerkenswert, ja? Und, ähm,

00:17:18,219 –> 00:17:24,519 [Monchi]

das ist natürlich etwas, was mir dann auch punktuell hier, wo ich lebe, dann manchmal auch

einfach

00:17:24,519 –> 00:17:27,199 [Monchi]

immer mehr auffällt,

00:17:27,199 –> 00:17:39,219 [Monchi]

weil ich immer mehr mit offenen Augen da so rumgehe. Aber was natürlich, das ist nur ein

Punkt von vielen, weil wie gesagt, ähm, ich bin schon, ich würd sagen, in einem,

00:17:39,219 –> 00:17:55,879 [Monchi]

ja, guten Mittelstand aufgewachsen. So. Und, äh, trotzdem habe ich das Essen, mich nie

wirklich mit Ernährung auseinandergesetzt oder so. Also ich glaube, es ist auch Quatsch zu

sagen, oh, wer kein Geld hat, wird fett, ne? Es ist einfach etwas, was mir aufgefallen ist,

00:17:55,879 –> 00:17:59,579 [Monchi]

nachdem ich Artikel dazu gelesen habe.

00:17:59,579 –> 00:18:03,339 [Raul Krauthausen]

Wie sind denn die Reaktionen der Leserinnen, wenn du auf, äh, Lesetour bist?00:18:03,339 –> 00:18:20,783 [Monchi]

Ja, ganz unterschiedlich. Also-Ja, echt viele. Es ist echt kra– Für mich war das kein irgendwie so

’n Fitnessbuch, ne? Es war nicht: „Oh ja, Mensch, jetzt wirst du auf einmal, äh,

Fitness-Influencer und ich zeig dir, ich hab ja innerhalb von zehn Monaten fünfundsechzig Kilo

abgenommen, ja?

00:18:20,783 –> 00:18:20,804 [Raul Krauthausen]

Ja.

00:18:20,804 –> 00:18:22,143 [Monchi]

Und äh…

00:18:22,143 –> 00:18:23,623 [Raul Krauthausen]

Das ist schon krass.

00:18:23,623 –> 00:18:36,723 [Monchi]

Ja, war krass. Sozusagen, alles, vieles, was ich mache, ist dann halt immer ganz oder gar nicht,

ja? Das durchzieht mein Leben. Und wenn ich dann bei den Lesungen vor allen Dingen oder

Lesereisen, dann wurd das ja,

00:18:36,723 –> 00:19:04,143 [Monchi]

ja massiv gekauft. Also Spiegel-Bestseller eins, das war was, was ich mir niemals vorstellen

können. Also ganz viel Resonanz auch, äh, von Leuten, die mir auf Instagram geschrieben

haben: „Du wirst das ja auch kennen“, ja? [übersprechen 00:00:54] Die sich dann damit

identifizieren und so alles. Aber halt auch, äh, Menschen, die manchmal vor mir standen. Und,

äh, tatsächlich hatte ich Situationen, wo Leute vor mir standen und geweint haben und gesagt

haben: „Ey, warum hast du jetzt abgenommen?“ Ja? Also wie so ’n Verräter. So, ähm…

[übersprechen 00:01:10]

00:19:04,143 –> 00:19:04,963 [Raul Krauthausen]

Ach sooo.

00:19:04,963 –> 00:19:21,243 [Monchi]

Ne? Also sozusagen das bis heute. Oder wenn ich manchmal bei Lesungen saß und da auch

Menschen mit schweren Übergewicht saßen, du dann einfach merkst und ich [stammelt]

darüber schreibe, wie ’n Stuhl zerbricht, darüber schreibe, wie ich Sachen nicht machen kann,

die ich machen wollen würde, ja? Äh,

00:19:21,243 –> 00:19:36,064 [Monchi]

du gehst als fetter Mensch nicht, äh, in, in H&M, weil da ist es höchstens bis zwei XL, aber zwei

XL, das ist für irgendwelche Spargeltarzane, so, ja? So, sondern– Und sechs XL kriegst du nur in

so irgendwelchen fetten Läden mit

00:19:36,064 –> 00:19:45,163 [Monchi]

beschissenen Namen und du liest das vor. Was weiß ich, ich war mal in so ’nem Laden, der

heißt, also Mollywood. Das ist eigentlich der Name, der mir immer… [lacht] Ne? Also-

00:19:45,163 –> 00:19:45,623 [Raul Krauthausen]

Wow.

00:19:45,623 –> 00:19:48,703 [Monchi]

So, so, ne? [übersprechen 00:01:54]00:19:48,703 –> 00:20:10,903 [Monchi]

Rund na und, und so was. Also wenn du denn solche Sachen vorliest und da Menschen vor dir

sitzen, die wo du genau weißt, weil du es ihnen ansiehst, die werden auch schon in solchen

Läden gewesen sein, die werden auch schon solche Scheißsituationen haben, aber die haben

vielleicht nicht dieses Selbstbewusstsein wie ich oder nicht den Umgang damit, dann sind das

schon auch harte Momente gewesen, so mit den Menschen. So, ja? Ich weiß nicht, hast du das

auch? Du machst auch Lesungen bestimmt, oder?

00:20:10,903 –> 00:20:19,923 [Raul Krauthausen]

Ich mach auch Lesungen und ich find tatsächlich, es macht ’n großen Unterschied, ob Menschen

mit Behinderung im Saal sind, ähm, oder nicht behinderte Menschen.

00:20:19,923 –> 00:20:21,163 [Monchi]

Total. Also-

00:20:21,163 –> 00:20:30,703 [Raul Krauthausen]

Und ich bin dann auch total demütig auf einmal, weil ich dann denke so: „Ey, wer bin ich denn,

dass ich euch jetzt hier irgendwie was erzählen kann?“ Und dann sind es oft eher Gespräche als

Lesungen.

00:20:30,703 –> 00:20:34,263 [Monchi]

Das ist wirklich, ich hab einmal,

00:20:34,263 –> 00:20:53,163 [Monchi]

hab das nie öffentlich gemacht, aber so, hab das in einem kleinen Rahmen bei so Leuten

gelesen, die, äh, [lacht leise] ja, sagen wir mal so was wie jetzt so anonyme Alkoholiker, aber so

anonyme Genussüchtige, ja? So. Und eigentlich sollte ich da so lesen, aber es wurde dann

eigentlich, ich hab zwei, drei Kapitel gelesen und dann haben wir eigentlich nur gequatscht.

00:20:53,163 –> 00:21:01,123 [Raul Krauthausen]

Ja. [Stammelndes Voribetten der Person] Wer sind wir denn, dass wir den anderen sagen, so ist

es, behindert zu sein oder so ist es, dick zu sein? Das wissen wir ja selber.

00:21:01,123 –> 00:21:02,083 [Monchi]

Ja.

00:21:02,083 –> 00:21:31,783 [Raul Krauthausen]

Du hast aber, ähm, auch und das finde ich tatsächlich ganz, äh, äh, interessant, ähm, gesagt,

du bist, und wahrscheinlich ist es auch so eine Art lebenslanges Lernen, ähm, du hast zwar

fünfundsechzig Kilo abgenommen, aber trotzdem ist da noch so viel in dir oder Mist in dir, wie

du sagst. Ähm, was hilft dir, mit diesem verbleibenden Mist, äh, äh, weiter umzugehen? Also ich

zum Beispiel für mich, ich würde niemals sagen, dass ich

00:21:31,783 –> 00:21:34,263 [Raul Krauthausen]

body positiv bin.

00:21:34,263 –> 00:21:42,963 [Raul Krauthausen]

Ich würd einfach sagen: „Ey, ich bin ziemlich froh, dass ich bodyneutral bin oder so, aber ich

werde niemals sagen, ich find mich mega schön.

00:21:42,963 –> 00:21:45,663 [Monchi]

Also ich glaub allgemein00:21:45,663 –> 00:21:47,563 [Monchi]

erst mal

00:21:47,563 –> 00:21:59,183 [Monchi]

hab ich ’n tollen Freundes- und Familienkreis, um mit Problemen umzugehen, aber trotzdem ist

natürlich auch, äh, zum Beispiel Musik einfach für mich wirklich so was ganz oft wie so ’n,

00:21:59,183 –> 00:22:08,523 [Monchi]

ja, einfach wie, wie so ’n Tagebuch aufschreiben und damit auch was reingeben, ja? Wenn wir

jetzt unsere neue Platte haben, da sind zwölf Lieder drin und ich könnte dir zu jedem

00:22:08,523 –> 00:22:17,343 [Monchi]

Lied, zu jeder Zeile eine eigene Geschichte erzählen, ja? Von laut bis leise. So, ist, und, äh, da,

das hat schon was,

00:22:17,343 –> 00:22:43,163 [Monchi]

ist vergleichbar wie mit ’nem Buch schreiben, ja? So sagen, was einen bewegt, sozusagen. Ich,

ich lass dich mal ’n bisschen so in mein Tagebuch reingucken, ja? [übersprechen 00:04:26] Und,

äh, irgendwie auch darüber sprechen und nicht, dass alles in mich reinfressen, ja? Sondern ob

jetzt mal in ’nem Interview drüber reden oder so, aber vor allen Dingen auch mit Menschen, die

mir nahe sind, reden, reden, reden, so. Das ist wirklich etwas, was mir ganz oft

00:22:43,163 –> 00:24:41,527 [Monchi]

hilft. Und so zu diesem Thema Body Positivity, da bin ich wirklich, glaub ich, so abgegessen. Äh,

das geht so ’n bisschen mit einher mit auch mit der vorherigen Frage von dir. [schnappt nach

Luft] Ja, ich halt davon gar nichts, ja? Ich find’s cool, wenn man ’n tollen Bezug zu seinen, zu, zu

sich selber hat, ja? Aber, äh, so, als ich dieses Buch geschrieben habe, hab ich doch relativ

viele, äh, Reaktionen absehen können, ja? Und so diese Reaktion, dass Leute zu mir gesagt

haben: „Scheiße, warum hast du abgenommen?“ Und, ne? Ich sag mal, im Subtext verrät er, ja?

Das kann ich nachvollziehen, weil ich, [stammelt] wenn ich ehrlich bin, hab ich mich auch noch

nie für jemanden el-e ernsthaft gefreut, wenn der abgenommen hat, ja? Weil da hab ich auch

immer gedacht: „Scheiße, der hat’s auch geschafft, Kacke, ja? Und der hat noch nie ’n

Jo-Jo-Effekt gehabt? So eine Kacke. Hoffentlich fresst der oder die sich wieder fett, ja? Das ist im

Innersten. Ich weiß, man sagt dann toll und hast du super geschafft, aber, oh nee. Und, aber die

Leute fühl ich. Das kann ich sehr nachvollziehen. Aber diese Reaktionen, bei diesen Body

Positivity, die Leuten, bei vielen, natürlich nicht alle, aber Digger, da sind Leute durchgedreht

und haben gesagt: „Ja, und ich hab doch immer gesagt, äh, ich mag mich so, wie ich bin.“ Äh,

das war so fertig teilweise, wo man so gemerkt hat, da geht’s dann schlussendlich irgendwie

nur um so ’ne Ideologie, ja? Äh, das fand ich wirklich kaputt, weil bei mir ging’s ja nicht darum,

dass ich gesagt hab, oh, ich will jetzt ’n Sixpack haben oder ich will so geil aussehen, was weiß

ich, wie George Clooney oder so, der George Clooney Vorformen sein. Bei mir ging’s ja darum,

dass ich-[Stimme wird lauter] Eigentlich wie son Selbstmord auf Raten betrieben hab, ja. Ich

hab gefressen, gefressen, gefressen bis heute manchmal bis zum Kotzen. So und, äh, äh, bis

ich nicht mehr in Klamotten reingepasst habe, bis ich keinen Sport mehr machen konnte, bis ich

nur noch Fahrrad fahren konnte und schwimmen konnte. Und wenn da dann irgendwelche, ja

am besten Leute, die wirklich nicht mal selber fett sind, so die dann sagen: „Ja, aber Mensch,

das ist ja wohl total Verrat am Body Positivity.“ Ja, dann scheiß drauf, dann bin ich gerne

Verräter, weil das ist sozusagen sowas, ähm,

00:24:41,527 –> 00:24:44,567 [Monchi]

da, da, da denke ich, da gehts überhaupt nicht mehr um den Menschen.

00:24:44,567 –> 00:24:48,367 [Raul Krauthausen]Wie unterscheidet sich denn für dich Buch schreiben und Songs schreiben?

00:24:48,367 –> 00:24:50,887 [Monchi]

Gibts n großen Unterschied?

00:24:50,887 –> 00:24:51,468 [Monchi]

Der Größte-

00:24:51,468 –> 00:24:52,687 [Raul Krauthausen]

Vielleicht die Länge? [lacht]

00:24:52,687 –> 00:24:53,827 [Monchi]

Was sagst du?

00:24:53,827 –> 00:24:55,267 [Raul Krauthausen]

Vielleicht die Länge?

00:24:55,267 –> 00:25:18,307 [Monchi]

Ja, die, ja, das, das ist das Offensichtliche. Aber dass, der größte Unterschied ist für mich, dass,

wenn wir, äh, ich n, wenn wir Musik schreiben, dass ich vom wir spreche. Ja, da sind fünf Leute

in der Band. Wir gehen, schlussendlich kommen ganz ordentlich, immer die grundlegenden

Ideen inhaltlich von mir, aber auch von den anderen. Aber trotzdem,

00:25:18,307 –> 00:25:39,647 [Monchi]

das geht noch mal durch die Band, ja. Und da ist manchmal auch der, vielleicht der Punkt, dass

sie sagen: „Boah Monchi, das ist aber peinlich oder dat wirkt aber affig oder so, ne. Oder:

„Boah, ne Digger, wir sind doch keine fünfundzwanzig mehr, ne.“ Also, ne, wie auch immer. So,

oder: „Doch nicht schon wieder n Song über die Ostsee“, sozusagen, ja? [Jemand hustet] Sag

mal so, sodass das gefiltert ist und was auch gut ist. So, ne? Was wirklich-

00:25:39,647 –> 00:25:39,727 [Raul Krauthausen]

Ja.

00:25:39,727 –> 00:26:07,467 [Monchi]

-toll ist und wo ich richtig dankbar bin für die anderen, da son Korrektiv zu haben, die auch mal

mit einem streiten oder wo man dann so hingeht und selber sagt: „Mensch, das ist doch ne

traumhafte Idee. Da will ich hin.“ Äh, und dann sagen die anderen: „Boah, ist, Digger, ist das

aber langweilig.“ Ja, und bei dem Buch, da saß ich allein, ja, und hatte schlussendlich nachher

diesen Lektor, was gut war. Aber da stand ich alleine und

00:26:07,467 –> 00:26:11,367 [Monchi]

alles, was rausgegangen ist, war auch nur von mir.

00:26:11,367 –> 00:26:11,847 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:26:11,847 –> 00:26:18,487 [Monchi]

Und, äh, das fühlte sich dann doch schon anders an. Das mit der Band, das fühlt sich oftmals an

wie, wie son Fußballteam.

00:26:18,487 –> 00:26:18,727 [Raul Krauthausen]

Mhm.00:26:18,727 –> 00:26:50,047 [Monchi]

Ja, auch bei den Konzerten, ne, da kann mal einer verkacken und so, dann, dann hilft sich im

besten Falle, hilfst du dir und stehst als, äh, Mannschaft da. Aber wenn du jetzt auch bei ner

Lesung bist, dann biste halt alleine. Wenn du verkackst, verkackste, dann kriegts jeder hin. Ne,

beim Konzert kann ich, ich vergesse den Text, sag ich mal, beim Konzert und halt das Mikro ins

Publikum. Die Leute freuen sich noch, die können mitsingen, ne. Oder ich lass, äh, äh, unseren

Gitarristen, der auch viel singt, mitsingen. Das sind tolle Momente dann, ne. Da wirste auf, ja,

da ist, sind Leute an deiner Seite.

00:26:50,047 –> 00:26:56,247 [Raul Krauthausen]

Wie hat sich denn eure Musik verändert in den letzten Jahren? Seid ihr, seid ihr angekommener

oder ruhiger geworden?

00:26:56,247 –> 00:27:14,567 [Monchi]

Ich glaub, dass, äh, wenn man das jetzt auch auf diese neue Platte bezieht, dann, dass wir es

einfach geschafft haben, so bei uns zu bleiben, aber nicht stehenzubleiben, ja. Und, äh, sowohl

musikalisch als auch inhaltlich, ja. Und ich glaube, das ist halt total wichtig auch, äh,

00:27:14,567 –> 00:27:19,267 [Monchi]

es gibt einfach mehrere Texte, die, die gehören zu einem oder auch so, ne, die,

00:27:19,267 –> 00:27:50,967 [Monchi]

die, da würd ich denken, boah, die würd ich jetzt nie wieder schreiben, weil ich die peinlich

finde oder zu drüber. Aber die, die gehören zu mir und das ist auch völlig okay. Aber ich hab

halt auch keinen Bock, so zu tun, als ob ich, äh, ich bin jetzt siebenunddreißig, ich hab keinen

Bock, so zu tun, als ob ich noch aufm Stand von fünfundzwanzig bin oder dreißig, ja? Äh, äh, da

die gleichen Parolen zu grölen, nur damit irgendjemand sagt, ja Mensch, das ist ja super. Oder

damit niemand kommt und sagt, ja, die haben sich ja verändert. Digger, was ist das fürn Diss,

Alter? Ja, die haben sich verändert. Ja, das ist doch was Schönes.

