Wie viel CSI Miami steckt in deiner Arbeit?
Die Medien nannten ihn mal Dr. Made – natürlich ein sehr reißerischer Titel.
Die Rede ist von Dr. Mark Benecke – von Beruf Kriminalbiologe mit Fachgebiet forensische Entomologie – also Insektenkunde zur Aufklärung von Kriminalfällen. Mark ist ein kurioser Typ – er liebt nicht nur allerlei Kriechgetier (er hat in seinem Büro ein Terrrarium mit Fauchschaben, eine davon heißt Bus32), außerdem ist er Vorsitzender der deutschen Dracula Gesellschaft, hat Hitlers Kiefer untersucht und setzt sich mit dem Verein White Unicorn für autistische Menschen ein.
Ihr könnt euch vorstellen: Ich hatte jede Menge Fragen! Aufzug Tür auf für Dr. Mark Benecke!
00:00:01
Raúl: Die Medien nannten ihn mal Dr. Made. Natürlich ein sehr reißerischer Titel. Die Rede ist allerdings von Dr. Mark Benecke, von Beruf Kriminal Biologe mit Fachgebiet forensische Entomologie, also Insekten Kunde zur Aufklärung von Kriminalfällen. Mag es ein wirklich kurioser Typ. Er liebt nicht nur allerlei Getier, er hat immerhin in seinem Büro ein Terrarium mit Fauchen, Schaben und eine davon heißt Bus 32. Nein, er ist auch Vorsitzender der Deutschen Dracula Gesellschaft. Er hat Hitlers Kiefer untersucht und setzt sich mit dem Verein White Unicorn für Autistinnen und Autisten ein. Ihr könnt euch vorstellen, ich hatte jede Menge Fragen. Aufzugtür auf für Dr. Mark Benecke. Die Tür geht auf. Und wer kommt rein? Oh, mein Gott. Ist es Mark Benecke? Der international respektierte und anerkannte Kriminal Biologe und Experte für Insekten und Insektinnen. Herzlich willkommen.
00:01:18
Dr. Mark Benecke: Ja, das finde ich gut, dass du das auch mal betonst. Dass es natürlich auch bei Insekten alles Mögliche an queeren und Homosexuellen, heterosexuellen und sonstigen Handlungsweisen wir wissen ja nichts über die persönliche Identität, aber Handlungsweisen gibt. Das ist nämlich tatsächlich so, dass im Tierreich halt auch alles ausgeweitet und ausdifferenziert ist und nicht nicht so, wie manche konservative Menschen sich das vorstellen, dass da also nur Pärchen sich lebenslang bilden. Und die sind alle hetero oder so, das ist nicht so.
00:01:51
Raúl: Wir sind doch hier im Gebäude von deinem Labor und und hier sieht alles so ein bisschen so aus wie wie bei Harry Potter. Und dieser Aufzug, der erinnert mich so ein bisschen an an auch so Harry Potter Aufzüge, wo jederzeit der Boden unter uns sich öffnen kann und was auch immer passieren könnte. Aber es ist schon mal eine schräge Situation in einem Aufzug passiert?
00:02:13
Dr. Mark Benecke: Ja, also. Unser Aufzug der, der ja nur in unseren Gedanken hier lebt, der ist tatsächlich magisch. Der hat alle Eigenschaften, die man auch bei Harry Potter sehen kann. Der Raum, in dem ich in Wirklichkeit gerade sitze. Ups, jetzt habe ich es verraten. Da sind sogar Harry Potter Zauberstäbe drin. Das ist tatsächlich so, dass unsere Bibliothek hier unsere Labor Bibliothek mit den Zeitschriften für Kriminalistik. Und schräge Situationen in magischen Aufzügen habe ich insofern schon erlebt, als dass natürlich die Fälle genau so sind, wie du es gesagt hast. Da geht der Boden auf einmal weg und es stellt sich was völlig anderes da oder was die Spuren zeigen was ganz anderes oder was auch überraschend sein kann, dass die Spuren genau das zeigen, was die betreffenden Personen schon immer gesagt haben. Aber niemand hat ihn geglaubt. Also das wäre die, die sozusagen magische und falsch artige Aufzugs Komponente. Und in echten Aufzügen bin ich schon mal öfter stecken geblieben. Das ist leider so, ich meide Aufzüge, wenn es geht, nicht aus Energiekosten, sondern weil ich steckengeblieben bin. Einmal in Frankfurt an der Oder mit vielen anderen Leuten am Bahnsteig. Da hat sich Polizei dann geweigert zu kommen, weil die gesagt haben, es ein Problem der Aufzugs Firma und die Firma hat gesagt Ja, warten Sie doch erst mal ein bisschen, aber wir kommen dann schon irgendwann und wir waren quasi in so einem Glaskasten und alle Leute konnten uns anglotzen. Also das war, das war meine schrägste Aufzugs Erfahrung, war aber nicht die einzige, wo ich mal stecken geblieben bin.
00:03:34
Raúl: Wie lange musstest du da warten?
