Im Aufzug mit Jo Schück

Warum sind Freundschaften wichtiger als Familie?

Jo Schück ist Moderator, Journalist und Optimist. Wir kennen uns schon lange und ich wollte mit ihm ein bisschen über alles reden: die Lage der Nation, übers Altwerden und wie er es schafft, selbst in Krisenzeiten seinen Grundoptimismus zu bewahren.

Wir diskutieren, welchen Herausforderungen sich der Journalismus gegenübersieht – aber auch, was Monstertruck-Shows mit Helene Fischer zu tun haben. Ich wollte von ihm wissen, wie wir in unserer Gesellschaft Kompromisse finden und ob wir die AfD interviewen müssen.

All das und warum Freundschaften für ihn wichtiger sind als Familie, hört ihr in dieser Folge. Aufzugtürauf für Jo Schück!

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00:01:49.000 

Jo Schück: Guten Tag, hallo Raul, wie schön, dass ich da sein darf. 

00:01:52.000 

Raul Krauthausen: Ja, sehr gerne, danke, dass Du mit mir Aufzug fährst. Gibt es eine Situation, an die Du Dich erinnern kannst, dir in einem Aufzug mal geschehen ist? 

00:02:02.000 

Jo Schück: Ja, ich bin in einer Klischeeaufzugssituation mal aufgewacht, mehr oder weniger. Dieses typische Ding, man fährt jetzt ständig im Leben Aufzug, die peinlichste Situation, die passieren kann, ist, wenn Du mit ganz vielen Leuten im Aufzug bist und einer pupst. Und dann wissen alle, inklusive des Pupsers, nicht mehr genau, wie sie sich verhalten sollen. Alle finden es voll eklig und es ist ganz voll. Und der Aufzug fährt aber irgendwie noch so fünf, sechs Stockwerke. Es dauert also noch eine Weile. Man hört deutlich den Pups. So dieses typische, ich gehe morgens rein, alle noch müde, keiner will reden, keiner guckt den anderen an und man

kennt sich vielleicht auch gar nicht so genau. Und dann ist es tatsächlich mir schon mal passiert, dass einer wirklich laut gepupst hat und es stank auch richtig und es war also wirklich unangenehm, aber es war auch so wahnsinnig lustig. Weil das ist die peinlichste Situation, die man so erleben kann. Und keiner weiß ja auch genau, woher es kam. Ich wusste in dem Fall nur, von mir kam es nicht. Und ich stand vorne und es war irgendwie hinter mir, also in meinem Rücken, irgendjemand. Und dann steht man da und versucht irgendwie zwischen Lachen und Ekel irgendwie diese Aufzugfahrt zu überstehen und springt dann raus und muss sich dann erstmal erleichtern, lachend erleichtern, meine ich. Das ist mir schon mal passiert, das fand ich schön. 

00:03:16.000 

Raul Krauthausen: Hand auf den Bauch. Du warst doch auch mal Pupser, oder? 

00:03:19.000 

Jo Schück: Ah, ich weiß nicht. Nee, also ich glaube in meinem Leben kommt das nicht. Ja, natürlich. 

00:03:24.000 

Raul Krauthausen: Wo man dann auch hofft, dass es keiner mitbekommen hat. 

00:03:28.000 

Jo Schück: Ja, genau. Es ist ja auch eine Kulturtechnik quasi, Pupse unterdrücken. 

00:03:32.000 

Raul Krauthausen: Pupse unterdrücken. Aber weißt du was ich richtig schlimm finde? Leute, die ihr Niesen unterdrücken und dann denkst du, dein Gehirn platzt doch gleich. 

00:03:40.000 

Jo Schück: Ja, wenn man sich so die Nase vorhält und dann so in die Nase reinnießt und das Gehirn platzt und man sieht schon wie die Äderchen auch im Auge und so platzen. 

00:03:48.000 

Raul Krauthausen: Also was ich noch nicht gehört habe, was wirklich passieren kann ist, dass wenn du auf der Toilette zu doll drückst oder das Niesen quasi so in dich reinziehst, dass dein Äderchen in deinem Gehirn platzen können und du daran sterben kannst.

00:04:01.000 

Jo Schück: Ach was? 

00:04:01.000 

Raul Krauthausen: Ja, gruselig, oder? 

00:04:01.000 

Jo Schück: Tod durch Niesen? 

00:04:06.000 

Raul Krauthausen: Ja, Tod durch Niesen. Und das ist dann 

so eine Art Schlaganfall oder wie man das nennt, aber es ist halt sehr ungünstig. Also auf jeden Fall sehr ungesund. 

00:04:09.000 

Jo Schück: Ich finde es interessant, dass wir am Anfang unserer Aufzugsfahrt bei Tod durch Niesen gelandet sind nach drei Minuten oder so. Was ist das hier für ein Podcast? 

00:04:18.000 

Raul Krauthausen: Das ist ein Podcast, wo sich zwei Menschen, die sich mögen, gut unterhalten können und dann einfach random irgendwo einsteigt und denkt, keine Sorge, ich habe ungefähr einen Ideeablauf, ich möchte mit dir über die Lage der Nation reden, über Journalismus, über deine Arbeit, aber vor allem, da fangen wir doch vielleicht mal bei biografischen Daten an, du kommst nämlich aus Hessen. 

00:04:41.000 

Jo Schück: Ja, das ist korrekt. 

00:04:41.000 

Raul Krauthausen: Und du hast in Bayern gelebt und in Berlin. Ist das so eine Art Weiterentwicklung des Jo Schücks, dass Berlin jetzt endlich, oder Berlin Brandenburg deine Heimat ist, oder vermisst du Bayern oder Hessen? 

00:04:55.000 

Jo Schück: Ah, interessante Formulierung, eine Weiterentwicklung des Jo Schücks. Man hofft ja immer, dass man sich in irgendeiner Weise weiterentwickelt. Ich bin mir nicht sicher, ob der Ort damit zu tun hat. Also man muss ja dazu sagen, ich bin in Bayern zwar geboren, aber da habe ich nur zwei oder drei Monate meines damals sehr jungen Daseins verbracht, bevor meine Eltern mich umgezogen haben nach Hessen. Und Hessen bezeichne ich bis heute als meine Heimat, vor allem Südhessen. Ich bin in

Lorsch groß geworden, wunderschöne Kleinstadt an der hessischen Bergstraße mit einem Weltkulturerbe, dem Kloster Lorsch kann ich sehr empfehlen. Und das ist immer noch meine Heimat, obwohl, und jetzt kommt der Punkt, obwohl da das, was man ja viel mit Heimat verbindet, nämlich Familie, gar nicht mehr lebt. Also niemand aus meinem Familienkreis wohnt noch in Lorsch. Ich habe da noch ein paar gute Bekannte und auch gute Freunde. Aber es ist jetzt kein Ort mehr, an dem ich regelmäßig vorbeischau, weil ich irgendwie Eltern oder Tanten oder sonst wen besuchen würde, weil die sind da alle nicht mehr. Sofern sie noch leben, sind sie auch nicht mehr da. Von daher ist es eine seltsame, habe ich ein seltsames Verhältnis zu meiner eigentlichen Heimat Lorsch, weil ich da, wie gesagt, gar nicht mehr regelmäßig bin. Wenn ich da bin, ist es immer schön, aber es gibt keinen Anker mehr in dem Sinne. Von daher ist Berlin definitiv nicht nur eine Wahlheimat, sondern, also sagen wir mal, der Heimatbegriff mit Berlin ist stärker geworden im Laufe der Jahre. Von daher ist es vielleicht keine Weiterentwicklung, aber ein selbstgewählter Zielort geworden. Ich habe aber auch keine Familie in Berlin jemals gehabt. Also ich habe mit Berlin vorher nichts verbunden, außer halt die Stadt und das Dasein an sich. Aber es ist jetzt quasi ein selbstgewählter Heimatort geworden. 

00:06:39.000 

Raul Krauthausen: Und du hast jetzt selber Familie dort. 

00:06:41.000 

Jo Schück: Genau. Ich habe da einfach selber hier ein Nest gebaut, wenn du so willst. Also von daher verbinde ich mit Berlin mindestens genauso viel Heimat wie mit meinem damaligen Lorsch. Aber ich glaube dieses Aufwachsen, das kennen wir alle irgendwie, Aufwachsen hat schon, das ist eine sehr prägende Zeit, so zwischen, sagen wir mal, 12 und 18 oder so. Und was in der Zeit passiert, das nimmt man einfach ein Leben lang mit. So geht es mir zumindest. 

00:07:05.000 

Raul Krauthausen: Ja, das stimmt. Das finde ich gerade ganz spannend, dass du sagst, dass in Lorsch vor allem nur noch Freunde wohnen. Und das Thema Freundschaft ist ja ein Thema, das dich ja schon sehr beschäftigt. Du hast ein Buch geschrieben, das heißt Nackt im Hotel, wo du quasi die steile These aufstellst, dass Freundschaften vielleicht sogar wichtiger sind als klassische Familienstrukturen. Kannst du das relaten mit deinen Lorsch-Freundschaften?

00:07:31.000 

Jo Schück: Ja, in dem Buch, ich glaube es ist sogar der letzte Satz des Buches, heißt Heimat ist da, wo Freunde sind oder Freundinnen sind. Das ist tatsächlich für mich ein wesentlicher Faktor. Ich habe ja gar nicht Familie gegen Freundschaft ausgespielt, auch in diesem Buch, und das würde ich auch bis heute nicht tun, denn zum Beispiel ich liebe meine Familie und bin ganz froh, dass ich sie habe. Aber ich glaube, was mir so ein bisschen auf den Zeiger ging, ist, diese Familie- oder Liebesbeziehungen auf so einen Ton setzen und Freundschaften wabern dann auch noch irgendwie rum. Ich habe eher den Eindruck, man müsste das umdefinieren. Auch Familienbeziehungen sind in meinem Dafürhalten, gehören in den großen Top-Freundschaften rein. Und diesen Freundschaftsbegriff, den finde ich, den sollten wir auf den Thron heben, denn Familien sind ja eigentlich auch nur Beziehungsformen, die wir einfach nicht selber wählen konnten. Aber ich finde es total legitim, dass man zum Beispiel mit dem blutsverwandten Onkel weniger Kontakt hat als mit dem nicht blutsverwandten Freund. Also warum sollte der Freund nicht einen viel höheren Stellenwert haben als der zufällig in der Eizellenlotterie dazugewonnene Onkel oder selbst der Bruder oder die Schwester oder so? Ich habe das Gefühl, da ist die Prioritätenliste so ein bisschen verrutscht. Von daher sage ich, ja, da wo Freunde sind, kann man Heimat und auch eine Geborgenheit empfinden, die eben nicht nur durch Familienbeziehungen hergestellt werden kann. 

00:08:53.000 

Raul Krauthausen: Da kann ich total mit etwas anfangen. Das finde ich deswegen so spannend, weil ich neulich mal einen Artikel gelesen habe, wo die These aufgestellt wurde. Natürlich gibt es beste Freunde, es gibt Freunde und es gibt Bekannte, wenn man jetzt mal so eine Hierarchie aufmachen würde. Und im Prinzip reicht es fünf beste Freunde zu haben, um auch zu sagen, das ist genug. Es gibt aber Leute, die streben nach Dingen, von denen man nie genug haben kann, zum Beispiel Bekannte oder Geld oder Macht oder Einfluss. Als ich das dann reflektiert habe auf mein Leben, fiel mir auf, dass wir neulich eine Feier bei uns zu Hause hatten, dass wirklich meine Kindheitsfreunde noch vorbeikamen. Und die werden glaube ich auch, bis ich sterbe oder sie sterben, Freunde bleiben. Es ist einfach alles gesetzt. Es ist unwahrscheinlich, dass die jetzt noch mal abdriften oder AfD wählen oder so. Sondern, wie soll ich sagen, dass ich ein Gefühl hatte von, das ist schön, das ist ausreichend, ich brauche nicht mehr. Kennst Du dieses?

00:09:59.000 

Jo Schück: Absolut. Also ich habe jetzt in der Auseinandersetzung, das Buch ist ja schon ein paar Jahre alt, aber ich habe mich in der Auseinandersetzung mit diesem Thema, was mich wirklich seit Jahren, vielleicht sogar seit Jahrzehnten beschäftigt, ist mir vieles aufgefallen. Ich dachte immer, es geht allen Menschen so, wie es mir geht mit den Freundschaften, so ähnlich nämlich wie Dir. Alte Freunde irgendwie, manche haben alte Freunde aus der Schule, dann aus dem Studium, dann aus dem ersten Job und dann vielleicht aus dem zweiten Job. Und so sammeln sich so Freundschaften wie so Bücher in einem Bücherregal an. 

