Im Aufzug mit Georgine Kellermann

Bist du endlich angekommen?

Portrait von Georgine Kellermann, Zitattext: Sichtbarkeit schafft Normalität und Vertrauen.

Als Korrespondentin hat sie die ganze Welt gesehen.

Ihre Kollegen sind und waren Tom Buhrow und Claus Kleber – angefangen hat sie aber ganz klein in Ratingen in NRW mit einem Artikel über einen Jugendschwimmwettbewerb. Hätten wir diese Folge von Im Aufzug noch vor ein paar Jahren aufgenommen, dann wäre nicht Georgine zu mir in den Aufzug gestiegen, sondern Georg. Mit 62 offenbarte sich Georgine der Öffentlichkeit als Transfrau. In dieser Folge spreche ich mit Georgine über das Ankommen im beruflichen wie im privaten Leben – ich war sehr berührt und inspiriert von unserem Gespräch, Aufzugtür auf für Georgine Kellermann!

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Als Korrespondentin hat sie die ganze Welt gesehen. Ihre Kollegen sind und waren Tom Buhrow und Claus Kleber. Angefangen hat sie aber ganz klein in Ratingen in NRW. In einem Artikel über einen Jugend Schwimm Wettbewerb.

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Mittlerweile ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt und leitet dort das WDR Studio in Essen. Hätten wir diese Folge von Im Aufzug noch vor ein paar Jahren aufgenommen, dann wäre nicht Georgine zu mir in den Aufzug gestiegen, sondern Georg. Mit 72 Jahren offenbarte sich Georgine der Öffentlichkeit als Transfrau. In dieser Folge spreche ich mit ihr über das Ankommen im Privaten wie im Beruflichen. Ich war sehr berührt und inspiriert von unserem Gespräch.

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Aufzugtür auf für Georgine Kellermann. Herzlich willkommen, Georgine Kellermann.

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Die Tür geht auf und wer kommt rein? Hallo. Hallo, Georgine Kellermann. Raul Krauthausen. Das finde ich ja toll, dich hier zu sehen. So eine schöne Überraschung. Schön, dass du da bist. Ja, ich freue mich auch gerade. Also da habe ich, das ja ein Zufall, dass man den richtigen Aufzug erwischt und super. Oder der falsche man weiß. Wohin soll es denn gehen? Nach oben oder nach unten? Ich würde gern nach oben fahren. Nach oben, ganz nach oben? Ganz nach oben. So weit wie es geht. Ich zeige dir wie es geht. Gab es schon mal eine absurde, schöne, unangenehme oder vielleicht auch überraschende Situation und Begegnung in einem Aufzug für dich?

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Da muss ich jetzt ganz lange nachdenken. Wir haben einen schönen Aufzug. Der WDR hat einen Paternoster. Oh ja. Und die sind ja, die sind ja schon lange in vielen Gebäuden abgeschafft. Bei uns fährt er noch und es dürfen aber nur Betriebsangehörige mit diesem Paternoster fahren. Weil man da eine Schulung bekommen hatte. Ja, weil wir, weil wir dann vielleicht besser aufpassen. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall, jedes Mal, wenn ich im Funkhaus am Wallraff Platz bin, fahre ich Paternoster. Und manchmal nehme ich mir auch die Zeit und fahr mal eine ganze Runde.

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Aber ist man dann auf dem Kopf auf der anderen Seite? Nein, das ist eben nicht so, das war das erste Mal war es schon ein mulmiges Gefühl, aber der Paternoster wird dann unten parallel weiter geleitet und fährt dann auf der anderen Seite wieder hoch. Jedes Mal, wenn ich beim RBB, die haben auch ein Paternoster, vor diesem Aufzug stehe, frage ich mich okay, traust du dir das zu schnell rauf und schnell wieder runter zu kommen? Und ich glaube, beim nächsten Mal will ich’s machen. Ja, also und dann musst du auch drin bleiben und dann musst du auch rumfahren, weil das ist so eines der Dinge, die man getan haben sollte, bevor man diese Erde wieder verlässt.

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Bist du schon mal in einem Aufzug steckengeblieben? Ja. Ich bin in einem Aufzug stecken geblieben. Ich weiß das, aber ich kann mich gerade nur schwer daran erinnern, wo das war. Es war mit mehreren Leuten und es kam auch so ein bisschen Panik auf. Aber ich kann dir die Situation nicht mehr genau schildern.

Ich weiß nur, dass es passiert ist und wir dann langsam von der Feuerwehr hoch gedreht wurden, bis man die Türen so öffnen konnte und dann konnten wir da raus steigen. Es ist auch manchmal, wenn ich da im Aufzug bin, das sind ja so Orte, so Schicksalsorte eigentlich,

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weil man kann sich ja, außer wir beide jetzt vielleicht, nicht aussuchen, mit wem man im Aufzug ist. Ja. Man man schweigt sich an, guckt betreten auf den Boden oder guckt die Wand an. Ja, das ist eine sehr deutsche Reaktion. Ich habe ja auch in den USA gelebt und bin auch viel in den USA unterwegs gewesen. Und da finden in Aufzügen immer Gespräche statt, die nicht in die Tiefe gehen. Es sind immer oberflächliche Gespräche, aber es finden Gespräche statt, sodass ich diese Erfahrungen eher hier in Deutschland mache.

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Aber ich habe mir das in Amerika angewöhnt. Wenn es mir zu drückend wird, dann sage ich auch irgendwas. Manchmal was Dummes. Zum Beispiel? Ich habe jetzt keine Ahnung, was, aber das muss so aus der Situation heraus entsteht das. Ich habe mir inzwischen so Sprüche zurechtgelegt, wenn ich im Aufzug bin, einfach so irgendwelche, ja um auch so die Situation aufzulockern, wenn man sich so anschweigt. Ja. So was wie, was Sie gerade gesagt habe: Sie wollen ganz nach oben? Ich zeige Ihnen, wie es geht. Oder: Jede Etage hat das Recht, gesehen zu werden und dann einfach jeden Knopf drücken.

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Das habe ich mal in Amerika in einem großen Hotel gemacht, um Leute zu ärgern und das hatte 32 Stockwerke. Oh, das dauert. Und im 30. habe ich die ganze Latte gedrückt. Das waren lauter Gruppenmitglieder, die mit mir unterwegs waren. Das habe ich lange zu spüren bekommen.

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Es war übrigens ein gutes Stichwort. Du warst in den USA, du warst Auslandskorrespondent. Ja. Für die ARD, in Washington und in Paris warst du auch. Das ist ja schon, sagen wir mal, ein Job, den sich sehr, sehr viele Menschen innerhalb der ARD oder ZDF wünschen zu haben. Ja, kann ich mir gut vorstellen. Sind ja auch Traumziele. Ja, wie ist das, wenn man Korrespondent in Washington ist? Das ist doch der Jackpot. Na ja, ich also da waren ja noch ein paar andere dabei.

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Da war Claus Kleber dabei, der hat damals das Studio geleitet und Tom Buhrow war dabei, der war für den WDR wie ich da, Claus Kleber für den NDR, unser Wiener Reifen Berg und ich war also der vierte Mann. Und ja, das war ein Jackpot und ich konnte reisen und habe da ein tolles Leben gehabt. Natürlich, weil für einen Journalisten, für eine Journalistin ist es ja was ganz Besonderes, wenn sie wohin geschickt sind, wenn man ihr zutraut, dieses Land dann eben auch zu spiegeln,

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für die deutschen Fernsehzuschauer. Und wenn man dann sagt: Du, wir trauen dir das zu, du kannst da zwei Jahre hingehen und dann erzählst du uns, wie die Amerikaner so ticken. Ich kam an der Monica Lewinsky Skandal begann mit Bill Clinton und ich ging und der Monica Lewinsky Skandal war zu Ende. Es war also neben Monica Lewinsky, es gab noch andere Themen, aber Monica Lewinsky hat die Berichterstattung dominiert. Wow. Da hätte ich jetzt noch 1000 andere Fragen über dieses Thema Monica Lewinsky. Ich habe neulich TED Talk mit ihr gesehen, wo sie sagt, dass sie eigentlich das erste Hating Opfer war durchs Internet.