00:03:36
Dr. Mark Benecke: Das hat echt richtig lang gedauert. Also ich würde mal, ich glaube so, also echt, so wie eine Dreiviertelstunde, weil das hat halt keiner richtig ernst genommen. Und das Problem war, da war eine sehr aufgeregte polnische Frau dabei. Also das ist ja Frankfurt an der Oder ist ja nah an Polen, die aber auch nur polnisch sprach. Und ich kann nur ein paar, nur so ein paar nette Sachen auf Polnisch. Also ich liebe dich oder mein Schatz. Guten Tag, auf Wiedersehen und solche Sachen. Also so, so Phrasen, die man im Alltag schon mal anwenden kann. Und das andere war ein sehr alter Mann, der hat überhaupt nicht geredet. Und dann habe ich das zweite Mal bei der Polizei angerufen, habe gesagt Passen Sie auf, ich will kein Drama machen, ich bin nicht so ein Drama Spinner, Aber hier ist wirklich ein alter Mann drin. Und die polnische Frau wird auch immer aufgeregter. Und während der alte Mann immer ruhiger. Also wenn man das, wenn man das überhaupt sagen könnte, also der war die ganze Zeit ruhig wird vielleicht rein aus menschlichen Gründen. Vergessen wir mal den Aufzug. Wär das jetzt vielleicht irgendwie sinnvoll, wenn sie da nur mal erscheinen würden? Einfach damit die beruhigt sind oder so? Aber ich denke, da passieren halt schlimmere Sachen da in der Ecke als blöder Aufzug stecken bleibt und am Ende hat dann interessanterweise, als der Techniker kam, hat er dann von außen so einen Schlüssel gedreht und konnte dann die Türen von Hand öffnen. Und als ich das gesehen habe, habe ich mir natürlich gedacht Das ist aber schade, dass das niemand im Bahnhof wusste. Vielleicht sollte man das über den Bahnhof mal sagen, weil das würde vielleicht dann ich weiß es nicht, ich weiß nicht. Jetzt, wo ich das gerade sage, fällt mir ein Ganz schlecht wäre natürlich, wenn sich das jetzt rumsprechen würde durch unseren Podcast. Die Tür von außen mit diesem, mit diesem mehr kann Schlüssel geöffnet würde und dann in dem Moment der Aufzug abstürzt, wo man gerade rausgeht, dann wird man wie im Horrorfilm natürlich zweigeteilt. Also es ist alles sehr schwierig.
00:05:16
Raúl: Ja, das wollte ich gerade sagen. Ich meine, in dem Podcast hast du mal gesagt, dass du immer eine Taschenlampe dabei hast, weil man weiß ja nie verberge, dass du jetzt ein Werkzeug, dass du in Zukunft mit dir führst. Diesen Schlüssel für die.
00:05:28
Dr. Mark Benecke: Tür habe ich, solange ich meinen Kopf oder ich habe immer. Ich habe immer ein dreikant und ein Vierkant Schlüssel dabei in meinem Gepäck im Koffer. Aber wenn der Aufzug natürlich brechend voll ist, kriegst du den blöden Koffer nicht auf, weil er relativ groß ist. Du hast recht, dann sollte ich vielleicht besser an meine Hose wie die Taschenlampe dranhängen. Stimmt.
00:05:46
Raúl: Wir kommen auf jeden Fall zu deinen unzähligen Aktivitäten und großartigen Vorträgen, die du hältst ja noch im Laufe unserer Aufzugs Fahrt. Aber was ich wirklich super amüsant fand, war deine Emails. Wenn wir mit Dir kommuniziert. Dann bist du sehr, bist du sehr schnell, mit sehr klaren Worten unterwegs. Und du redest sehr schnell, was es für mich sehr günstig macht, weil wir dann ganz viele Fragen beantworten können innerhalb dieser Zeit. Und für die Hörerinnen und Hörer da draußen. Das würde sich jetzt wahrscheinlich, wenn man das auf zweifacher Geschwindigkeit abspielen würde, was man ja manchmal macht bei Podcasts, dann wäre das quasi wie vierfach abgespielt. Richtig.
00:06:30
Dr. Mark Benecke: Ich mach das übrigens nicht. Das hat mir meine Frau erst vor ein paar Tagen verraten. Dass man sogar YouTube Videos dort mit doppelter Geschwindigkeit abspielen lassen kann, habe ich noch nie gemacht, wollte ich auch mal sagen. Also es ist ja September 2022 hier. Ich bin also aus der Vergangenheit und habe das noch nie getan.
00:06:45
Raúl: Ich habe einen Kollegen mit Behinderung, der spielt das auf acht facher Geschwindigkeit manchmal. Da verstehe ich dann nichts mehr. Er aber schon.
00:06:53
Dr. Mark Benecke: Ja, vielleicht hochbegabt oder irgendwie so was kann schon mal sein. Gewöhnung oder Gewöhnung Oder beides.
00:06:59
Raúl: Auch bei dir merkt man das Thema Behinderung in der Arbeit auf.
00:07:03
Dr. Mark Benecke: Ja klar. Ich bin ja Botschafter für einige Organisationen, die sich dann entweder als behindert oder nicht bezeichnen. Das kommt immer drauf an, also bei dem Verband, das ist eher so ein Forschungsverbund weit Unicorn. Da bin ich auch im Vorstand für Autismus Spektrum Erkrankungen. Da geht es eigentlich hauptsächlich darum, wie man mit den Kindern umgeht in der Schule, sodass sie sich nicht ständig gestört fühlen. Also sagen wir mal, du sitzt im Rollstuhl, Dann wird ja auch keiner sagen die ganze Zeit, du musst die Treppe hoch gehen, weil wenn du nicht gehen kannst mit deinen Beinen. Aber bei den Leuten im Autismus Spektrum, da sagt man halt immer Reiß dich mal zusammen, jetzt stell dich nicht so an, es ist doch alles nicht so schlimm. Also das ist etwas da. Allerdings. Manche sehen es als Behinderung, andere nicht. Es fällt natürlich unter die UN Behinderten Konvention, ganz klar. Aber manche von den besonders wenn sie ein bisschen schwächer ausgeprägt im Spektrum sind, haben sich da noch nie Gedanken drüber gemacht, dass man das auch als Behinderung verstehen kann. Dann bei den seltenen genetischen Krankheiten, da habe ich einen eigenen YouTube Channel, wo ich immer Leute Interview mit seltenen genetischen Erkrankungen, die sagen nie das ist eine Behinderung. Das finde ich ganz verblüffend, besonders bei den Leuten. Diese ganz, ganz schweren, nennen wir es mal Ermüdungserscheinungen haben, die teilweise überhaupt nicht mehr aus dem Bett kommen. Und das ist, finde ich total interessant, weil die sind häufig auch sehr, sehr wütend und sehr, sehr enttäuscht, dass ihnen keiner hilft oder auch helfen kann. Und da wäre ja eigentlich ein Dreh, den man machen könnte, zu sagen Ja, aber es ist eine Behinderung. Ich gehe jetzt auf die UNO unbehinderten Konvention. Ich verlange jetzt, dass mir geholfen wird, aber das habe ich von denen noch nie gehört. Also es ist sehr. Es ist sehr, sehr breit gespannt, ab wann jemand sich als behinedrt bezeichnet, Ich habe eine Freundin, mit der habe ich auch ein Interview auf dem Kanal die Janine, die ist zum Beispiel Autistin, auch ein bisschen stärker im Spektrum und gleichzeitig hat sie aber auch so eine körperliche Einschränkung, die sie in die meiste Zeit an den Rollstuhl bindet. Da hat sie erst neulich mal, nach vielen Jahren hat sie gesagt, sie würde das gerne mal getrennt betrachten. Also das eine hat ja mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Und so gesehen sehe ich da also sehr viele Ausformungen von diesem behindert. Ja.