00:10:26.000 

Raul Krauthausen: Genau. 

00:10:27.000 

Jo Schück: Das ist aber nicht bei allen Menschen so. Das fand ich interessant, dass immer mehr Menschen mir dann auch berichtet haben, dass sie zum Beispiel aus ihrer Kindheit, Schulzeit, auch teilweise Studiums- oder Ausbildungszeit eben nicht mehr so viele Freunde mitgebracht haben. Also es gibt alle möglichen Formen von Freundschaften und Beziehungen, die eben halten oder nicht halten. Aber tatsächlich geht es vielen Leuten so, dass sie aus bestimmten prägenden Zeiten, ich sage mal so zwölf bis 25 oder so, das sind so Freundschaften, die ganz oft auch lange, also die die Chance haben, lange zu überdauern. Und ich finde es so spannend, dass diese Freundschaften an fast keine Bedingungen geknüpft sind. Also klar, man will natürlich nicht belogen oder betrogen werden von einem sogenannten besten Freund, logisch. Eine gewisse Loyalität spielt eine Rolle. Aber im Gegensatz zu so Liebesbeziehungen gibt es keine Konventionen, wie eine Freundschaft aussehen muss oder keine Verträge wie bei einer Ehe zum Beispiel. Also das muss man sich mal vorstellen. So eine Liebesbeziehung wird mit einem Ehevertrag vor Gericht im Standesamt quasi festgelegt. Das kann man sich ja bei Freundschaften überhaupt nicht vorstellen. Freundschaften sind so ein wunderbar vertragsloses, grenzenloses, gesetzloses Konstrukt. 

00:11:39.000 

Raul Krauthausen: Vielleicht auch eines der wenigen. 

00:11:45.000 

Jo Schück: Ja genau, ganz ganz wenige. Es gibt kein freiheitlicheres, kein offeneres Beziehungskonstrukt und trotzdem bringt es, und das ist so 

paradox und gleichzeitig so schön, trotzdem bringen Freundschaften so eine Stabilität ins Leben, so eine Geborgenheit. Man kann sich fallen

lassen. Eine Liebesbeziehung, gerade so eine monogame Liebesbeziehung, das ist wie so ein Faden. Der bricht dann irgendwann ab. Und die Leute fallen teilweise ins Bodenlose, wenn eine Liebesbeziehung endet, nachvollziehbarer Weise. Bei Freundschaften ist es so, du hast meinetwegen deine fünf besten Freunde und die knüpfen wie so eine Art Netz, wie so ein Spinnennetz. Und selbst wenn dann mal einer von diesen fünf Knoten sich löst im Laufe des Lebens, bleibt das Netz noch erhalten. Das heißt du fällst nie tief. Du wirst irgendwie irgendwann aufgefangen in so einem sehr flexiblen Netz, was dich irgendwie halten kann. Und das finde ich faszinierend an Freundschaften insgesamt so. Diese Netzwerkfähigkeit und diese Flexibilität, die da drin steht. Und diese Grenzenlosigkeit einerseits und Stabilität andererseits. Das ist faszinierend. Deswegen musste ich damals auch dieses Buch schreiben. 

00:12:49.000 

Raul Krauthausen: Ich habe als Jugendlicher, wir hatten natürlich alle mal so depressive Phasen, aber als Jugendlicher habe ich irgendwann geglaubt, meine Eltern würden meine Freunde dafür bezahlen, dass sie meine Freunde sind. 

00:13:02.000 

Jo Schück: Und war es so? 

00:13:04.000 

Raul Krauthausen: Das ist super traurig eigentlich. Natürlich nicht. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, wie jemand mein Freund sein will. Aber ich hatte Freunde. Ich habe mich auch nicht einsam gefühlt. Ich glaube ich war ein internalisierter Ableismus. Aber ich dachte mal, wer möchte schon mit einem behinderten Menschen befreundet sein? Da kann doch was nicht stimmen. Und es hat glaube ich bestimmt vier, fünf Jahre gedauert, bis ich das nicht mehr gedacht habe. 

00:13:32.000 

Jo Schück: Was natürlich viel mit dir zu tun hatte und weniger mit den Freunden und den Eltern. 

00:13:37.000 

Raul Krauthausen: Ja, genau. Sagt man Freunden, dass sie Freunde sind? 

00:13:42.000 

Jo Schück: Ja, ich finde man muss es ab und zu machen. Das ist ja wie mit allen Beziehungsformen. Man muss sie dann doch pflegen. Also wenn wir das Bild nehmen des Bücherregals und man hat da so verschiedene Bücher drin stehen. Manche sind schon ganz alt, manche sind vielleicht sogar ein

bisschen angestaubt. Dann kommen manchmal neue dazu. Je älter man wird, desto weniger neue kommen in der Regel dazu. Und ich finde schon, dass man sich mal vor dieses Bücherregal stellen sollte und mal gucken sollte, wer ist denn da noch so drin? Wie oft habe ich dieses Buch in letzter Zeit in die Hand genommen? Warum ist denn das eine so verstaubt und das andere nicht? Also ich finde man sollte schon so ein bisschen so eine Art Beziehungshygiene beibehalten. Also so ein bisschen auch die Pflege des Ganzen. Denn das wissen wir auch. Es gibt auch diese Beziehungsformen. Also freundschaftliche Beziehungen, wo man denkt, ja komm wir sind schon immer beste Freunde und wir sehen uns zwar nur alle zwei Jahre. Hören wir uns mal, ist dann immer bestimmt super. Und dann gibt es aber, mir zumindest ist es so gegangen, auch den Punkt, dass man sagt, ja wir sehen uns zwar alle zwei Jahre und behaupten immer, es ist alles super. Aber eigentlich schwelgen wir nur in Nostalgie und haben uns gar nicht mehr so viel Neues zu sagen. Also diese Freunde, wo man heutzutage sagen würde, wenn ich dir heute begegne, ob wir dann noch Freunde werden würden, weiß ich gar nicht so genau. Und ich finde das durchaus hilfreich, das im Zweifel sogar auszusortieren. Ich spreche auch davon, dass man sich auch von Freunden trennen darf, wenn man will. Das schadet ja nicht, einfach um ein bisschen Platz im Bücherregal vielleicht auch zu schaffen. 

00:15:12.000 

Raul Krauthausen: Gibt es zu viele Freunde, von wegen Platz im Bücherregal? 

00:15:16.000 

Jo Schück: Ja, prinzipiell nicht. Aber da muss man sich schon auch klar machen, das ist einfach eine Kapazitätsfrage. Wir haben alle eine beschränkte Zeit- und Gedankenkapazität und wenn jemand behauptet, er hat irgendwie 1000 echte Freunde, dann ist es auf jeden Fall eine Lüge. Das geht nicht. Also sozialpsychologisch ist das nicht machbar. 

00:15:33.000 

Raul Krauthausen: Mhm, klar. 

00:15:34.000 

Jo Schück: Von daher muss man sich dann eher fragen, was heißt denn Freund sein? Also wie definiert man das? Wann ist ein loser Bekannter und wann ist es ein echt guter Freund? Das ist ja schon ein großer Unterschied.

00:15:45.000 

Raul Krauthausen: Das finde ich auch so faszinierend. Manchmal trifft man ja auch Leute, die man zum ersten Mal sieht und dann da gleich so eine Verbindung da ist, so eine Chemie zwischen einen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die dann auch sehr gute Freunde werden, gegeben ist. Also man muss sich nicht ewig kennen, um gut befreundet zu sein. 

00:16:03.000 

Jo Schück: Das stimmt, ja. 

00:16:04.000 

Raul Krauthausen: Sondern es gibt dann auch so plötzliche Freundschaften, die dann auch halten. 

00:16:07.000 

Jo Schück: Ja, wenn man so das gleiche Mindset, du hast es vollkommen richtig gesagt, also am Anfang genau wie eine Liebesbeziehung spielt halt einfach nur die Chemie, der Geruch, sonst was eine Rolle. So ein erster Eindruck, der hat ja auch durchaus was mit biochemischen Prozessen zu tun. Das finde ich auch wahnsinnig spannend. Und dann erst im Nachhinein stellt sich vielleicht heraus, man hat vielleicht sogar ein ähnliches Wertegerüst oder man hat irgendwie ähnliche Interessen oder so. Man weiß aber bei manchen Menschen irgendwie bist du so 

faszinierend, dass ich gerne mehr Zeit mit dir verbringen will. Übrigens, das ist auch eine witzige Erkenntnis gewesen, die ich in irgendeiner Studie gefunden habe. Nicht in irgendeiner, sondern das ist also sozialpsychologisch abgesichert. Da gab es ein Experiment, dass Menschen, andere Menschen spannender finden und die Wahrscheinlichkeit für eine Freundschaft erhöht wird, je häufiger die Menschen sich treffen. Das ist bei alten Freunden dann nicht mehr so relevant, aber am Anfang eines Freundschaftsprozesses ist es wahnsinnig 

relevant. Je häufiger man sich sieht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich befreundet. Das haben sie rausbekommen mit einem Experiment an einem College Club in Stanford. Dann haben sie ermitteln wollen, wer von den Studenten in diesem Wohnhaus hat die meisten Freunde. Und sie haben festgestellt, der Typ im Erdgeschoss, irgendwie in der Mitte, der hat mehr gute Bekanntschaften und Freundschaften als derjenige, der im vierten Stock irgendwie unterm Dach wohnt. Warum? Weil damals, 70er Jahre, der Briefkasten direkt 

neben der Tür von diesem einen Menschen war. Da kamen mehr Menschen vorbei. Deswegen hatte er mehr Kontakte, deswegen hatte er mehr 10 

Chancen auf Freundschaften. Und genau so war es. Das ist manchmal ganz banal und billig. 

00:17:39.000 

Raul Krauthausen: Ja krass, krass. Wenn also der letzte Satz in deinem Buch ist, Heimat ist da, wo Freunde sind, würde ich gerne einen anderen letzten Satz von dir sagen, den ich auch auszeichne. Du moderierst nämlich die Sendung Aspekte. Und in der Sendung Aspekte sagst du, wir müssten alles erwarten, auch das Gute. Und das ist auch so ein geiler Satz. Wir leben in einer Zeit, wo doch immer alle in Alarmstimmung sind. Alle sind gegen alles und gegen jeden und jeder hat eine Meinung. Und wir gehen eigentlich auch schon davon aus, dass die nächste Nachricht eine schlechte sein wird. Aber wir gehen nicht mehr davon aus, dass die nächste vielleicht was Schönes ist. 

00:18:18.000 

Jo Schück: Ja, das sehe ich auch als ein Grundproblem an. Auch bei allen Debatten und Diskussionen, die wir so führen, dass man auch dem Gegenüber auch erstmal was Schlechtes unterstellt. Nicht immer, nicht alle natürlich, aber es gibt so eine Grundhaltung, die eher sagt, na egal was der jetzt sagt, da bin ich erstmal so ein bisschen dagegen. Egal was jetzt für eine Nachricht kommt, die wir wahrscheinlich schlecht sein. Und ich wurde schon oft gefragt, woher dieser Satz stand, wo ich den geklaut habe. Ich habe den irgendwann mal aufgeschrieben unter tatsächlich eine Moderationskarte. Vor Jahren schon bei einer Aspekte-Sendung, weil der ist mir so gekommen. Danach habe ich tatsächlich viel recherchiert, ob es da irgendein Urheberrecht drauf gibt. Aber ich habe es nicht gefunden und bis jetzt konnte mir auch noch keiner das Gegenteil beweisen. Deswegen behaupte ich jetzt, ich habe den selber erfunden. Und demnächst kommen die auch in meinen T-Shirt Shop rein, den ich gründen muss. Da gibt es dann so T-Shirts mit dem Satz. Aber da sagt einfach wirklich vieles, weil ich finde auch, das sollte so eine Grundhaltung sein. Wir müssen alles erwarten heißt ja durchaus auch, das ist ja nicht zweckoptimistisch gedacht oder irgendwie in einem Wolken-Kuckucksheim gedacht, sondern einfach, wir müssen wirklich alles erwarten. Das heißt aber auch, vergesst nicht Leute, es können auch gute Sachen passieren. Und das ist so eine Grundeinstellung, die ich mir wünschen würde, die wir vielleicht alle irgendwie noch mehr beherzigen würden. Ich selber auch, ich muss mir das ja selber auch immer wieder sagen. 