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Das kann ich mir gut vorstellen. Und ich glaube, dass da auch wieder das Patriarchat zu voll zugeschlagen hat. Volle Kanne. Ja, klar. Also inklusive Bill Clinton? Ja. Ja, den ich sympathisch finde. Aber ich glaube, da, da ist wirklich, sind die fatalen Strukturen unserer Gesellschaft noch mal sehr offensichtlich geworden. Hattest du mal Begegnung mit Monica Lewinsky? Nein, auch nicht mit Bill Clinton. Hat man, wenn man ARD Hauptstadtstudio Washington arbeitet, hat man dann die Telefonnummer vom Weißen Haus oder dem Präsidenten? Also vom Präsidenten sicherlich nicht.

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Aber ich weiß, dass Claus Kleber und auch Sabine Reifenberg durchaus Interviews mit denen hatte. Wenn ich da angefragt hätte, dann hätten die erst mal gefragt Wer bist du? Und dann hätte ich das erklärt. Und dann hätten sie gesagt Lass mal jemand Wichtigeres anrufen. Und die Kolleginnen? Claus Kleber, wie ist er so als Kollege? Super. Super. Ja, ich gerade auch, ich habe bei ihm viel gelernt. Zum Beispiel? Er ist, also ich glaube, der weiß, das ist ein Journalist, der genau weiß, worauf es ankommt.

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Der ein Sprachgenie ist, der die Sprache liebt und der Themen entwickeln kann. Also er hat einmal, da durfte ich dann auch dabei sein. Zu Ostern haben wir das gemacht. Oh Gott, Amerika. Da sind wir durch die Vereinigten Staaten gereist und haben über die vielen christlichen religiösen Umtriebe und Merkwürdigkeiten des Landes berichtet. Und das ist dann, das hat dann auch einen Preis bekommen und da habe ich, habe ich auch, das war für mich auch wieder so ein Indiz dafür, wie sehr er Themen einschätzen kann.

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Ich habe ihn zweimal getroffen, aber immer nur auf Veranstaltungen. Wir saßen nur nebeneinander. Wir haben nie mehr als zwei Sätze miteinander gewechselt. Und er strahlt ja schon auch so eine, so eine Aura aus, wo man das Gefühl hat, ok er weiß, wer er ist. Ja. Und wenn Menschen wissen, wer sie sind, dann kann es entweder super sympathisch sein oder aber schnell auch als Diva betitelt werden. Nein und das gilt sicherlich auch für mich. Ich glaube, man muss eitel sein, wenn man zum Fernsehen geht, weil man muss das Gefühl haben oder man muss deutlich machen, ich stehe hier vor der Kamera und ich habe eine Geschichte zu erzählen und ihr hört mir jetzt bitte schön zu.

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Und das kommt natürlich schnell rüber als Diva oder so, also den Schuh ziehe ich mir auch an, ich glaube, dass das wirklich auch sehr mit dem Geschäft zu tun hat, für das man arbeitet. Du bist jetzt Studioleiterin in Essen? Ja. Wie hat sich dein Job verändert dadurch? Na ja, wenn man in Washington oder Paris arbeitet, dann sind die Themen andere. Die Menschen sind nicht andere. Die sprechen zwar Englisch oder Französisch, aber die Geschichten, die die Menschen erzählen,

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ob das ein Austernfischer am Becken von Arcachon ist oder ein Richter in Hannibal, Missouri, oder aber ein ehemaliger Bergarbeiter in Bottrop. Die erzählen Geschichten. Und für eine Journalistin ist es toll, wenn Menschen Geschichten erzählen, weil die kann ich dann weitererzählen und da macht es keinen Unterschied von Washington oder Paris. Aber die regionale Berichterstattung wird immer wichtiger.

Wenn man mal sieht, dass zum Beispiel in den Vereinigten Staaten, da, wo regionale und lokale Zeitungen eingestellt worden sind, die Lügen eines Donald Trump viel eher angenommen und für Wahrheit genommen wurden als dort, wo Presse noch aufgepasst hat und gesagt hat Moment mal, da stimmt was nicht.

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Und deswegen glaube ich, regionale Berichterstattung hat eine ganz, ganz wichtige Aufgabe, nämlich erstens zu informieren, zu checken, ob das, was gesagt wird, wahr ist. Und das Zweite ist: Sie sorgt dafür, dass das Heimatgefühl der Menschen befördert wird. Sie wollen auch wissen Was ist bei mir um die Ecke los? Was macht der Nachbar gerade? Und das hat nichts mit Gossip zu tun, mit Klatsch oder so, sondern das hat etwas damit zu tun, dass es Empathie ist.

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Gerade im Ruhrgebiet zum Beispiel sind die Menschen sehr empathisch und. Die lechzen danach zu wissen, was ist bei mir um die Ecke los? Und das leistet regionale Berichterstattung. Aber war das für dich ein Downgrade, wenn du jetzt Studioleiterin Essen bist, wenn du vorher in Washington und Paris unterwegs warst? Nein, überhaupt nicht. Ach nein, ich glaube, wir sind,

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irgendwann muss man ja auch mal ankommen.Du meinst lokal ankommen. Ja auch mal, ja auch mal zu Hause ankommen. Also ich habe als Korrespondent in die halbe Welt gesehen. Das wollte ich auch. Das war ein Ziel. Und heute bin ich froh, dass ich auch einfach mal zu Hause bin und einen Hafen habe, in dem ich einfach anlegen kann. Und da bin ich und das meine ich nicht nur privat, sondern auch beruflich.

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Und ich meine, wir sind ein großes Team in Essen fürs Studio Essen arbeiten 120 Menschen und für die bin ich auch verantwortlich. Und das macht einen Heidenspaß. Was ist denn dann die Aufgabe einer Studioleiterin? Na ja, zunächst mal Wenn wir morgens in der Konferenz sitzen, besprechen wir die Themen und wir überlegen Was können wir machen? Ich glaube, dass ich nicht unkreativ bin und auch die eine oder andere Idee mit in die Runde werfe. Und dann entsteht so langsam all das, was das Studio an dem Tag leisten wird für die Lokalzeit.

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das heißt im Hörfunk, im Fernsehen, aber ganz besonders auch digital. Und dann bin ich aber auch dafür zuständig, gemeinsam mit meinem Vertreter Matthias Aust, wir zwei sind Studioleiter, Dienstpläne zu machen, Probleme zu lösen. Probleme heißen aber Herausforderungen, Entscheidungen zu treffen. Also Elternzeitvertretung? Ja, dann haben wir ja keine mehr, weil es sehr einfach geworden ist. Wir haben so inzwischen so Rucksäcke fürs Fernsehen, das braucht gar keinen großen Aufwand mehr.

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Können auch kaputt gehen? Die können auch kaputtgehen. Aber da müssen wir uns ja. Aber dann haben wir dann unseren, unseren Produktionsleiter dafür, mit dem wir mal sprechen können. Und im Allgemeinen wird das alles immer ganz schnell gelöst, weil wir auch echt zusammenhalten. Ich habe neulich von einer Redakteurin gehört, ich glaube es war vom Mitteldeutschen Rundfunk, die gesagt hat, wir verbringen drei Stunden am Tag in Konferenzen und das wird dann alles abgestimmt innerhalb des WDR bzw MDR und dann aber auch innerhalb der ARD

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Nochmal, und manchmal dann auch in Absprache mit dem ZDF ja, wenn es irgendwelche größeren Themen sind. Genau bei Sport Themen oder so, aber das tangiert mich nur überhaupt nicht. Also ARD liefern wir natürlich zu, wenn wenn Bilder aus Essen für die Tagesschau gemacht werden müssen, dann ruft der Newsroom aus Köln natürlich bei uns an und sagt Habt ihr die Bilder, könnt ihr uns die geben? Aber in Entscheidungen in der ARD sind wir im Regionalprogramm jetzt sogar nicht mehr einbezogen. Aber auch wir verbringen am Tag viel Zeit in Konferenzen.