00:27:50,967 –> 00:27:52,387 [Raul Krauthausen]

Das ist das Leben.

00:27:52,387 –> 00:27:58,067 [Monchi]

So, ne. Das is das Leben, sozusagen, genau, ne. Und das prägt einen. Und ich glaube, äh,

00:27:58,067 –> 00:28:01,987 [Monchi]

punktuell gibt’s einfach immer Sachen, die einen dann…

00:28:01,987 –> 00:28:05,047 [Monchi]

Wir schreiben über das, was uns

00:28:05,047 –> 00:28:12,547 [Monchi]

oder mir auch im Leben passiert, so, im Positiven, im Negativen, ne? Ich hab auf der neuen

Platte n Lied, äh,

00:28:12,547 –> 00:28:39,507 [Monchi]

kann was Ruhiges sein, was Schönes sein über ein, einen meiner engsten Freunde, der vor n

paar Monaten gestorben ist, Lothar König, der war Pfarrer in Thüringen. Und das ist n Mensch,

an dem ich heute bis heute immer noch so denke und da manchmal auch gar nicht gecheckt

habe, dass der gestorben ist. Das war so einer der ganz wenigen Leute, mit dem ich manchmal

noch so telefoniere, ja? Wirklich lange telefoniere. Und mit dem stritten, gesoffen, gelacht und

der n Gegenüber war, ja? Und00:28:39,507 –> 00:29:13,147 [Monchi]

manchmal sitze ich noch im Auto und guck aufs Handy und denke, ich ruf jetzt einfach Lothar

an. Und es geht halt nicht mehr. Und darüber n Lied zu schreiben… Eine rauchen wir noch, weil

ich bin Nichtraucher, aber mit dem hab ich geraucht, so. Das hab ich einfach nur, damit die

Nächte nicht aufhören, ja? Äh, das was Schönes oder n Lied für meine Tochter, so, ja, Haut an

Haut, was ganz, n sehr, sehr ruhiges Lied, äh, bis hin zu so Nummern von, bis Grüße ins

Neandertal, äh, wo’s oder, äh, diese Single, die wir gemacht haben, manchmal find ich die

scheiße, äh, mit Finch zusammen. So Sachen, die wir uns vielleicht für-

00:29:13,147 –> 00:29:14,767 [Raul Krauthausen]

Oder Awareness-Konzept.

00:29:14,767 –> 00:29:41,167 [Monchi]

Genau oder Awareness-Konzept. So einfach dann halt so laute, prollige Nummern, ja, die, äh,

glaub ich, auf so nem Album, das einfach alles wiedergeben, so wie son Leben ist. Ich hatte

keinen Bock, die ganze Zeit nur so zu tun, als wenn ich immer laut und krawallig bin. Aber ich

hab auch keinen Bock, so zu tun, als wenn ich immer nur, oh Mensch, ja, bitte, wir wollen uns

alle wohlfühlen und, sondern ich hab auch mal Bock, n Lied zu machen wie ne

Kneipenschlägerei. Und ich glaube, so was ist, äh,

00:29:41,167 –> 00:30:26,455 [Monchi]

das spiegelt dieses Album wieder und da freu ich mich drüber. Und zum Beispiel genau, wenn

ich jetzt so was gesagt hab wie, wir haben son Lied mit Ruth, Miss Platinum, äh, oder auch mit

Finch, das sind Features, die hätten wir früher nicht gemacht, weil wir uns, weil wir das

Verdacht hätten, weil wir gedacht hätten, oh, was sagen denn die anderen? Und bei- Der

Mainstream. Ja, so genau. Das ist aber zu poppig, das ist doch gar kein Punkrock mehr. Oder

mit Finch, Mensch, das kann doch gar nicht wahr sein. Aber wenn ich davon, wir fünf davon

überzeugt sind, sowohl menschlich, musikalisch als auch das auch politisch, ne, richtig halten,

so, äh, dann-Ist das das Wichtigste. Wir müssen dahinter stehen. Wir müssen das gut und

richtig finden, weil das ist das, was es nachher, glaub ich, ausmacht. So und da ist es was

Wunderschönes, so ’n Album zu haben, wo man sagt, ja, Digger,

00:30:26,455 –> 00:30:33,156 [Monchi]

dahinter steh ich und ich kann dir was zu erzählen. Und es ist nicht nur irgendwas dahin

Gesungenes, sich immer wieder zu wiederholen.

00:30:33,156 –> 00:30:54,076 [Raul Krauthausen]

Wenn ihr so auf Tour seid, du hast grade gesagt, ihr wart an Festivals, da kommst Du jetzt

grade ’n bisschen Abend zur Ruhe am am Spannen. Ist son Tourleben nicht nur glamourös? Man

kennt ja immer nur diese Festival Dokus, wo alle Party machen. Ja. Alles in der Leitung. Wie

sieht es dann hinter den Kulissen aus?

00:30:54,076 –> 00:30:59,775 [Monchi]

Boah, ja, na klar gibt’s auch Sachen, die einen vielleicht mal nerven. Ich sag mal so, das mit der

mit

00:30:59,775 –> 00:31:06,255 [Monchi]

in erster Linie bedeutet auf Tour sein auch ganz viel warten. Du wartest auf den Soundcheck,

Du wartest, bis Du ankommst, Du wartest auf den Einlass.

00:31:06,255 –> 00:31:08,435 [Raul Krauthausen]

Du wartest. Also Ja.00:31:08,435 –> 00:31:11,335 [Monchi]

Das so. Aber

00:31:11,335 –> 00:31:19,995 [Monchi]

und natürlich gibt’s Momente, ja, keine Ahnung, so was wie irgendwelche Morddrohungen oder

Leute,

00:31:19,995 –> 00:31:33,935 [Monchi]

irgendwas spitzt sich zu, wo Du sagst, okay, das ist nun wirklich eine ernsthafte Bedrohung,

was weiß ich. Wir hatten Bombendrohungen bei Konzerten, wo der Saal geräumt wurde, wo

nachher Spürhunde durchgelaufen sind in den nächsten Wochen. Das sind Momente, die

00:31:33,935 –> 00:31:35,855 [Monchi]

einprägen

00:31:35,855 –> 00:31:39,495 [Monchi]

und wo man sich bestimmt auch ganz oft fragt, ob es das wert ist.

00:31:39,495 –> 00:32:32,095 [Monchi]

Aber ich hab keinen Bock, mich immer auf die negativen Sachen zu konzentrieren, weil das,

was wir als Band erleben dürfen, wir uns gibt’s jetzt nächstes Jahr zwanzig Jahre, ja, mit allen

Höhen und Tiefen. Da ist das, dass ich davon leben darf, Digger, das ist das abgefuckteste,

geilste der Welt, ja. Und ich denk, alles hat seinen Preis. So, das hab ich auch gelernt. Und es ist

nicht nur alles schön. So. Aber guck mal, ich wohne hier in Vorpommern. Ich hab grad gesagt,

das ist eine Gegend, wo, ja, einer der ärmsten Landkreise auf jeden Fall in Ostdeutschland.

Wenn ich erzähl meinen Leuten, die hier, was weiß ich, irgendwelche in Anführungsstrichen

normalen Jobs hab, denen erzählen würde, boah, was hab ich aber für ’n hartes Leben und wie

schlimm ist das, aber im Backstage, weil bla bla bla bla. Digger, die Leute würden mir eine in

die Fresse hauen und das auch zu recht. So, ne. Das ist wirklich nicht das ist wirklich nicht zu

unrecht, weil

00:32:32,095 –> 00:33:06,895 [Monchi]

solange wir leben, so viel wie geht, das ist eine Zeile auf dieser neuen Platte, ne. Und das ist

etwas, was was ich da fühle und wo ich’s liebe, das erleben zu dürfen. Wie viele Bands gibt’s die

das nicht haben. Guck mal, wir haben jetzt vor ’n paar Wochen haben wir beim Rock am Ring

gespielt, ja. Um einundzwanzig Uhr, ich weiß noch genau, wie ich mit meiner Oma

zusammensass aufm Schaukelstuhl in alten Treptow und wir da mal als Rock am Ring geguckt

haben. Und ich gedacht hab, boah Digger, was sind das denn für dolle Bands so mit dreizehn,

vierzehn? Mann, jetzt stehen wir da selber. Da stehen vierzig, fünfzigtausend Leute vor der

Bühne, singen Lieder mit. Ja. Mhm. Das sind die Sachen

00:33:06,895 –> 00:33:15,135 [Monchi]

auch für mein eigenes Seelen Seelenheil, glaub ich, auf die ich mich da konzentrieren will. Weil

ich ertrag dieses,

00:33:15,135 –> 00:33:18,655 [Monchi]

ich ertrag nicht dieses

00:33:18,655 –> 00:33:21,595 [Monchi]

Rumgeheule über alles. So kann ich’s einem sagen.

00:33:21,595 –> 00:33:44,755 [Raul Krauthausen]

Ja, ich meinte, ja klar, das versteh ich. Aber ich hatte zum Beispiel Marco Reklame hier inmeinem Podcast zu Gast und der meinte, es gibt trotzdem diese diese einsamen Momente, wo

Du dann im Hotelzimmer sitzt und dann alleine aus der Pizzakiste isst und da ist einfach keiner

mehr da. Das Restaurant hat zu, Du trinkst keinen Alkohol, weil morgen ist wieder Konzert und

dann sitzt man da im Hotelzimmer und isst Pizza.

00:33:44,755 –> 00:33:50,695 [Monchi]

Ey, total. Nee, na klar, so was, wenn Du so was meinst, na klar, es gibt Momente,

00:33:50,695 –> 00:33:58,455 [Monchi]

es es gibt die verrücktesten Momente. Ich ich weiß jetzt, ich hab mich zum Beispiel, wenn ich

mich jetzt daran erinner,

00:33:58,455 –> 00:34:01,715 [Monchi]

ich hab ’n Konzert gespielt

00:34:01,715 –> 00:34:04,155 [Monchi]

und das

00:34:04,155 –> 00:34:06,755 [Monchi]

wird auch in dieser Zeile,

00:34:06,755 –> 00:34:13,175 [Monchi]

also in in diesem Lied haut an Haut, was ich für meine Tochter gespielt hab, steht Steh vor

zehntausend Leuten und denk nur an dich, ja.

00:34:13,175 –> 00:34:13,595 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:34:13,595 –> 00:34:19,695 [Monchi]

Alle Alle sagen, Du siehst aus wie ich. Ja. Dieser Moment

00:34:19,695 –> 00:34:22,495 [Monchi]

auf ’ner Bühne zu stehen und Du weißt

00:34:22,495 –> 00:34:23,935 [Raul Krauthausen]

Du wärst gern woanders.

00:34:23,935 –> 00:34:25,295 [Monchi]

Ja.

00:34:25,295 –> 00:34:42,735 [Monchi]

Ja. Und ich krieg fast Tränen in den Augen, so klar, ja. Und weil ich weil ich gleich denk, oh Gott,

ich will diese Leute nicht. Ich will Ich bin so dankbar für jeden Menschen, der vor unserer Bühne

steht, der sich echt Geld in die Hand nimmt und Karte kauft. Also ich will diese Leute nicht

enttäuschen und ich will nicht Ja. Will will nicht

00:34:42,735 –> 00:34:49,875 [Monchi]

Aber das war auf jeden Fall ein Moment. Ansonsten lieb ich es, auf der Bühne zu sein, aber das

war ein Moment, wo ich gedacht hab,

00:34:49,875 –> 00:34:51,715 [Monchi]

eigentlich müsste ich grad woanders sein.00:34:51,715 –> 00:34:52,815 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:34:52,815 –> 00:34:54,715 [Monchi]

So. Und

00:34:54,715 –> 00:34:58,055 [Monchi]

hab mich aber auch sehr, sehr gefreut,

00:34:58,055 –> 00:35:05,955 [Monchi]

dass ich in den wichtigsten Momenten da sein konnte. So weit kann ich’s sagen, ohne zu privat

zu sein, ne.

00:35:05,955 –> 00:35:07,595 [Monchi]

Von so einer Geburt.

00:35:07,595 –> 00:35:21,715 [Raul Krauthausen]

Aber das ist ja vielleicht auch genau das, was dann die die Tiefe der Songs ausmacht. Also dass

dass man dann eben, anstatt das zu fühlen, dann eben auch darüber schreibt Total. Das dann

eben auch teilt gleichzeitig. Dann ist ja quasi schließt sich der Kreis auch wieder.

00:35:21,715 –> 00:35:29,115 [Monchi]

Ja, das das Schönste an Musik. Guck mal, ich hab überhaupt In meiner Jugend hab ich gar

keinen großen Bezug zur Musik gehabt. Musik war mir echt immer egal.

00:35:29,115 –> 00:35:31,395 [Raul Krauthausen]

Wie bist Du zur Musik gekommen?

00:35:31,395 –> 00:35:59,815 [Monchi]

Unser Bassist Kai hat mich aufm Schulhof angesprochen, hat gesagt, Digger, hast Du Bock, in

der Band zu spielen? Und ich hätte wirklich alles gemacht, Techno, Rap, Hip Hop, mir

scheißegal. Einfach rauskommen ausm Dorf, ja. Weil bei uns gab’s, sage ich mal, Jugendclub

und der hatte eine Punkrock Band gehabt und hat dann gesagt, ja, hast Du Bock da

mitzumachen? Und wie gesagt, mir war es wirklich völlig boggy, welche Musikrichtung. Das

Geile an Pankrock war einfach, dass Du nichts können musstest. Ja, das war das war das Tolle

so.

00:35:59,815 –> 00:36:01,575 [Raul Krauthausen]

Und Aber jetzt kannst Du ja was.

00:36:01,575 –> 00:36:09,875 [Monchi]

Ja, das Und ich hab vor allen Dingen eine Liebe zur Musik entwickelt, ja. Weil ich ganz oft das

Gefühl habe, wie ohne,

00:36:09,875 –> 00:36:14,875 [Monchi]

es ist jetzt richtiger Pathos, aber ich steh auch auf Pathos manchmal.

00:36:14,875 –> 00:36:18,263 [Monchi]

Ohne Musik wär ich im Knast oder am Ende.[Schmunzeln] So, weil ich kan-

00:36:18,263 –> 00:36:20,503 [Raul Krauthausen]

Glaubst du, da wärst du auf die schiefe Bank geraten?00:36:20,503 –> 00:36:53,404 [Monchi]

Ja, ich war ja schon auf Bewährung. Ich hatte fünf Jahre Stadiumverbot beim Fußball. Äh, hab,

ähm, also, ich habe, äh, mit achtzehn ein Polizeiauto angezündet, war auf Bewährung bei ’ner

Fußballrandale. War das, äh, wurde dafür verurteilt, hatte dreiundzwanzigtausend Euro

Schulden, die ich abbezahlt habe. Meine Eltern haben die damals getragen. Es gibt ’n Lied bei

uns, das heißt: „Sollte ich mal Kinder haben, will ich so sein wie ihr. Ich find’s scheiße, was du

machst, aber ich steh zu dir“. Die waren immer am Start, auch wenn die idiotisch fanden, was

ich gemacht habe. Und

00:36:53,404 –> 00:37:18,143 [Monchi]

auch da bin ich der Musik dankbar, denn irgendwie nach mehreren Jahren hab ich einfach so

Kohle zurückgelegt und konnte irgendwann meinen Eltern, die wollten das gar nicht mehr,

dieses Geld überweisen und sagen: „Hier, danke, dass ihr da wart“. Ja? Und, äh, es gab da

schon sehr, sehr viele Momente. Ich hatte sehr viele Anzeigen, ob jetzt, wenn wir uns beim

Fußball oder ich mich auch mit Faschos geboxt habe, äh, bei uns in der Provinz. Äh,

00:37:18,143 –> 00:37:34,623 [Monchi]

wir waren nicht immer nur– wir sind nicht irgendwie immer nur die Hippies gewesen, sondern

es gab immer auch, immer wieder Auseinandersetzungen. Und, äh, die Musik ist etwas, was mir

auch einfach den Arsch gerettet hat. So. Wo ich einfach so viel…

00:37:34,623 –> 00:37:43,463 [Monchi]

Ja, auch selber zu mir finden konnte und dankbar bin, äh, zu wissen, da gibt’s ’n Ventil.