00:19:41.000 

Raul Krauthausen: Wollte ich gerade fragen, du musst dir das antrainieren. 11 

00:19:44.000 

Jo Schück: Ja, na was heißt antrainieren? Ich habe das große Glück, dass ich mit einem Grundoptimismus ausgestattet durchs Leben gehe und auch in diesen krisenhaften Zeiten irgendwie, also ich sehe es nicht ein, warum ich jetzt schlechte Laune kriegen sollte, obwohl die Welt schlecht ist. Ich sehe es auch nicht ein, dass ich selber irgendwie traurig oder gar depressiv werden müsste, nur weil drum herum die Welt irgendwie gerade abbrennt. Das ist ein großes Glück. Mir ist es auch klar, dass das auch ein körperliches Privileg ist, weil manche Leute können das einfach nicht einfach sagen, ich bin jetzt fröhlich und dann sind sie fröhlich. Ich habe das Glück, ich bin im Grunde eher optimistisch und das würde ich mir gerne beibehalten, aber ich muss mir natürlich in harten Zeiten das auch manchmal wieder sagen. Und dann kommt dieser Satz, den ich jetzt so als mein Motto auserkoren habe, hinter fast jede Sendung, die ich sage, kommt er am Ende und dann merke ich an dem Moment auch immer wieder, ah krass, ja stimmt, weiter so denken, also das ist schön, also ich motiviere mich damit auch selber. 

00:20:45.000 

Raul Krauthausen: Und wenn du jetzt, sagen wir mal, ein paar Jahrzehnte später auf dein Leben zurückblickst, wer willst du gewesen sein? Bist du der gewesen sein, der du jetzt gerade bist oder wünschst du dir mehr Optimismus oder weniger Öffentlichkeit, keine Ahnung? 

00:21:00.000 

Jo Schück: Auch das verbuche ich als Vorteil in meiner Gehirnstruktur, dass ich mir darüber tatsächlich keine Gedanken mache. Also ich hatte noch nie den Gedanken, wie wird das sein, wie wird vielleicht die Welt auf mich zurückblicken, wie würde ich gerne selber auf mich zurückblicken. Da kommen wir ganz schnell an so existenzielle Fragen nach Tod und Sinn des Lebens. Und ich habe, ich mache das öfter, dass ich auf einer typischen, so auf so einer Party, wo alle irgendwie in der Küche rumhängen und man so Smalltalk-Gespräche teilweise führt, und da habe ich gerne die Frage, was würdest du tun, wenn der Tod in 60 Sekunden um die Ecke kommt und sagt, das war’s? Würdest du dann durchdrehen? Würdest du sagen, oh danke, war schön gewesen? Oder würdest du sagen, bitte, bitte Tod, würdest du ihn anflähen, bitte gib mir noch zwei, drei Jahre, bitte, ich habe noch so viel zu erledigen, ich wollte unbedingt noch das und das und das machen? Ich finde die Frage, gerade auf einer WG-Party oder so, finde ich die immer ganz spannend, weil die Leute wirklich ins Denken kommen und ich habe mir eine Frage natürlich auch selber 12 

gestellt und das beantwortet vielleicht auch dann deine Frage. Ich glaube, ich wäre unabhängig von dem, sagen wir mal, Leid, was mein eigener Tod verursachen könnte für meine Familie oder für mein Umfeld, das will ich natürlich niemandem antun, aber ich glaube, wenn der Tod das sagen würde, würde ich sagen, ist jetzt ein bisschen früh, dumm gelaufen, aber dann gehen wir halt. Also es gibt keinen Puzzle, den ich jetzt noch in mein Leben unbedingt hineinführen muss, ich habe zwar Lust, weitere dazu zu führen, aber wenn es jetzt vorbei wäre, wäre es auch ok, war auch gut bis jetzt. 

00:22:37.000 

Raul Krauthausen: Ja, da kann ich auch was mit anfangen, das habe ich auch in der einen oder anderen größeren lebensgefährlichen Situation, in der ich mal war, auch öfter gedacht, ja dann ist es halt so. Ohne zu sagen, ich wollte aber noch unbedingt das und das erlebt haben oder geklärt haben. 

00:22:52.000 

Jo Schück: Aber wenn du das erzählst, wie reagieren Menschen, sagen die dann, ach Gott, wie bist du drauf? Bist du lebensmüde oder was? 

00:22:59.000 

Raul Krauthausen: Nee, die können das verstehen, weil die wissen ja, dass ich auch schon ein sehr lebensfröhlicher Mensch bin und ich stehe auch, also ich freue mich jeden Morgen aufzustehen, also das ist schon auch ein Privileg natürlich und von außen gesehen könnte man vielleicht oft denken, er hat es ja schon so schwer, ich würde gerne meinen Mitbewohner mal zitieren, ehemaliger Mitbewohner, der hat gesagt, wir sind erst dann alt, wenn wir uns an unserer Vergangenheit mehr erfreuen als an unserer Zukunft. 

00:23:31.000 

Jo Schück: Das war ein Mitdenkersatz. 

00:23:33.000 

Raul Krauthausen: Das fand ich einen richtig schönen Satz und ich denke regelmäßig darüber nach und was ist der Grund warum ich aufstehe? Warum bleibe ich nicht im Bett? Und ich glaube es ist dieses, weil ich einfach noch Lust auf Zukunft habe. Ganz platt. 

00:23:45.000 

Jo Schück: Ja, ich kann das sehr gut nachvollziehen. Diese Lust auf das, was da noch ist, wie auch immer das ist, definiert ist, also Menschen, Erlebnisse, Dinge, das habe ich tatsächlich auch, es ist ein großer Antrieb, 13 

das stimmt. Wenn das irgendwann mal aufhört, dann kann ich mich auch hinlegen. 

00:24:03.000 

Raul Krauthausen: Ja, genau. Und ich sehe das halt bei älteren Menschen, jetzt auch im Bekanntenkreis, wo die dann auch müde werden und dann auch sagen, so ja, jeder Tag ist gleich. Und da verstehe ich auch, wenn man dann irgendwann müde wird und dann vielleicht auch jetzt nicht unbedingt suizidal oder depressiv, aber dann einfach auch so diese Flamme innerlich kleiner wird. Die will halt was zu entdecken. 

00:24:26.000 

Jo Schück: Das ist natürlich ein ganz großes Glück, wenn du im Alter auch, sagen wir mal, körperlich nicht so beeinträchtigt bist, dass du trotzdem noch weitermachen kannst. Also es gibt ja viele auch ältere Menschen, die einfach, weil sie, keine Ahnung, sich nicht mehr bewegen können oder weil sie es einfach energie-technisch nicht mehr schaffen, irgendwo hinzugehen, also nicht mehr mobil zu sein. Das ist natürlich so eine große Einschränkung, die das Ganze, glaube ich, einfach so beschränkt, das Leben, dass die Flamme schneller ausgeht, leider. Deswegen wäre es natürlich ein großes Glück. Ich habe jetzt gerade jemanden getroffen, 78, getroffen, ist gut, es ist ein nahe Verwandter, der lange Zeit jetzt in Australien verbracht hat und irgendwie so ein bisschen weltreisig, aber auch noch arbeitet und irgendwie sich so fit hält, körperlich gar nicht mehr so gut beieinander ist, aber noch so viel Lust hat, also die Flamme brennt noch so stark. Also für mich war das ein sehr schönes Vorbild, wo ich sagen würde, ey, wenn ich mal kurz vor 80 bin und immer noch so Lust habe, Dinge zu erleben, und sei es die Kleinigkeiten. Das ist jemand, der sich ein Tagesticket für die BVG kauft und einen riesen Spaß dran hat, einen ganzen Tag lang Bus zu fahren bis zur Endstation. Weil er freut sich ja immer drin, er freut sich, das ist wieder was erlebt, wieder Leute gesehen, Leute getroffen. Und wenn man mit so Kleinigkeiten irgendwie seinen Alltag aufhübschen kann, das ist natürlich toll. 

00:25:47.000 

Raul Krauthausen: Meine Partnerin und ich, wir haben die Abmachung, dass wenn wir Geburtstag haben oder Weihnachten, dann schenken wir uns nicht Dinge, sondern Erlebnisse. Und das letzte Erlebnis, das sie mir geschenkt hat, war eine Monster Truck Show in Hennigsdorf. 

00:26:05.000 

Jo Schück: Okay, der kam unerwartet. 14 

00:26:11.000 

Raul Krauthausen: Ja, für mich auch. Und ich sag dir, ich werde da noch Jahre davon erzählen, das ist einfach so absurd und so geil gewesen. Du hast alle Schamgefühle, die man haben kann, Fremdscham, Ökoscham, und gleichzeitig denkst du, ja, aber der Laden ist voll hier. Und das ist für viele Leute ein Ding. Und wir waren wahrscheinlich die Einzigen, die das ein bisschen mega absurd fanden. Und wir waren auch die Einzigen, die mit dem ÖPNV angereist sind, zwei Stunden aus Berlin. Aber es war halt auf jeden Fall ein Erlebnis. 

00:26:49.000 

Jo Schück: Und war das denn so, dass du dann immer mit so einer ironischen Brille da saßt oder fandst du es schon auch selber ganz schön geil, wenn die Autos da zusammengekracht sind? 

00:26:57.000 

Raul Krauthausen: Also, ich würde sagen 50-50, also wenn ich ehrlich bin. Ich habe schon auch eine Faszination für Leute, die was können. Und ich kann da auch trennen zwischen Geschmack und Talent, oder Geschmack und Können. Also ich muss Helene Fischer nicht mögen und habe trotzdem Respekt vor ihrer Arbeit. So, und genauso ist es auch bei Stuntfahrern. Also ich habe nicht meinen Führerschein, ich habe nichtmal ein Auto. Ich habe Respekt davor, wie es ihr schafft, Weltmeister zu sein auf zwei Rädern im Auto zu fahren, bzw. sogar stehen bleiben oder umzukippen. Und das musste können, da musste viel geübt haben, musste viel gescheitert sein. 10.000 Stunden Regel, irgendwann kannst du es halt. Diesen Ehrgeiz, den kann man finde ich respektieren. Und dann hatte ich auch schon 3-4 Faszinationsmomente, wo ich dachte, ja, ein 9-jähriger, der Motto kross fährt, hat man auch nicht alle Tage gesehen. Ich finde es aber trotzdem ganz schlimm. Also die Einstiegsgag war, so meine Damen und Herren, hofft mir, dass Robert Habeck das hier nicht sieht. Da denke ich auch so, oh Gott, was soll das denn jetzt. 

00:27:51.000 

Jo Schück: Ich finde es interessant, dass du das im Vergleich gezogen hast zu Helene Fischer, denn ich hatte so ein ähnliches Guilty Pleasure-Erlebnis. Ich war nämlich beim Helene Fischer-Konzert im Olympiastadion und da haben um mich herum alle gesagt, wieso gehst du hin, was soll das? Ich bin da ernsthaft mit einem ganz offenen, mich hat es diese Faszination, Helene Fischer interessiert mich persönlich, aber auch journalistisch. Ich wollte das besser verstehen lernen, dieses Phänomen Helene Fischer. Und ich fand das ein ganz tolles Erlebnis, in diesem Olympiastadion zu sitzen, während unten irgendwie wie so bei so einem 15 

römischen Reiterkolosseum die Dame vorbeifährt auf ihrem Tross und die Fans rasten aus und liegen ihr wirklich zu Füßen und verehren sie wirklich bis in die Haarspitze hinein. Und ich saß direkt neben solchen Leuten und habe wirklich komplett wertfrei, gar keine negative Wertung drin. Ich fand das so faszinierend und ich konnte so ein bisschen mehr erahnen, wie diese Faszination überhaupt zustande kommt. Ich teile sie nicht, aber ich verurteile sie auch nicht. Das war total spannend. Also Helene Fischer und Henningsdorfer Crashcast, das hat eine Parallele. 

00:29:14.000 

Raul Krauthausen: Auf jeden Fall. Ich war auf dem David Hasselhoff-Konzert in der Max-Schmeling-Halle und das war tragisch traurig 

faszinierend. Tragisch traurig, weil die Halle war nicht ausverkauft und der Mann ist auch echt nicht mehr fit und der versucht ja noch an die alte Zeit anzuschließen. Das hat ein bisschen wehgetan, das zu sehen. Aber ich war mega fasziniert von den Fans. Das sind nicht so Fans, die hingehen, um sich mal was Lustiges anzusehen. Das sind Herzblut-David Hasselhoff-Fans und die tragen die Kutte von Michael Knight. Das ist eine Welt und die Welt kennen wir nicht. Und die Leute gehen nach Hause und haben morgen einen Beruf. Wir gucken uns viel zu wenig anderer Leute Leben an und urteilen viel zu sehr nach unseren Maßstäben. 