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Das Mag manchmal belastend sein, weil man natürlich so, dass das praktische Geschäft dann anleiern will. Auf der anderen Seite sind aus meiner Sicht Konferenzen ganz wichtig, weil da die Schwarmintelligenz in einem Raum zusammensitzt und sich Gedanken darüber macht Was sollten wir tun? Das fand ich ganz interessant, als ich damals bei Radio Fritz gearbeitet habe, dass auch die Schülerpraktikantinnen eingeladen wurden zur Redaktionssitzung morgens um 10:10. Weil man natürlich auch auf ihr Wissen angewiesen ist, wenn es darum ging,

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was bewegt junge Menschen zum Beispiel. Und das es so eine offene Kultur war, wo jeder ein Thema einbringen konnte? Das ist, glaube ich, wirklich sehr wichtig. Zu unseren Konferenzen sind alle eingeladen, auch die Kolleginnen und Kollegen aus der Produktion. Und viele kommen auch und machen auch mit und sagen Hört mal, Leute, wäre das nicht ein Thema? Oder aber wenn wir manchmal ein Thema anleiern, dann sagt auch schon mal jemand Da seid ihr auf dem Holzweg, ihr müsst das mal so angehen. Also es hat auch viel damit zu tun, dass man mal über den Tellerrand gucken muss.

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Ich war damals in der Online Abteilung beim RBB, dann Radio Fritz und was ich bis heute nicht verstehe jetzt ist ja beim WDR eine ähnliche Struktur. Es gibt mehrere, es gibt Fernsehsender, es gibt mehrere Radiosender, die alle mehr oder weniger die ähnlichen Themen behandeln Filmbesprechungen, Theaterbesprechungen, Verkehrsmeldungen, Wetter, Nachrichten ganz allgemein. Und ich bin trotzdem aber als Zuschauerin oder Hörerin nicht in der Lage herauszufinden, was genau passiert eigentlich in meinem Viertel.

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Ja. Also ich kann nicht die Inhalte in den Mediatheken danach durchsuchen, was in meinem Viertel passiert, sondern immer nur in meiner Stadt. Und dabei wäre es doch prädestiniert dafür, Inhalte auch mit lokalen Geo Koordinaten zu versehen. Zu sagen mich interessiert nur das in meinem Kiez. Also das wäre jetzt eine Aufgabe der Verantwortlichen der Mediatheken. Ich kann deinen Wunsch total verstehen. Weil, je kleiner ich die Mosaiksteinchen machen kann, die für mich wichtig sind, desto

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desto interessanter. Ich bin aber sicher, dass auch daran gearbeitet wird. Oder zumindest, dass darüber nachgedacht wird. Dass wäre genau dieser Hype bei Local journalism, den du ja meintest. Aber du lebst in Berlin. Ja. In Berlin gibt es einen Sender, einen öffentlich rechtlichen Sender, gut im Land Brandenburg auch, das ist der RBB so, der WDR hat ja ganz Nordrheinwestfalen. Und da wird es dann vielleicht noch mal ein bisschen schwieriger mit den Stadtteilen. Da muss man mal überlegen, wie man das umsetzen kann. Wie bist du zum Journalismus gekommen? Ach, das war ich, wollte Geld verdienen.

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Ich war 17 und irgendwie hatte ich gedacht, so ein bisschen, finanziell ein bisschen besser dastehen wäre gut. Und dann habe ich das einem Freund meiner Cousine erzählt und dann sagte der Ja, geh doch mal zur Rheinischen Post hier in Ratingen. Der hatte eine Lokalredaktion, die suchen immer mal wieder Leute, die für sie schreiben. Und das war Mitte der 70er Jahre, letzten Jahrhunderts. Und dann bin ich dahin und da saß ein Redaktionsleiter, Dr. Richard Baumann, und der sagt Ja, wir können das ja mal versuchen.

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Gehen Sie mal am Samstag zu diesem Hallen Schwimmbad Turnier. Also da gab es ein Schwimm Wettbewerb für Jugendliche und dann haben sie mich da hingeschickt, da bin ich da hingegangen, sollte 40 Zeilen schreiben und das war glaube ich, der längste Artikel meines Lebens. Ich habe da bis weit nach 00:00 dran gesessen und immer wieder neu angefangen, zerrissen, neu. Und am nächsten Tag habe ich die dann in die Redaktion getragen. Und dann hat eine Kollegin da den angenommen und nichts dazu gesagt. Und aber am Montag war er in der Zeitung, mit meinem Namen.

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Und dann bin ich wieder hin. Und dann hatte der Dr. Baumann dann gesagt Ja, das war ja ganz ordentlich, können Sie häufiger für uns arbeiten? Und so hat sich das entwickelt. Und also das war jetzt nicht so das hehre Gefühl, ich muss die Menschheit mit Wahrheit berieseln oder so, sondern es war in der Tat der profane Wunsch, ein bisschen dann nebenbei, neben der Schule zu verdienen. Das hat allerdings dann so gut geklappt, dass ich mein Abitur zunächst mal in den Teich gesetzt habe und dann mit Nachprüfung bestanden habe, weil ich nicht mehr für die Schule geübt habe, sondern als Journalistin damals unterwegs war.

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Du hast in einem Podcast, ich glaube in dem von Anastasia Umrik gesagt, dass du aber auch ein sehr neugieriger Mensch warst und gerade glaubst, dass in jedem Menschen eine Geschichte steckt. Ja. War das auch ein Motiv damals schon? Das hat sich da entwickelt. Irgendwann war es ja dann nicht mehr nur das Geldverdienen, was mich da hatte, sondern es waren die Menschen, die man traf, die Gelegenheiten, Dinge zu erleben, Geschichten zu erzählen. Und das ist dann eine Leidenschaft geworden, und die hält auch bis heute an.

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Kannst du dich an ein bestimmtes Gespräch erinnern. Ein bestimmtes Gespräch mit einem Menschen? Ja, das war Ingrid Lechner. Das ist, glaube ich, das, ich habe viele, viele, viele Gespräche. Meine Mutter ist im August 2000 gestorben. Das war, sie ist zu früh gestorben, ist nur 70 geworden, und es waren noch so

viele Dinge aufzuarbeiten und die man nicht mehr hat aufarbeiten können. Und dann wurde Ostern im Jahr darauf in den Niederlanden das Sterbehilfe Gesetz verabschiedet.

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Dann hat mein damaliger Chef beim Morgenmagazin, Johannes Gaul, gesagt Wollen wir uns diesem Thema nicht mal widmen? Und Hospiz und Sterbehilfe haben wir das überschrieben. Und das Morgenmagazin hatte damals diese wunderbare Einrichtung, fuhr ein Ü-Wagen durchs Land und wir haben jeden Morgen drei Liveschaltung gehabt von verschiedenen Orten. Und wir haben als Team dann angefangen, montags auf der Palliativstation in Bonn drei Mal von dort geschaltet.

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Sehr bewegend. Auch eine Frau getroffen, die schwer krank war, der die Palliativmedizin, aber sehr intensiv geholfen haben und die sehr glücklich war mit dieser Hilfe. Und das hat sie auch erzählt und ich habe ihren Mann auch später mal getroffen. Und er hat dann erzählt, wie sehr seine Frau das auch, wie wichtig ihr das war. Na, da sind wir, am Dienstag waren wir dann in den Niederlanden, um in Den Haag über das Sterbehilfe Gesetz zu berichten und sind Mittwoch und Donnerstag in ein Hospiz in der Nähe von Bonn in Lohmar gegangen.