00:09:11
Raúl: Bist du selber Autist?
00:09:13
Dr. Mark Benecke: Sagen die Autisten alle und Autistinnen. Aber ich habe es nicht testen lassen.
00:09:18
Raúl: Also würdest du letztendlich da eher als deren Alliierter dich bezeichnen oder würdest du sagen, du bist selber betroffen?
00:09:25
Dr. Mark Benecke: Spielt keine Rolle bei mir. Also ich habe. Ich habe. Also das ist vielleicht ein bisschen schwer verständlich, aber ich habe viele Freunde und Freundinnen, die Künstler und Künstlerinnen sind und die natürlich auch sehr häufig Persönlichkeitsstörungen haben und dergleichen. Und manchmal auch psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen, manchmal aber auch was anderes. Und irgendwie, die sagen eigentlich, die meisten von denen sagen, das ist uns egal, wir brauchen da kein Label für. Ich fand das am Anfang ein bisschen komisch, weil ich mir dachte, wieso es doch hilfreich, um Unterstützung zu bekommen. Aber die sind halt der Meinung, ändert auch nichts da dran. Wir sind halt wie wir sind und deswegen habe ich das so ein bisschen aufgesogen und sag mir halt, okay, ich stimme zu, dass diese Züge vorhanden sind und vielleicht auch diagnostiziert wären, aber letzten Endes fasse ich Menschen als als gesamt Mensch auf. Und wenn die sich selber da nicht labeln möchten oder labeln lassen wollen, dann lasse ich es halt. Und bei mir ist es halt so, dass es im Alltag eh keine Rolle spielt, weil ich eh machen kann, was ich will. Deswegen ist das so ein bisschen offener in meiner Umgebung und bei meinen Freunden und Freundinnen.
00:10:29
Raúl: Und wie bist du auf dieses Engagement gekommen?
00:10:32
Dr. Mark Benecke: Das Ja, die Autisten Autisten haben mich angesprochen. Also es gibt auch eine Kollegin. Ich will das mal aus einem anderen Feld sagen, Um das kurz zu erklären Für Leute, die jetzt überhaupt nichts mit Behinderungen oder irgendwelchen Einschränkungen, Persönlichkeitsstörung, psychischen Kranken irgendwas zu tun haben. Ich war mal beim Kongress von einer Kollegin, die heißt Marsha Linhan und die ist die erste, die sehr, sehr stark mit deutlich ausgeprägten Borderline Erkrankten gearbeitet hat. Und der Kongress war wirklich sehr, sehr interessant, weil es eine ganz krasse Trennlinie gab zwischen den Selbsthilfe Vereinigungen die da da waren und den Forschern und Forscherinnen. Die haben eigentlich die waren zwar da, aber die haben sich gegenseitig nicht wahrgenommen, außer dass sie vielleicht zufällig aneinander vorbeigelaufen sind. Und dann eines Tages hat die sich geoutet und dann hat die erzählt, denn ich glaube, der New York Times hat sie das erzählt. Das kam daher, weil die Patienten und Patientinnen, die sie hatte, gefragt haben Bist du eine von uns? Und dann hat sie ein paar Jahre überlegt und hat dann irgendwann gesagt Ja, okay, ist so, und das hatte ich im Hinterkopf, dass man also quasi auch erkannt oder angesprochen werden kann von Menschen, die etwas, was nach außen nicht so sichtbar ist wie jetzt zum Beispiel Hautausschlag oder so, den wird es sehr viel leichter sehen, dass man darauf mal reagieren sollte und sich da Gedanken drüber machen sollte. Und so kam das. Und als die dann ich habe dann Interviews mit denen gemacht und ein bisschen gearbeitet und als sie dann aber zunehmend ankamen und mich gefragt haben, ob ich mal eine Diagnose bekommen hätte, habe ich gesagt Nein, habe ich nicht, aber wir können da gerne mal drüber reden und dann könnt ihr mir sagen, warum ihr denkt, dass das eine Autismus Spektrum Sache wäre und so so kam das also ich habe. Ich habe einfach zugehört.
00:12:05
Raúl: Interessant finde ich, wenn man sich ein bisschen mit dem Thema Autismus beschäftigt, dass da ja auch sehr viel in der Vergangenheit auch wissenschaftlich und medizinisch begründet, ja auch wie viele Autistinnen sagen, Misshandlung stattfand in Form von dieser ABA der Applied Behavior Analysis, wo man letztendlich Menschen, die Autisten sind, gezwungen hat, bestimmte Verhalten sich anzutrainieren und das von Kindesbeinen an und das dann als erfolgreiche Methode gesehen wurde. Wissenschaftlich. Aber viele erwachsene Autist*innen sagen, dass das Quälerei für sie war, als als Kinder ganz, ganz fest daran liegen, dass man daher vielleicht auf solchen Kongressen so wenig miteinander geredet hat.