00:30:06.000 

Jo Schück: Das ist ja sowieso so ein Grundsatzproblem. Auch im Journalismus muss man ja leider sagen. Die Journalismuskaste ist ja auch eine nicht so heterogene, um es mal vorsichtig zu formulieren. Und von da aus wird dann oft bewertet und analysiert und kritisiert, gerade bei vielen Sachen, die man noch nie erlebt hat. Ich bin echt neidisch über deine Crash-Car-Geschichte und auch über die David Hasselhoff-Geschichte. Ich finde das auch nicht nur persönlich bereichernd, sondern auch journalistisch angebracht, das zu machen. Ich war mal bei einem Scooter-Konzert vor vielen Jahren. Da wollte ich unbedingt hin, um das zu verstehen. Und da habe ich auch wirklich Leute getroffen, die ich in meinem Privatleben nicht drin haben will. Das meine ich jetzt schon wertend, weil das waren schon auch ganz schöne Drollos dabei, die mir sehr unsympathisch waren. Aber eben nicht nur. Und diese Faszination Scooter und H.P. Baxter, das ist schon auch eine Nummer, da muss man erst mal dahinter kommen. Ich fand das auch wahnsinnig bereichernd. Und deswegen ist es auch so wichtig, gerade für Journalisten und Journalistinnen, auch mal dahin zu gehen, wo man normalerweise als Privatperson eben nicht hingeht. Also leave your comfortzone ist so ein 16 

Spruch, den man seit 30 Jahren sagt, aber der stimmt. Macht Dinge, die mit dir eigentlich gar nicht viel zu tun haben. 

00:31:23.000 

Raul Krauthausen: Ich war Weihnachten letzten Jahres im Weihnachtszirkus Roncalli. 

00:31:27.000 

Jo Schück: Ich auch. 

00:31:28.000 

Raul Krauthausen: Du auch, ja? 

00:31:29.000 

Jo Schück: Vielleicht waren wir sogar in derselben Vorstellung. 

00:31:30.000 

Raul Krauthausen: Ja, vielleicht. Und der Sohn meines Cousins, der ist 12 Jahre alt, hat irgendwann die Frage gestellt, warum müssen die Frauen alle Bikinis tragen? 

00:31:39.000 

Jo Schück: Absolut richtig. Es ist sehr auffällig gewesen. 

00:31:42.000 

Raul Krauthausen: Super unangenehm. Und der ruht sich, der Roncalli ruht sich immer noch darauf aus, dass sie keine Tiere im Zirkus haben. Und ich würde sagen, Alter, du könntest mal was machen, indem du keinen Sexismus mehr in deinem Zirkus hast. 

00:31:54.000 

Jo Schück: Das ist mir auch sehr aufgefallen. Das ist ganz interessant, dass du jetzt den 12-Jährigen ansprichst, weil bei mir war es 

nämlich auch ein Kind, was gefragt hat. Also ich würde das glaube ich nicht machen, wenn man da so nackt sein muss. Also ich finde ja diese Artistik total toll und diese Salthos und Trapez, was die alles können. Aber die Frauen müssen ja alle so nackt sein. Das würde ich nicht so gerne wollen, sagt ein Mädchen neben mir sitzend. Und ich kann das absolut nachvollziehen, weil das auch ungewöhnlich ist, weil es ja Gott sei Dank ein bisschen eine Veränderung gab. Noch lange nicht genug, aber ein bisschen eine Veränderung in der Gesellschaft. Das ist eigentlich nicht mehr so ganz normal, dass Frauen immer überall nackt rumrennen müssen. Aber dann im familiären Roncalli-Weihnachts-Zirkus siehst du es dann doch wieder. Und da würde ich auch ein großes Fragezeichen 17 

dahinter setzen, was das eigentlich soll. Interessant, dass du das ansprichst. 

00:32:40.000 

Raul Krauthausen: Super unangenehm. 

00:32:40.000 

Jo Schück: Aber ich war vor kurzem beim Wrestling. 

00:32:40.000 

Raul Krauthausen: Ach geil, da will ich auch unbedingt hin. 

00:32:44.000 

Jo Schück: Aber pass auf, ich war natürlich der alte Kulturfortzi beim Theater-Restling. Also es war eine Wrestling-Performance mit echten Wrestlern und Wrestlerinnen, sagt man das so? Keine Ahnung. Die also eine Theater-Performance geführt haben. Da ging es um die Zukunft des Klimacamps in Augsburg. Und der Festivalleiter des Augsburger Brecht-Festivals, der hat diesen Wrestling-Kampf initiiert. Das war total spannend, weil da ging es eigentlich um, soll das Klimacamp bestehen bleiben, wie es die Hälfte der Bevölkerung will? Oder wie die andere Hälfte der Bevölkerung soll das Klimacamp jetzt endlich abgeräumt werden und diese ganzen grünen Ökos raus aus der Innenstadt? Und diesen Streit haben sie auf der Bühne ausgetragen. Und dann streiten die sich erst argumentativ und dann hauen die sich auf die Fresse. Und das ist natürlich Wrestling’s Showkampf, aber es geht so richtig zur Sache. Die haben mich dann irgendwann mal so testweise genommen und haben mich halt wirklich durch diesen Ring geschmettert und auf diese Bretter drauf geknallt und sind dann auf mich draufgesprungen. 

00:33:44.000 

Raul Krauthausen: Aber hattest du Angst um deine Gesundheit? 

00:33:48.000 

Jo Schück: Ja, weil ich bin Rückenpatient und habe zwei Bandscheibenvorfälle. Und ehrlich gesagt, bei dem einen Mal habe ich gedacht, oh jetzt habe ich gerade den dritten Bandscheibenvorfall bekommen. Weil ich mich aber auch nicht an die Regeln gehalten habe, die haben gesagt vorher, pass auf, du musst diese Anspannung machen und dich da irgendwie so eindrehen, dass das nicht passiert, habe ich vergessen, weil ich den dicken Max machen wollte nach dem Motto, ich kriege das schon hin. Und als dann irgendwie diese eine 90 Kilo Frau auf mich draufgesprungen ist, so frontal, da habe ich gemerkt, ah, da habe ich das mit dem Anspannen an der richtigen Stelle wohl nicht richtig gemacht. 18 

Aber wir sagen, es war super spannend. Und ich fand das auch so spannend, dass diese Profi-Wrestlerinnen vor allem, es waren vor allem Frauen, dass die sich da komplett auf diese inhaltliche Geschichte eingelassen haben. So ein bisschen wie Schach und Boxen. Da war nämlich auf einmal so das Intellektuelle und das Totalkörperliche und das Kämpfen auf verschiedenen Ebenen hat sich so vermischt. Und das fand ich wahnsinnig spannend, weil die sich dann auch so Wortgefechte erst geliefert haben, dann auf die Fresse gehauen haben und dann weitergekämpft mit Worten. 

00:34:47.000 

Raul Krauthausen: Ja, das ist wie Schachboxen. 

00:34:48.000 

Jo Schück: Also richtig spannend. Wie Schachboxen, ja. 

00:34:50.000 

Raul Krauthausen: Inwieweit befriedigst du deine Neugier, die du als Privatperson hast, mit deiner Arbeit als Journalist? 

00:34:57.000 

Jo Schück: Naja, ich habe das riesen Privileg, dass ich das beides verbinden kann. Also bei meiner Arbeit ist es ja nochmal so, dass ich, weil ich vor allem als Reporter unterwegs bin, sowohl für Aspekte als auch in irgendwelchen Dokus, dass ich das riesen Glück habe, dass ich wirklich von Interview den Bundespräsidenten bis hin zu trifft dich mit einer Hartz-IV-Familie in Castor-Rauxel ist quasi alles auf dem Tableau. Also ich habe quasi eine riesige Auswahl an Eindrücken und Menschen, die ich kennenlernen darf. Ich empfinde das wirklich als großes Privileg und bin da ganz demütig dankend, weil das genau meiner Persönlichkeitsstruktur auch entspricht. Also ich glaube, mein Gehirn will und braucht sehr viel Futter. Vor allem was menschliche Beziehungen anbelangt, finde ich, habe ich ein großes Bedürfnis, dass da immer mehr reinkommt und das befriedigt der Job natürlich toll. Und im besten Falle beflügelt sich das auch gegenseitig. Also als Journalist hat man es natürlich besser, wenn man neugierig ist. Es gibt ja auch so Journalisten, die quasi alles schon gesehen haben und die dann diese, mit einem gewissen Alter in so eine Abgewichstheit-Haltung reinkommen. Na ja, kenne ich schon. Ich stelle immer die drei Fragen, die ich so immer stelle und so. Und das merkt man dann der Arbeit glaube ich auch an. Und wenn das bei mir so sein würde, müsste ich glaube ich auch dann relativ schnell aufhören. Aber bis jetzt brennt das Feuer noch, zum Glück. Und wie gesagt, ich habe das Privileg, dass ich das auch befriedigen kann mit meiner Standardarbeit. 19 

00:36:25.000 

Raul Krauthausen: Aber hast du dann, sagen wir mal, kannst du anderen Leuten gleich oder gleich Neugehe begegnen oder ist dann doch Präferenz für Helene Fischer oder Vanessa Mai? 

00:36:35.000 

Jo Schück: Ja, Vanessa Mai steht ganz oben auf der Prioritätenliste. Nein, also tatsächlich am spannendsten sind natürlich Figuren für mich, von wegen leave your comfortzone, wo ich weiß, wir haben ein anderes Weltbild. Ich muss dich kritisch anfassen, ich muss mich vorbereiten. Das ist das Spannendste und das ist auch manchmal unangenehm, aber das ist natürlich das, wo auch glaube ich Erkenntnis theoretisch am meisten am Ende bei rauskommt. Bringt ja nichts, wenn ich immer nur Leute interviewe, die dieselben Meinungen haben wie ich selber. Aber ich habe, ich war zum Beispiel gerade in Namibia. Wir haben eine Namibia-Reise gemacht mit Aspekte, weil wir dieses Jahr so ein bisschen den Schwerpunkt alte Kolonialstrukturen analysieren haben bei Aspekte. Wir haben schon was aus Kamerun und Nigeria gemacht, jetzt ist Namibia dran. Und das ist, also das kann man dir gar nicht vorstellen, das ist ein wahnsinniges Glück, was man da für Menschen trifft, die alten deutschstämmigen Namibier, die da wohnen oder auch Leute, die jetzt vor kurzem erst aus Deutschland nach Namibia gezogen sind, weil es da diese riesige große deutsche Community gibt. Viele tausend Deutsche, die in der weißesten Stadt Deutschlands wohnen in Swakopmund. Und das ist wahnsinnig spannend, dieses Weltbild mal erleben zu dürfen und mit denen einfach sprechen zu dürfen einerseits. Und auf der anderen Seite dann mit den Herero-Aktivisten ins Township zu fahren, wo 40.000 Leute vor der weißesten Stadt Deutschlands, außerhalb Deutschlands, eben im Township wohnen und kein Wasser und keine Elektrizität und keine Klos zur Verfügung haben. Und also ich meine, diese Gegensätze, und das alles passiert quasi gleichzeitig in einem Umkreis von fünf Kilometern, das finde ich, also finde ich ein großes Privileg, dass ich das miterleben darf und vielleicht sogar eine Geschichte daraus erzählen kann, die andere Leute danach verziehen können. 

00:38:21.000 

Raul Krauthausen: Gleich geht’s weiter. Wenn Du diesen Podcast unterstützen möchtest, dann kannst Du das mit einem kleinen monatlichen Beitrag tun. Im Gegenzug kannst Du alle Folgen vorab hören und Du wirst, sofern Du das möchtest, hier im Podcast namentlich genannt. Alle Infos findest Du unter www.im-aufzug.de. Ende der Service-Durchsage. Viel Spaß beim zweiten Teil der Folge. 20 

00:38:50.000 

Raul Krauthausen: Bist Du jemand, der, also wenn Du zu den Bundespräsidenten interviewst oder Helene Fischer, die Leute sind ja genauso gut vorbereitet wie Du, einfach weil sie ständig Fragen haben und weil es ihr Job ist. Bist Du jemand, der dann versucht, diese eine neue Erkenntnis investigativ herauszufinden? 