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Das hatte die Familie oder das Ehepaar Brombach, hatten das Hospiz eingerichtet und bei der Vorbereitung habe ich dort eine, ja einen Gast, eine Gästin kennengelernt. Ingrid Lechner. Die hatte einen Unterleibstumor und wir haben geredet und geredet in der Vorbereitung. Und dann habe ich sie gefragt, ob sie uns ein Interview geben würde zu dem Thema Sterben. Und dann hat sie gesagt Das will ich gerne tun.

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Es war eine ganz wirklich eine, eine so interessante Frau. Und wir kamen dann also am dritten Berichterstattungstag oder vielmehr an am zweiten Tag nachmittags kamen wir in Lohmar an und dann sagten die Brombach Das Interview mit Frau Lechner wird wahrscheinlich nicht stattfinden können, weil es ihr sehr schlecht geht. Und da haben wir gesagt okay, dann müssen wir Alternativen suchen. Und während wir also darüber sprechen, was Alternative sein könnte, wird Frau Lechner im Rollstuhl von ihrer Assistentin aus dem Betreuerin aus dem Hospiz in den Saal gefahren.

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Und dann sagt sie Da sind Sie ja, ich warte schon auf sie. Und dann haben die Techniker in Windeseile alle Kabel vom Ü-Wagen in den Raum von Frau Lechner gelegt. Die Kameras hoch geschafft. Und dann haben wir ein Interview gemacht in diesem Raum. 13 Minuten. Das war dreimal so lang, wie wir eigentlich durften. Und ich werde dieses Interview nie vergessen, weil sie sehr offen, also ich habe zum Beispiel die Frage stellt Sie wissen ja, dass das der letzte Ort ist in Ihrem Leben, den Sie sehen werden.

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Und das hat sie so klar beantwortet. Und sie hatte auch das, das sagt man von vielen Hospiz Besuchern, dass die angenommen haben, dass ihr Leben zu Ende geht und dass da nicht mehr gekämpft wird. Und das war so eine Klarheit in den Gedanken. Und ja, ich habe dann in der Redaktion angerufen und das sollte in der letzten halben Stunde der Sendung laufen. Und eigentlich war da die Börse und das Wetter

und und und. Und wir haben den Kollegen, also mein Kollege Herbert, mit dem ich das, der quasi die Regie gemacht hat und dann haben wir da angerufen so Ihr müsst das Interview so senden, wie es ist, ihr könnt da nichts dran kürzen, es geht einfach nicht.

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Und das haben die Kollegen uns geglaubt. Und dann haben sie alles eingekürzt, alles eingekürzt und haben einen 13 Minuten Block in der Sendung freigemacht. Und ich habe zwei große Kisten Briefe bekommen von Menschen, die das so bewegend fanden, dass sie gesagt haben Ja, ich setz mich hin und schreibe, was heute wird mir eine Mail schreiben oder aber eine WhatsApp schicken oder so, aber damals wurden noch Briefe geschrieben und mich hat das auch so bewegt, dass ich

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als Frau Lechner starb, haben die Brombach mich angerufen und haben gesagt, es geht zu Ende und dann bin ich hingefahren. Wie viel war der Abstand dazwischen?

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Vielleicht drei Wochen. Wow. Und ich glaube, dass das auch für mich so wichtig war, weil ich. weil ich da auch noch mal meine Mutter gesehen habe. Und sie lag im Koma. Und ja, das ist es. Weißt du, du hast das gefragt. Hast du ein Gespräch? Das geht mir nicht aus der Erinnerung. Aber es gehört alles zusammen. Ich habe heute noch einen Freund von Ingrid Lechner besucht, der Maler ist. Und wir haben heute auch noch über Ingrid Lechner gesprochen. Oh wie schön. Ja. Glaubst du, es wäre heutzutage noch möglich, so ein 13 Minuten Stück einfach zu senden.

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Ja, bei euch, digital im Podcast, da wo es keine, da wo es kein Korsett gibt, wo kein Programm Planer dahinter sitzt. Aber nicht mehr beim WDR oder ARD in der Morgensendung? Doch. Also ich, wenn ich das sage, ich liebe den WDR gerade auch dafür, dass er immer viel möglich macht. Und ich könnte es mir vorstellen. Ich habe eine Ausbildung zum Telefonseelsorger gemacht. Ja. Und in der Ausbildung mussten wir auch schon relativ früh ans Telefon, natürlich immer mit Anleitungen und so, aber es gab einen Fall, den wir alle in der Ausbildung immer wieder hatten.

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Es war ein Mädchen mit ungefähr 13 Jahren, der aus dem Hospiz aus anrief und oder aus dem Krankenhaus eher, und die Telefonnummer von einer Krankenschwester zur Telefonseelsorge bekam und sie wollte über das Sterben reden. Ein 13 jähriges Mädchen. Ja. Und dann haben wir sie gefragt Warum? Warum möchtest du über das Sterben reden? Und sie meinte Weil meine Eltern immer sagen, alles wird gut. Aber ich weiß, das stimmt nicht. Und sie wollte einfach nur erzählen, dass sie keine Angst hat.

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Und dass sie es verstanden hat. Und dass sie aber niemand hat zum Reden. Außer die Krankenschwester und die Telefonseelsorge. Oh mein Gott. Und das, das hat mich bis heute, denke ich über diese Geschichten nach. Weil auch ich sie zwei Mal am Telefon hatte und wir haben über alles geredet und es war wenig Trauer, außer die Tatsache, dass sie mit den Eltern nicht darüber reden kann, weil die Eltern das wahrscheinlich selber noch nicht wahrhaben konnten oder wollten. Das fällt mir dazu ein.

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Ja, das ist das Schöne an dem Podcast, dass nicht nur Fragen gestellt werden und Antworten gegeben, sondern dass es ein Gespräch ist. Und ich bin jetzt gerade

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das hat ja, ich bin total berührt. Ja, wir haben da auch alle sehr viel drüber nachgedacht und auch drüber geredet und das, was uns so also sie hat irgendwann nicht mehr angerufen. Und wir wissen ja auch nicht, wie sie heißt und in welchem Krankenhaus oder Hospiz sie liegt oder lag. Und das war auch gut, dass es so anonym war, weil wir uns dadurch auch alle ihr gegenüber und sie sich auch uns gegenüber öffnen konnte und einfach die Tatsache, dass sie nicht mehr anrief, eigentlich ja nur eine Sache heißen konnte.

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Aber es war für uns alle eigentlich eine sehr

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schöne Begegnung. Ja. Für die Zuhörerinnen und Zuhörer in diesem Podcast wirds vielleicht schon aufgefallen sein. Wir reden mal von Korrespondent und mal von Korrespondentin. Du bist als Georgine in diesen Aufzug gestiegen, warst aber auch vor einiger Zeit noch Georg. Ja. Und natürlich, wenn man deinen Namen googelt, Georgien Kellermann, dann sieht man auch, für welche Themen du stehst und auch die, die Podcasts, in denen du viel darüber redet, über das Thema trans und queer sein.

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Wie nervig findest du solche Fragen inzwischen immer wieder die Erklär-Frau für dieses Thema zu sein und immer das Gleiche auch gefragt zu werden? Ich finde das nicht nervig, weil ich weiß, dass Sichtbarkeit Normalität schafft. Ich mag Normalität nicht. Niemand soll normal sein. Und das wäre ja, das ist die schönste bunte Gesellschaft, in der niemand normal ist. Und das ist normal so. Aber Sichtbarkeit schafft Normalität und auch Vertrauen. Und deswegen sage ich den Leuten, den Menschen immer Fragt mich, was ihr fragen wollt.

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Wenn ich eine Frage nicht beantworten möchte, sage ich das und dann müsst ihr das aber auch so akzeptieren. Ich habe nur jetzt in den Recherchen gemerkt, dass die Fragen immer die gleichen waren und man sich dann auch die Frage stellen kann Inwieweit hat sich der Rechercheur vor uns, oder vielleicht machen wir auch die gleichen Fehler, selber recherchiert? Ja, ich glaube, das liegt auch daran, dass die Geschichte immer noch spannend ist, dass da jemand in dieser Rolle, also on camera, sich offenbart.