00:12:50
Dr. Mark Benecke: Ja, das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Das ist eine gute Frage. Also ich meine, du wirst ja nicht – du wirst ja in die ABA nicht so richtig rein gezwungen, das ist ja eher was. Ehrlich gesagt, ich kann jetzt nur vom Stand heute reden. Ich rede jetzt nicht über die letzten 100 Jahre oder irgendwie noch länger, wo natürlich auch noch ganz andere Sachen passiert sind. Also heutzutage ist das so, dass eigentlich die Eltern ehrlich gesagt diejenigen sind, die, wenn die selber nicht Autisten oder Autistinnen sind oder oder das nicht wissen, dass die eigentlich durch den Umgebung Ausdruck also der Leidensdruck entsteht ja durch die Umgebung. Ja, genau, dass die dann sagen, diesem Leidensdruck, den wir auf die Familie jetzt erleben, dem möchten wir ausweichen, indem wir die Kinder in die ABA schicken. Es ist ja auch so, dass es ja auch durchaus scheinbare Erfolge gibt. Wenn dann eben zum Beispiel im Supermarkt die Autisten Autistinnen nicht sich so auffällig verhalten und und dergleichen mehr. Und dann ist das für die Familie glaube ich eher so eine Art sich selbst erfüllende Erleichterung auf Kosten der Autisten und Autistinnen. Und das Problem sehe ich ehrlich gesagt weniger bei den Anbietern von ABA, sondern tatsächlich daran, dass es zu wenige Ansprechpartner für Eltern gibt und oder Organisationen für Eltern gibt, die sagen, sie müssen das aber gar nicht machen und sie können auch mit ganz anderen Techniken ein glückliches und erfülltes und freies Leben für Autisten Autistinnen ermöglichen, indem sie beispielsweise denen halt einen Job geben, wo sie ihre Ruhe haben, wo sie ganz geregelte Abläufe haben, wo alles vorher besprochen wird und keine Überraschungen passieren. Und so und so weiter. Also das ist glaube ich eher der der Mangel. Ich würde jetzt nicht so sehr sagen, dass Autisten Autistinnen sich nicht trauen, eine Diagnose zu kriegen oder mit den Wissenschaftlern Wissenschaftlern zu reden, weil sie dann Angst haben die ABA zu kommen. Also das ist nicht meine Erfahrung, dass man da so gezwungen wird, sondern es liegt wirklich an der schlechten Beratung der Eltern.
00:14:42
Raúl: Was ja auch Bände spricht für unsere Gesellschaft. Du hast ja vorhin gesagt, dass es seltene Erkrankungen das Wort gebraucht. Ab wann ist denn Erkrankung selten?
00:14:53
Dr. Mark Benecke: Also da gibt es verschiedene Sichtweisen. Also ich würde mal sagen, das ist jetzt aber eine private Meinungsäußerung. Das ist jetzt nicht für ein Wikipedia Eintrag oder so.
00:15:03
Raúl: Also ich habe ja Glasknochen – davon gibt es ungefähr 8000 in Deutschland. Genau, selten.
00:15:09
Dr. Mark Benecke: Ja genau, genau. Also meine persönliche Meinung dazu ist, die Krankheit ist immer dann selten, wenn sie kein wirtschaftliches Interesse in der Industrie hervorruft. So würde ich das mal sagen. Also in dem Moment, wo keine Pharmafirma, keine Rehabilitation Firma, vielleicht auch sogar die Kassen oder sonst was. Aber auch das vergisst man sehr, sehr oft wissenschaftlich, das eben nicht dazu führt, dass du dann eine Professur kriegen kannst oder irgendwas. Also es nützt niemandem wirtschaftlich und strukturell, sich damit zu beschäftigen. Dann ist meiner Meinung nach die Krankheit selten. So würde ich das sagen. Und das kann auch bei technisch gesehen häufigen Sachen der Fall sein, wie bei Glasknochen. Ich meine, 8000 Leute, das ist ja jetzt schon. Stellen wir uns mal ein Musikfestival vor. Also für 8000 Leute veranstalte ich das Konzert, da habe ich Geld verdient. Naja, also.
00:15:58
Raúl: Aber nicht Rock am Ring.
00:15:59
Dr. Mark Benecke: Ne, nicht. Ja, genau. Es ist nicht Rock am Ring, aber ich kenne also jede Menge Clubs, die sehr, sehr gerne für 8000 Leute Veranstaltungen machen würden, weil sie dann echt Geld verdient haben. Und das finde ich, das ist die die unsichtbare, gläserne Grenze, die wirtschaftliche Grenze. Ab wann lohnt sich damit zu arbeiten?
00:16:18
Raúl: Du hast so viele Themenbereiche, für die du dich engagierst und ich habe mir gedacht, vielleicht fangen wir diesen Podcast einfach mal mit der Frage an Womit beschäftigst du dich gerade?