00:39:12.000 

Jo Schück: Naja, investigativ bedeutet ja, man müsste vorher auch wirklich was rausgefunden haben. Also der Fragerei-Krieg kommt man manchmal natürlich auf Punkte, die vorher noch nie gefragt worden sind oder aus einer Erkenntnis, die jemand noch nie erzählt hat. Das ist natürlich immer das Ziel, glaube ich, eines jeden Interviewers, irgendwie Dinge herauszulocken, die man noch nicht so kannte. Aber Du hast natürlich vollkommen recht, bei Medienprofis wie Fischer oder Bundespräsident, da muss man sich ja keine Illusion machen. Das wird in der Regel nicht so laufen, dass man am Ende sagt, poah, jetzt haben wir hier aber eine tolle neue news produziert, Steinmeier sagt, X und Y. Das passiert einmal von 100 Fällen vielleicht, wenn man gerade vorher eine gute Recherche hatte. Ich finde, bei solchen Gesprächen, das ist mir zumindest im Laufe der Jahre immer mehr klar geworden, ich habe mich immer sehr, sehr gut auf Gespräche vorbereitet und habe immer auch viele andere Interviews gelesen und habe dann eben versucht, solche Fragen, die sowieso schon tausendmal gestellt worden sind, zu umschiffen. Aber ich habe immer mehr gemerkt, man muss sau gut vorbereitet sein und den Plan komplett bereit sein, über Bord zu werfen. Und dann hat man eine Chance, in eine Gesprächsatmosphäre zu kommen, wo auch, sagen wir mal, Interviewpartner, die man kritisch anfassen will, sich in der Lage sehen, das überhaupt zu tun, was Neues zu erzählen. Also die Atmosphäre bei so einem Gespräch spielt eine wahnsinnig große Rolle. Und selbst wenn du wahnsinnig kritisch bist, hilft es dir überhaupt nicht, dem Gegenüber vorher quasi zu signalisieren, wie scheiße du ihn findest. Das hilft der Gesprächsatmosphäre nicht und am Ende hast du gar nichts erreicht. Also ich glaube, dieses seltsame Mittelweg zwischen, ich bin hier auf einer fairen, sachlichen Gesprächsatmosphäre unterwegs, der Interviewpartner findet mich persönlich nicht scheiße, ist auch schon mal gut, sonst hat er nämlich gar keinen Bock. Und dann trotzdem da in die kritischen Sachen reinzustoßen, das ist gar nicht so einfach. Und mir ist es klar geworden, im Laufe der Jahre wollte ich eigentlich sagen, dass die pure Vorbereitung wirklich erst die halbe Miete ist. Du musst im Gespräch irgendwie alert 21 

sein und irgendwie demjenigen so zuhören, dass du deinen Gesprächsleitfaden auch komplett über Bord werfen kannst. 

00:41:26.000 

Raul Krauthausen: Gibt es so ein Gespräch, das dich so entwickelt hat, dass du, wie du es nicht erwartet hast, und richtig gut wurde? 

00:41:32.000 

Jo Schück: Sammy Deluxe, das ist jetzt ein Musiker Interview, ich habe ja auch so eine Musiksendung, die heißt ZDF et Bauhaus, die gibt es schon seit 10 Jahren, ganz, passiert selten, auf drei Sat, so ein bisschen Nischenprodukt, aber ganz tolle Sendung. Und Sammy Deluxe kam ins Bauhaus in Dessau, da haben wir immer aufgezeichnet, und er kam gerade direkt aus Amerika, wo er glaube ich gerade seinen Sohn besucht hatte, und er hatte ein Jetlag und er hatte ganz offensichtlich keinen Bock da zu sein, in Dessau zu sitzen und irgendwas machen zu müssen. Dann noch mit so einem ZDF-Fuzzi irgendwelche Drollofragen, die er schon tausendmal gestellt bekommen hat, zu beantworten, und wir haben eigentlich da immer relativ viel Zeit, also wir haben fast eine Stunde Zeit für so ein Interview, was für Musiker-Interviews so ungewöhnlich ist. Und dann kam er und hat mich wirklich, glaube ich, eine Viertelstunde lang nicht angeguckt. Er hat immer nach vorne geschaut und wir saßen gegenüber auf einer Couch und er hat mich nicht angeschaut und hat wirklich mit einer Lustlosigkeit irgendwas erzählt. Und es kam bis zu einem Punkt, da war ich ganz froh, dass ich dann doch vorbereitet war, bis zu einem Punkt, wo ich eine Verbindung zwischen seinem Sohn, seinem Vater und einem Song auf seiner drittletzten Platte oder so gezogen habe. Und in dem Moment guckte er mich zum ersten Mal an und sagte, Alter, du hast dich ja wirklich vorbereitet. Und in dem Moment fiel seine Mauer ein. Ich weiß gar nicht, weil er war so überrascht, dass man diese Verbindung schaffen konnte. Es war ja auch ein Zufallstreffer, hätte auch anders laufen können, aber ich hatte mir das so gedacht. Und dann guckte er mich an und in dem Moment wurde das Gespräch ein anderes. Wir haben eine halbe Stunde danach ein ganz tolles, intensives, ganz persönliches Gespräch auch führen können. Es war dann eins der besten Interviews, aber es hat wirklich diese Viertelstunde gedauert, weil der einfach müde und kein Bock und ein bisschen abgewichst und so, weißt du?Schnell noch die PR-Nummer abdrehen. 

00:43:24.000 

Raul Krauthausen: Das kann man ja auch irgendwie verstehen. 22 

00:43:25.000 

Jo Schück: Ja, eben. Ich kann es auch verstehen. Mir ist es auch schon mal passiert, als ich noch beim Radio war, dass ich eine halbe Stunde vor einem Interview die Information bekommen habe. Achtung, in einer halben Stunde kommt übrigens die Band XY mit dem Album Z. Die musste interviewen live. Ich so, äh, welche Band? Was für ein Album? Weil das 

nämlich ja in diesem Promo-Zirkus einfach mal vorkommen kann. Und das ist zum Glück ja, wir waren ja beide mal bei Fritz, bei Fritz ist das zum Glück ja nicht gang und gäbe, aber es gab Situationen, wo eben mal eben schnell jemand interviewt werden musste. Und natürlich merken die Leute das. Die wissen selber, ich bin auf Promotur, ich will möglichst viel Airtime kriegen. Und das Gegenüber weiß, ihr seid auf Promotur, irgendwie muss ich jetzt versuchen mit euch irgendwie zu dealen, aber da passiert natürlich niemals ein persönliches gutes Gespräch. Und das kann ich auch verstehen, wenn Künstler sagen, ich bin voll genervt von dem ganzen Zirkus. 

00:44:20.000 

Raul Krauthausen: Jaja, total. Lassen wir uns mal kurz über den Journalismus reden. Das ist ja deine berufliche Themenwelt, dein Beritt, sag ich mal. Und da haben wir uns auch kennengelernt bei Garlou Fritz. Wie bist du denn überhaupt zum Journalismus gekommen? Da gibt es diese Australien-Geschichte, die fand ich geil. 

00:44:38.000 

Jo Schück: Die Australien-Geschichte gibt es ja. Also tatsächlich hat alles angefangen schon in der 9. Klasse beim Schülerpraktikum. Da war ich beim Hessischen Rundfunk im Regionalstudio Bensheim, in der wunderschönen Fußgängerzone von Bensheim. Es gibt so ein kleines Regionalstudio, gab es damals zumindest. Und da habe ich tatsächlich angefangen mit Bändern an so Schneidemaschinen Beiträge zu schneiden. 

Das habe ich noch. So alt bin ich schon. Das fand ich total faszinierend. Also diese Kombination aus Technik, Wort und Musik, die finde ich bis heute einfach faszinierend. Und zum Glück begleitet es mich bis heute auch noch. Es hat sehr viel technische Verbindung, dieser Beruf. Wort und Musik, also Kultur und gesprochenes Wort, das kommt alles zusammen. Das finde ich ganz toll an diesem Beruf. Und tatsächlich war es so, als ich in Australien war, da hatte ich schon irgendwie bei Hitradio FFH in Frankfurt damals, Frankfurt am Main, so einen Studentenjob gehabt. Und dann bin ich nach Australien gegangen, weil ich dort ein Praktikum machen wollte beim öffentlich-rechtlichen Programm. Und die hatten auch 23 

eine deutschsprachige Redaktion. Das ist so ähnlich wie Cosmo oder so. Die haben so verschiedene Sprachen auch im Programm. Und unter anderem eben auch eine deutschsprachige Redaktion. Die haben mir aber nie geantwortet. Und auf vielfache E-Mails und so weiter einfach gab es gar nichts. Also bin ich nach Australien gefahren und bin dann dahingegangen einfach. Und habe mich dann immer morgens vor den Eingang gestellt und habe gesagt, ich würde gerne mal mit einem aus der deutschsprachigen Redaktion sprechen. Und die hatten aber nie Zeit. Es war keiner da. Ich war zum falschen Zeitpunkt da. Und ich glaube, ich war 

so zwei Wochen in Australien und habe gedacht, okay, mein halbjähriges Praktikum in Australien fällt jetzt aus. Ich nehme jetzt meine letzten ersparten Kröten, gehe noch einmal surfen und fahre wieder nach Hause. Das war wirklich ziemlich desperate an diesem Punkt. Und dann gab es aber, keine Ahnung, beim dritten, fünften Mal bin ich dahin und dann hat sich ein österreichischer Redakteur erbarmt, aus der deutschsprachigen Redaktion runterzukommen an den Empfang und zu sagen, du pass mal auf, wir haben echt kein Geld und keine Zeit und auch gar keine Lust auf 

Praktikanten. Und ich so, okay, scheiße. Das war jetzt hart und es war sehr eindeutig. Und er meinte, das war damals die Zeit, als es noch nicht jeder mit seinem Smartphone rumgelaufen ist, er hat gemeint, wenn du Bock hast, noch mal kurz E-Mails zu checken, weil ich weiß, du kommst aus Deutschland oder so, also kannst dich auch gerne noch mal eine Stunde bei uns oben hinsetzen. Und das habe ich angenommen. Aber es war echt, es war ganz traurig. Dann hat er mich auch einfach alleine gelassen, ist irgendwo anders hingegangen. Und ich saß in so einem Großraumbüro und saß dann so am Rechner und habe halt irgendwie E-Mail geschrieben, so liebe Familie, das war es jetzt mit Australien, ich bin gleich wieder zu Hause. Und in dem Moment ruf mich die Producerin der englischsprachigen Jugendwelle dieses Radiosenders an und sie meinte, what are you doing here? Und ich so, I’m Joe from Germany and I’m looking for a job. Sie so, ach ja, was machst du denn so? Und dann habe ich erzählt über Radio und Musik und gab es ja damals auch schon stärkere Musikverbindungen. Sie meinte, das klingt doch ganz spannend und wir haben sowieso immer Bock auf internationale Einflüsse quasi, vielleicht kannst du ein bisschen was aus Deutschland, Europa erzählen. Tralala, am Ende nach ein paar Wochen war ich dann immer zu Gast als Europa-Botschafter mit Musik und habe dann irgendwie so Fanta 4 und Gentleman und sowas da gespielt und darüber erzählt. Und dann haben sie mir tatsächlich am Ende der Zeit sogar eine eigene Sendung gegeben. Einmal die Woche habe ich eine Musiksendung auf Englisch in Australien weitem Radio gemacht. Das war völlig absonderlich. Ganz tolle Erfahrung 24 

natürlich. Aber es war so, also du hast ja die Vorgeschichte und die Vorgeschichte ist länger. Also das Scheitern hat echt lange gedauert und danach das andere war natürlich toll, aber es hat mich lange Zeit wirklich beschäftigt, wie das eigentlich alles zustande gekommen ist. Es waren viele glückliche Umstände und ein bisschen dran gearbeitet auch, aber es hat echt Spaß gemacht. Und danach war sowieso klar, auch mit meinem Studium und so, es muss weitergehen mit Journalismus und Radio vor allem. Und deswegen bin ich ja dann auch glücklicherweise bei Fritz gelandet, wo wir uns kennengelernt haben. 

00:48:39.000 

Raul Krauthausen: Jetzt hast du sehr spannende Formate im Fernsehen. Nicht nur Aspekte, das ja eine der wenigen Kultursendungen ist überhaupt. Im ZDF läuft sie. Ich weiß gar nicht, was dieser Witz immer um diese Sendezeit sein soll. Ich gucke die Sendung jedenfalls ganz gerne. 