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Und ich habe mich gerade total gefreut, als wir über ganz andere Sachen gesprochen haben. Und ich freue mich jetzt auch, dass wir auch zu diesem Thema kommen. Aber als ich als du angefangen hast, habe ich gedacht Boah, da geht es ja mal nicht um Trans zunächst mal, sondern wir haben ja und ich bin auch mal von Kolleginnen in eine andere Lokalzeit eingeladen worden und die wollten etwas für mich von mir als Augenzeugin zu einem bestimmten Thema wissen. Und das, das war die Normalität. Es wird immer normaler. Ich sage immer, ich gebe erst Ruhe, wenn,

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oder ich wünsche mir, dass eine Transfrau in den Tagesthemen einen Kommentar spricht, der sich nicht mit Trans beschäftigt. 130 also hier das Tempolimit oder aber soziale Probleme. Und ich würde mir auch wünschen, dass jemand wie du in den Tagesthemen einen Kommentar spricht, der nichts mit Menschen mit Behinderung zu tun hat, sondern von mir aus mit dem Waldsterben oder so. Ja, ich weiß nicht, ob du Jule Stinkesocke kennst auf Twitter, mit der hatte ich mal einen Austausch und ich habe sie gefragt Sag mal, wie oft wirst du denn mal zu anderen Themen in Hamburg angesprochen? Und da sagt sie gar nicht.

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Also da kommen Leute, wenn es um Menschen mit Behinderung geht oder Probleme beim Rollstuhlfahrern in der Hamburger Innenstadt. Aber wenn es um Verkehr in Hamburg oder soziale Problem, dann kommt keiner auf die. Und das finde ich, das muss sich ändern, das muss noch viel besser werden und erst dann gebe ich Ruhe. Sie kann ja auch zum Beispiel über das Thema bloggen sprechen. Ja. Und sie ist ja von Anfang an auf Twitter gewesen. Ja. Da habe ich die mit den meisten Follower innen sehr lange Zeit mit Behinderung also klar sie hatte eine Menge zu sagen. Genau. Genau.

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Ich habe ein Gespräch mal mit Tupoka Ogette gehabt und auch mit Kübra Gümüsay, die ja letztendlich sich sehr stark auf der einen Seite gegen Anti Islamfeindlichkeit einsetzen und für Feminismus oder eben auch für die Black Lives Matter Bewegung bei Tupoka Ogette. Und beide sagen in unterschiedlichen Worten, aber meinen, dass es eigentlich auch eine gewisse Holschuld der nicht Betroffenen gibt, sich aufzuschlauen, anstatt immer die Betroffenen die gleichen Fragen zu fragen.

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Okay, das ist natürlich eine Sichtweise, die kann ich total nachvollziehen. Aber ich glaube, dass diese beiden Themen, die du gerade genannt hast, für die die beiden sich einsetzen, schon sehr viel intensiver diskutiert wurden und werden als das Thema Trans. Das Thema Trans ist erst in den letzten, ich habe das erst gar nicht mitbekommen, in den letzten Jahren groß geworden und wird gerade so heftig debattiert, weil die Bundesregierung gesagt hat: Wir müssen das ändern, dieses Transsexuellengesetz, wir müssen auch da zu einer Selbstbestimmung kommen.

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Und nun gibt es eben diese sehr, es sind nicht viele, aber sehr lauten Kritikerinnen. Und die große Masse, hört sich doof an, die große Gemeinschaft hat dieses Thema noch gar nicht so sehr verinnerlicht, also sich nicht damit auseinandergesetzt. Und dann kommen dann so populistische Fragen wie Soll jeder sagen können, ob er Mann oder Frau ist? Das ist eine ganz dumme Frage. Selbstbestimmung heißt Selbstbestimmung. Da stellt sich nicht die Frage, ob jeder selbstbestimmen, Selbstbestimmung ist Selbstbestimmung.

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Punkt. So, das müssen wir aber diskutieren. Und das müssen wir auch, ich bin eine große Freundin des Selbstbestimmungsgesetzes. Es muss aber von Anfang an so sein, dass es auch juristisch einwandfrei ist. Nicht, dass da noch jahrzehntelang geklagt werden kann. Und ohne dass man zum Psychologen oder Psychiater rennen muss. Ja was soll das? Also jetz mit Verlaub, man gibt ja Leute, die sagen, Georgine ist krank. Nein, bin ich nicht, kann ich versichern. Wie war es denn in den Sechzigern und Siebzigern im Vergleich zu heute? Piefige, piefige Nation. Also das war das Land der Käse Igel.

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Und da wurden noch Aschenbecher auf den Tisch gestellt, weil bei Partys die ganze Zeit geraucht wurde und

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ich wünsche mir manchmal, es wäre ein bisschen ein bisschen liberaler gewesen. Und das Liberale kam ja erst mit einer Bewegung, die Alice Schwarzer in Deutschland angeführt hat. Da plötzlich öffnete sich die Gesellschaft. Das hat sie übrigens, da muss man ihr wirklich auch noch mal sehr dankbar für sein, Menschen wie ich wären heute nicht da, wo wir sind, wenn es Alice Schwarzer nicht gegeben hätte. Dass sie heute eine andere Position vertritt, tut mir leid, da sind wir, kommen wir auch nicht mehr zusammen. Aber sie hat die Gesellschaft so weit geöffnet, dass die offen wurde für andere Themen, andere Lebenspläne.

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Und das ist das Gute. Wart ihr mal im Gespräch, nachdem sie sich so geäußert hat? Nein, ich. Nein. Auch kein Interesse?

01:33:47:24 – 01:34:22:16

Ich würde nicht hingehen, wenn ich planen würde. Wenn ich sie auf der Straße sprechen würde, ohne dass eine Kamera dabei ist, würde ich mich sofort mit ihr unterhalten. Ich bin ja als Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit auch seit 15 Jahren vielleicht in einer ähnlichen Situation. Also sicherlich anders. Also kann man nicht alles vergleichen. Sicherlich anders. Aber zum Beispiel bin ich bestimmt 15 Jahre dabei gefilmt worden, wie ich vor Treppen stehe, vor Stufen. Und ständig muss ich darüber reden, warum Treppen und Stufen doof sind und was Inklusion bedeutet.

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Und wie weit sind wir in Deutschland mit der Inklusion? Und ich hab dann irgendwann auch selbstkritisch gemerkt Du kommst nicht weiter. Du kommst so einfach nicht weiter. Diese Geschichten, hast du keine Lust mehr zu erzählen, immer die Gleichen. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass wir auch so beschäftigt gehalten werden als Betroffene, indem wir immer die gleichen Fragen für die Nichtbetroffenen beantworten, anstatt die strukturellen Diskriminierung mal ernsthaft zu thematisieren.

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Und in vielen Interviews, die ich mit dir hörte und las, sagst du selber, dass du dich früher nicht getraut hast, dich zu outen aus Angst um deine Karriere. Nun ist Tom Buhrow dein Chef. Ja. Du hast dich gegenüber Tom Buhrow irgendwann geoutet. Konntest du mit Tom Buhrow darüber reden, dass du Angst um deine Karriere hattest? Ich glaube, das weiß er. Darüber brauche ich mit ihm nicht zu reden. Und er hat sich ganz wunderbar verhalten, nachdem ich mich geoutet, also ich sage immer offenbart, hatte und sehr persönlich.

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Und auch andere 01:35:32:12 – 01:36:10:13

haben sehr persönlich reagiert. Da habe ich, nein ich glaube, die wissen, wie schwierig es für mich war. Das brauche ich nicht zu thematisieren. Nicht, nicht in meinem engsten Arbeitsumfeld. Inwieweit nerven dich diese Klischees über queere Menschen? Über Transmenschen, die auch gerade in Hollywood oder in Serien gezeigt werden? Von der Transe, die ein bisschen schräg ist, ein bisschen schrullig. Helfen diese überdrehten Bilder, um eine Sichtbarkeit zu erzeugen? Oder ist es dann eigentlich auch nur noch Klamauk? Nein. Also ist es ist cool, wenn ProSieben sagt Wir machen hier eine Queer Dance Veranstaltung.