00:16:31
Dr. Mark Benecke: Jetzt gerade habe ich einen Artikel durchgesehen, Also jetzt bis zwei Minuten, bevor wir angefangen haben über Menschen, die zu uns kommen, seit 20 Jahren. Die denken, dass sie Insekten unter der Haut haben, die da leben und die sie also peinigen und quälen. Und die haben eine, die machen eine interessante Erfahrung, die gehen früher oder später landen die in eine Hautklinik oder eine Psychiatrie oder irgend so was. Und dann wird denen immer gesagt, das was sie da eingesammelt haben an Spuren, das ist Einbildung. Und dann sagen die Leute Ja, aber ich habe es doch jetzt hier in früher, in Streichholzschachteln. Deswegen heißt das auch Matchbox Syndrom auf Englisch, manchmal oder heutzutage als in so Tütchen oder oder Plastik Säckchen alles mögliche oder auch große Säcke. Ich hatte auch mal eine, die kam mit einem riesigen Müllsack an, mit lauter Spuren und dann wird denen gesagt das ist das bilden sie sich ein. Und das ist für uns interessant gewesen, weil wir gesagt haben, wieso, also, die Spuren sind ja da. Lasst uns doch lieber mal die Spuren angucken, anstatt zu sagen, die bilden sich das ein, weil die Erkrankung bilden sie sich durchaus ein. Aber die Spuren sind ja echt. So, jetzt muss man sich mal vorstellen, ich würde sagen wir mal, ich hätte den schon genannten Hautausschlag und ich gehe jetzt mit dem Hautausschlag zum Arzt oder zur Ärztin und die sagen zu mir Nee, da ist aber nichts. Und dann würde ich sagen Ja, aber sehen Sie das denn nicht? Aber die sagen Nein, sehe ich nicht. Na, dann würde ich ja denken Hä? Der Rest der Welt kann das sehen, nur mein Arzt nicht. Ich meine, da stimmt doch was nicht. Und dann wechsle ich den Arzt, und dann sagt der nächste Arzt Nee, da ist nix. Und das ist ja klar, dass das dann nicht besser wird. Also man muss schon die Spuren untersuchen und sagen Nein, passen Sie auf das, was Sie da an Spuren einsammeln. Die Spuren sind da nur die haben nichts mit dem zu tun, was sie da berichten, mit dieser Erkrankung. Aber das stimmt auch nicht immer, denn es gibt zum Beispiel allergische Reaktionen auf Insekten, Bestandteile, die sehr wohl dazu führen können, dass das zwar Tiere sind, die nicht unter der Haut leben. Die habe ich aber jetzt irgendwie an irgendeiner feuchten Stelle in meiner Wohnung oder aus dem Garten eingeschleppt oder sonst was. Ich habe trotzdem eine Allergie. Das heißt, Ursache und Wirkung sind jetzt nicht ganz so lose oder gar nicht verknüpft, wie man meinen könnte. Und da haben wir gerade eine lange Veröffentlichung mit den also wir ist meine Mitarbeiterin, die Tina und ich geschrieben mit Erfahrungen und Spuren, die wir untersucht haben aus den letzten 20 Jahren.
00:18:36
Raúl: Wo hat sich eigentlich deine Arbeit geändert als Kriminologe? Durch die Digitalisierung? Kannst du deinen Job vom Computer aus machen oder musst du immer Dinge genau unter die Lupe nehmen, Obduktionen, an den Tatort fahren oder reicht es, ein PDF zu lesen?
00:18:54
Dr. Mark Benecke: Sehr coole Frage. In der Tat das. Unser Job ist tatsächlich immer zwingend davon abhängig, dass wir mindestens die Akten haben. Am besten auch ausgedruckt, ehrlich gesagt, weil wir natürlich sehr viel reinschreiben. Und so weiter und umblättern. Das kannst du digital gar nicht so machen. Häufig, weil die Akten bilden sich bei uns auch im Kopf ab. Also besonders bei der Tina und mir. Das wissen wir, weil wir mal in einem Knast waren und die falschen Akten dabei hatten. Und dann haben wir die richtigen Akten aber noch im Kopf gehabt. Also bei uns bildet sich das auch räumlich und inhaltlich im Kopf ab. Da könnte man sagen na gut, dann müsst ihr euch halt an digitale Akten gewöhnen. Okay, gut. Aber das Zweite ist tatsächlich, dass viele Spuren bei uns ja vermischt sind mit anderen Spuren. Also ich sage mal ein Beispiel aus dem Bereich der Sexualdelikte. Also jemand sagt uns okay, ich habe an mir wurde eine sexuelle Handlung durchgeführt gegen meinen Willen und ich habe noch Spuren davon, weil das keinen interessiert hat und jetzt kommt also jetzt haben wir nur die Information, die digitale per Email oder so was. Ja, da sind meinetwegen jetzt vielleicht Sperma Spuren an der Unterwäsche. Wir wissen aber nicht, wie viel Sperma, wo das Sperma genau ist, an welcher Unterwäsche und was da sonst noch ist. Zum Beispiel Blut. Es gibt ja auch Sexualdelikte, bei denen dann Blut austritt. Nicht durch Menstruationsblut, sondern durch Gewalteinwirkung, da Gegenstände verwendet werden oder sonst irgendwas oder oder Risse im Gewebe entstehen. Alles mögliche kann da passieren. Und dann, wenn du dann wirklich den Karton oder den Umschlag hast und den öffnest, dann ist das wie als ob du das erste Mal in diese echte Situation hinein guckst, wie eine Zeitkapsel. Also du, du machst jetzt eine Zeitreise zurück in den Moment, als die Spuren entstanden sind. Und das ist ein Gesamtzusammenhang und der fehlt im digitalen Bereich wirklich sehr, sehr stark ein zum Beispiel auch was Tasten und Geruch angeht. Du kannst nämlich Sperma tasten, das wird so ein bisschen fest und hart und wenn das sehr wenig ist, dann natürlich nicht. Oder du siehst zum Beispiel, dass das muffig riecht. Das könnte dann zum Beispiel durch falsche Lagerung geschehen, was wiederum erklärt, warum keine DNA gefunden wurde. Weil, wenn etwas. Etwas muffig sozusagen schimmelt gelagert wurde, dann kann auch die DNA dabei zerstört werden. Wenn er Pech hat.
00:21:06
Raúl: Gelagert von der Polizei ja.
00:21:08
Dr. Mark Benecke: Oder von den oder von den Leuten selber, weil die Polizei gesagt hat, wir glauben ihnen nicht, sie können ihre Unterwäsche behalten und dann haben die mal im Fernsehen gesehen, man tut das in Tüten, dann nehmen die so ein Sieb, Block, Beutel. Jetzt ist die Unterwäsche aber feucht und dann fängt das darin an, sich sozusagen unsichtbar zu zersetzen. Das heißt, du kriegst unheimlich viele Informationen, die sich wie wenn man sich so ein 3D Science Fiction Ding vorstellt, wo sich also super viele Bezüge in ganz viele verschiedene Richtungen auf einmal auftun. Also deswegen, du musst auf jeden Fall mit den echten Spuren arbeiten. Das einzige, wo es manchmal geht, sind Blutspuren. Da kannste, wenn du Glück hast, mit sehr guten Fotos arbeiten. Aber das ist auch das Einzige.