00:48:59.000 

Jo Schück: Das hört man gerne, wenn so Leute sagen, ich gucke die Sendung jedenfalls ganz gerne. 

00:49:13.000 

Raul Krauthausen: Es gibt ja immer diesen Witz von Böhmermann, wo dann gesagt wird, wir haben jetzt viel Spaß, kommen Sie gut durch Aspekte und so. Und ich denke so, warum? Mach ich doch wirklich so. Ich verstehe den Witz nicht und dass alle immer sagen, ja Freitag Abend guckt doch keiner Fernsehen. Doch, ich schon. Außerdem gibt es Mediatheken. 

00:49:20.000 

Jo Schück: Es gibt gar nicht so wenig Menschen, das ist ja ein bisschen mein Entschuldige, wenn ich da reingereicht bin, aber ich habe mich ja total geärgert, als Böhmermann tatsächlich unseren Sendeplatz bekommen hat und wir danach kamen. Das war ja damals vor 2, 3 Jahren ein riesen Ding und ich habe mich wahnsinnig geärgert. Aber man muss sagen, unsere Marktanteile sind hochgegangen und wir haben gar nicht so viel weniger Gesamt, also in absoluten Zahlen Zuschauer und Zuschauerinnen. Also es gibt schon noch eine erhebliche Menge. Also wir reden ja über so Millionen regelmäßig, die Freitagsabends um diese Uhrzeit sich noch echt teilweise hartes Kulturprogramm oder politisches Kulturprogramm anschauen. Das ist jetzt gar nicht so schlecht. 

00:50:02.000 

Raul Krauthausen: Genau und der zweite Aspekt an dem du viel arbeitest ist das Thema Gesellschaft und Politik. Du bist Moderator bei 13 Fragen, du 25 

machst Dokumentationen und du gehst ja auch viel, sagen wir mal, gesellschaftskritisch durch den Journalismus. Du behandelst große Fragen. Was glaubst du sind die größten Herausforderungen des Journalismus aktuell? 

00:50:23.000 

Jo Schück: Also am Ende unserer Folge so noch mal eine kleine Frage gestellt. Ich glaube, das sieht man zum Beispiel an 13 Fragen. Wir haben so eine, wir haben so eine Transformationsphase, die noch nicht abgeschlossen ist und bei der ich mir auch noch nicht ganz sicher bin, wo sie überhaupt hinführt. Also alle reden ja davon, dass inzwischen online first gesendet werden soll und dass online Formate dieselben Stellenwert haben wie lineare Formate und es wird auch tatsächlich, Budget wird ja im öffentlich-rechtlichen, aber auch bei den privaten natürlich umgeschichtet zu quasi online only Formaten. Das heißt es setzt nach und nach immer mehr die Erkenntnis ein. Es spielt auf Dauer keine Rolle ob es linear ausgestrahlt wird oder ob in Mediatheken oder auf YouTube oder sonst wo. Hauptsache, sagen wir mal, die Bewegtbildinhalte haben einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, was unsere Formate anbelangt. Einerseits. 

00:51:16.000 

Raul Krauthausen: Aber trotzdem verdient man als Onliner weniger. 

00:51:19.000 

Jo Schück: Genau, genau und das ist genau der Punkt den ich gerade sage. Also wir machen mit 13 Fragen machen wir ja eine YouTube only oder mediathek only Geschichte, eine Talkshow, die vom Aufwand her, also mindestens mal so einen Aufwand hat wie eine Illner Sendung oder eine Maischberger Sendung. Also allein was das Casting anbelangt, die Auswahl, ich meine du warst selber schon da. Also das ist wirklich ein großer langwieriger Prozess mit jedes mal sechs Menschen die da auf so einem Spielfeld stehen müssen. Der Aufwand ist mindestens so groß wie bei einer konventionellen Talkshow, aber das Budget, ich weiß es nicht ganz genau, aber ich mutmaße mal wir haben vielleicht ein Viertel oder vielleicht ein Fünftel von dem Budget der großen linearen Talkshows. Das heißt es wird viel darüber geredet, dass jetzt alles zusammenwächst, aber die Strukturen sind noch lange nicht da wo sie sein könnten und müssten glaube ich. Denn ich will ja gar nicht ins lineare TV, aber ich will die Kohle vom linearen TV haben. Also gerade wenn man mit 13 Fragen vergleichsweise erfolgreich daherkommt, da muss man schon sagen jetzt da könnte man vielleicht noch mal was draufpacken, dass wir das vielleicht 26 

auch nicht nur 20 mal im Jahr machen, sondern vielleicht wöchentlich machen können. Also ich glaube da dieser Transformationsprozess der ist gerade im Gange und da tun sich natürlich auch viele schwer wie bei allen Veränderungen. Das ist so ähnlich wie mit einem Heizungsgesetz. Es betrifft in so einem Sender alle und viele fürchten natürlich auch um ihre Pfunde, kann ich total nachvollziehen. Und da müssen wir schon darauf achten glaube ich im Sinne des Journalismus, wo werden welche Gelder wie eingesetzt. Denn das wir das Privileg des Öffentlich-Rechtlichen, dass wir kein Geld verdienen müssen heißt auch wir haben die Verantwortung das Geld an der richtigen Stelle einzusetzen. Und ich glaube das ist wirklich eine große Herausforderung bei der viele Player inklusive Politik und Öffentlichkeit eine Rolle spielen dürfen sollen müssen, wo aber auch die Sender sich sehr ehrlich machen müssen. Und da müssen, siehe RBB, es müssen echt einige Strukturen einfach auch überprüft werden. Also jetzt rede ich viel über den Öffentlich-Rechtlichen, aber das ist ja nun mal meine Heimat. Und ich glaube, dass die Zukunftsfähigkeit des Öffentlich- Rechtlichen hängt auch davon ab, wie diese Transformationsprozesse jetzt wirklich zum Erfolg geführt werden. Das ist das eine, da geht es tatsächlich viel um Geld und um Geldumschichtung und das andere ist, also ich wurde gerade gefragt, ich habe gerade einen Vortrag gehalten über unsere Namibia Reise, da wurde ich gefragt sagen sie mal Herr Schück haben sie nicht Angst um ihren Job, sondern mit KI und so, nimmt doch alles weg. Und da habe ich natürlich auch, haben wir länger drüber gesprochen und ich glaube das ist auch die entscheidende Frage, wie wir im Journalismus es hinkriegen können, dass man in Zukunft als Zuschauender die Chance hat sicher zu sein, dass die Information stimmt. Oder sagen wir mal eine höhere Wahrscheinlichkeit haben kann, dass die Information stimmt, also Vertrauen. Dass man einen Nachrichtensprecher schon jetzt ruckzuck mit einer KI in einem Avatar ersetzen kann, ist vollkommen eindeutig. Ich glaube bei Reportern dauert es noch viel länger, weil so eine beispielsweise Namibia Reise kann eine KI nicht genau so umsetzen, das funktioniert noch nicht. Und es wird auch noch sehr lange dauern glaube ich, bis sowas funktioniert, aber bei solchen Geschichten müssen wir uns echt die Vertrauensfrage, die ist eine essentielle Frage. Also wenn dem Journalismus nicht getraut werden kann, weil er von Desinformationskampagnen von Rechtsradikalen beschüttet wird oder von Verschwörungserzählungen oder eben als drittes von irgendwelchen Technologien, bei denen man sich nicht mehr sicher sein kann, da haben wir ein Problem. Dann funktioniert das ganze Kommunikationssystem insgesamt nicht mehr. 27 

00:54:53.000 

Raul Krauthausen: Aber es gibt ja auch eine Relevanzfrage finde ich. Ich beobachte jetzt zum Beispiel, wir haben jetzt jahrzehntelang diese Talkshows gesehen, immer Freitag, Abend, Samstag, Sonntag abends, und die haben sich ja dann auch irgendwann immer mehr angeglichen, angenähert. Und jetzt gibt es sehr viele von denen und jetzt merkt man 

vielleicht auch, das ist so eine Art Ritual geworden. PolitikerInnen lernen, was sie sagen sollen, ModeratorInnen wissen, wie sie fragen sollen. Und es gibt immer weniger so Erkenntnisgewinne unter den Gästen. Und das finde ich zum Beispiel bei dem Format 13 Fragen ganz spannend, weil dann ja schon auch einzeln abgefragt wird, kannst du mit diesem Argument mitgehen oder widersprichst du dem und wenn ja warum. Und man versucht dann diesen Konsens zu finden. Das heißt auf der Suche nach neuen Formaten zu sein, die vielleicht auch wieder relevant sind im Sinne von nicht immer das gleiche, dass das vielleicht auch gerade so ein Ding ist, wo wir uns viel mehr mit beschäftigen sollten, Formate zu entwickeln, die uns zusammenbringen. 

00:55:54.000 

Jo Schück: Klar, rennst du natürlich bei mir offene Türen ein. Also ich meine, 13 Fragen ist ja an den Start gegangen, genau mit dieser These. Also wenn wir nicht wollen, dass die Gesellschaft oder der Karren, den wir Gesellschaft nennen, gegen die Wand fährt, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als uns besser und konstruktiver aufeinander zuzubewegen. Das ist eine Erkenntnis, die ist nicht neu, die haben wir eigentlich schon seit 10 Jahren. Wir wissen irgendwie besser streiten, wie schaffen wir es, die Bubbles aufzubrechen, lalala. 13 Fragen ist jetzt tatsächlich ein Format, was sich auf die Fahnen geschrieben hat. Am Ende soll ein Kompromiss gefunden werden und die Leute sollen ja auch wirklich, also wortwörtlich, sich aufeinander zubewegen. Oder eben, wenn sie sich nicht einig sind, sich voneinander wegbewegen. Und das Ziel der Folge ist aber immer, dass am Ende möglichst viele Menschen möglichst nah beieinander stehen. Wer das noch nicht gesehen hat, kann sich das ja mal anschauen. Und das Interessante ist, und das straft auch alle Kritiker-Lügen, das Interessante ist, es funktioniert. Da kommt ein ganz, also ich erlebe das auch immer in diesen Kommentaren, die so vergleichsweise wohlwollend für 

YouTube-Verhältnisse daherkommen, dass die Leute, also nicht die Leute, aber offenbar eine große Zahl von Menschen, wir reden ja über eine halbe bis ganze Millionen pro Folge, die haben ein großes Interesse daran an einem konstruktiven Dialog. Denn die meisten Menschen haben auch gar keinen Bock mehr drauf, dass sich irgendwelche Talkshows, irgendwelche Leute den Knüppel gegenseitig auf den Kopf hauen, auf dem Weg zum 28 

Sieger der Talkshow oder so zu werden, sondern die haben ein Interesse daran, was heißt denn das, wenn du das so siehst, kannst du da mitgehen, wo finden wir denn eine Kompromisslinie? So funktioniert Gesellschaft halt und Demokratie. Und ich habe den Eindruck, der Erfolg von 13 Fragen gibt dem Ganzen einfach recht und ich gebe dir auch recht, Raul. Davon bräuchten wir eigentlich noch mehr, also konstruktiv im Journalismus sein, lösungsorientiert, kompromissorientiert sein und weniger diese kapitalistisch getriebene Polarisierungsschleife weiterfahren, weil die führt uns ja nachweislich ins Nichts. 

00:57:46.000 

Raul Krauthausen: Aber auf der anderen Seite stellt mich die Frage, was heißt das? Wenn wir diesen Strang folgen, müssen wir Höcke interviewen, ja oder nein? 

00:57:54.000 

Jo Schück: Nein. Ja, weil Höcke interviewen bringt ja keine Erkenntnis. Also glaube ich. 

00:57:59.000 

Raul Krauthausen: Ja, glaube ich auch. Und trotzdem wird sich aber immer dahinter versteckt, dass man sagt, ja wir müssen ja neutral sein und sonst gibt es den Vorwurf, man würde das bewusst ausblenden und so. Muss man alles diskutieren mit jedem?Das ist die Frage. 

00:58:12.000 

Jo Schück: Ja nein, auf gar keinen Fall. Und ich meine, diese Erkenntnis hat sich ja auch mehr oder weniger durchgesetzt. Was heißt noch nicht durchgesetzt? 

00:58:28.000 

Raul Krauthausen: Außer beim MDR. 