00:37:43,463 –> 00:37:48,903 [Monchi]

Ja? Manchmal, wie gesagt, es gibt so Momente, dieses Lied für meine Eltern oder dieses Lied für

00:37:48,903 –> 00:37:51,063 [Monchi]

Freunde oder…

00:37:51,063 –> 00:37:54,143 [Monchi]

Vielleicht könnte ich das manchmal denen gar nicht so sagen.

00:37:54,143 –> 00:38:04,023 [Monchi]

Ja? Weil manchmal trifft man den Moment nicht, manchmal ist alles so schnell. Aber dann sagst

du: „Hey, schau mal, guck mal, dieses Lied da, das ist für euch“.

00:38:04,023 –> 00:38:28,003 [Monchi]

Ja? Dieses „Kumma, Moders, Faders“, das ist für euch, nur für euch. Oder dieses Lied mit– für

meine Tochter, wenn ich mir einfach vorstelle, ich hab mal ’n– ich hoffe, dass ich noch lange

leb, aber es gibt manchmal Momente [schluckt], genau, wenn du so Morddrohungen kriegst

oder ich hatte zwei, drei Mal die Momente in meinem Leben, wo ich gedacht habe, ich sterbe,

äh, dass ich so weiß, egal was da ist,

00:38:28,003 –> 00:38:54,103 [Monchi]

wenn meine Tochter irgendwann mal vielleicht älter ist und da gibt’s ’ne Schallplatte und die

kann die… Guck mal, das, das Lied. Und die letzte Zeile ist: „Und flüster in dein Ohr, wir lieben

dich“. Ja? Das, äh, da bin ich der Musik, dieser Band, diesem Moment, dass Kai mich damals

aufm Schulhof angesprochen hat, so, so, so, so dankbar. Äh, und dann ist natürlich das

Krasseste, wenn Menschen da sind, vor der Bühne stehen, das mitsingen,

00:38:54,103 –> 00:38:57,243 [Monchi]

einen teilweise über Jahre als Fans begleiten00:38:57,243 –> 00:39:02,063 [Monchi]

und da mit Tränen in den Augen vor dir stehen. Äh,

00:39:02,063 –> 00:39:04,043 [Monchi]

das ist das Geilste der Welt.

00:39:04,043 –> 00:39:16,543 [Raul Krauthausen]

Wenn du jetzt so zurückblickst, auch fast zwanzig Jahre von der Band. Was waren so die großen

Meilensteine? Weil ihr hattet ja auch Wechsel in den, äh, Bandmitgliedern. Wie verkraftet man

so was?

00:39:16,543 –> 00:39:50,263 [Monchi]

Entweder zerbrichst du dran oder du wächst. Und das Schönste und Wichtigste, was ich gelernt

habe, ist, also, und was auch Fehler waren, sozusagen, ne? Es gab so ’ne Zeit, da hatten wir so

’n übelsten Hype. Da sind wir immer größer geworden und gefühlt, also bis auf die Faschos

gab’s von allen Applaus und alle klopfen dir auf die Schultern, ne? Und es ist wie so ’n Rausch.

Ja? Gleichzeit– Also, sozusagen, man ist übelste Projektionsfläche, ja? Äh, Die Toten Hosen

haben so ’n Lied: [singt] „Mal sind wir Heldin und mal Diebe“. Ja? So dieses, diese Ambivalenz.

00:39:50,263 –> 00:39:50,663 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:39:50,663 –> 00:39:51,963 [Monchi]

Äh,

00:39:51,963 –> 00:39:53,463 [Monchi]

und

00:39:53,463 –> 00:39:57,223 [Monchi]

in diesem Rausch passt du überhaupt gar nicht auf dich auf. Nicht auf dich.

00:39:57,223 –> 00:39:57,683 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:39:57,683 –> 00:40:05,863 [Monchi]

Deswegen nur zweiundachtzig Kilo, aber auch nicht als Band. Ja? Streites nicht mal, sprichst

nicht Konflikte an oder viel, viel zu wenig. Und

00:40:05,863 –> 00:40:15,863 [Monchi]

dass wir als Band jetzt nächstes Jahr zwanzig-jährigen Geburtstag feiern und ich sagen kann

somit f– aus vollem Herzen: „Hey, wir sind

00:40:15,863 –> 00:40:21,023 [Monchi]

gerade so eine gute Band, wie wir es noch nie waren. Und vor allen Dingen sind wir auch

00:40:21,023 –> 00:40:50,963 [Monchi]

mit aller Unterschiedlichkeit… Wir sind fünf so unterschiedliche Menschen, ja? Befreundet. So,

ne? Jeder von denen könnte bei mir anrufen und ich würde hinfahren, wenn ihr irgendwie, wenn

die Scheiße am Dampfen ist und denen helfen. Das ist was Geniales. Und dass wir es gelernt

haben, zu– besser, nicht, nicht perfekt, aber zu streiten und auch Konflikte anzusprechen. Und

so ist es auch nur möglich, dass wir jetzt innerhalb von zweier Jahren halt so viele, schon wieder

neues Album gemacht haben. Ja?00:40:50,963 –> 00:40:51,383 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:40:51,383 –> 00:41:01,223 [Monchi]

So, weil, weil was raus will, sozusagen. Weil da so viele Geschichten sind, wo man sagt, okay,

die sind für einen selber so,

00:41:01,223 –> 00:41:36,403 [Monchi]

ja, toll, da ’ne Band zu haben. Ja, ich hab zum Beispiel dieses Lied– ich hab da lange nicht so

wirklich drüber gelabert. Auch ich hatte– es gibt so ’n Lied auf der Platte, Fufzehn Jahre heißt

die. Und das war das erste Mal, dass ich in meinem Leben gedacht hab, dass ich drauf gehe. Da

haben mich so Dorffaschos auseinandergenommen im Suff und immer wieder in meine Fresse

getreten, äh, und ich wurd bewusstlos und weiß aber, dass ich noch gedacht hab: „Okay, jetzt,

jetzt sterb ich“. Und, äh, meine Mutter hatte am nächsten Tag Geburtstag und die ist Zahnärztin

halt und ich bin nach Hause gekommen und meine Eltern sind im besten Sinne so ganz normale

Menschen. Ja? Also so… Mein Vater ist im Ge– Gemeinde Kirchenrat, ne?

00:41:36,403 –> 00:41:37,203 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:41:37,203 –> 00:41:43,303 [Monchi]

Und meine Mutter hatte Geburtstag, saß mit ihren Freundinnen da und ich komme mit dem

kaputtgeschlagenen Fresse nach Hause und

00:41:43,303 –> 00:41:50,163 [Monchi]

die Party ist vorbei, ja? Die schickt alle nach Hause, wir fahren sofort in die Klinik, vier Wochen

Suppe trinken. Und-

00:41:50,163 –> 00:41:50,563 [Raul Krauthausen]

Oh Gott.

00:41:50,563 –> 00:41:57,043 [Monchi]

-aus so ’ner– meine Frontzähne weg, ich hab so ’n Stiftzahn und so. Ähm, mein, mein–

00:41:57,043 –> 00:42:16,223 [Monchi]

aus so ’ner Scheiße Musik zu machen, also ich mein, auch aus den beschissensten Momenten

was zu machen, was man nachher mag, das ist das Allergeilste. Und wie gesagt, das würde

nicht gehen, wenn da nicht auch vier Menschen an meiner Seite wären, denen ich vertrauen

würde und da immer ganz viel auch von einem reingeben würde.

00:42:16,223 –> 00:42:23,763 [Raul Krauthausen]

Das stell ich mir schon ganz schön heftig vor, ähm, in, in, in Jameln zu wohnen, in Jamel zu

bleiben,

00:42:23,763 –> 00:42:25,783 [Raul Krauthausen]

ähm, immer berühmter zu werden-

00:42:26,924 –> 00:42:33,323 [Monchi]

Und dann wahrscheinlich auch, ja, wie du sagst, Projektionsgläubiger auch für die

00:42:33,323 –> 00:42:35,783 [Raul Krauthausen]

Faschos zu werden.00:42:35,783 –> 00:42:38,564 [Raul Krauthausen]

Macht es dein Leben dann gefährlicher?

00:42:38,564 –> 00:42:47,144 [Monchi]

Also erst mal auch da wieder das Positive. Ich liebe es, in Mecklenburg Vorpommern zu leben,

ja. Ich liebe wirklich,

00:42:47,144 –> 00:43:07,863 [Monchi]

es hier zu leben und ich pendele viel zwischen Jarm und Rostock, ja. Also sozusagen, es gab

auch mal eine Zeit, wo ich mehr in Rostock war als in Jarm, aber jetzt einfach gerade wieder

Jarm mehr, aber mein Leben lang in Mecklenburg Vorpommern. Und es gibt bei uns im

Bundesland jetzt nicht viele, in Anführungsstrichen, Personen des öffentlichen Lebens, ja. Und

00:43:07,863 –> 00:43:15,543 [Monchi]

es ist auch nicht so, dass hier in Jarm, das ist für Leute von außen auch ganz, glaube ich, ganz

schwer manchmal zu verstehen.

00:43:15,543 –> 00:43:17,984 [Monchi]

Es ist nicht so, dass

00:43:17,984 –> 00:43:29,063 [Monchi]

Ich habe nicht das Gefühl, dass hier der Nationalsozialismus gerade kurz vor der Tür steht. Ich

habe das Gefühl, dass mit den Jahren immer mehr einreißt und scheiße ist. Ja, genauso ist es.

00:43:29,063 –> 00:43:37,903 [Monchi]

Ich meine, ich wohne in einem Ort, wo vierundfünfzig Prozent der Leute AfD wählen. Ja, wir

haben hier uns bewusst entschieden, den Proberaum aufzubauen.

00:43:37,903 –> 00:44:00,943 [Monchi]

Und zwei, drei Tage danach hat der eine Nachbar eine riesengroße schwarz-weiß-rote Fahne

gehisst. Ich glaub, es gibt einfach so viele Bands und so, die machen dann immer irgendwie

Parolen gegen Nazis, aber ich glaub, wann habt ihr wirklich mal vor ’nem Fascho gestanden?

Also wann habt ihr wirklich mal Angst gehabt? Ich red nicht von irgendeiner Demo, wo denn

noch Polizei dazwischen ist, sondern im Alltag, ja. Und davon gibt’s Momente, natürlich. So.

00:44:00,943 –> 00:44:14,224 [Monchi]

Aber eins ist auch klar: Ich werd mir nicht, und ich werd mir nicht mal ein Zuhause nehmen

lassen, was ich liebe. Ich liebe es hier zutiefst und deswegen sind solche Momente, wir machen

ja unser eigenes Dorffest, wir machen das Wie

00:44:14,224 –> 00:44:29,123 [Monchi]

gesagt, unseren Proberaum, machen kulturelle Veranstaltungen, versuchen, mit Leuten, mit

den coolen Leuten, die’s halt hier irgendwie gibt vor Ort, was zu reißen. Und das ist etwas, was

mir immer wieder Kraft gibt. Aber natürlich im persönlichen Sinne,

00:44:29,123 –> 00:44:39,903 [Monchi]

ich würde nicht mehr, so wie ich früher auch einfach immer irgendwelche Parolen gegrölt habe,

manchmal, an die ich vielleicht selber gar nicht geglaubt hab oder doch auch vielleicht geglaubt

hab, aber jetzt nicht mehr.

00:44:39,903 –> 00:44:42,863 [Monchi]

Ist unterschiedlich. Ich würde00:44:42,863 –> 00:44:48,744 [Monchi]

auf keinen Fall mehr Menschen so was sagen wie: „Ja, Mensch, nun engagier dich mal.

00:44:48,744 –> 00:44:52,523 [Monchi]

Mach dich mal grade, weil

00:44:52,523 –> 00:45:05,063 [Monchi]

die Menschen wissen manchmal gar nicht, wie hoch der Preis ist. Mhm. Ja, so. Was denn die

Gefahr ist? Was das denn auf Langstrecke bedeutet? Ja. Und nicht nur für einen, sondern für,

00:45:05,063 –> 00:45:08,703 [Monchi]

ja, Familie, Freunde, irgendwen. Mhm.

00:45:08,703 –> 00:45:15,663 [Raul Krauthausen]

Gab es für dich so ’nen Auslöser, wo du gesagt hast, wir müssen jetzt aktiv antifaschistisch

engagieren?

00:45:15,663 –> 00:45:18,683 [Monchi]

Ich habe mir lange gesagt, nein,

00:45:18,683 –> 00:45:26,863 [Monchi]

dass es nicht den einen Moment gab. Und es gab bestimmt viele Momente,

00:45:26,863 –> 00:45:35,083 [Monchi]

die einen dann so ein bisschen geprägt haben. Aber mit der Zeit und umso mehr, ich hab grade

dieses Lied ja beschrieben, mit fünfzehn Jahren, ja,

00:45:35,083 –> 00:45:39,323 [Monchi]

glaube ich, war das schon echt ’n

00:45:39,323 –> 00:45:44,283 [Monchi]

sehr, sehr prägender Moment, ja. So. Und

00:45:44,283 –> 00:46:13,003 [Monchi]

wo ich dann nachher für mich klargekriegt habe: „Alter, was sind das auch für Wichser?“ Und

mit Wichser, ich mein auch immer erst mal mich selbst. Ey, wir haben damals auch immer

früher Fascho-Mucke gehört, ja. Sozusagen so viel Nazi-Scheiß in meiner Birne und so was alles.

Bis heute kenn ich noch Lieder von irgendwelchen Fascho-Bands. Wenn ich nur einzelne Wörter

hör, könnt ich dir einige Langzeitlieder runtersingen, ja. Bei uns wurd Landser, Todehusen,

Ärzte gleichzeitig gehört und dazu gekifft. Das ist die Realität. So. Auch bis heute teilweise hier.

00:46:13,003 –> 00:46:15,223 [Monchi]

Und

00:46:15,223 –> 00:46:33,583 [Monchi]

ich glaub, nachher so diese Entscheidung, auch als Band, wo wir dann gesagt haben: „Digger,

wir haben keinen Bock mehr auf Faschos bei Konzerten.“ Das ist vielleicht in anderen

Gegenden, ja, ist das Standard oder gehört das zum guten Ton? Bei uns hat das halt gleich was

bedeutet. Das hieß halt: „Okay, dann müssen wir uns wohl grade machen und auch Leute

rausschmeißen oder

00:46:33,583 –> 00:46:45,003 [Monchi]

die werden uns dann angreifen, ja. Und das waren natürlich schon sehr, sehr prägende Zeiten.Aber was auch für mich, glaub ich, mit den Jahren immer krasser wurde, ist so dieses…

00:46:45,003 –> 00:46:50,763 [Monchi]

Und das ist natürlich, hat auch was mit dieser, mit der Prägung zu tun, wo ich herkomme.

00:46:50,763 –> 00:47:06,703 [Monchi]

Ich hab keinen Bock, die gan– Also immer auf das Negative zu schauen, diesen… Wir haben so

Zeilen in unseren Liedern: „Lass uns schauen, was uns verbindet“, und nicht: „was uns trennt“.

Ja? Mhm. Ich hab keinen Bock mehr auf dieses Schwarz-Weiß-Ding. Ich denke, es ist wichtig, mit

Leuten zu streiten. Ich glaube, es ist wichtig,

00:47:06,703 –> 00:47:28,123 [Monchi]

sich in wirklich beschissenen Momenten oder bei Überzeugungsarschlöchern, da klare Kante zu

zeigen. Aber ich glaub nicht daran, dass der Weg, den ich immer gegangen bin, nämlich

manchmal auch einfach nur so schwarz-weiß zu denken, dass der immer richtig war.

[Elevator-Ping] [Tür wird geöffnet]

00:47:28,123 –> 00:47:55,563 [Raul Krauthausen]

Gleich geht’s weiter. Wenn du diesen Podcast unterstützen möchtest, dann kannst du das mit

einem kleinen monatlichen Beitrag tun. Im Gegenzug kannst du alle Folgen vorab hören und

wirst, wenn du das möchtest, hier im Podcast namentlich genannt. Alle Infos findest du auf

im-aufzug.de. Ende der Servicedurchsage. Viel Spaß beim zweiten Teil der Folge.

00:47:55,563 –> 00:48:02,023 [Raul Krauthausen]

Wo, wo– Also, wie würdest du denn mit Rechten reden? Kann man, kann man mit Rechten

reden? Oder sollte man sogar?

00:48:02,023 –> 00:48:05,863 [Monchi]

Na, erst mal würde ich ’n klaren Unterschied machen zwischen Rechten und

00:48:05,863 –> 00:48:10,003 [Monchi]

Überzeugungsarschlöchern, Neonazis.

00:48:10,003 –> 00:48:19,783 [Monchi]

Also rechts ist ja auch konservativ und so. Was weiß ich. Ich hab hier, das ist so, guck mal, da,

wo ich lebe, wenn ich manchmal irgendwie im Internet gucke,

00:48:19,783 –> 00:48:21,743 [Monchi]

wenn ich manchmal

00:48:21,743 –> 00:48:29,683 [Monchi]

diesen Instagram-Aktivismus bei Leuten sehe oder irgendwelche Parolen oder die Leute,

irgendwelche erster Mai, sag ich mal, und hier die Revolution steht kurz vor der Tür.