00:21:47
Raúl: Wie viele Dr. House oder Navy CIS oder Miami. CSI steckt in deiner Arbeit? Also, ich habe manchmal das Gefühl, dass – meine Mutter ist Ärztin – und sie hat gesagt, inzwischen kommen Patienten und erwarten, dass man sie behandelt wie Dr. House.
00:22:04
Dr. Mark Benecke: Ja, das ist bei uns auch so. Ist das der sogenannte CSI Effect, dass die Jury in den Ländern, wo es Jurys vor Gericht gibt, dass die tatsächlich erwarten, dass alle technischen Untersuchungen wie in dieser Fernsehserie aus den 90 er Jahren CSI gemacht werden? Ja, ja, das gibt es wirklich. Ich muss sagen, ich selber kenne die Serien nicht, also ich habe sie jetzt ein oder eine Folge mal gesehen in den Neunzigern, das ist auch im Netz noch da habe ich für die Zeitschrift Stern, die damals sehr, sehr bekannt war, habe ich mal über diese eine Folge was geschrieben, weil die, weil ich da in USA gearbeitet habe, in New York und da haben die gesagt, so der, der der Deutsche in den USA, der in der Rechtsmedizin in New York als Biologe arbeitet, der soll also mal, der soll das mal beschreiben. Und da, da waren sehr viele totale so klassische Logik und Dramaturgie, Fehler drin zum Beispiel. Da haben sich Leute in einem Tresor eingeschlossen, weil ein Tsunami kam, und dann war der Tsunami aber auch zwei Minuten später wieder vorbei. Und dann sind die aus dem Tresor an der Bank wieder rausgegangen und haben weiter ermittelt und weiter Spuren untersucht. Also das ist halt völliger Bullshit. Natürlich. Ist halt ein Märchen. Und dann habe ich gesagt Na gut, ich meine nichts gegen Märchen. Ich meine, Marvel Cinematic Universe ist auch Märchen, was soll’s. Also da schreibe ich ja auch keine Rezension und sage Menschen können nicht zaubern. Also was soll das? Also wenn das jetzt Dr. Strange ist oder so was, also das ist mir egal. Dann zu Dr. House, da ist das wohl so, der der ist wohl nach Sherlock Holmes nachgebaut, soweit ich das gehört habe. Und Sherlock Holmes wiederum. Die Figur ist ja nachgebaut nach einem Arzt aus Edinburgh, also aus Edinburgh, und der aus heutiger Sicht, aus spurenkundlicher Sicht und und aus meiner Sicht als jemand, der mit mit Autismus Spektrums Leuten arbeitet, der war wohl einfach Asperger. Dieser Arzt, der da die Vorlage war für Arthur Conan Doyle. Also ich denke mal so, also Dr. House über Sherlock Holmes über diesen Arzt ist hat halt eine klassische, ist halt eine klassische Figur, der sich halt nicht so von Gefühlen leiten lässt, sondern von den Spuren. Und das könnte. Also ich habe die Serie nicht gesehen Dr. House, aber das könnte dann, was den diagnostischen Teil angeht, nicht um nicht von den Gefühlen reden, sondern von den messbaren Daten. Das könnte einfach so eine typische Aspi-Faszination sein. Sherlock Holmes ist ja auch Naturwissenschaftler, der ist ja nicht Polizist, der ist ja Chemiker. Also der wendet ja auch klassische Techniken an.
00:24:24
Raúl: Aber würdest du jetzt, wenn du keine Ahnung, gerufen wirst, entsteht dann auch so eine Erwartungshaltung dir gegenüber, dass du jetzt irgendwie mit so einem Neonlicht alles abläuft ist und und.
00:24:35
Dr. Mark Benecke: Ich glaube, bei uns.
00:24:36
Raúl: Weiß du was ich meine?
00:24:37
Dr. Mark Benecke: Ja, ich verstehe. Nee, bei uns sind die Leute sehr offen. Also die haben extrem schwere Probleme. Das Kind ist getötet worden, aber alle denken, das wäre ein Suizid gewesen. Das ist ein Sexualdelikt, was irgendwie nicht geglaubt wird. Jemand sitzt im Knast, war es aber nicht und dergleichen mehr. Oder die Leute mit dem Insekten waren der, der zwar durchaus wahnhaft ist, aber trotzdem halt echte Spuren vorhanden sind, die auch Insekten Spuren sein können, die halt nur nichts mit der mit der möglichen Erkrankung da zu tun haben. Also ich denke bei uns haben wir das Glück, dass die Leute wie bei Sherlock Holmes sehr offen sind. Also bei Sherlock Holmes gibt es ja immer diese Szene, der sitzt dann da in seiner winzigen Wohnung, ihm ist langweilig und dann kommen die Leute rein und sagen halt, keine Ahnung, das und das es passiert. Und so ist das bei uns auch. Also die Leute bleiben sehr oft bei dem, was passiert ist. Also meinetwegen, ich bin wegen Mord lebenslang verurteilt, ich war’s aber nicht und danach überlassen die das eigentlich uns, das wir dann sagen okay, welche Spuren haben Sie dann? Sagen Nee, die Spuren hier, die sind, die haben nichts mit Ihrer Frage zu tun, die sie jetzt hier im Einzelnen stellen. Zum Beispiel Warum wurden meine Hautzellen auf der Leiche gefunden? Und dann sagen wir Ja, dann müssten Sie ja da in der Nähe gewesen sein, da sagen die Nein, war ich nicht. Aber ich habe einen Gegenstand meinem Nachbarn übergeben und der Nachbar ist dann getötet worden. Können die Hautzellen über den Gegenstand übertragen worden sein? Das ist mehr so ein gemeinsames Überlegen. Vom riesigen Problem her. In der Klinik haste das natürlich mehr, so dass die Patienten und Patientinnen also bei deiner Mutter, die haben natürlich deutlich gezieltere Erwartungen. Zum Beispiel Ich habe nehmen wir jetzt zum Dritten Mal den Hautausschlag, ich hab nen Hautausschlag, Sie müssen den wegmachen. Dafür bezahlt die Krankenkasse Sie oder so. Das ist bei uns nicht so, weil wir sind. Wir sind so mehr so die. Wir sind die Seltsamen. Wir sind die die letzte Tankstelle vor der Autobahn. So ist das eher bei uns.