00:58:28.000 

Jo Schück: Außer beim MDR. Seit Anbeginn von rechtsradikalen Parteien wird auch im Öffentlich-Rechtlichen darüber gestritten, wie damit umgehen. Ich erinnere mich noch, als ich ganz junger Politikreporter war, da gab es auch schon die Frage, ich weiß gar nicht, ob es die AfD damals schon gab oder ob wahrscheinlich nicht. Da ging es auch um irgendwelche extremistischen oder radikaleren Positionen. Und da wurde auch schon darüber gestritten, wie geht man jetzt damit um. Und natürlich hat ein öffentlich-rechtlicher Sender gerade im Umfeld von Wahlen, das ist ja nochmal ein Spezialzeitraum, vorher nachher, mit welcher Begründung dürfte man eine Partei, die im Bundestag gewählt sitzt und durch die 29 

Bundesrepublik auch damit legitimiert ist, mit welcher Begründung dürfte ein öffentlich-rechtlicher Sender sagen, ausgerechnet euch lade ich nicht ein in unsere Wahlsendung zum Beispiel. Aber das sind so Spezialfälle, die ganz anders gelagert sind, dass man unterwegs Rechtsradikalen und Faschistoiden-Menschen Plattform bietet, darüber gibt es kein Anrecht. Das steht auch nicht im Programmauftrag. Im Gegenteil, im Programmauftrag steht einordnen. Man muss darüber berichten, ohne Frage. Aber in einem Interview, das wissen wir auch, diese Idee, wir 

stellen die Rechtsradikalen mit unseren tollen Superfragen, die funktioniert nicht. Die hat noch nie funktioniert. 

00:59:28.000 

Raul Krauthausen: Das ist auch arrogant. 

00:59:28.000 

Jo Schück: Ja. Und ich bin mir sicher, man kann auch schlimme Menschen durchaus mit extrem harten Interviewern durchaus besser stellen, aber am Ende des Tages muss man sich immer fragen, warum? Wohin führt das? Also eine gut gemachte Doku über die neuesten Entgleisungen von Höcke in seinen Büchern oder sowas bringt mir viel mehr Erkenntnis, als mit ihm darüber zu sprechen. Weil er ja auch mit Ansage gar kein Interesse daran hat, Erkenntnisgewinn zu erzeugen. 

01:00:14.000 

Raul Krauthausen: Vor zwei Wochen habe ich im Deutschlandfunk Mediasrees gehört. Das ist ja diese Mediensendung, wo dann über Medien gesprochen wird. Und da hat ein Hörer angerufen und hat gesagt, der würde gerne mal mit der Redaktion darüber sprechen, dass wir im Prinzip nur noch Performance-Journalismus machen. Also es wird quasi gerade im Deutschlandfunk ganz oft darüber gesprochen, wie jemand performt hat. Also keine Ahnung, Friedrich Merz hat sich entgleist oder Olaf Scholz hat keine Führungskompetenz und so. Aber es wird gar nicht mehr über den Gesetzestext gesprochen. Also die Redaktionen machen gar nicht die Mühe, das Haltzugsgesetz durchzulesen, sondern sie reden quasi nur noch darum, welcher Politiker wen in die Pfanne gehauen hat. Und dadurch gehen die Inhalte verloren und die Journalisten, das war der Vorwurf des Hörers, verstecken sich dahinter, weil sie ja neutral sein wollen. Und dann letztendlich sagen können, naja, da hat halt in dem Duell der gewonnen oder im Bundestagdebatte die gewonnen. Und das ist dann aber nicht parteinehmend. Und wir beschäftigen uns aber gar nicht mehr mit Inhalten. Findest du das auch? 30 

01:01:21.000 

Jo Schück: Also in dieser Pauschalisierung wäre mir das zu hart. Also ich finde es interessant, dass beides gleichzeitig nebenher existiert. Und ich sehe durchaus das Problem, da habe ich ja auch gerade davon gesprochen, Polarisierungen, Empörungswellen, persönliche Sieg, Niederlage, Narrative, die werden halt viel leichter wiederholt und weitergegeben und auch geteilt, weil eben Social Media so funktioniert, das wissen wir, keine neuen Erkenntnisse. Also je polarisierender, je radikaler, je emotional aufgeladener, desto mehr reagiert man darauf als Zuschauer. Wir alle können wir uns nicht von frei machen. Und diesen Mechanismus müssen manche, gerade auch private Medien und soziale Medien irgendwie bedienen, weil sie damit halt Geld verdienen. Jetzt kann man das alles in Frage stellen. Aber ich glaube gleichzeitig, und das hat man bei dem Heizungsgesetz wahnsinnig gut gesehen, es gab immer 

diesen wahnsinnig lauten Empörungsstrom, links, rechts, FDP, Grüne, Habeck, Lindner, bam, bam, bam. Es wurde die ganze Zeit geschossen, geschossen. Und gleichzeitig, das habe ich bei Twitter beobachtet, gab es durchaus einige Journalisten und Journalistinnen, die sehr akkurat, sehr präzise sich die verschiedenen Positionspapiere, Gesetzestexte vorgenommen haben, das veröffentlicht haben, Threads dazu geschrieben haben. Teilweise ist das in große Artikel übergegangen, teilweise ist es sogar in Dokus übergegangen. Die kriegen immer zu wenig Aufmerksamkeit, diese harten Arbeiter und Arbeiterinnen und auch diese Publikation, die es da gibt. Aber man kann nicht dem Gesamtjournalismus vorwerfen, dass das nicht passiert, denn es passiert in jedem Fall. Nur stürzen sich alle und dann halt ehrlicherweise auch die Mehrheit des Publikums auf die Heldengeschichten, auf die Empörungsgeschichten, auf die Polarisierungsgeschichten. Aber die anderen gibt es durchaus auch. Also sowohl im Öffentlich-Rechtlichen, finde ich, als auch gerade im 

Zeitungsbetrieb, da ist viel Erkenntnis und Analyse passiert. Also finde ich den Vorwurf zu pauschal, aber er trifft in einer Tendenz natürlich ins Schwarze. 

01:03:31.000 

Raul Krauthausen: Was mir bei dem, also du hast total recht, der Vorwurf ist natürlich sehr pauschal, ich glaube aber, dass dieser Eindruck auch deswegen entsteht, weil so ein Deutschlandfunk 24 Stunden Inhalt füllen muss. Und es ist natürlich viel leichter, diese Performance-Erzählung zu machen, weil du die wiederholen kannst und so weiter, als wenn du jedes Mal ganz tief in Texte gehst, weil irgendwann hat man das halt auch gemacht. Und so ein Gesetzestext wird drei Wochen diskutiert. 31 

01:04:01.000 

Jo Schück: Ja, wobei auch im Deutschlandfunk wird doch ein Text analysiert. 

01:04:01.000 

Raul Krauthausen: Ja, der wird analysiert und dann geht man da auch mal rein, aber du kannst das ja nicht jedes Mal reingehen, aber trotzdem sagen dann drei Wochen lang bis hin zur untersten Hinterbank jeder Politikerin mal irgendwas. Und dadurch entsteht quasi dieses Gefühl von, wir reden nur über Performance, aber es wurde auch über Inhalt gesprochen. 

01:04:26.000 

Jo Schück: Das mag sein, ja, ich kann auch dieses Gefühl total nachvollziehen. Also es hängt auch davon ab, welche Art Medien du wann wie konsumierst, dann kann man dieses Gefühl definitiv haben. Und auch verstärken, manche machen sich das wahrscheinlich gar nicht so bewusst, deswegen ist dieser Hörer, der da den Einwand gebracht hat, ja schon hat schon mal eins weiter gedacht. Das machen ja viele schon gar nicht, aber natürlich ist das ein Zeichen dafür, dass unsere Debattenkultur, vor allem die öffentliche Debattenkultur aktuell nicht befriedigend ist. Also vor allem, weil auch immer wieder neu darauf eingezahlt wird. 

01:04:59.000 

Raul Krauthausen: Genau und das ist nämlich der Punkt, auf den ich hinaus will. Ich habe das Gefühl, spätestens seit Corona, aber natürlich schon länger, dass wir uns eigentlich nur noch anschreien. Egal was das Thema ist. Du kannst irgendein Thema aufmachen, es dauert keine drei Sekunden und du hast irgendeinen Gegner. Und dass wir uns nur noch anschreien, gar nicht, wenn wir in der Lage sind, schon gar nicht online, sagen wir mal, einen Konsens zu finden, weil die ganzen Plattformen das auch nicht vorsehen. Es gibt nur nein, like, not like oder dislike. Und wir uns dadurch so hochpeitschen und völlig übersehen, und ich bin wirklich nicht zwar harmlos, aber völlig übersehen, dass wir durch Corona relativ gut durchgekommen sind im Vergleich zu anderen Ländern. Oder durch die Gaskrise sind wir relativ gut durchgekommen. Natürlich lief es nicht perfekt, aber wir haben auch nicht gefroren. 

01:05:53.000 

Jo Schück: Ich stimme absolut zu. Ich finde, man muss unterscheiden zwei Sachen. Einmal den allgemeinen Polarisierungs-Empörungstrend, der, ich wiederhole mich, auch durch Social Media natürlich befeuert wird, wie du sagst, es gibt nur die ja-nein-Geschichte. Es gibt auch nur immer dieses hell-dunkel-denken dann. Das wird alles befeuert. Das ist im Kern eine 32 

unternehmerische oder marktwirtschaftliche Beobachtung, die man da macht. Weil das hat natürlich alles mit Kapitalisierung zu tun. Und ich bin jetzt wirklich überhaupt kein Gegner des Kapitalismus per se, aber dahinter stecken kapitalistische Strukturen. Leute wollen Geld verdienen mit Empörungswellen. Das ist das eine. Das andere ist, dass viele Menschen aus diesem Überforderungsmechanismus nicht mehr rauskommen. Ich glaube, deswegen denke ich gerade auch über so ein Buchprojekt nach, ich glaube, dass viele Menschen bei ganz vielen Themen keine andere Chance mehr haben, wenn sie mitreden wollen, quasi auf den oberflächlichen Empörungszug mit aufzuspringen. Weil sie vielleicht das Gefühl haben, ich muss mitreden, ich soll mitreden, ich will vielleicht mitreden, weil ich mich politisch auch quasi miteinbringen will oder zumindest mal in einer Debatte vielleicht auch eine Stimme erheben will, weil man das ja heutzutage auch leicht kann. Dabei vergessen manche Menschen, ah, muss man das nicht? Also man muss nicht in jeder Debatte mitreden. Manchmal hilft das wirklich. Da hat Dieter nur wirklich recht, wenn man nichts zu sagen hat, einfach mal die Fresse halten. Das ist tatsächlich etwas, was verloren gegangen ist, so ein bisschen sich auch mal zurückzuhalten. Und zum Zweiten habe ich den Eindruck, das erlebe ich auch in unserer 13-Fragen-Follower-Schaft, die dann ganz glücklich sind über so Fakten, Factsheets, Fakten, Hintergründe, eine kurze Erklärung, worum geht es denn hier genau, was ist denn im Gesetzestext, also eine relativ schnelle Analyse von komplexen Sachthemen, sei es Gendern, Panzerlieferungen, sonst was. Man hört immer nur Fetzen und viele sind einfach überfordert. Das erlebe ich auch in meinem eigenen Freundeskreis. Manche werden auch stumm, weil sie sagen, ich habe Angst, was Falsches zu sagen. Ich glaube, es bräuchte, wie gesagt, das ist gerade so ein Projekt, an dem ich über, dass ich nachdenke, so eine Art Anleitung zum Mitreden. Also kurze, prägnante, ganz sachliche Überblicke über die aktuellen Debatten. Dass man einfach mal, keine Ahnung, sich fünf Seiten Text durchliest und danach weiß, okay, das ist es und das ist nicht. Weil dann kann man auch viel leichter durchschauen, ich glaube, das ist vielleicht auch eine Wissensfrage, viel leichter durchschauen, wie sehr der Diskurs natürlich nicht nur von Kapitalstrukturen, sondern eben auch vor allem von Rechtsradikalen mit Ansage gekapert wird. Also diese ganze Kulturkampfdebatten über Gender und Heizungsgesetz und das wird ja alles zu einem riesigen Kulturkampf aufgeblasen, weil ein wesentlicher oder sagen wir mal ein signifikant wichtiger Teil in der ganzen 

Kommunikationstdebatte, vor allem die Rechtsradikalen, ein großes Interesse daran haben, dass es genauso den Bach runtergeht, wie wir es 33 

gerade analysiert haben. Die wollen, dass die Diskussionen immer mehr gegen die Wand fahren. Das ist erklärtes Ziel, steht auch in allen 

Schriften drin, das wollen sie machen und wenn man das sich nicht klarmacht und vielleicht, weil man nicht das Privileg hat, gerade Journalist zu sein und dafür sogar Geld zu kriegen, sich damit zu beschäftigen, dann weiß man das vielleicht gar nicht und wundert sich dann, dass alle nur noch am Rumschreien sind. Ja klar, weil es gibt gewisse Strömungen, die genau das wollen und ich glaube, wenn man das mal hinterfragt und dann mit einem gewissen Wissen daran geht, dann kann man auch in so einem Diskurs ganz anders agieren. Aber das ist jetzt alles super theoretisch, was ich gerade erzähle, aber das ist die Aufgabe, die wir zu leisten haben. 