00:48:30,743 –> 00:48:39,203 [Monchi]

[Schmunzeln] Dann denke ich mir, Digger, Digger, Digger, Digger, Digger, wir leben einfach so

in verschiedenen Welten. Weil das, was ich dir sagen kann, ist,

00:48:39,203 –> 00:48:50,263 [Monchi]

ich bin… Und ich weiß, das ist maximal uncool für eine Punk-Rock-Band, aber scheiß auf

Punk-Rock, Digger. Weil ich bin wirklich… Da, wo ich lebe, freue ich mich, wenn wir in zehn

Jahren noch in einer halbwegs stabilen Demokratie sind. Ja?00:48:50,263 –> 00:48:50,503 [Raul Krauthausen]

Mhm.

00:48:50,503 –> 00:48:53,763 [Monchi]

Und die AfD nicht alles übernommen hat. Also

00:48:53,763 –> 00:49:23,103 [Monchi]

ich denke, ich habe Leute, klar, irgendwelche jungen Uni-Umlern, CDU-Lern, ich kenne die alle.

Und natürlich auch, wenn hier irgendwer mir sagt: „Ja, red nicht mit AfD-Lern“. Ja, Digger, willst

du mich verarschen? Vierundfünfzig Prozent der Leute wählen die hier. Und ich kann dir auch

verraten von den Nicht-Wählern, die willen, sehr sicher werden die nicht grün wählen. Weil,

wenn die Leute hier was mehr hassen als Flüchtlinge, dann sind es die Grünen. So, ja? Also nur

mal… Hat immer was damit zu tun, wo man lebt. Und

00:49:23,103 –> 00:49:32,123 [Monchi]

für mich ist die Grenze, dass ich, wenn ich merke, dass jemand wirklich überzeugter

Menschenfeind ist. Wenn jemand mir wirklich erzählen will, was weiß ich:

00:49:32,123 –> 00:49:46,423 [Monchi]

Äh schwule, Lesbe, schwarze Frau ist scheiße, weil schwule, Lesbe, schwarze Frau. Ja? So. Und

wirklich, ansonsten würde ich wirklich lange noch mit Leuten streiten. So. Und für mich ist ja

ganz oft eher der Punkt,

00:49:46,423 –> 00:50:05,703 [Monchi]

dass überhaupt die Leute noch mit mir reden. Ja? In der Gegend, weil das ist ja auch immer eine

Frage, diese ganze Diskussion mit: Man redet mit denen nicht. Das ist doch immer eine Frage

der Machtperspektive. So. Das können doch nur Leute sagen, wenn sie denken, sie sind

irgendwie noch in der Überzahl. So, ja? Ähm,

00:50:05,703 –> 00:50:12,083 [Monchi]

ich glaube, dass in solchen Momenten es dann sozusagen einfach ganz oft wichtig ist,

00:50:12,083 –> 00:50:19,683 [Monchi]

zu zeigen: Alter, da gibt’s noch Leute, die für demokratische Werte stehen. So, äh,

00:50:19,683 –> 00:50:49,963 [Monchi]

und die Nazis scheiße finden. So. Und so was dann halt auch zum Ausdruck bringen, wie mit

unserem We say Mjam Festival und den Leuten vielleicht auch zeigen, weil wir haben da

Bereiche, wo ganz viele Leute äh von vier Bereichen gibt es drei Bereiche, wo die Leute auch

ohne Karte entkommen können und wo alle Leute ja eingeladen sind. Und mir ist doch klar,

dass da auch ganz viele Leute kommen, die AfD-Wähler sind. Ja? Und wenn die das erste Mal

einen Vortrag über Seenotrettung hören oder vielleicht auch mal eine Lesung oder eine

Diskussion, äh, zum Thema Neonazis in ??? hören,

00:50:49,963 –> 00:50:57,143 [Monchi]

dann denke ich, kann es den Leuten nicht schaden. Dann würden andere vielleicht Leute sagen:

„Ja, geht ja gar nicht“. Oder genauso die Realität mit:

00:50:57,143 –> 00:51:02,023 [Monchi]

Es gibt hier eine, es gibt hier ein wirkliches Restaurant, ja?

00:51:02,023 –> 00:51:07,523 [Monchi]

Da ist gleichzeitig der AfD-Stammtisch. Gleichzeitig machen wir da– ist das unser Headquarterfür???

00:51:07,523 –> 00:51:25,943 [Monchi]

Das ist die Realität. Und dann kommen irgendwelche Leute und sagen zu mir: „Ja, geht ja gar

nicht. Wie könnt ihr da was machen?“ Digger, keine Ahnung, wo du lebst. Ja? Aber bei uns

würden sich alle bepissen, würde man sagen, ja, also vor Lachen, jedenfalls die, äh,

Scheißleute, weil die sagen würden: „Ja, guck mal, dann haben wir ja alles übernommen.“

00:51:25,943 –> 00:51:36,843 [Monchi]

Ne? Das sind Luxussituationen, äh, die man sich hier nicht leisten kann. Und wo ich hoffe, wo

ich mit allen Leuten, die halbwegs demokratisch gesinnt sind, noch zusammen machen würde.

00:51:36,843 –> 00:51:37,803 [Raul Krauthausen]

Was würdest du denn jetzt…

00:51:37,803 –> 00:51:39,823 [Monchi]

Was denkst du dazu, wenn ich das so sage?

00:51:39,823 –> 00:51:54,303 [Raul Krauthausen]

Ja, also das geht mir total unter die Haut, weil ich auch manchmal das Gefühl habe, dass… Und

ich bin wahrscheinlich so ein Besser-Wessi, ja, ähm, dass ich auch manchmal das Gefühl habe,

wie wir über den Osten reden, kippt mir eher Öl ins Feuer-

00:51:54,303 –> 00:51:54,403 [Monchi]

Ja.

00:51:54,403 –> 00:51:58,383 [Raul Krauthausen]

-als dass, äh, das wirklich, ähm, was hilft.

00:51:58,383 –> 00:52:16,743 [Monchi]

Es gibt schon manchmal Leute im Internet, sage ich mal, wo ich denke: „Oh Gott, oh Gott,

hoffentlich…“ So, ich sage mal, bei so Jugendlichen. Bei uns ist ja gerade viel die Diskussion

darüber, äh, oh, so viele, äh, Kids driften zu Fascho-Gangs über, ja, so. Und

00:52:16,743 –> 00:52:37,163 [Monchi]

es ist echt, es ist echt was, was mich richtig bewegt, weil diese… Und also, ich merke es ja hier

vor der Tür, ja? Äh, es ist einfach wieder cool, Nazi zu sein. Und es gibt auf jeden Fall immer

Leute im Internet, im Internet, wo ich dann immer denke: „Oh Gott, bei so schwankenden Kids,

die vielleicht noch nicht sicher sind, oh Gott, hoffentlich sehen die das nicht bei irgendwelchen

so,

00:52:37,163 –> 00:52:43,483 [Monchi]

äh, Internetaktivisten, weil dann sind die sofort, sagen die: „Okay, gar kein Bock auf euch, wir

gehen mal zu den anderen.“

00:52:43,483 –> 00:52:48,243 [Raul Krauthausen]

Es gibt auch zu wenig Angebote wahrscheinlich, ne? Also Alternativangebote. Genau.

00:52:48,243 –> 00:53:15,623 [Monchi]

Aber Seppichkurs, Seppichpark… Ich glaube, das ist ja so was wie, das meine ich ja mit so was

wie, wenn wir jetzt will, will sie ein Jahr machen. Und es gibt natürlich, ey, das ist auch so, äh,

es ist wunderschön, hier auch zu leben. Ich habe zwei Minuten von mir weg, ’nen See zu haben

und alles, ne? Und es gibt auch viele tolle Leute. Die Leute hier sind mir näher als irgendwelcheMenschen in, in, ich sage mal, auf Sankt Pauli oder Kreuzberg, ne? So. Bloß… Und ich kann auch

manchmal verstehen, dass Leute abgegessen sind oder… Aber

00:53:15,623 –> 00:53:19,323 [Monchi]

ich kann nicht verstehen, dass sie,

00:53:19,323 –> 00:53:24,483 [Monchi]

dass vierundfünfzig Prozent ’ne Partei wählen wollen,

00:53:24,483 –> 00:53:33,523 [Monchi]

bei der meines Erachtens nach offensichtlich ist, dass die jetzt auch nicht auf einmal den

Himmel auf Erden bringen werden. Auch wenn die es denen versprechen.

00:53:33,523 –> 00:53:33,783 [Monchi]

Vermeintlich.

00:53:33,783 –> 00:53:54,543 [Raul Krauthausen]

Was brauchen denn die Leute, die es nicht wie ein Monty geschafft haben, mit einer Band,

sagen wir mal, sich da rauszuholen? Ähm, was brauchen denn die Leute, die auch das Herz

noch an der richtigen Stelle haben, aber jetzt nicht einfach in ’ne andere Stadt ziehen können?

00:53:54,543 –> 00:54:19,443 [Monchi]

Ja, ey, ich bin kein Wissenschaftler. Keine Ahnung. Ich glaub, Lebensfreude. Das ist wirklich was

Tolles. Also so dieses wirklich sich nicht runterziehen lassen. Weißt du, ich gehe nachher hier

raus und es gibt hier nachher am Hafen ’n Konzert von so Kulturfloßleuten. Die haben so ’n Floß

gekauft. Da spielen Bands jetzt die ganze Zeit drauf. Digger, wie geil. Ja? Ähm, ich,

00:54:19,443 –> 00:54:20,883 [Monchi]

also

00:54:20,883 –> 00:54:30,343 [Monchi]

diese Lebensfreude nicht verlieren. Sich nicht immer alles, immer diesen totalen Fokus auf

Weltuntergang zu legen, weil dann ist es sozusagen, dann-

00:54:32,047 –> 00:54:38,527 [Monchi]

[Schmatzen] Pass auf, ich, ich, ich, ich, ich, ich laber auch immer so viel, aber ich– du kannst ja

auch schneiden, ne?

00:54:38,527 –> 00:54:38,868 [Steady]

Ja.

00:54:38,868 –> 00:54:42,448 [Monchi]

Ich versuch’s mal anders. Äh,

00:54:42,448 –> 00:55:20,327 [Monchi]

als wir dieses Lied, als wir, äh, äh, als der die schwarz-weiß-Rote Fahne in unserem Proberaum

gehisst hat und als, äh, klar wurde bei den letzten Bundestagswahlen, haben hier

vierundfünfzig Prozent die AfD gewählt, ja? Äh, dieser Fakt hat mich wirklich runtergezogen.

Das war das erste Mal, dass ich gedacht habe, ich habe keinen Bock mehr. Warum? Weshalb?

Wieso? Was soll die Scheiße? Es ist alles… Boah, ne? Äh, wir brauchen auch das bisschen Ja,

nicht mehr machen. Das gab so ein, zwei Tage. Und so viele Leute, von CDU bis Linke bis

irgendwelche Leute, irgendwelche demokratischen Leute, mit denen habe ich geschrieben hier

ausm Dorf. Wir haben uns hingesetzt und ausgekotzt und gesagt: „Digga, was ist hier los?“ Ja?Ähm,

00:55:20,327 –> 00:55:23,087 [Monchi]

und ich war wirklich echt ein bisschen down.

00:55:23,087 –> 00:55:25,667 [Monchi]

Und

00:55:25,667 –> 00:55:43,427 [Monchi]

das, äh, nach innen. Und nach außen haben wir aber dann so ein Lied wie dieses „Grüße ins

Neandertal“ gemacht, ja? Was einfach nachher nur marsch ist und ein humoristischer Umgang

mit der Situation. Und, äh, ich glaube, das ist ganz oft selber für einen selber auch so ein

bisschen die beste Medizin. So, ja? Äh,

00:55:43,427 –> 00:55:44,887 [Monchi]

nicht

00:55:44,887 –> 00:55:57,607 [Monchi]

versuchen, nach vorne zu schauen, versuchen was zu reißen und nicht diese Lebenslust zu

verlieren. Weil- Mhm. -ich liebe ja das Leben, ja? Und, äh, mit all den Facetten, die es gibt, mit

all der Scheiße. Aber

00:55:57,607 –> 00:56:00,707 [Monchi]

wenn es da noch Momente gibt in

00:56:00,707 –> 00:56:41,087 [Monchi]

so was wie das bisschen oder wie jetzt, wenn ich heut zu diesem Kulturfluss gehe, wo man

denkt: „Ja, Mensch, hier geht noch was, das ist toll.“ So. Ich glaube, das ist wichtig für einen

selber, für die eigene Seele. Und vor allen Dingen, dass man auch bei sich selber einfach, wie

gesagt, so aufpasst, ne, weil wie gesagt, ich– Es gibt auch so ’ne Zeilen bei uns im Lied, die

heißen, äh, „Faschos bedrohen, Eskalation, pass auf dich auf, sonst kommen sie dich holen“.

Und das meine ich in erster Linie mit dem Kopf, ja? Weil in dieser abgefuckten Zeit, in diesem

Wahnsinn, wenn ich das Handy anmache, denke ich, die Welt geht unter et cetera. Äh, da, da

Leute zu haben, die so einfache Antworten auf schwierige Fragen haben, das ist ja verlockend

und auch für mich ganz oft.

00:56:41,087 –> 00:56:41,787 [Steady]

Ja, klar.

00:56:41,787 –> 00:56:52,507 [Monchi]

Weil sie viel mehr die Emotionen treffen, als irgendwer erklärt mir noch mal in ’nen, äh, zehn

Seiten schlauen Text, warum, weshalb, wieso, wieso dat alles so schwer ist, ne? Äh,

00:56:52,507 –> 00:56:54,207 [Monchi]

das,

00:56:54,207 –> 00:57:50,547 [Monchi]

wenn man das hinkriegen sollte schon für sich selbst, dann ist das schon viel wert, ja? Gibt es

etwas, was du den Westdeutschen, äh, über den Osten unbedingt mitgeben möchtest? Ich

glaube, ihr seid nicht besser und nicht schlechter als wir. Aber ich glaube, das wissen auch ganz

viele. Ich glaube, wenn ich was von überzeugt bin, auch mit den Jahren, mit dem Touren, ich

war da früher, ne, zum Beispiel beim Fußball. Ich hab wirklich daran, also, ich hätt mir niemals

vorstellen können, wirklich in meiner Ultra-Zeit, ne, ja, mit anderen Fans von anderenFußballvereinen befreundet zu sein. Das geht gar nicht, ja? Dat machen nur Weicheier. Jetzt

denke ich auch, Digga, was für’n affiger Scheiß. Was hab ich damals, an was hab ich damals

auch punktuell geglaubt? Weil durch die Band bin ich so viel rumgekommen, ne, in so viel

Städten, nach Nürnberg et cetera, alles. Hab da auf einmal Leute kennengelernt, auch aus

anderen Fußballvereinen und hab mir gedacht: „Scheiße, das sind ja genau so geilen Assis wie

wir oder auch mal Idioten, ne? Wenn ich was gelernt habe, alle sind gleich scheiße, im besten

Sinne, so. Und, äh,

00:57:50,547 –> 00:58:28,287 [Monchi]

wenn ich dieses Ost-West-Ding… Das ist wirklich was auch auf so einer politischen Ebene, was

ich gar nicht– wo ich manchmal gar nicht so krasse Unterschiede seh, ja? Äh, sondern wenn ich

’n Unterschied sehe, einen roten Faden an Unterschieden, dann ist es ganz oft eher ’n

Stadt-Land-Ding, ja? Also ich glaube, hier viele Leute im Saarland zum Beispiel, wenn wir da

unterwegs waren in der Provinz, die haben die gleichen Probleme wie hier in Vorpommern in

der Provinz, ja? Mhm. Und, äh, ich glaube, das ist eher, wenn denn politisch, gesellschaftlich

eher ’nen ganz oft ’n Stadt-Land-Ding, ja? Äh,

00:58:28,287 –> 00:58:29,567 [Monchi]

ja.

00:58:29,567 –> 00:58:38,887 [Monchi]

Ist das so eine Art Perspektivlosigkeit, die man dann beobachtet? [Atmet aus] Boah, weiß i

nicht. Das ist auch so, das ist mir zu viel rumgeheult.

00:58:38,887 –> 00:58:39,487 [Steady]

Das war einfach.