00:26:32
Raúl: Ich verstehe. Ich hatte mal ein sehr spannendes Gespräch mit einer Staatsanwältin und die hat mir erzählt, dass so doof das jetzt klingt. Aber die meisten Straftaten werden nur deswegen aufgeklärt, weil es immer irgendeinen Verwandtschaft oder Freundschaftsbesuch gab. Also wenn ich jetzt random jemanden auf der Straße töten würde, völlig beliebig in einer anderen Stadt, in der ich nicht wohnen, wo es keinen Bezug zu gibt, ist die Wahrscheinlichkeit gefunden zu werden ziemlich niedrig.
00:27:04
Dr. Mark Benecke: Das ist völlig richtig bei Tötungsdelikten. Es geht jetzt nur um Tötungsdelikte, da hast du recht. Das ist aber gefährlich. Auf, auf, aus zwei Sichten, weil es haben sich zwei Sachen geändert in den letzten Jahren. Das erste ist, du hast Massendaten. Das heißt, falls sich jemand für das Tötungsdelikt interessieren sollte, was ja auch nicht immer der Fall ist, leider. Je nachdem, in welcher Gegend der Welt du dich gerade aufhältst, dann kannst du über Massendaten gehen. Es gibt mittlerweile so viele Kamera, Handy und sonstige Daten, dass man darüber gehen könnte. Das war vor paar Jahren nicht möglich. Also das ist das eine, wo man sagen müsste, das hat sich ein bisschen geändert. Und das zweite ist, es gibt auch Fälle, wo der persönliche Bezug nicht klar ist. Also da darf man auch, da muss man auch sehr vorsichtig sein. Wir haben also regelmäßig Fälle, wo sich hinterher rausstellt, es gab einen persönlichen Bezug, den hat aber niemand gesehen in dem Moment. Also deswegen. Das stimmt, was die Staatsanwältin erzählt hat. Aber die Welt hat sich ein klein bisschen geändert und ich würde mich da als Täter jetzt oder als Täterin nicht mehr so drauf verlassen, dass das wie vor zehn Jahren dann tatsächlich untergehen würde, das Delikt.
00:28:15
Raúl: Ja, das hat sicherlich auch gesagt, dass das Problem oder soll ich sagen, ist es jetzt ein Problem oder einen Vorteil? Also wenn du als Täter dich in Sicherheit wiegst und dann der Wiederholungstäter machst, dann entstehen ja sehr schnell Muster. Man fängt an sich sicher zu fühlen als Verbrecher. Also gerade bei Einbrüchen ist das wohl sehr häufig der Fall und dann wird es immer leichter, sie zu finden.
00:28:37
Dr. Mark Benecke: Ja, aber das stimmt auf jeden Fall. Ich würde aber, wenn wir bei den Tötungsdelikten mal bleiben, kurz noch mal Da ist es so, dass tatsächlich auch schon aus den genannten Gründen wenn du wirklich ein Ermittlerteam hast, was Bock hat, damit zu arbeiten, dass die schon sehr, sehr schnell und sehr früh dadurch, dass die Gruppen bilden und dann jede Gruppe arbeitet eine verschiedene Möglichkeit ab, dass da zum Beispiel der unbekannte persönliche Bezug dann erkannt werden könnte, weil da je nachdem, wenn ein großer Ermittler und Ermittler Gruppe hast, dann könnten, dann wäre es zum Beispiel erlaubt, dass einer nehmen wir an, das wäre ich ja jetzt bei der Polizei, dann würde ich sagen Wisst ihr was? Es gibt super geile Spuren hier in dem Fall. Es gibt auch schöne technische Spuren, es gibt soziale Spuren, aber ich persönlich glaube, da steckt der unbekannte Vierte dahinter. Oder der unbekannte fünfte Und dann würden die sagen Okay, Mark, weißt du was? Geh da hinten in das Büro, dann machst du das jetzt. Und deswegen könnte das passieren, dass man dann eben auch schon beim ersten Delikt, ohne dass man sich in Sicherheit wiegt, über die Tatsache oder oder über die falsche Annahme stolpert, dass dadurch, dass es eine völlig unbekannte Person war, dass ich dadurch irgendwie geschützt bin oder so, Also das also also was du in Krimis heutzutage liest und siehst, ist noch sehr – also ich gucke ja keine Krimis und lese auch keine. Aber ich, ich werde ja oft gefragt von Autoren und Autorinnen und das, was darin vorkommt, ist eigentlich auf dem Stand der 90er. Also das stammt noch aus dieser CSI Phase, was in Wirklichkeit heute polizeilich gemacht wird. Das also das ist meiner bisherigen Erfahrung nach unbekannt. Gerade die Massendaten Auswertung und viele andere Techniken, weil das so langweilig ist. Wenn du das im Krimi erzählen würdest, würden die Leute das sofort weglegen und würden sagen Nee, also.
00:30:17
Raúl: Echt, als jemand hat am Computer Daten eingegeben?