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Ist das, ist das Inklusion? Ich gucke mir das nicht an, ich bin mir da nicht sicher. Ich möchte es aber jetzt auch nicht in Bausch und Bogen verdammen, weil ich es mir nicht angucke, natürlich ich weiß, was da läuft. Was mir zum Beispiel sehr gefallen hat, war eine Serie. Leider ist der Hauptdarsteller, die Hauptdarstellerin wegen MeToo dann

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angeklagt worden. Ich weiß nicht, ob vor Gericht, aber zumindest öffentlich gemacht worden. Ich hab den Namen jetzt vergessen, aber da ging es, da ging es auch um einen Mann, der im hohen Alter sich geoutet hat, „Transparent“ hieß die. Mhm. Und das war, als ich das gesehen habe, dieser Professor, der mit der Pensionierung sagt:

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Jetzt will ich endlich ich sein, und was der alles durchgemacht hat. Und als ich gelesen habe, dass die Regisseurin dieser Serie, die Geschichte ihres eigenen Vaters aufgearbeitet hat, da habe ich gedacht Ja, das ist ganz, ganz wichtig, um Menschen, die sonst kein Bezug zu solchen Themen haben, darüber zu informieren. Erstens: Es gibt es. Und zweitens: Es ist überhaupt nicht schlimm. Warum muss so was aus Hollywood kommen? Warum passiert so was nicht in Deutschland? Ja, das frage ich mich auch manchmal.

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Ich habe vor ein paar Wochen, ne Monaten eine, und das hat jetzt, hier geht es jetzt um Menschen mit Behinderung, eine BBC Reportage gesehen, die aus Kirkenes kam, also oben in Schweden, wo das Eisenerz abgebaut wird. Und da sind die Wege ja noch nicht so wie hier in Berlin Plattenwege und der Reporter saß im Rollstuhl. Und dann habe ich wirklich da gesessen und gedacht Wo hast du das im deutschen Fernsehen schon mal gesehen? Nie. Selbst Menschen, die innerhalb des ARD oder Funk Netzwerks unterwegs sind,

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mit Behinderung, zum Beispiel Leeroy Matata, redet ja eher über Menschen, die anders sind, als jetzt über klassische Berichterstattung. Und aber ich glaube, dass wir da, dass kommt langsam. Ich glaube das kommt und das kommt auch wegen dir. Ah da habe ich Zweifel. Na das glaube ich nicht. Also ich folge dir ja schon lange auf Twitter und ich merke, wie sehr du auch deinem Thema dich verpflichtet fühlst.

Was ich zum Beispiel an Klischees überhaupt nicht sehen kann, ist, wenn Filme über und es gibt ja nicht nur Transfrauen, sondern auch Transmänner.

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Linus Giese, hier in Berlin, hat ein ganz tolles Buch geschrieben. Aber nehmen wir mal die Transfrauen. Und wenn die dann im Fernsehen dargestellt werden, gerne auch in Boulevardzeitungen, dann zeigt man sie beim Lackieren der Fingernägel und beim Schminken usw. Und das sind alles Dinge, wenn ich gefragt wurde, habe ich die alle abgelehnt. Auch keine Homestorys, weil ich gesagt habe, das bedient nur die Klischees, die mit uns verbunden werden. Und das möchte ich nicht. Und da habe ich mich auch ganz gut durchgesetzt.

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Heißt das, Transfrauen haben es vielleicht sogar leichter? Als Transmänner? Ja.

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Ich finde immer, die Transmänner, die ich kenne, die sind so attraktiv, dass die es leichter haben. Ich habe auch gerade jemanden in Schleswig Holstein kennengelernt, Ben, bei der Polizei, bei der Landespolizei in Schleswig Holstein, ist dort bei der Wasserschutzpolizei, studiert gerade, hat sich durchkämpfen müssen, dass er als Transmann bei der Polizei anerkannt wurde, hat das gemeinsam auch mit dem Vertrauensmann für queere Themen bei der Landespolizei Schleswig Holstein durchgesetzt.

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Und da glaube ich, das ist so ein Wahnsinnsschritt nach vorne. Also was ich gehört habe, dass in den Polizei Statuten oder was man sagen kann, es lange hieß Polizist kann nur werden, wer mindestens einen funktionierenden Hoden hat. Und dass dann jemand wie Ben kommt und und kann das. Auch so absurd mindestens einen. Es ist unglaublich. Ja, das haben sie natürlich jetzt alles gestrichen. Und Ben ist jetzt Wasserschutzpolizist.

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Und ich habe ihn kennengelernt und bin total fasziniert, dass das eben auch, Polizei ist ja jetzt nicht so ganz dramatisch wie Feuerwehr, was Männerjob angeht, aber da gibt es durchaus noch sehr patriarchale Strukturen. Und am Ende war es eine schöne Geschichte. Ich hatte eine schöne Geschichte in München erlebt, die hat nicht schön begonnen, aber da bin ich, ich war bei den Münchner Medientagen und ging zurück Richtung Hotel. Und da war so eine vierspurige Straße und auf meiner Seite war Stau und im Stau steht ein Mannschaftswagen der Münchner Polizei.

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Und wie ich da so vorbeigehe, merke ich gerade Ich bin in diesem Auto gerade das Thema. Der Fahrer guckte, der Beifahrer. Und dann hatten sie hinten in der Tür noch so eine kleine Schießscharten. Die ging auch auf. Da hing dann auch so ein Kopf drin. Dann habe ich, bin weiter und dann habe ich ne. Dann bin ich zu diesem Polizeiauto gegangen. Sie haben Fragen? Und dann hat der Beifahrer schnell sein Fenster hoch gemacht und ich habe dann mit Macht das Fenster wieder runtergemacht, die Schießscharten war wieder zugegangen. Und dann habe ich ihm gesagt Was Sie hier gerade machen, ist absolut respektlos.

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Das gehört sich nicht. Und da bin ich gegangen. Dann stand noch jemand am Straßenrand, der aussah wie ein Obdachloser, der sich dann auch noch über mich lustig gemacht hat und den Polizisten dann so sagte: Jetzt werdet ihr aber von einer richtigen Frau hier fertig gemacht, oder so. Dann bin ich weitergegangen. Und dann habe ich das getwittert, weil ich gedacht habe, habe gefragt: Liebe Münchner Polizei, ist das

Usus bei euch, dass man sich bei euch im Mannschaftswagen über Menschen wie mich lustig macht? Und das war sehr erfolgreich.

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Unter anderem hat sich auch die Münchner Polizei gemeldet. Nein, das ist nicht. Bitte persönliche Nachricht. Dann haben Sie gefragt, ob ich das Kennzeichen hätte. Nein, selbst wenn ich es hätte, es geht nicht darum, dass diese jungen Männer jetzt, sondern es geht um das Grundsätzliche. Weil, also ich kann mir da vorstellen, da sitzen fünf, sechs Leute in so einem Bus und dann die Gruppendynamik und dann schaukelt sich das so hoch oder so. Das kann man, das darf man doch jetzt nicht so böse nehmen, sondern das Grundsätzliche. Und dann hab ich am nächsten Tag mit jemandem bei der Polizei gesprochen, der sagte: Frau Kellermann, ich mache jedes Jahr vier Seminare zu genau diesen Themen.