00:58:39,487 –> 00:58:45,807 [Monchi]

Es gibt auch viele, Raúl, es gibt viele Momente, wo ich echt denk, manchmal auch, ne, äh,

00:58:45,807 –> 00:59:28,187 [Monchi]

das ist jetzt hart und ich weiß, am liebsten, me– meine Eltern würden sagen: „Mensch, Gianni,

warum musst du schon…?“ Ne, so wat, ne? Und, [atmet aus] aber ich kann nicht anders, denn–

Also wenn ich– Ich sage mal so: Wenn ich manchmal im Fernsehen, ja, die Leute sehe, äh, hier

auch bei uns im Osten und dieses ständige Rumgejamme, so nationale Jammerlappen, ja? So zu

tun, als ob hier die Scheißwelt untergeht. Wir sind hier im Vergleich zu der Welt, wenn ich mich

umgucke, mit den ganzen Kriegen, ja, mit gesellschaftlich sind wir halt noch hier im verfickten

Paradies. Und irgendwelche Leute mit zwei Autos vor dem Haus führen, mit Einfamilienhaus,

heulen mich noch voll und sagen: „Oh Gott, oh Gott, oh Gott, oh Gott.“ Ja? Und

00:59:28,187 –> 00:59:29,767 [Monchi]

ich kann

00:59:29,767 –> 00:59:59,947 [Monchi]

Existenzängste verstehen. Und ich kann auch verstehen, ja, hier haben Leute wieder was

aufgebaut nach der Wende, ja? So, die haben sich den Arsch aufgerissen. Aber– Und ich kenne

ganz viele Leute, Macher und Macherinnen aus dem Osten, ja, die jammern aber nicht so viel

rum. Und wenn du manchmal im Fernsehen dann nur irgendwelche Jammer-Ossis da siehst, da

kann ich manchmal verstehen, wenn irgendwelche Wessis sagen: „Digga, diese, äh, was ist das

Klischeewort über Äh, Jammer-Ossis oder so, ne? Was ist denn das? Ähm, kann ich sogar

verstehen. Kann ich manchmal sogar verstehen. Der Punkt ist nur,

00:59:59,947 –> 01:00:22,227 [Monchi]in meiner Welt, in meiner Umgebung, da hab ich so viele geile, so viele geile Ossis auch. Die

hier noch was reißen, äh, die noch, die auch Bock haben, äh, und die bei all der Scheiße, die es

bestimmt in der Umgebung gibt hier, äh, auch geile Akzente setzen und was reißen. Dat,

01:00:22,227 –> 01:01:13,800 [Monchi]

dat ist, glaub ich, worauf man den Fokus legen muss, ja? Wo man auch in den Geschichten

erzählen, wenn man übern Osten beispielsweise erzählt, weißt du? Weil, na klar hast du

manchmal auch das Gefühl, hier kommen irgendwelche Journalisten und die wollen am

besten… Ich weiß nicht, kannst du uns nicht noch mal irgendeinen Jugendlichen zeigen, der

jetzt mal schnell Hitlergruß macht, ja? Digga, wenn so jemand kommt-[Einatmen] Dann zeige

ich denen die schönsten Orte, dann zeige ich denen die Ostsee, dann zeige ich denen den

Schwenznerwald, dann zeige ich denen die Toffbrücke, [übersprechen] die wunderschönsten

Orte. Wir leben da, wo, äh, wo andere Urlaub machen. Ja? So. Aber genauso bin ich auch kein

scheiß, äh, Tourismusbeauftragter. Manchmal ja, aber manchmal nein, sozusagen. Und wenn

jemand nur erzählen will, es ist alles toll hier und es ist immer alles schön, dann krieg ich auch

das Kotzen. Dann sag ich auch: „Okay, Digger, das, das, das, das, das. Ja? Mit dem Zeigefinger

zuerst auf mich selbst. Aber, äh, da– das ist sozusagen diese Ambivalenz, in der ich hier lebe.

Ja? So, und, äh,

01:01:13,800 –> 01:01:17,619 [Monchi]

die ich glaube, wie auch in unserer Musik dann so ausdrücken.

01:01:17,619 –> 01:01:22,820 [Raul Krauthausen]

Was, was glaubst du, kann Musik leisten, was reden oder Politiker*innen nicht können?

01:01:22,820 –> 01:01:31,419 [Monchi]

Sie kann verbinden, wie sau. Musik ist wie Fußball. Ja? Es gibt keinen Ort neben, äh, äh, neben

Fußball.

01:01:31,419 –> 01:02:47,559 [Monchi]

Nee, also in so ’nem Stadion, also sozusagen so viele verschiedene Leute bei Hansa Rostock. Ja,

da würden dann Leute auch wieder sagen: „Wie kannst du da hingehen? Ist doch ein

Fascho-Verein.“ Ja, Digger, sollen wir alle zu St. Pauli gehen oder wat, ne? Äh, und alle sollen

sich denn wohlfühlen? Nee, Digger, ist alles gut und kann jeder machen und so finden, aber ich

bin mein Leben lang schon Hansa-Fan und da werde ich auch bis zum Schluss hingehen,

scheißegal. So, und da sind– da kommt so ein Querschnitt der Gesellschaft, ja, so viele

Menschen zusammen, die sich sonst vielleicht nicht mal mit’m Arsch angucken würden. Das

finde ich geil. [übersprechen] Und das ist auch ganz oft in der Musik für mich der Fall. Menschen

zu verbinden, Menschen, die sonst sich vielleicht nicht über, äh, über den Weg laufen, auch bei

Konzerten. Guck mal, wenn wir jetzt so ’ne Konzerte spielen, wir– wir spielen in zwei Wochen,

spielen wir unser größtes eigenes Konzert, ja, was wir bis jetzt in der Geschichte selber gespielt

haben. Da kommen siebzehntausend Leute in der Berliner Wohlheide. Wahnsinn. Und ich laufe

immer rum und gehe aus dem Backstage raus und quatsche mit den Leuten und qua–… Digga,

von überall her. Ja? Und Menschen, die sich sonst nicht in der Arme liegen würden und da für

zwei Stunden, für zwei Stunden [übersprechen] einfach diese ganze Scheiße vergessen, die

Lebenslust zelebrieren. So geil Konzert. Wir gehen nach Hause und sagen: „Alter, hier gibt’s

echt noch viele geile Leute, auch wenn mir der Bildschirm manchmal was anderes verrät. Aber

Alter, Mann, wie toll. So. Das ist, glaube ich, was,

01:02:47,559 –> 01:03:06,479 [Monchi]

was ich nur manchmal bei ’nem Sieg von Hansa habe, wenn sich da alle [übersprechen] in die

Arme liegen oder bei ’nem Konzert, wo ich so echt denk, nachm ??? oder nach dem

Wuhlheide-Konzert, da bin ich immer kaputt, weil… [übersprechen] Klar….ich, so viel Input.Aber

01:03:06,479 –> 01:03:16,119 [Monchi]

ich bin auch beseelt, weil ich dieses Rauskommen, weg vom Handy, weg vom Internet, raus aus

seinen eigenen Gedanken schleifen,

01:03:16,119 –> 01:03:25,679 [Monchi]

zu sehen, Digger, mit all den Fehlern, [Zungenschnalzer] die Menschen haben, die man selber

hat, hej, in Berührung kommen. Das ist doch das Tollste.

01:03:25,679 –> 01:03:27,600 [Monchi]

Gehst du oft auf Konzerte?

01:03:27,600 –> 01:03:29,240 [Raul Krauthausen]

Ich gehe sehr gerne auf Konzerte, tatsächlich.

01:03:29,240 –> 01:03:31,159 [Monchi]

Was hörst du so für Mucke?

01:03:31,159 –> 01:04:11,079 [Raul Krauthausen]

Alles Mögliche. Also wirklich, war jetzt mal, äh, Alligator habe ich jetzt gesehen. Ich hatte

neulich Bosse zu Gast. Er hat mich auf dem Konzert eingeladen. Ähm, Mine, ähm, hat mich auf

dem Konzert eingeladen. Ist schon irgendwie ganz, ganz cool, auch mal so die Leute dann…

Also das ist ja mein Privileg, ne, mit den Leuten dann vorher gesprochen zu haben und, ähm,

ich gehe sogar auf ein Kerstin Ott-Konzert Ende des Jahres. Weil ich es jetzt auch cool finde,

auch so zu merken, am Ende, wie du sagst, ne, Musik verbindet. Und du musst ja selber kein

Ultra-Fan sein, aber du kannst halt sehen, wie andere sich daran erfreuen und, und, und auch…

Also ich kann Kerstin Ott auch was abgewinnen-

01:04:11,079 –> 01:04:12,179 [Monchi]

Digger, Musikrichtung ist mir-

01:04:12,179 –> 01:04:13,159 [Raul Krauthausen]

-bin jetzt aber kein Schwalder-Fan.

01:04:13,159 –> 01:04:14,799 [Monchi]

Entschuldigung, ich wollte dich nicht unterbrechen. Sorry.

01:04:14,799 –> 01:04:15,599 [Raul Krauthausen]

Nee, fertig.

01:04:15,599 –> 01:04:20,879 [Monchi]

Musikrichtung ist mir so scheißegal. Wenn ich was gelernt habe, dann,

01:04:20,879 –> 01:04:22,499 [Monchi]

dass es authentisch sein muss. Und wenn-

01:04:22,499 –> 01:04:22,699 [Raul Krauthausen]

Genau.

01:04:22,699 –> 01:04:31,779 [Monchi]

Jeder das fühlt, Alter, wirklich, wenn so eine Kerstin Otta, äh, äh, auftritt und strahlt bei ’nem

Konzert, Digger, das ist doch das Geilste, was geht. Ist mir doch egal.01:04:31,779 –> 01:04:32,659 [Raul Krauthausen]

Oder wenn die Fans strahlen.

01:04:32,659 –> 01:04:40,899 [Monchi]

Genau, einfach die ganzen Menschen drumherum. So, das ist doch, äh, das ist doch was

Geniales. Ja? Wie g– Wo wohnst du?

01:04:40,899 –> 01:04:42,819 [Raul Krauthausen]

In Berlin, Kreuzberg.

01:04:42,819 –> 01:04:49,119 [Monchi]

Also, wenn du willst, du bist herzlich eingeladen. Wir spielen 19. Juli, spielen wir in der

Wuhlheide, ja?

01:04:49,119 –> 01:04:50,039 [Raul Krauthausen]

Voll gern.

01:04:50,039 –> 01:04:56,699 [Monchi]

Ja, also, nimm so viele du mit… Es gibt ’ne kleine After-Show-Party auch noch danach und so,

wenn du Bock hast, du bist herzlich eingeladen, ja?

01:04:56,699 –> 01:04:57,759 [Raul Krauthausen]

Alles klar, vielen Dank.

01:04:57,759 –> 01:04:58,419 [Monchi]

Das ist etwas-

01:04:58,419 –> 01:04:59,719 [Raul Krauthausen]

Ist ja richtig bald.

01:04:59,719 –> 01:05:12,219 [Monchi]

Ja, das ist ein, das geht. Ich bin– wir proben ab nächster Woche jetzt wieder, äh, so provisorisch

so. Der Proberaum ist noch nicht fertig aufgebaut bei uns im Dorf [lacht], aber

01:05:12,219 –> 01:05:13,879 [Monchi]

ich bin so aufgeregt.

01:05:13,879 –> 01:05:15,459 [Raul Krauthausen]

Und da kommt ihr mit dem Nightliner, oder wie?

01:05:15,459 –> 01:05:25,639 [Monchi]

Nee, nee, nee. Das, nö. Ich fahr schon ’n Abend vorher. Ich bin, äh, bei Sido, der spielt in der

Waldbühne und mit dem habe ich mal ’n Lied zusammen gemacht und trete da auf. Also bin

schon vorher in Berlin.

01:05:25,639 –> 01:05:29,419 [Raul Krauthausen]

Auf den Plakaten von Sido steht „Westberlin“. Das find ich so witzig, hehe.

01:05:29,419 –> 01:05:32,359 [Monchi]

Ja, guck, Völkerverständigung. [lacht]

01:05:32,359 –> 01:05:33,059 [Raul Krauthausen]

Richtig.01:05:33,059 –> 01:05:47,739 [Monchi]

Und, äh, aus– Bei uns, wenn du, wenn du Nightliner fährst, dann fährst du eigentlich nur

Nightliner immer, startest ab Berlin, weil bei uns im Rostock gibt’s keine Nightliner-Firma. Gibt’s

gar nicht so viele Bands, wo sich das rentieren würde oder so. Im MV. Also wir kommen-

01:05:47,739 –> 01:05:54,459 [Raul Krauthausen]

Aki von Bosse, äh, hat erzählt, er fährt grun– ungerne Nightliner, weil man dann nach ’ner

Woche krank ist.

01:05:54,459 –> 01:06:50,107 [Monchi]

Ja, du hast halt, ja… Also, kann ich bestätigen, weil du natürlich immer das einfach mit der

Lüftung so hast, ne? [übersprechen] Und ich bin ’ne Zeit lang, ich habe es gehasst Nightliner zu

fahren, weil ich ja lange gar nicht in die Betten reingepasst habe. Das ist das Schlimme. Ja,

stimmt. Und ich hatte immer Angst, Scheiße, wenn jemand unter mir liegt, oh Gott, das Ding

bricht, das Ding bricht, das Ding bricht, ne? Jetzt nicht schon wieder drehen, nicht schon wieder

drehen, ja? Äh, dadurch hab ich’s gehasst. Und ich sag mal, das ist ein Privileg, was ich mir

erfressen habe. Irgendwann hat die Band gesagt, es gibt im Nightliner gibt’s denn so hinten, äh,

äh, so, äh, Couchen, ja? Die kannst du aber auch umbauen zu ’nem größeren Bett. Und, äh,

irgendwann haben die zu mir gesagt: „Du darfst da hinten. [Husten] Wir brauchen die Couchen

nicht.“ Aber vielleicht auch weil sie Angst hatten, dass ich auf sie rauf falle, wie auch immer.

Nee, aber das, äh-[Schmunzeln] Ich habe ’ne Zeit lang Leitleiterfahnen auch gehasst. Jetzt mag

ich’s echt sehr, weil ich ’n großes Bett hab, aber dafür würden, also…

01:06:50,107 –> 01:06:50,947 [Raul Krauthausen]

[lacht]

01:06:50,947 –> 01:06:53,228 [Monchi]

Ich kann jeden verstehen, der es nicht mag.

01:06:53,228 –> 01:06:59,827 [Raul Krauthausen]

Ähm, du hast mal gesagt, dass es befreiend gewesen sei für dich, nicht mehr gegen Nazis zu

kämpfen, sondern für Menschen.

01:06:59,827 –> 01:07:00,207 [Monchi]

Ja.

01:07:00,207 –> 01:07:04,207 [Raul Krauthausen]

Ist dieser Perspektivwechsel tatsächlich der, den wir mehr machen sollten?

01:07:04,207 –> 01:07:07,387 [Monchi]

Ja, das ist für mich etwas…

01:07:07,387 –> 01:07:15,627 [Monchi]

Deswegen meine ich, bei Überzeugungsarschlöchern da klare Kante und sich gerade machen.

Aber ich denk immer,

01:07:15,627 –> 01:07:45,227 [Monchi]

wenn ich, wenn ich, wenn du das zum Beispiel diese Zeilen grad liest, ja, da denke ich einfach

so krass an diesen Freund von mir Lothar König. Es gibt ’ne Doku auch über ihn im Fernsehen.

König hört auf, heißt das. Ist ’n Mensch, der sich in der DDR gegen, ja, die Stasi, gegen die

Unterdrückung grade gemacht hat, dann in der, äh, äh, in der BRD schon auf ’n NSU in Jena

hingewiesen hat, als keiner was davon hören wollte. Äh, aber in erster Linie immer ’n Mensch,

der was für Menschen gemacht hat, ja. Ähm,01:07:45,227 –> 01:07:54,927 [Monchi]

es gibt neben meinen Eltern, neben meiner Familie, glaub ich, nahezu niemanden, der mich so

krass geprägt hat wie dieser Mensch. Und den hab ich so vor zehn, zwölf Jahren kennengelernt

und…

01:07:54,927 –> 01:08:04,187 [Monchi]

Der war auch manchmal ’n Wichser, auch wenn er Pfarrer war. Das würd er selber gleich sofort

von sich behaupten, wenn er jetzt von oben runtergucken würde, würde er sagen, Monchi, red

nicht, also…

01:08:04,187 –> 01:08:07,287 [Monchi]

Manchmal war ich auch ’n Arschloch. Aber

01:08:07,287 –> 01:08:17,947 [Monchi]

im Herzen hat er mich da so geprägt zu dieses, dass es einfach für viel, viel geiler ist, was für

Leute zu machen. Lass uns schauen, was uns verbindet und nicht, was uns trennt. Ähm.

01:08:17,947 –> 01:08:18,487 [Raul Krauthausen]

Mhm.

01:08:18,487 –> 01:08:29,127 [Monchi]

Davon bin ich fest überzeugt. Wenn wir da bei dem gespielt haben, Konzerte, der hatte, also

Junge Gemeinde hieß das in Jena, JG Stadtmitte.