01:09:28.000 

Raul Krauthausen: Aber gerade wenn du so ein Sender bist und du musst 24 Stunden Inhalt füllen, dann freust du dich ja über jedes Stöckchen, über das du springen kannst, weil wenn du sagst, da müssen wir nicht gerade Haltung zu haben, da müssen wir nichts zu sagen, da machen wir nichts, dann bist du gezwungen, dir was eigenes zu überlegen. 

01:09:44.000 

Jo Schück: Ja, du brauchst halt Geld für Recherche, klar. Journalisten sollen ja nicht Geschichten nacherzählen, die andere erzählt haben, sondern man selber Geschichten finden. 

01:09:52.000 

Raul Krauthausen: Ach spannend. Achso, ich hatte noch so viele Fragen an dich gehabt, aber jetzt ist der Aufzug ja schon wieder fast angekauft. 

01:10:01.000 

Jo Schück: Ja krass, das war eine schnelle Fahrt, ne? 

01:10:03.000 

Raul Krauthausen: Ja, sehr schnelle Fahrt. Und es ist ja ein bisschen so wie bei Star Trek, der Aufzug fährt immer so lange, wie das Gespräch ist. Aber dann würde das hier endlos werden. 

01:10:12.000 

Jo Schück: Ich glaube auch, das würde immer so schlecht werden, wenn wir ständig Aufzug fahren. Aber du hast recht. 

01:10:17.000 

Raul Krauthausen: Aber vielleicht noch eine Frage, also wenn wir uns die ganze Zeit nur noch anschreien, glaubst du, wir kriegen das Ruder 34 

rumgerissen oder wird es dann in einer großen Krise, in einem Krieg enden? 

01:10:29.000 

Jo Schück: Das ist interessant, vielleicht ist es genau die richtige Frage zu machen, weil ich glaube, da kulminiert vieles, was wir heute besprochen haben. Erstens teile ich die Analyse nicht ganz, dass wir uns alle immer nur noch anschreien. Also es gibt so viele, wir müssen alles erwarten, auch das Gute, so viele Beispiele von Situationen im Leben, im Privaten, auch medial manchmal, wo ich das gar nicht, also wo es positive Beispiele gibt. 

Wo Menschen auch empowered sind durch Kommunikation und so weiter. Also ich glaube nicht, dass jetzt alle, dass wir ganz kurz vor dem Kollaps stehen. Gleichzeitig bin ich auch nicht naiv, mir ist vollkommen klar, dass es eine Entwicklung gegeben hat und dass die bedrohlich ist und besorgniserregend ist. Nehmen wir mal an, nur für einen kurzen Moment, das Ganze endet in einem Kommunikations- und damit in eine Art Kommunikationsdesaster oder so eine Art Bürgerkriegsszenario. Das ist ehrlicherweise auch denkbar. Also die Geschichte hat gezeigt, das kann passieren. Ich glaube, da sind wir noch sehr weit von entfernt, aber wenn wir nicht gegensteuern, kann das passieren. Und jetzt kommen wir zur anderen Frage, die wir vorhin hatten. Es könnte ja sein, dass es hier um Leben und Tod geht. Und dann sage ich, ja, war doch gut bis jetzt. Danke Tod, wir haben es jetzt geschafft. Wenn die Menschheit zu blöd ist 

und sich irgendwie ausrotten muss, dann wird die Welt davon trotzdem nicht untergehen. Verwirrend, es klingt jetzt so ein bisschen wie der Schück will den Bürgerkrieg. Nein, will er natürlich nicht, aber ich 

will damit sagen, selbst die schlimmste aller schlimmsten Möglichkeiten, die man sich nun vorstellen kann, ist vielleicht gar nicht die aller schlimmste Möglichkeit. 

01:12:01.000 

Raul Krauthausen: Kennst du Tadzio Müller? 

01:12:03.000 

Jo Schück: Nein. 

01:12:03.000 

Raul Krauthausen: Tadzio Müller ist einer der Mitstrategen-Denker von Ende Gelände. 

01:12:09.000 

Jo Schück: Mhm. 35 

01:12:10.000 

Raul Krauthausen: Ziemlich radikaler Aktivist, mit dem hatte ich ein Gespräch und was ich total spannend fand, war, dass er gesagt hat, ich habe ihn auch nach Hoffnung gefragt, hast du Hoffnung? Und er meinte, naja, die Hoffnung sollte man nie aufgeben, aber wir hatten 2014 uns auch nicht vorstellen können, oder 2016, die Willkommenskultur. 

01:12:32.000 

Jo Schück: Mhm. 

01:12:33.000 

Raul Krauthausen: Die haben wir uns nicht vorstellen können. Das war so eine Überwucht gesellschaftlich, die einfach aufpoppte, die man nicht hat kommen sehen, die uns alle irgendwie für einen kurzen Moment beseelt hat. Und er sagt, wenn das jetzt zum Beispiel mit dem Klimawandel so weitergeht und wir den nicht aufhalten können, dann kann es sein, dass wir dann vielleicht Initiativen gründen, die noch auf den Wurzeln dieser Willkommenskultur vielleicht sogar auch basieren, die dann sogenannte Kollaps-Cafés betreiben. Also, okay, wir machen hier Kühlräume, wo wir uns abkühlen können, oder hier werden wir versorgt mit Wasser. Und dass diese zivilgesellschaftlichen Initiativen unvorhersehbar sind. Und dass wir eigentlich sicherstellen müssen, dass die nicht von den Nazi-Deutschen betrieben werden, sondern von den nicht-Nazi-Deutschen. 

01:13:25.000 

Jo Schück: Finde ich einen spannenden Ansatz, weil es vor allem, die Geschichte zeigt das ja auch, selbst in den schlimmsten Krisen, jetzt reden wir wirklich über Krieg und so weiter, in diesen Zeiten zeigt sich auch immer das hässliche Gesicht des Menschen, aber auch immer, das war schon in allen Konflikten und Kriegen der Welt so, immer auch eine sehr positiv menschliche Seite. Das heißt nicht, dass wir nicht vielleicht von unserem Wohlstand Abstriche machen müssen. Also, es könnte schon schmerzhaft werden. Das heißt aber dann trotzdem, bedeutet das nicht das Ende der Menschlichkeit. Und das finde ich eigentlich eine sehr tröstliche Erkenntnis auch. Die Menschlichkeit wird nicht enden. Wir müssen halt nur dafür sorgen, dass nicht, wie du schon sagst, sollten halt keine Nazis unsere Chefs sein oder unsere Kollaps-Cafés betreiben. Das wäre schon besser eigentlich, wenn es keine Nazis wären. Aber die Menschlichkeit kriegst du nicht klein. Selbst wenn du dich sehenden Auges in eine Krise bewegst. Das ist ja das Spannende. 36 

01:14:20.000 

Raul Krauthausen: Absolut. Behalten wir die Hoffnung. 

01:14:23.000 

Jo Schück: Behalten wir die Hoffnung. Da hat er auch ein Hoffnungszitat. Hier, wie heißt der? Wacklaf Havel, diese Hoffnungszitat, das finde ich immer gut. Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. Das ist auch so ein Mitdenker-Zitat, wie bei deinem Mitbewohner. Aber damit können wir ja vielleicht mal in die Aufzugspause gehen. 

01:14:45.000 

Raul Krauthausen: Wir gehen in die Aufzugspause mit der letzten Frage, die ich allen meinen Gästen stelle. Und zwar gibt es eine Organisation oder ein Verein, das du unterstützt, die du empfehlen kannst, die unsere Hörerinnen sich vielleicht auch mal anschauen könnten? 

01:15:00.000 

Jo Schück: Also zuletzt hatte ich sehr viel zu tun mit zwei Organisationen. Einmal CI, also die Seenotretter, die gerade zu einer neuen Mission aufgebrochen sind, nachdem sie wirklich mit größter Mühe und Anstrengung viele tausend Euro gesammelt haben, um das Schiff wieder fahrtüchtig zu machen, kann ich empfehlen. Und laut gegen Nazis bin ich schon seit, glaube ich, 20 Jahren irgendwie verbunden, weil die haben immer diese Mischung aus Musik und antifaschistischem Engagement kombiniert. Das fand ich immer sehr gut. Und die sind jetzt auch gerade wieder, nachdem sie ein paar Jahre so ein bisschen geringere Öffentlichkeit hatten, sind sie gerade wieder groß drauf. Ich glaube, die fliegen gerade mit diesen, kein Mensch braucht AfD-Flugzeugen über den Himmel, mit diesen Plakaten, haben auch dementsprechende Shitstorms am Bein. Aber laut gegen Nazis waren eigentlich auch immer eine gute Adresse. 

01:15:54.000 

Raul Krauthausen: Das sind doch zwei sehr, sehr gute Tipps, die wir auf jeden Fall in den Show Notes noch zu erlinken werden. Lieber Jo Schück, das schreit nach einer weiteren Aufzeichnung, die wir irgendwann mal fortsetzen, mit vielen Fragen, unter anderem wie, kann es wirklich sein, dass Politikerinnen wie Jens Spahn glauben, was sie sagen? 

01:16:14.000 

Jo Schück: Super Teaser! 37 

01:16:17.000 

Raul Krauthausen: So, und das setzen wir dann ein anderes Mal fort. Bis dahin wünsche ich dir, wenn die Aufzugstür jetzt aufgeht, ein schönes Weiterkommen. Wo geht es denn für dich weiter? 

01:16:27.000 

Jo Schück: Jetzt erstmal, wie gesagt, Namibia, bald Ungarn, um mal zugucken, was autoritäre Strukturen mit so einer Demokratie anrichten können. Das wollten wir uns anschauen, außerdem ist in Ungarn die Kulturhauptstadt 2023, da gehen wir natürlich auch hin. 

01:16:44.000 

Raul Krauthausen: Hast nicht viel Zeit? 23 ist mein Vorfeld. 

01:16:48.000 

Jo Schück: Jaja, es steht quasi direkt vor, ich steige jetzt hier aus dem 

Aufzug aus und bin quasi schon halb im Bezug nach Ungarn. Aber wir müssen ja, wie du weißt, alles erwarten, auch das Gute. 

01:16:58.000 

Raul Krauthausen: In diesem Sinne, das wünsche ich dir. 

01:17:00.000 

Jo Schück: Danke. Danke Raul. 

01:17:00.000 

Raul Krauthausen: Auf bald. 

01:17:03.000 

Jo Schück: Tschüss. 

01:17:03.000 

Raul Krauthausen: Tschüss. 

01:17:05.000 

Raul Krauthausen: Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese Folge Spaß gemacht hat, bewerte diese Folge bei Apple Podcasts, Spotify oder wo auch immer ihr zuhört. Alle Links zur Folge, sowie die Menschen, die mich bei diesem Podcast unterstützen, findet ihr in den Show Notes. Schaut da gerne mal rein. Wenn ihr meine Arbeit unterstützen möchtet, würde ich mich freuen, euch bei Steady zu begrüßen. Mit einer Steady-Mitgliedschaft bekommt ihr exklusive Updates von mir und die Gelegenheit, mich zweimal im Jahr persönlich zu treffen. Im Aufzug ist eine Produktion von Schönlein Media. Ich freue mich auf das nächste Mal hier im Aufzug. 

Porträt von Jo Schück vor einem schwarzen Hintergrund. Er trägt ein schwarzes Hemd und blickt ernst in die Kamera. Über ihm steht der Schriftzug "IM AUFZUG" und ein Zitat: "Heimat ist da wo Freud*innen sind." - JO SCHÜCK - FOLGE 40. Im unteren Bereich des Bildes ist der Fotografenvermerk "FOTO: TIM HARGESHEIMER" zu sehen.

Jo’s Herzensangelegenheit:

Sea Eye

Laut gegen Nazis

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Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann

Coverart: Amadeus Fronk

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