01:42:44:03 – 01:43:15:05

Und Sie glauben gar nicht, es ist ganz langsam, es passiert was. Aber dann hat er auch gesagt, die kommen vom Lande und dann, dann ne so. Und dann hat er ein Interview mit mir gemacht für die Mitarbeiter Zeitung. Ettstraße heißt das, das Polizeipräsidium ist an der Ettstraße in München und dann haben sie für die Ettstraße ein Interview, ein ganz langes Interview und auch die Situation geschilder und so weiter. Und ich hatte dann auch, nachdem ich mit der, mit ihm gesprochen hatte, auch getwittert:

01:43:15:07 – 01:43:51:23

Ich habe gerade mit der Münchner Polizei gesprochen und das war ein sehr gutes Gespräch. Und dieser Tweet ist dann auch noch mal sehr erfolgreich gewesen und ich finde, das ist der richtige Umgang mit diesem Thema, von beiden Seiten. Nicht angreifen, fertigmachen und ich will, dass die jetzt bestraft werden, sondern sagen, da ist im Prinzip ein strukturelles Problem im gesellschaftlichen Kontext. Und da müssen wir dran arbeiten und die wollen daran arbeiten, die wollen das ganz bestimmt. Und deswegen glaube ich, dass wir in zehn Jahren weiter sind, als wir es heute sind.

01:43:52:02 – 01:44:04:28

Und eigentlich wünsche ich mir, in zehn Jahren sollten wir gerade auch was, was Inklusion und soweiter angeht, nicht mehr darüber reden müssen. Deine Worte in Gottes Ohren.

01:44:05:00 – 01:44:40:27

Wenn ich mir so die Interviews mit dir anhöre oder auch Briefe las, dann klingst du sehr optimistisch und auch mehr in dir ruhend und als ob du irgendwie dich versöhnt hättest mit der Welt, mit der Umwelt und auch mit der jahrelangen Diskriminierung, die du vielleicht erfahren hast. Und ich habe mir kurz die Frage gestellt, bitte nicht zu persönlich nehmen, ob das auch so eine Art Altersmilde geworden ist. Okay? Im Sinne von an die, die trans und queeren Menschen, die ich kenne, die sind richtig zornig über die Diskriminierungen, die sie immer noch erfahren.

01:44:41:05 – 01:44:45:03

Und du klingst viel ruhiger und gelassener. Kommt das mit dem Alter oder ist das

01:44:46:24 – 01:45:18:21

wirklich deine Beobachtung? Also erstmal, ich habe eine langjährige Lebensgefährtin, die heute meine beste Freundin ist. Wir haben uns aber schon vor der Offenbarung, da hat sie sich von mir getrennt leider.

Und sie sagt zu mir Du bist ein völlig anderer Mensch. Und ich glaube, das hat etwas damit zu tun, dass ich sein kann, wer ich darf. Dass meine Aggression vorher auch eine Aggression gegen die Umstände war. Ich weiß, dass viele Transmenschen sehr frustriert sind mit der Gesellschaft, und ich verstehe die total.

01:45:19:22 – 01:45:52:00

Ich bin ja in einer privilegierten Situation. Nächstes Jahr werde ich pensioniert. Ja, ich habe mich jahrelang verstecken müssen, aber nur öffentlich. Privat durfte ich schon sein, wer ich war. Aber ich habe auch jahrelang ein gutes Leben geführt. Der Georg als Reporter hat ja genau das Leben geführt, was er leben wollte, nur nicht als Georgine. Und ich glaube auch nicht, dass das möglich gewesen wäre, als Georgine dieses Leben zu leben.

01:45:52:07 – 01:46:24:06

So. Kann mich also nicht beschweren. Und auch wirtschaftlich geht es vielen Transmenschen dramatisch schlecht. Und da muss die Gesellschaft und ich glaube, wir sind sogar dabei, uns zu ändern, weil Arbeitgeber inzwischen merken, der Arbeitsmarkt wird ja, was qualifizierte Arbeitskräfte angeht, immer enger. Und Menschen, die so sind wie ich, bringen häufig Skills mit, die man bei anderen vergeblich sucht. Aber diese Legende wird uns ja auch ewig erzählt.

01:46:24:15 – 01:47:00:28

Auch Mensch mit Behinderung wird gesagt Ja, ihr findet demnächst Jobs, weil da Fachkräftemangel und so weiter und so fort. Das höre ich seit 20 Jahren. Ja. Das ist auch eigentlich nur eine eigene Beobachtung. Wenn sie nicht stimmen sollte, wäre es fatal, weil ich glaube, nur so bekommen wir die Menschen in eine Situation, die lebenswert ist. Wenn jemand Hartz IV bekommt und davon dann, ja gut, da gibt es wahrscheinlich vom Gericht. Im Moment muss eine Transfrau, ein Transmann ja die ganzen Gutachten selber zahlen.

01:47:01:09 – 01:47:34:04

Und wenn man dann ein bisschen mehr als das Existenzminimum verdient. Wie soll man das finanzieren? Und das sind vierstellige Beträge. Absurd. Ja, und auch viele medizinische Dinge muss man selber bezahlen. Also die Geschlechtsangleichung bezahlt im Allgemeinen die Krankenkasse. Aber es gibt ja noch viele Dinge, die man machen muss, die nicht die Krankenkasse bezahlt. Also wir müssen dazu kommen, den Leuten eine Zukunft zu bieten. Und da kann ich durchaus verstehen, dass jemand frustriert ist.

01:47:34:09 – 01:48:13:29

Wenn ich in mir selber ruhe, dann bezieht sich das auf meine persönliche Situation. Die allgemeine Situation, wenn ich heute wieder gelesen habe, es gibt ja eine Gruppe von Menschen, die Transmenschen radikal ausschließen. Und wenn ich da heute wieder lese, was da alles an Widerlichkeiten geschrieben wird, dann weiß ich nicht, wohin das noch führen soll. Denn dieser Hass, der wird ja auch, der multipliziert sich ja auch. Was wünschst du dir von Menschen, denen man sich gegenüber offenbart und outet? Die sagen Super, da machen wir jetzt weiter.

01:48:15:01 – 01:48:30:20

Hast du irgendeinen Ratschlag, den du jungen Menschen, die kurz vor der Offenbarung stehen, mitgeben willst? Ja, klar. Mach das nicht alleine. Sucht euch Hilfe. Es gibt Selbsthilfegruppen. Ich war bei einer.

Das war jetzt für mich nicht so erfolgreich.

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Aber die Aidshilfe in Düsseldorf zum Beispiel hat eine Selbsthilfegruppe für Transmenschen. Und die gibt es überall. Und Berlin muss ein Paradies sein, wenn es um Selbsthilfegruppen geht. Ich dachte Köln. Köln sicherlich auch. Ja, genau, am westlichen und am östlichen Ende gibt es so kleine Paradiese, was was Selbsthilfegruppen angeht. Aber

01:48:53:15 – 01:49:27:13

ich habe eine Therapeutin, mit der ich heute noch arbeite. Und das war das Allerbeste, was mir passieren konnte. Und da sage ich einfach: Sucht euch Unterstützung. Geht das gemeinsam an. Sucht euch Freunde, sucht euch Verbündete und dann macht ihr das ganz langsam, peu a peu. Würdest du alles noch mal genauso machen? Also nehmen wir mal an ich würde heute leben und ich wäre heute die 17 Jahre. Oder die 20 Jahre, die ich 1977 war.

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Dann würde ich es heute früher machen wollen, weil ich glaube, dass ich auch heute mit meinen Skills einen ordentlichen Job abliefern würde, auch als Georgine. Aber ich bereue nicht, dass ich es damals nicht gemacht habe. Ich habe ja damals auch mit vielen Menschen darüber gesprochen, unter anderem auch mit einem sehr empathischen Vorgesetzten und ihm gesagt, wie sehr ich mir wünsche die Geschlechts-, damals hieß das noch Geschlechtsumwandlung, Unsinn. Also die Geschlechtsangleichung. Ja, genau, die geschlechtsangleichende Operation zu machen.