01:08:29,127 –> 01:08:31,027 [Monchi]

Manchmal hast du

01:08:31,027 –> 01:08:59,707 [Monchi]

in so linken Orten oder so was, wenn wir, wir haben ja früher immer an so linken AIZs und so

was alles gespielt, ne, äh, an jeder Gießkanne. Da hast du ganz oft son Dresscode gehabt oder

hast vielleicht auch so was gehabt, ne, oh Gott nichts Falsches sagen und oh Gott müssen alle

gleich aussehen, gefühlt so, ne. So. Und das war auf einmal so ’n Ort, da kamen Leute im

schicksten Anzug zusammen mit dem größten, im positivsten Sinne genannten asozialen

Punker mit irgendwelchen Hools, mit… Da kam alles zusammen,

01:08:59,707 –> 01:09:04,567 [Monchi]

vom Bänker bis zum Punker. Und

01:09:04,567 –> 01:09:06,887 [Monchi]

ich habe mir gedacht, wenn die–

01:09:06,887 –> 01:09:22,787 [Monchi]

so müsste, so müsste Gesellschaft sein. Guck mal, jetzt hab ich eigentlich, ich revidiere mich.

Nicht nur Musik und Hansa Rostock ist so, sondern damals zu Zeiten von Lothar König, die

JG-Stadtmitte Jena, zu Zeiten von Lothar, das war ’n Ort,

01:09:22,787 –> 01:09:47,487 [Monchi]

der mich tief berührt hat und auch tief geprägt hat und wodurch auch nur so was wie äh, unser

??? in den Jahren entstanden ist. Weil ich gedacht hab, boah, so was als Band machen, wenn

wir die Möglichkeit haben grade, dass uns so viele Leute zuhören oder auch mit am Start sein

wollen. Wir haben’s hier geschafft, echt nahezu jeden Verein vom Drachenbootverein, vom

Volleyballverein, vom Fußballverein, äh, dass sie mit am Start sind, äh…01:09:47,487 –> 01:09:48,787 [Raul Krauthausen]

Nächstes Jahr auch wieder im September.

01:09:48,787 –> 01:09:52,047 [Monchi]

Ja, genau. Auch da bist du herzlich eingeladen, ja?

01:09:52,047 –> 01:09:55,067 [Raul Krauthausen]

Was, was, was steht an? Kannst du schon was verraten?

01:09:55,067 –> 01:10:01,567 [Monchi]

Ja, wir machen, wir machen eigentlich bei unserem Dorf, wir nennen das immer das geilste

Dorffest Ostdeutschlands, [lachen] ja. Und es ist wirklich…

01:10:01,567 –> 01:10:03,207 [Raul Krauthausen]

Geiler als???

01:10:03,207 –> 01:10:15,467 [Monchi]

Ne, ja, na ja, [lachen], na ja, doch. [lachen] Nein, ich kenn dich auch. Kein Witz. Ich habe auch

manchmal ’ne große Klappe, ne. So, äh,

01:10:15,467 –> 01:10:24,007 [Monchi]

wir machen von Dumm bis Schlau ist da immer alles dabei, ja, vom vom Arschbombenkontest

bis hin zu ’ner Lesung, äh, äh, bis hin zu ’nem Filmabend, äh, Kinoabend.

01:10:24,007 –> 01:10:25,347 [Raul Krauthausen]

Mehrere Tage lang, ne?

01:10:25,347 –> 01:10:26,267 [Monchi]

Bitte?

01:10:26,267 –> 01:10:27,227 [Raul Krauthausen]

Mehrere Tage lang?

01:10:27,227 –> 01:10:44,687 [Monchi]

Ja, von Donnerstagabend kommen die Leute eigentlich an bis Sonntag. Und wir haben so

mehrere Ecken, bei uns am See ist eine Bühne aufgebaut. Es gibt ’n Fußballturnier, es gibt ’n

Volleyballturnier und dann halt am Samstagabend sind wir dann immer Headliner, spielen so als

letztes. Aber auch da ist so die Musikrichtung scheißegal, ne. Zum Beispiel,

01:10:44,687 –> 01:10:47,927 [Monchi]

also ein Mensch, der mir sehr nahe steht,

01:10:47,927 –> 01:11:11,067 [Monchi]

ich kann’s jetzt, glaub ich, einfach sagen, ist auch scheißegal, ich hab das, glaub noch nie so

formuliert, aber also mein Bruder macht auch Schlager, so, ja. Äh, aber alle wissen’s eigentlich

unter der Hand, deswegen ist mir auch zu affig jetzt so. Aber, ne, vom Schlager über Hip Hop,

Hinterlandgang, Leute, die auch aus Vorpommern herkommen, bis hin zu irgendwelchen

größeren Acts in den letzten Jahren,???, die hier gespielt haben, ja. Äh,

01:11:11,067 –> 01:11:24,947 [Monchi]

Hauptsache keine Überzeugungsarschlöcher, das ist die… Und sonst, ansonsten, ihr seid alle

willkommen, alle Sünder zu uns. So, ja? [kichern] Mit all euren Fehlern. Ja. Und, äh, das ist

etwas,01:11:24,947 –> 01:11:31,247 [Monchi]

danach denk ich immer, okay, hier geht noch ’n bisschen was, so, innerhalb der Gesellschaft,

so. Und auch in der Region.

01:11:31,247 –> 01:11:38,467 [Raul Krauthausen]

Aber so wie du das beschreibst, ich weiß gar nicht, ob du, ob du das mit Absicht machst, aber

das klingt immer so ’n bisschen auch so ’n untergehendes Schiff.

01:11:38,467 –> 01:11:41,467 [Monchi]

Ja, hart.

01:11:41,467 –> 01:11:43,127 [Monchi]

Ja.

01:11:43,127 –> 01:11:46,467 [Monchi]

Ist das so? Hab ja auch gesagt, dass ich mich freu, wenn’s in zehn Jahren noch halbwegs so ist,

wie’s jetzt ist.

01:11:46,467 –> 01:11:48,287 [Raul Krauthausen]

Ja.

01:11:48,287 –> 01:11:52,467 [Monchi]

Aber ich will jetzt auch nicht sagen, dass, ich würd jetzt auch keinen [atmen]

01:11:52,467 –> 01:11:57,987 [Monchi]

Oh ja, das, das ist jetzt hart, ja, aber,

01:11:57,987 –> 01:12:03,167 [Monchi]

ich sag mal so, wenn man sich vor zehn Jahren, was ist jetzt? Zwei fünfundzwanzig?

01:12:03,167 –> 01:12:04,227 [Raul Krauthausen]

Mhm. Grade so.

01:12:04,227 –> 01:12:06,167 [Monchi]

Wenn wir,

01:12:06,167 –> 01:12:25,607 [Monchi]

wenn zwei fünfzehn immer alle Leute, äh, dann sich schon vielleicht über zwei dreizehn gesagt

haben, boah, krass, die AfD zieht ein, das gibt’s doch gar nicht. Und hoffentlich zieht die nicht

ein in Landtag, Bundestag. Jetzt reden wir darüber, bei uns ist die einfach, bei uns gibt’s in der

Region, das ist Volkspartei. Hier gibt’s Orte in der Gegend von mir, die haben siebzig Prozent.

01:12:25,607 –> 01:12:28,927 [Raul Krauthausen]

Mhm. In zehn Jahren, krass, ne?

01:12:28,927 –> 01:12:36,027 [Monchi]

In, innerhalb von zehn Jahren? Was ist in zehn Jahren? Was ist in zehn Jahren? Und

01:12:36,027 –> 01:12:43,867 [Monchi]

wie gesagt, ich halt nichts von so ’ner Weltuntergangsstimmung. Ich halt nichts davon, oh Gott,

oh Gott, hier steht gleich, äh, der Nationalsozialismus vor der Tür, wie auch immer.

01:12:43,867 –> 01:12:45,367 [Raul Krauthausen]Aber jetzt sag es ernst.

01:12:45,367 –> 01:13:15,627 [Monchi]

Aber es ist, äh, schon so, dass ich denke-Eigentlich alle halbwegs coolen Leute. Und ich hätte

das damals auch nie so geschätzt, so zu schätzen wissen. Ja, also weißt du, wie gesagt, das ist

doch auch maximal uncool in der Punkrock-Band jetzt zu sagen: „Mann, ich freue mich, wenn in

zehn Jahren hier noch die Verhältnisse so sind, demokratische Verhältnisse sind, wie sie sind.

Weil eigentlich müsste es doch alles kacke und alle scheiße. Aber umso mehr ich gereist bin,

umso mehr ich unterwegs war in meinem Leben, ob

01:13:15,627 –> 01:13:19,347 [Monchi]

ja an vielen Orten,

01:13:19,347 –> 01:13:30,427 [Monchi]

umso mehr habe ich erst schätzen zu schätzen gelernt, was für ein scheiß Glück ich hatte, wo

ich geboren wurde, was es mit all

01:13:30,427 –> 01:13:36,988 [Monchi]

den Sachen, die hier angegangen werden müssen an gesellschaftlichen Problemen bestimmt.

Aber

01:13:36,988 –> 01:14:03,567 [Monchi]

ich hatte einfach nur Glück, dass meine Eltern in Vorpommern gefickt haben und nicht in

Aleppo. Das ist einfach so. Dafür habe ich nicht viel getan und dafür bin ich aber trotzdem umso

mehr dankbarer und denke auch manchmal War das bei uns auch so, weißt du, wenn du so

zwanzig und wenn ich damals vielleicht mit Anfang zwanzig: „Ach Mensch, man braucht doch

nicht wählen und alle Parteien scheiße. Das war so was wie Wohlstandsverwahrlosung. Man

wusste gar nicht, was man hatte.

01:14:03,567 –> 01:14:06,607 [Monchi]

Und

01:14:06,607 –> 01:14:08,507 [Monchi]

umso mehr

01:14:08,507 –> 01:14:10,647 [Monchi]

hoffe ich,

01:14:10,647 –> 01:14:19,448 [Monchi]

dass das nicht vor die Hunde geht und dass man auch in zehn Jahren noch ein bisschen Ja

machen kann, weil was ist.

01:14:19,448 –> 01:14:24,888 [Raul Krauthausen]

Braucht es mehr coole Leute einfach in Yemen und Jammeln und Meckborn?

01:14:24,888 –> 01:14:26,127 [Monchi]

Bitte, was sagst du?

01:14:26,127 –> 01:14:32,627 [Raul Krauthausen]

Braucht es mehr coole Leute? Sagt man denn beim Appell an die

01:14:32,627 –> 01:14:36,187 [Raul Krauthausen]

Wohlstandsverwahrlosten? Oder wie heißt denn jetzt Wohlstands?01:14:36,187 –> 01:14:43,907 [Monchi]

Ich habe gesagt, dass ich, glaube ich, eine Zeit lang wohlstandsverwahrlost war. Ich will das gar

nicht immer in erster Linie sozusagen auch „Oh, die anderen, sondern ich meine das wirklich

auf mich-

01:14:43,907 –> 01:14:49,527 [Raul Krauthausen]

Okay, aber braucht du es von den Menschen, die gar nicht wissen, wie gut es ihnen geht, mehr

01:14:49,527 –> 01:14:50,047 [Raul Krauthausen]

im Osten?

01:14:50,047 –> 01:15:11,147 [Monchi]

Erst mal würde ich provokativ sagen, dass hier sowieso die Leute größtenteils cooler sind als

die Leute in den großen Städten. Okay. Nein, aber nein. Also das meine ich mit mir nahe sind.

Ich weiß es nicht. Ich will auch nicht so eine Untergangsstimmung da verbreiten, aber du hast

halt gerade einen Punkt getroffen. Natürlich, manchmal hört es sich vielleicht auch so an.

01:15:11,147 –> 01:15:20,727 [Monchi]

Und ich habe auch keinen Bock auf, immer die ganze Zeit so ’n Motivationstrainer zu machen.

Das ist ja auch nicht bei mir immer total klar. Manchmal denke ich-Oder ein Tourismusführer, ja,

verstehe ich.

01:15:20,727 –> 01:15:23,827 [Monchi]

Genau, ich habe das Beispiel schon genannt.

01:15:23,827 –> 01:15:35,147 [Raul Krauthausen]

Was ich stark fand, war, dass du gesagt hast, weil du engagierst dich auch für Ukraine

Geflohene, dass du gesagt hast, Solidarität darf kein kurzfristiger Akt sein

01:15:35,147 –> 01:15:39,687 [Raul Krauthausen]

und man braucht einen langen Atem und muss dabei aufpassen, nicht auszubrennen.

01:15:39,687 –> 01:15:57,147 [Monchi]

Ja, ich glaube, das ist dann auch wieder in erster Linie mit dem Zeigefinger auf mich selbst.

Manchmal gab es vielleicht auch Sachen, wo ich zu kurzfristig am Start war und manchmal, wo

man bemerkt, weniger ist mehr im Sinne von: Man kann nicht die ganze Welt retten und man

kann auch nicht… In erster Linie muss es

01:15:57,147 –> 01:16:12,867 [Monchi]

einem auch selber halbwegs gut gehen, damit man anderen Menschen helfen kann. Eigentlich

ist manchmal auch einfach nur kompensieren und oh Gott, oh Gott, sich nicht mit sich selber

auseinandersetzen. Und ich denke, in diesem Zeitalter von so…

01:16:12,867 –> 01:16:28,427 [Monchi]

Ja, so diesen… Also ich glaube, man lebt so manchmal und ich will auch nicht so… Ich sehe

auch gute Sachen. Ich will nicht immer so: „Oh Gott, ja, alles am Internet so schlimm, aber

manchmal habe ich das Gefühl, umso mehr du im Internet einen Harten machen kannst oder so

einen Internetaktivist

01:16:28,427 –> 01:16:41,267 [Monchi]

drauf machst, brauchst du im Alltag gar nichts machen. So habe ich einfach schon viele Leute

oftmals erlebt und das finde ich einfach sehr komisch und finde dann, wenn wirklich so

praktische Sachen, menschliche, humanistische Sachen,01:16:41,267 –> 01:16:43,627 [Monchi]

wenn man da

01:16:43,627 –> 01:17:05,007 [Monchi]

den Arsch hochkriegt, das ist wichtig und da am Start zu bleiben, so eine Kontinuität

hinzukriegen. Sowohl im, was weiß ich, wenn ich so was sage, wie mit dem USN-Jahn, dem

Dorffest, dass man das nicht einmal macht, sondern: „Ey, wir wollen hier was aufbauen. Wir

wollen am Start sein. Wir machen den Proberaum hierhin. Genauso denke ich jetzt zum Beispiel

einfach, wenn man sieht,

01:17:05,007 –> 01:17:07,167 [Monchi]

dass so nahe

01:17:07,167 –> 01:17:15,807 [Monchi]

wie vor ein paar Jahren oder natürlich jetzt auch immer noch der Krieg ist in der Ukraine und

man kann Menschen irgendwie helfen. Von Rostock aus sind wir

01:17:15,807 –> 01:17:18,967 [Monchi]

an die ukrainische Grenze gefahren, so lange wie

01:17:18,967 –> 01:17:32,487 [Monchi]

wir nach München fahren würden. Da herrscht Krieg und man da Menschen aus der Scheiße

holen kann. Da macht man das einfach. Und wir sind hier mit, glaube ich, 15, 20 Autos aus

Rostock, Hamburg und so hingefahren. Ganz, ganz unterschiedliche Leute.

01:17:32,487 –> 01:17:34,787 [Monchi]

Und ich finde,

01:17:34,787 –> 01:17:45,147 [Monchi]

sich so eine humanistischen Sachen beizubehalten und dann nicht abzustumpfen, nicht

komplett auszubrennen, sondern dann in solchen Momenten

01:17:45,147 –> 01:17:50,327 [Monchi]

am Start zu sein, in dem Bewusstsein, dass man auch nicht die Welt retten kann.

01:17:50,327 –> 01:17:56,727 [Monchi]

Aber das ist schon etwas, was ich hoffe, was wir uns als Band und ich mir als Menschen

01:17:56,727 –> 01:17:59,207 [Monchi]

einfach immer beibehalten werde.

01:17:59,207 –> 01:18:03,707 [Raul Krauthausen]

Hast du in deinem Umfeld Menschen mit Behinderung?

01:18:03,707 –> 01:18:04,887 [Raul Krauthausen]

Oder kennst du Musiker? Innen?

01:18:04,887 –> 01:18:15,747 [Monchi]

Ja, ich habe so zwei, drei Leute, die im Rollstuhl sitzen. Aber das sind auch mehr Das sind

Menschen, die erst im Rollschlur gelandet sind.

01:18:15,747 –> 01:18:23,127 [Monchi]

Was ist das? Das ist bestimmt was… Darf ich dich auch ein bisschen fragen, Jane? Ja, unbedingt.01:18:23,127 –> 01:18:28,347 [Monchi]

Hast du viele Menschen… Du hast vorhin nämlich gesagt, du hast keine Freunde gehabt, die

eine Behinderung hatten.

01:18:28,347 –> 01:18:38,667 [Raul Krauthausen]

Ja, das hatte ich geändert, dass ich dann das reflektierte und dann auch gemerkt habe, da gibt

es ein unbearbeitetes Feld in meinem Leben, das ich erkunden möchte.

01:18:38,667 –> 01:18:40,287 [Monchi]

Aber warum war das so?

01:18:40,287 –> 01:18:46,587 [Raul Krauthausen]

Also ich glaube, das habe ich von meinem Elternhause. Ich habe immer versucht,

01:18:46,587 –> 01:19:07,215 [Raul Krauthausen]

so zu sein wie die Nichtbehinderten, genauso gut. Und meine Eltern haben immer gesagt: „Ja,

das musst du aber gar nicht.„guck mal, tausche doch mal auch mit anderen behinderten

Menschen aus. Es kann doch nicht sein, dass du immer der Erste und der Einzige bist, auf den

du triffst mit Behinderung.

01:19:07,215 –> 01:19:11,635 [Raul Krauthausen]

Ich glaube, sie haben mir immer gesagt, dass sie glauben, dass ich was verpasse.

01:19:11,635 –> 01:19:28,836 [Raul Krauthausen]

Und das hat sehr lange in mir gearbeitet, aber sie konnten mich jetzt auch nicht einfach

zwingen. Da war ich auch schon zu alt für. Und ich fand es auch immer komisch, wenn meine

Eltern, als ich Kind war, gesagt haben: „Guck mal, da drüben ist jemand im Rollstuhl und halte

dich frei. Das war mir zu wenig Gemeinsamkeit.

01:19:28,836 –> 01:19:38,856 [Raul Krauthausen]

Dass dann irgendwann mit Mitte 20 ich dann Ich habe selber gemerkt habe, ich möchte das

verstehen, herausfinden, was da für eine Welt ist.

01:19:38,856 –> 01:19:43,115 [Raul Krauthausen]

Und ich habe damals noch bei meinem Elternhaus gewohnt

01:19:43,115 –> 01:19:49,356 [Raul Krauthausen]

und habe dann von anderen Menschen mit Behinderungen einfach nur durchs Abgucken,

beobachten

01:19:49,356 –> 01:20:07,115 [Raul Krauthausen]

gelernt, wie das ist, alleine zu wohnen. Wie wäre das für mich? Habe ganz viel mit mir selber

erst mal ausgemacht und erst dann später angefangen, auch zu fragen: „Wie organisiert man

das? Wie hast du eine Wohnung gefunden? Und so weiter. Aber es war total wichtig, wie dieser

Spiegel,

01:20:07,115 –> 01:20:11,115 [Raul Krauthausen]

quasi zu sehen, wie andere mit Behinderungen leben

01:20:11,115 –> 01:20:23,115 [Raul Krauthausen]

und auch auszuhalten, dass das auch bei mir so aussieht. Also wenn ich andere beobachtet

habe, wie die mit Assistenz von A nach B gehen oder sich unterhalten,01:20:23,115 –> 01:20:32,115 [Raul Krauthausen]

dann war das für mich ja auch… Also das kann ja auch ich sein, theoretisch, wie so ein Blick in

den Spiegel und das wollte ich immer nicht

01:20:32,115 –> 01:20:37,635 [Raul Krauthausen]

wahrhaben. Und wir hatten bei uns in der Schule, gab es einen,

01:20:37,635 –> 01:20:54,995 [Raul Krauthausen]

der zwei Klassen über mir war, mit der gleichen Behinderung wie ich. Und ich habe den

heimlich immer beneidet für seinen Freundeskreis und seine Freundschaften und wie er

Tischtennis spielt und so. Und ich habe gar nicht gemerkt, dass ich das auch hatte.

01:20:54,995 –> 01:21:00,835 [Raul Krauthausen]

Ich hatte auch Freunde und einen Freundeskreis und ich habe kein Tischtennis gespielt, aber

01:21:00,835 –> 01:21:05,575 [Raul Krauthausen]

ich habe quasi erst später realisiert,

01:21:05,575 –> 01:21:08,755 [Raul Krauthausen]

dass das eigentlich der Blick in den Spiegel war.

01:21:08,755 –> 01:21:13,255 [Raul Krauthausen]

Besser kann ich das gar nicht beschreiben gerade, aber das war eine total wichtige Erfahrung

für mich.

01:21:13,255 –> 01:21:30,095 [Monchi]

Du hast das sehr gut beschrieben. Wenn ich mir vorstelle, warum hast du es gefragt mit dem,

ob ich Menschen mit Behinderungen in meinem Umfeld habe? Weil es einfach bestimmt eine

Standardfrage, die man sozusagen bestimmten Leuten stellt, weil natürlich ganz oft

rauskommt, man hat nicht viel mit Menschen mit Behinderungen zu tun, oder?

01:21:30,095 –> 01:21:35,515 [Raul Krauthausen]

Ja, und auch gerade, weil wir über Ostdeutschland geredet haben und über

01:21:35,515 –> 01:21:38,515 [Raul Krauthausen]

Vorurteile ja auch.

01:21:38,515 –> 01:21:47,455 [Raul Krauthausen]

Und weil im Kulturbetrieb es ja auch relativ wenig Menschen mit Behinderungen gibt, so

allgemein, nicht nur im Punkrock, sondern allgemein.

01:21:47,455 –> 01:21:53,275 [Raul Krauthausen]

Aber gleichzeitig, und das ist ja die Idee auch dieses Podcasts, trotzdem jeder jemanden kennt.

01:21:53,275 –> 01:21:57,275 [Monchi]

Wie ist das? Ich weiß wirklich nicht.

01:21:57,275 –> 01:22:06,275 [Monchi]

Also hast du auch als explizit Menschen, die im Rollstuhl sitzen, ein Behindertter? Sage ich jetzt

einfach mal, ich habe keine Ahnung. Sag mal jetzt mal, fühlt sich der angegriffen.

01:22:06,275 –> 01:22:07,515 [Raul Krauthausen]

Menschen mit Behinderung, kannst du sagen.01:22:07,515 –> 01:22:11,095 [Monchi]

Menschen mit Behinderung. Ja, okay, alles klar.

01:22:11,095 –> 01:22:13,735 [Monchi]

Als Mensch mit Behinderung,

01:22:13,735 –> 01:22:17,935 [Monchi]

wie ist die Agenda der AfD da? Ich weiß wirklich überhaupt nichts.

01:22:17,935 –> 01:22:20,635 [Raul Krauthausen]

Ehrlich gesagt, sehr gruselig.

01:22:20,635 –> 01:22:32,235 [Raul Krauthausen]

Also Herr Höckel und Co. Hat man dann schon auch mal in den Medien sagen hören, dass

Inklusion alles Ideologien seien, die man abschaffen solle.

01:22:32,235 –> 01:22:34,255 [Raul Krauthausen]

Und

01:22:34,255 –> 01:22:50,935 [Raul Krauthausen]

das wird finster werden, wenn das so weit ist und wir auch in den konservativen Kreisen jetzt

immer mehr hören, dass das alles so teuer geworden sei und wir müssen jetzt sparen, sparen,

sparen. Aber ich höre sie mein Leben lang, dass wir sparen müssen.

01:22:50,935 –> 01:23:00,415 [Raul Krauthausen]

Immer schon. Ich weiß gar nicht, wo diese Besessenheit herkommt, immer alles sparen zu

müssen, weil dann ja doch Geld da ist für andere Dinge.

01:23:00,415 –> 01:23:04,015 [Raul Krauthausen]

Das ist, glaube ich, einfach immer leicht, auf die

01:23:04,015 –> 01:23:08,675 [Raul Krauthausen]

in der Kette ganz unten zu treten und zu zeigen,

01:23:08,675 –> 01:23:19,935 [Raul Krauthausen]

obwohl ja niemandem was weggenommen wurde, wenn behinderte Menschen Unterstützung

bekommen oder in die Regelschule gehen oder so. Da wird man sehr schnell vereinzelt, auch

gegeneinander ausgespielt.

01:23:19,935 –> 01:23:21,935 [Monchi]

Merkst du jetzt schon was davon?

01:23:21,935 –> 01:23:32,975 [Raul Krauthausen]

In Berlin, Kreuzberg, jetzt noch nicht so stark, aber man merkt schon die Debatten. Friedrich

Merz hat jetzt in den letzten Wochen schon ein paar Sachen gesagt zum Thema

01:23:32,975 –> 01:23:38,975 [Raul Krauthausen]

Sozialleistungen, die gekürzt werden sollen. Und das wird auch behinderte Menschen treffen.

01:23:38,975 –> 01:23:42,575 [Raul Krauthausen]

Und wenn wir über Schule und Inklusion reden,

01:23:42,575 –> 01:24:00,735 [Raul Krauthausen]das sind eher Rückschritte, wo Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen sollen,

was eigentlich die Idee ist und so. Und jetzt immer mehr Leute sagen: „Das können wir nicht

leisten. Der Unterricht verlangsamt sich und Lehrerinnen sagen, wir sind dafür gar nicht

ausgebildet und so.

01:24:00,735 –> 01:24:20,095 [Raul Krauthausen]

Aber Eltern von Kindern mit Behinderungen hatten ja vorher auch keine Ausbildung. Ich frage

mich immer, wo dieser Anspruch auch herkommt, immer alles zu problematisieren und von

Aufklärung zu sprechen, die man vorher haben soll. Dabei sind wir, wie du sagst, auch einfach

erst mal Menschen.

01:24:20,095 –> 01:24:22,555 [Raul Krauthausen]

Und die einen laufen und die anderen nicht.

01:24:22,555 –> 01:24:23,575 [Monchi]

Darf ich dir noch was fragen?

01:24:23,575 –> 01:24:24,615 [Raul Krauthausen]

Ja, unbedingt.

01:24:24,615 –> 01:24:30,335 [Monchi]

Ich habe jetzt nämlich gerade, als du auch gesagt hast, mit Schule und Freundeskreis, wenn du

jetzt auch so passt.

01:24:30,335 –> 01:24:37,915 [Monchi]

Ich glaube, wir hatten damals… Ich musste immer in der Schule wechseln. Da gab es ein

bisschen zu viel Stress.

01:24:37,915 –> 01:24:44,255 [Monchi]

Aber eine Zeit lang war ich auf einem Gymnasium, wo ein Rollstuhlfahrer war. Ja.

01:24:44,255 –> 01:24:53,515 [Monchi]

Und dann nachher in meinem Gymnasium, glaube ich, nicht mehr. Warst du an so einer

Regelschule?

01:24:53,515 –> 01:24:57,095 [Raul Krauthausen]

Ich war an einer der wenigen Regelschulen in Berlin.

01:24:57,095 –> 01:25:15,815 [Raul Krauthausen]

Auch Regelkindergarten und das war.Wie ich dann später herausgefunden habe, tatsächlich

kein Projekt meiner Eltern. Sondern es war einfach Glück. Wir sind einfach einer Familie gefolgt,

die das so gemacht hat. Und dann hatte ich einfach Glück, in der richtigen Kita gelandet zu

sein.

01:25:15,815 –> 01:25:25,096 [Raul Krauthausen]

Und das hat mich, glaube ich, auch zu dem gemacht, der ich bin, dass ich eben dann schon

auch gemerkt habe,

01:25:25,096 –> 01:25:53,676 [Raul Krauthausen]

Das ist das, was ich meine. Mein Freundeskreis ohne Behinderung, der war auch wichtig, weil

ich dann eben auch gemerkt habe, du kannst dich auf der Behinderung nicht ausruhen oder es

ist nicht alles die Behinderung schuld. Wenn du schlecht in Mathe bist, dann bist du halt einfach

faul oder so. Und gleichzeitig aber auch die Erfahrung zu machen, im Sportunterricht ist haltnicht deine Party und wird es auch nie sein. Und auch das auszuhalten und auch das mit der

Klasse auszuhalten

01:25:53,676 –> 01:26:02,275 [Raul Krauthausen]

und Bundesjugendspiele, alle beschämt, nicht genau wissen, was machen wir jetzt mit Raoul,

ist ja auch, glaube ich

01:26:02,275 –> 01:26:06,215 [Raul Krauthausen]

Behinderte Menschen haben auch ein Recht auf Niederlagen, sage ich immer.

01:26:06,215 –> 01:26:19,115 [Raul Krauthausen]

Man darf sich nur mit Niederlagen nicht alleine lassen, so wie man niemanden mit Niederlagen

alleine lassen sollte. Aber es ist auch wichtig, das zu merken, was man kann und oder eben

nicht kann.

01:26:19,115 –> 01:26:28,115 [Raul Krauthausen]

Und das lernt man am besten, wenn man sich vergleicht, wenn man ausprobiert und dann kann

man Grenzen verschieben oder kennenlernen.

01:26:28,115 –> 01:26:30,455 [Monchi]

Ich glaube,

01:26:30,455 –> 01:26:35,935 [Monchi]

ich als Mensch, der nicht über Rollstuhl sitzt, Mhm

01:26:35,935 –> 01:26:42,495 [Monchi]

Ich muss einfach ehrlich sagen, ich würde es quatschen, wenn ich so tue, als wenn ich mich da

jetzt viel auseinandergesetzt habe mit dem Thema.

01:26:42,495 –> 01:26:45,795 [Raul Krauthausen]

Du hast vorhin gesagt, dass du dir die Behinderung angefressen hättest.

01:26:45,795 –> 01:26:52,915 [Monchi]

Genau. Das heißt, du hast ja vielleicht dann auch Erfahrungen gemacht? Genau. Also ich habe

sozusagen mir auch…

01:26:52,915 –> 01:27:05,855 [Monchi]

Habe Erfahrungen mit Behinderungen gemacht, aber sehe das halt sozusagen… Oder sag mal,

das ist doch ein klarer Unterschied, oder? Auch aus deiner Perspektive, ob man sich das selber

angefressen hat oder ob man mit Behinderung geboren wurde.

01:27:05,855 –> 01:27:10,675 [Raul Krauthausen]

Ja, also das ist dann die erworben oder die angeborene Behinderung.

01:27:10,675 –> 01:27:19,235 [Raul Krauthausen]

Ob Ich würde jetzt ungern von Schuld reden. Also selber angefressen klingt ja wie Schuld. Es

kann ja auch eine Krankheit sein oder…

01:27:19,235 –> 01:27:27,995 [Monchi]

Ist richtig, aber auch… Trotzdem, also ja, das ist eine Diskussion, die ich mit mir natürlich auch

selber schon geführt habe,

01:27:27,995 –> 01:27:30,915 [Monchi]mit dem Essen, weil…

01:27:30,915 –> 01:27:36,915 [Monchi]

Aber schlussendlich habe ich ja mich reingeschaufelt und ich habe lange auch andere versucht,

01:27:36,915 –> 01:27:41,375 [Monchi]

punktuell auch mehr dafür verantwortlich zu machen und

01:27:41,375 –> 01:27:48,135 [Monchi]

ich glaube, das bringt nicht viel. Und ich glaube- Genau, das bringt genauso wenig wie zu

sagen: „Warum ich? Ja, genau.

01:27:48,135 –> 01:27:52,655 [Raul Krauthausen]

Und ich habe jetzt nur-Nicht, das habe ich auch.

01:27:52,655 –> 01:27:55,515 [Monchi]

Ich stelle mal eine provokative Frage.

01:27:55,515 –> 01:27:56,615 [Raul Krauthausen]

Ja, unbedingt.

01:27:56,615 –> 01:27:57,675 [Monchi]

Hast du schon mal gemobbt?

01:27:57,675 –> 01:28:13,555 [Raul Krauthausen]

Garantiert. Also in meiner Grundschule wurden, glaube ich, die Vegane der innen gemobbt oder

Vegetarier innen, aber wir haben nicht, so weit ich weiß, nicht gemobbt wegen Migration oder

Behinderung.

01:28:13,555 –> 01:28:25,595 [Monchi]

Ich glaube, ich habe als Jugendlicher bestimmt Menschen mit Behinderung auch gemobbt. Ich

glaube, es ist richtig erbärmlich. Es fühlt sich richtig erbärmlich an, das zu sagen, aber umso

mehr wir reden, denke ich,

01:28:25,595 –> 01:28:30,075 [Monchi]

wir waren einfach, glaube ich, auch mit 12, 13, du wolltest immer

01:28:30,075 –> 01:28:38,775 [Monchi]

teilweise so größtes Arschloch sein. Das ging alles und ich weiß nicht, ob das was mit der

Herkunft zu tun hat, wie auch immer.

01:28:38,775 –> 01:29:07,055 [Raul Krauthausen]

Also wenn du jetzt von Jugendsprache redest und so was sagst, wie: Bist du behindert als

Schulhof-Slang?, dann würde ich sagen, ja, Jugendsprache ist ja auch wichtig. Also das ist jetzt

nicht cool, dass man das sagt, aber ich glaube, wir beide als Erwachsene wären jetzt auch nicht

die Richtigen, den zu sagen: „Das darfst du nicht mehr sagen. Die Idee von Jugendsprache ist

ja, dass man sich erst recht von den Erwachsenen abgrenzt.