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Und so weiter. Ich hatte alle Bücher zu Hause und habe das alles gelesen und wir haben dann in einem langen Mittagessens Gespräch. Beide waren wir am Ende der Ansicht Das ist kein kein kluger Gedanke, wenn du das machen willst, was du beruflich machen willst. Da hat man, da hatte ich dann eben die Wahl, mach so weiter und ich habe mich arrangiert. Aber das ist ja eigentlich auch harte Diskriminierung.Da hätte jetzt Tom Buhrow, wenn er damals dein Chef gewesen wäre, intervenieren können. Das hätte Tom mit Sicherheit auch gemacht.

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Gab es Menschen, die dir nahestanden, die dich damals enttäuscht haben? Nein. Nein, da habe ich, da bin ich wirklich echt, da habe ich so ein Glück gehabt. Immer. Niemand hat sich abgewendet. Ein Freund. Ein Freund hat sich abgewendet. Okay, einer. Aber sonst waren alle total bei mir. Was für ein Glück. Total. Du hast in einem Interview mal gesagt, dass du im Schulalter oder im Teenageralter oft auch so den Klassenclown gespielt hast und gemacht hast.

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Und da überkam es mich, ich bekam Gänsehaut, als du das erzählt hast, weil meine Mutter mir das auch immer vorgeworfen hat, ich wäre der Klassenclown, um anderen zu gefallen. Ja. Und das, das ist ja letztendlich auch so eine Art Selbstverletzung. Ja, das man Witze auf die eigenen Kosten macht oft. Ja.

Obwohl man vielleicht gar nichts zum Lachen hat. Ja, ja, genau. Ich habe Dinge getan, für die ich mich heute schäme. Aber natürlich weiß ich, dass das ein 14-15-16-jähriger noch nicht so einordnen kann.

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Aber mir wäre schon lieber, ich hätte sie nicht gemacht. Es ist passiert. Und ich glaube, jeder von uns hat ja in der Jugendzeit schwierige Phasen durchgemacht. Das hat auf jeden Fall bei mir emotional etwas ausgelöst. Das find ich sehr bewegend. Vielleicht auch so was Verbindendes wieder also das, dass wir trotz unterschiedlicher Merkmale ähnliche Diskriminierungserfahrungen an uns selbst, also selbst Diskriminierung, gemacht haben. Jetzt kommen wir, das hat Anastasia Umrik irgendwann gesagt, dass sie ja, irgendwie sind wir ja beide im falschen Körper geboren und solche Sachen, ja.

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Also ich würde meinen Körper nicht als falsch betiteln wahrscheinlich. Ich kenne es ja nicht anders. Ja, deswegen fehlt mir nichts. Ich bin einfach nur genervt, dass ich oft der Erste bin oder zu sein scheine, für andere Menschen mit Behinderung, den die begegnen. Okay. Und dass das ist manchmal sehr anstrengend. Also ich habe meinen Zivildienst in einer der, damals hieß das so Sonderschule, für geistig Behinderte in Ratingen gemacht und das war, das war eine ganz wichtige und schöne Zeit in meinem Leben.

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Und ich habe vor vor ein paar Monaten noch eine Mutter getroffen, deren Sohn spastisch gelähmt war. Da war bei der Geburt was schief gelaufen und den ich immer wieder, also als sie mich traf, sagt sie der Dirk, der war gestorben an Corona dann. Ach. Das war dann gestorben. Dann sagte sie noch mal, der konnte sie so gut leiden. Und ich erinnere mich auch noch, wenn man, also wenn man zum Bällebad mit den Kindern, das haben sie so gerne gemacht, weil sie so jede Stelle ihres Körpers gespürt haben oder aber ins Schwimmbecken gehen.

01:53:30:20 – 01:54:02:09

Und sie konnten ja selber nicht schwimmen. Also wenn man sie dann durch das Wasser so gezogen hat und die Freude, die dann. Niemand hat sich in meinem Leben so über mich gefreut wie die Kinder in der Schule. Eine Frage, die ich den Gästen im Aufzug immer frage, am Ende des Gesprächs: Gibt es eine Organisation, einen Verein, egal welches Thema, für das du dich einsetzt oder du empfiehlst, das sich die Hörerinnen und Hörer auch engagieren könnten oder spenden könnten.

01:54:04:21 – 01:54:35:18

Es gibt so viele und gerade auch was das Thema Trans angeht gibt es viele Vereine. Es gibt die Deutsche Gesellschaft für Transidentität. Es gibt den Bundesverband Trans. Aber was mir viel mehr am Herzen liegt, sind Frauenhäuser. Weil ich glaube erst mal, die sind auch für mich da. Das weiß ich auch. Das schreiben sie mir auch. Und weil Sie heillos unterfinanziert sind. Also einfach ein Frauenhaus in der Nähe suchen. Am besten ein Frauenhaus in der Nähe suchen und unterstützen.

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Und es gibt die Frauenhaus Koordinierung. Aber das wäre mir das. Das liegt mir am Herzen. Ist dir aufgefallen, welches Thema wir komplett ausgeklammert haben. Das Thema Hass im Netz. Ach so, ja, brauchen wir ja nicht, gibt ja nur schlechte Laune. Genau einmal Das. Und ich finde es auch zunehmend

anstrengend, dass ständig Opfer sich dazu äußern und ständig erzählen, wie sie damit umgehen und bla bla bla. Weil es ist ja nicht unsere Aufgabe, damit irgendwie umzugehen. Das ist die Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, da ein Riegel vorzuschieben.

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Und ich habe keine Lust mehr, darüber zu sprechen. Ich auch nicht. Aber ich habe eine schöne Anekdote. Erzähl. Hat jemand eine Mail geschrieben und quasi sinngemäß Leute wie ich gehören in die Gaskammer. Habe ich das angezeigt bei einer Staatsanwaltschaft in Nordrhein Westfalen. Und dann ist sogar ein Täter ermittelt worden. Ach, der lebt aber in einem anderen Bundesland. Oh Gott. Und dann hat die Staatsanwaltschaft in Nordrhein Westfalen das an das andere Bundesland abgegeben. Ich ahne.

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Und das ist ein Jahr her. Und dann habe ich vor paar Wochen die Staatsanwaltschaft, die betreffende, angeschrieben. Was ist eigentlich daraus geworden? Dann haben die geschrieben Ja, haben wir abgegeben an die andere Staatsanwaltschaft. Da wusste ich nichts von. Jetzt habe ich die Staatsanwaltschaft angeschrieben und frage: Was ist daraus geworden? Ich habe noch keine Antwort. Unfassbar, dass erinnert an die Sache, die Jan Böhmermann kurz vor seiner Sommerpause genau hingelegt hat. Georgine, Vielen Dank, dass du Gast ein meinem Aufzug warst. Ich habe mich so gefreut, dass du hier drin warst, als ich da eingestiegen bin.

01:56:16:20 – 01:56:17:10

Gerne wieder.

01:56:24:16 – 01:56:44:00

Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese Folge Spaß gemacht hat, bewerte diese Folge bei Apple Podcast, Spotify oder wo auch immer ihr zuhört. Allerdings zur Folge. So wie die Menschen, die mich bei diesem Podcast unterstützen, findet ihr in den Shownotes. Schaut da gerne mal rein.

01:56:46:15 – 01:56:58:19

Wenn ihr meine Arbeit unterstützen möchtet, würde ich mich freuen, euch bei Steady zu begrüßen. Mit einer Steady Mitgliedschaft bekommt ihr exklusive Updates von mir und die Gelegenheit, mich zwei Mal im Jahr persönlich zu treffen.

01:57:01:09 – 01:57:08:10

Im Aufzug ist eine Produktion von Schonlein Media. Ich freue mich auf das nächste Mal hier im Aufzug.

Erwähnte Links:

Transparent (Amazon Prime Serie)

Leeroy Matata YouTube Kanal

Georgine’s Tweet an die Münchner Polizei

Georgine Herzensangelegenheit:

Frauenhäuser – informiere dich wie du Frauenhäuser in deiner Umgebung unterstützen kannst

Frauenhaus Koordinierung

Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität

Hier findest du mehr über mich:

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Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann

Coverart: Amadeus Fronk

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