01:29:07,055 –> 01:29:14,455 [Monchi]

Ja, ich stelle mir immer vor, den 14-jährigen Monchi, und dann stelle ich mir vor, jemand hat

das gesagt, dann hätte ich es immer 100-mal noch mehr gesagt.

01:29:14,455 –> 01:29:29,275 [Raul Krauthausen]Ja, genau. Genau. Und das wäre die Logik. Und dann aber jemandem zu sagen – und das habe

ich schon öfter gemacht, auch mit Jugendlichen –: Pass mal auf, wenn du das Wort „behindert

gebraucht brauchst als Schimpfwort, so wie das Wort „schwul.

01:29:29,275 –> 01:29:34,615 [Raul Krauthausen]

Ich möchte dir nur, dass du weißt, dass du jemanden mehr verletzen kannst, als du eigentlich

vorhattest.

01:29:34,615 –> 01:29:55,335 [Raul Krauthausen]

Und ich werde dir das nicht verbieten. Es ist mir scheißegal, wie du deine Kumpels disst. Aber

ich möchte einfach, dass du das weißt. Und jetzt weißt du das und jetzt hast du dieses

magische Wissen. Jetzt kannst du damit verantwortungsvoll umgehen, aber du hast jederzeit

die Wahl zu entscheiden, ob du dieses Arschloch sein möchtest oder nicht.

01:29:55,335 –> 01:30:02,875 [Raul Krauthausen]

Und wenn du es mir sagst, mich kannst du damit nicht verletzen, weil dann werde ich sagen,

wenn du mich fragst: „Bist du behindert?, werde ich sagen: „Ja.

01:30:02,875 –> 01:30:09,335 [Raul Krauthausen]

Und in den aller, allermeisten Fällen verstehen die Jugendlichen das.

01:30:09,335 –> 01:30:11,495 [Raul Krauthausen]

Ja, meine Erfahrung.

01:30:11,495 –> 01:30:16,275 [Monchi]

Ich glaube, mit den Jahren, wie gesagt, ein 14-jähriger Monchi

01:30:16,275 –> 01:30:19,615 [Monchi]

hätte ich gehofft, dass du damit erreichen kannst, aber ich weiß es nicht.

01:30:19,615 –> 01:30:20,755 [Raul Krauthausen]

Ja.

01:30:20,755 –> 01:30:35,995 [Monchi]

Ich hoffe, ich glaube, mit den Jahren – das meine ich mit, wenn ich so was sage wie „so

humanistisch, nicht total abstumpfen, weil, wie gesagt, Digger, was ich manchmal für eine

Scheiße labere, auch noch bis heute oder auch im Kopf habe,

01:30:35,995 –> 01:30:41,775 [Monchi]

oder auch einfach irgendwas sage, aber wenn natürlich mir ein Mensch gegenüber sitzt

01:30:41,775 –> 01:30:45,115 [Monchi]

und das so formuliert,

01:30:45,115 –> 01:30:50,015 [Monchi]

dann berührt einen das, jedenfalls mich und ich glaube auch viele andere Menschen.

01:30:50,015 –> 01:30:54,135 [Raul Krauthausen]

Gibt es im Musikbusiness Künstlerinnen mit Behinderungen, die du kennst?

01:30:54,135 –> 01:30:57,395 [Monchi]

Habe ich tatsächlich vorhin auch nachgedacht.01:30:57,395 –> 01:31:00,695 [Monchi]

Ich habe in diesem Gespräch schon drüber nachgedacht

01:31:00,695 –> 01:31:11,191 [Monchi]

und ich bin auf niemanden gekommen.Also ich bin auf niemanden gekommen. Ich habe damals

auch… Jetzt ist wieder…

01:31:11,191 –> 01:31:19,471 [Monchi]

Als wir das erste Mal Rock am Ring gespielt haben, habe ich immer die ganze Zeit nach

anderen Fetten geguckt. Da waren nur Leute, die

01:31:19,471 –> 01:31:28,591 [Monchi]

in Anführungsstrichen geil aussahen. Das ist bis heute noch so. Ich meine, ich habe ja immer

noch keinen Six-Pack. Ich wiege 130 Kilo. Jetzt fühle ich mich schon viel schlanker, aber ich

habe immer noch…

01:31:28,591 –> 01:31:30,931 [Monchi]

Ich habe große Hängetitten.

01:31:30,931 –> 01:31:43,191 [Monchi]

Und ich glaube, es gibt nicht viele Typen mit großen Hängemöpsen bei Rock ab Leggen, die da

stehen. Es gibt jetzt schon ein paar mehr Dicke, aber

01:31:43,191 –> 01:31:45,691 [Monchi]

ich muss sagen, ich habe –

01:31:45,691 –> 01:31:51,191 [Monchi]

und es mag sein, vielleicht vergesse ich ihn – ich habe noch nie jemanden mit Rollstuhl

01:31:51,191 –> 01:31:52,991 [Monchi]

auf einer Bühne gesehen bei einem Konzert.

01:31:52,991 –> 01:31:59,872 [Raul Krauthausen]

Wir haben jetzt zum Beispiel durch Zufall erfahren, dass bei der Band Blond, der was ist, blind

ist.

01:31:59,872 –> 01:32:06,871 [Monchi]

Ja, okay. Ich habe jetzt gerade… Ja, klar. Doch, na klar, die kenne ich. Und ich habe jetzt nur

eben

01:32:06,871 –> 01:32:10,391 [Monchi]

an Rollstuhl gedacht. Ja. Mhm.

01:32:10,391 –> 01:32:12,311 [Raul Krauthausen]

Aber es gibt ja verschiedene Formen von Behinderungen.

01:32:12,311 –> 01:32:15,651 [Monchi]

Ja, klar. Deswegen

01:32:15,651 –> 01:32:17,471 [Monchi]

mein Fehler.

01:32:17,471 –> 01:32:30,851 [Raul Krauthausen]Nein, klar. Aber das heißt, wenn man… Und das fand ich ja bei der Band Blon zum Beispiel so

stark, dass das gar nicht so sehr deren Kernthema ist. Weil das ist das – und ich glaube, da

würden wir uns sogar treffen –

01:32:30,851 –> 01:32:37,431 [Raul Krauthausen]

was ich nicht mag in dieser ganzen Diversity-Thematik,

01:32:37,431 –> 01:32:52,471 [Raul Krauthausen]

wenn Veranstaltungen im Titel sagen, was vom Publikum erwartet wird. Also wenn du ein

inklusives Festival machst, dann kommen ja sowieso nur die, die alle schon bekehrt sind. Aber

Resist in Jarmen ist ja so viel mehr.

01:32:52,471 –> 01:32:54,851 [Raul Krauthausen]

Weißt du, was ich meine?

01:32:54,851 –> 01:32:57,471 [Monchi]

Ja, klar. Ich glaube,

01:32:57,471 –> 01:33:02,771 [Monchi]

wenn man wirklich was verändern will, muss man sich auch mal dreckig machen. Ja. Weil man

selber manchmal auch dreckig ist.

01:33:02,771 –> 01:33:12,571 [Raul Krauthausen]

Oder nicht wie so eine Monstranz vor sich hertragen. Genau. Und ich glaube… Bei der Band

Blonz, finde ich es halt einfach cool, die Texte sprechen ja für sich.

01:33:12,571 –> 01:33:18,591 [Raul Krauthausen]

Aber dass dann der Bassist blind ist und es gar nicht groß zum Thema gemacht wird, ist auch

Inklusion.

01:33:18,591 –> 01:33:20,011 [Monchi]

Klar.

01:33:20,011 –> 01:33:23,871 [Monchi]

Ist natürlich viel geiler, als wenn man die ganze Zeit

01:33:23,871 –> 01:33:26,191 [Monchi]

darauf den Fokus legen würde.

01:33:26,191 –> 01:33:35,111 [Monchi]

Genau. Du wirst ja dann auch viele harte Momente gehabt haben. Vor allen Dingen in dieser

Zeit, wo du gesagt hast, du hast das so realisiert.

01:33:35,111 –> 01:33:54,971 [Monchi]

Gab es für dich irgendwelche Sachen, wie du das kompensiert hast? Also wenn ich jetzt zum

Beispiel, weil ich ja immer die ganze Zeit übers Fressen oder so quatsche, Hast du dich schon

mal weggeballert mit Drogen oder so? Oder eine Zeitlang gab es auch schon, ich habe mich

gefühlt, weggesoffen, weggeballert, alles. Aber hast du dich schon mal weggeballert?

01:33:54,971 –> 01:33:58,971 [Raul Krauthausen]

Ja, also ich habe gekifft, aber eher nach der Schulzeit.

01:33:58,971 –> 01:34:04,591 [Raul Krauthausen]Ich habe sehr, sehr viel Computer gezockt. Ich glaube, das war so meine

01:34:04,591 –> 01:34:05,051 [Raul Krauthausen]

Flucht.

01:34:05,051 –> 01:34:06,651 [Monchi]

Was heißt viel?

01:34:06,651 –> 01:34:17,131 [Raul Krauthausen]

Also nach der Schule sofort Computer an, Hausaufgaben nicht machen und dann bis nachts um

vier irgendwie Counterstrike damals oder so. Ich war nie besonders gut, aber

01:34:17,131 –> 01:34:23,231 [Raul Krauthausen]

da hatte man dann irgendwie seine Community.

01:34:23,231 –> 01:34:25,311 [Raul Krauthausen]

Das war

01:34:25,311 –> 01:34:32,351 [Raul Krauthausen]

jetzt vielleicht auch nicht exzessiv. Meine Eltern haben sich keine Sorgen gemacht, weil ich

noch okay Nuten hatte.

01:34:32,351 –> 01:34:35,451 [Raul Krauthausen]

Aber ich wusste, dass das Flucht ist.

01:34:35,451 –> 01:34:42,691 [Monchi]

Es hat ja viel damit, genau. Egal ob es Fressen ist, Saufen, Drogen, Computerspielen. Man weiß

das ja auch.

01:34:42,691 –> 01:34:46,891 [Raul Krauthausen]

Aus der Realität halt raus. Genau. Und man weiß das ja auch.

01:34:46,891 –> 01:34:48,771 [Monchi]

Wusstest du das in dem Moment?

01:34:48,771 –> 01:34:50,371 [Raul Krauthausen]

Ja, ich glaube schon.

01:34:50,371 –> 01:34:55,031 [Monchi]

Ich weiß es nicht, ob ich es bei mir wusste. Nein? Also doch. Ich glaube, wenn man darüber

nachgedacht hat, dann bestimmt.

01:34:55,031 –> 01:34:56,751 [Raul Krauthausen]

Ja, man wollte aber nicht nachdenken.

01:34:56,751 –> 01:35:14,231 [Monchi]

Genau. Das ist jetzt das Problem, weil wie gesagt, ich habe ja manchmal das noch mit diesen

S-Anfällen oder so alles. Jetzt weiß ich, was ich da mache. Das kotzt mich manchmal noch viel

mehr an, weil früher habe ich dann viel bedenkenloser losgefressen und mich in eine andere

Realität gebeamt, sozusagen. Jetzt ist das manchmal: „Scheiße, was machst du da schon

wieder?

01:35:14,231 –> 01:35:17,491 [Raul Krauthausen]Wenn die Aufzugte jetzt gleich aufgeht,

01:35:17,491 –> 01:35:33,571 [Raul Krauthausen]

hast du noch für die Hörerinnen und Hörer – wir haben ja schon ein paar Sachen genannt,

Jarmeln zum Beispiel, nicht nur Jarmeln, sondern auch Jarmeln als Festival – hast du

gewinnitzige Organisationen oder Literatur oder Menschen, die du

01:35:33,571 –> 01:35:36,651 [Raul Krauthausen]

empfehlen würdest, die man sich noch mal anschaut.

01:35:36,651 –> 01:35:52,811 [Monchi]

Also wenn mich wirklich, wie gesagt, eine Doku, die ich jemandem ans Herz legen würde, wäre:

König hört auf, ein Film von Lukas König, ein Pfarrer. Das hört sich erst mal vielleicht langweilig

an für viele Leute, aber wenn man den Film sieht, weiß man,

01:35:52,811 –> 01:35:54,771 [Monchi]

dass es das nicht ist.

01:35:54,771 –> 01:35:58,931 [Raul Krauthausen]

Wenn wir den finden, packen wir den in die Show Notes. Auf jeden Fall.

01:35:58,931 –> 01:36:03,291 [Monchi]

Zu ihm gibt es auch ein Buch und alles. Ich habe auch mal einen Podcast mit ihm gemacht,

01:36:03,291 –> 01:36:11,051 [Monchi]

kurz vor seinem Tod, nach seinem Tod wurde er denn ausgestrahlt. Wenn man sich mit diesen

Menschen auseinandersetzen will, das

01:36:11,051 –> 01:36:14,291 [Monchi]

kann nicht schaden.

01:36:14,291 –> 01:36:33,351 [Monchi]

Es gibt mehrere Festivals, zum Beispiel so was wie das 100-Tage-Sommer-Open-Air. Es gibt

eine halbe Stunde von uns entfernt in der Minen eine Band, Hinterlandgang heißen die, machen

wirklich sehr geile Mucke, sind tolle Menschen, machen da auch ein eigenes Festival. Die Attic

109-Leute machen ihr statt Love Parade, machen die ihr Dorf Parade. Diese Dorf Parade.

01:36:33,351 –> 01:36:47,951 [Monchi]

Also Leute, die einfach hier was in der Provinz reißen. Und abschließend, mein Papa hat mit

mehreren Leuten nämlich in Jahm einen Kulturverein gegründet. Das finde ich so geil, nämlich

den Kulturverein

01:36:47,951 –> 01:36:50,771 [Monchi]

Penetal und

01:36:50,771 –> 01:36:53,871 [Monchi]

die Kulturbrücke.

01:36:53,871 –> 01:37:04,231 [Monchi]

Und da freue ich mich sehr drauf, dass da so ganz unterschiedliche Leute hier was reißen

werden. Die machen es zum Beispiel auch, machen die bei unserem Wissensjahr einen Vortrag,

stellen sich da vor und01:37:04,231 –> 01:37:05,731 [Monchi]

das finde ich toll.

01:37:05,731 –> 01:37:11,131 [Raul Krauthausen]

Was wünscht du dir, was die Leute sagen, wenn sie mit uns aus diesem Aufzug aussteigen?

01:37:12,012 –> 01:37:23,571 [Monchi]

Ja, vielleicht höre ich mir mal zwei, drei Lieder von ihm an. Vielleicht ist der gar nicht so

schwarz-weiß. Weil da haben wir natürlich auch einen großen Anteil damals daran beigetragen.

Also gab es einen großen Eigenanteil, dass

01:37:23,571 –> 01:37:29,052 [Monchi]

man uns vielleicht so wahrnehmen konnte oder wir auch wahrnehmen musste und

01:37:29,052 –> 01:37:34,951 [Monchi]

dass wir bei uns geblieben sind, aber nicht stehengeblieben sind. Das ist ein Satz, den ich toll

finde

01:37:34,951 –> 01:37:37,771 [Monchi]

und

01:37:37,771 –> 01:37:39,691 [Monchi]

das wäre schon sehr viel wert.

01:37:39,691 –> 01:37:54,372 [Raul Krauthausen]

Das ist doch schön. Ja, ich glaube, das wird passieren. Also ich muss zugeben, ich bin sowieso

nie so der krasse Musikhörer in meinem Leben, aber jetzt aktiv noch mal das letzte Album von

euch, „Wir kommen in Frieden zu hören,

01:37:54,372 –> 01:37:58,451 [Raul Krauthausen]

das hat mich auch schon stark berührt, gerade der Song „Haut on Haut.

01:37:58,451 –> 01:37:59,651 [Raul Krauthausen]

Fand ich sehr schön.

01:37:59,651 –> 01:38:00,771 [Monchi]

Danke schön.

01:38:00,771 –> 01:38:02,872 [Raul Krauthausen]

Danke, dass du in meinem Podcast warst.

01:38:02,872 –> 01:38:06,431 [Monchi]

Ja, sehr, sehr gerne. Ich freue mich, wenn du zu Wohlheide kommst. Ahoi.

01:38:06,431 –> 01:38:08,372 [Raul Krauthausen]

Das mache ich. Und Resist und Jarmen.

01:38:08,372 –> 01:38:09,212 [Monchi]

Ja, geil.

01:38:09,212 –> 01:38:10,411 [Raul Krauthausen]

Da versuche ich auch vorbeizukommen.

01:38:10,411 –> 01:38:17,011 [Monchi]Ja, sehr, sehr gern. Hau rein. Du auch. Bis bald. Bis dann. Ciao, ciao.

01:38:17,011 –> 01:38:27,952 [Raul Krauthausen]

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Ich bleibe hier auch wenns wehtut. Folge 84 mit Monchi

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Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann

Coverart: Amadeus Fronk

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