00:30:20
Dr. Mark Benecke: Ja, ja und vor allen Dingen, wie die auch ausgewertet werden, das ist halt echt langweilig. Ich habe da eine eigene Erfahrung, weil ich habe ja. Also es gibt ja zwei Krimis, die sozusagen von mir stammen, weil das, weil das Publikum das unbedingt wollte, mit starker Unterstützung des Verlages natürlich, weil ich Krimis eigentlich für banal halte. Und da haben wir auch sehr, sehr schnell gemerkt, als ich dann gesagt habe, hier können wir mal ausführlich mal beschreiben, wie das funktioniert. Labor mäßig, haben die sofort gesagt Nee, Mark, ist schon gut, das war.
00:30:50
Raúl: Der Christian Drosten hat in seinem Podcast mal ganz am Anfang, ja in der ersten Folge gesagt, dass er grundsätzlich, wenn er in eine Kneipe geht, nur aus der Flasche trinkt und nicht aus dem Glas, weil er weiß, wie die sauber gemacht werden. Und er weiß, was Wehren anrichten können. Das fand ich schon bis auf eine gewisse Art nervig. Gibt es denn so was wie eine Berufskrankheit, die du für deinen Beruf angeeignet hast?
00:31:16
Dr. Mark Benecke: Ja, ich bin sozusagen die andere Seite der Münze vom vom Kollegen Drosten. Weil es ist so, er hat völlig recht. Gerade bei Novo. Das haben vielleicht viele der Hörerinnen und Hörer auch schon mal erlebt. Du machst, du hast an dem Tag überhaupt nichts gemacht, Du hast nichts Dreckiges angefasst. Du bist meinetwegen als Tourist oder Touristin durch irgendeine Stadt gelatscht, hast vielleicht mal eine Türklinke angefasst oder so, aber du hast dir danach auch nicht ins Auge gerieben oder mit der Hand dann ein Sandwich gegessen, sondern halt nur mit Messer und Gabel. Also du hast keine Ahnung und auf einmal ist es 20:00 und du hängst über der Kloschüssel und erst musst du dich erbrechen und dann kommt dünnflüssig Kot und dann musst du dich wieder erbrechen, dann kommt wieder dünnflüssig Kot. Das ist so eine klassische Sache, die du dir natürlich überall jederzeit einfangen kannst. Wenn du auf einen Knopf von der Straßenbahn gedrückt hast oder sonst irgendwas. Aber natürlich erst recht in jedem Restaurant. Wie der Kollege schon richtig sagt da kannst du sowieso nichts gegen machen. Und deswegen bin ich die andere Seite der Münze. Ich mach das so, dass ich Oberflächen durchaus reinige. Mit, mit, mit weiß ich nicht. 60 % Alkohol oder 70 % Alkohol, das kannst nur du sehen, die Hörerinnen und Hörer nicht. Das ist das Fläschchen, was ich immer dabei habe.
00:32:23
Raúl: Das heißt, bevor du in der Straßenbahn den Knopf drückst, hinterher.
00:32:27
Dr. Mark Benecke: Nee, da mach ich hinterher. Also im Zug reinige ich die Oberfläche vorher den Tisch, aber bei der Straßenbahn hinterher dann einfach die Finger. Und da, da gehe ich davon aus, dass das nur eine Keim Minderung ist. Also ich gehe jetzt nicht davon aus, dass das wirklich sauber ist, weil das wissen jetzt glaube ich alle seit Corona, wir haben jetzt ja September 2022, früher oder später kriegst du Corona. Ob das merkst oder nicht ist eine andere Frage. Aber du wirst es kriegen. Und das ist die Erfahrung von den Virologen und Virologen. Ich komme aber aus einer Welt, in der es nicht nur um die Viren geht, sondern auch um Bakterien, Insekten, Bisse und Stiche, weil ich auch in den Tropen arbeite oder gearbeitet habe. Und da ist es so, da kannst du eh immer nur eine Minderung der Gefahr machen. Also der Klassiker ist, nehmen wir mal, das mache ich zum Beispiel nicht. Ich benutze keine Tropen Netze gegen gegen Moskitos, aber ich reibe mich ein mit Anti Brumm forte, das heißt wirklich so und dann bin ich aber der Einzige. Das heißt, alle Studierenden lachen sich tot. Dass der bleichhäutige Typ jetzt wieder stinkt nach Anti Brumm Forte und kein anderer macht das. Nur die gehen halt leichter auf mich als auf die Leute, die dort vor Ort leben. Warum auch immer. Kann an Ernährungsgewohnheiten oder sonst was liegen. Ich habe keine Ahnung, aber am Ende des Tages fange ich mir trotzdem irgendwas. Und das ist jetzt kein Witz. Und sei es nur, dass ich der Idiot bin, der sich auf die Tarantel draufsetzt, ist mir schon passiert. Ich sitze im Urwald, also wirklich im Urwald. Und dann sagen die also im echten Urwald, dann sagen die zu mir Mark, ich glaube, du sitzt da drauf. Da sage ich so wie Das würde ich doch merken, es müsste doch knack gemacht haben oder so, dann sagen die Ja, nee, aber der Boden ist ja total weich und hier liegt alles mögliche rum, die sitzt einfach unter dir. Also du hast sie nicht platt gequetscht. So, dann saß ich halt auf der Tarantel und ehrlich gesagt, ich bin da ein bisschen offener, weil das stimmt schon mit den Viren, da hat er vollkommen recht. Aber ich lebe in einer Welt, in der du es sowieso nicht vermeiden kannst. Das heißt, ich mindere nur die Belastung. Aber wenn mir jetzt einer irgendwo im Urwald, sagen wir mal einen, klassischerweise einen Rum, dann trinke ich den halt aus, egal welchem Gefäß. Wenn das jetzt normalerweise trinkst du den ja aus der Flasche. In Kolumbien und Peru. Und so weiter. Aber wenn mir denn jetzt jemand in Glas gießen würde, würde ich mir sagen Guck mal, das ist rum, der hat 40 Umdrehungen, die Geheimzahl ist gemindert, das Glas ist garantiert nicht sauber gewaschen worden im Urwald. Fuck it. Ist auch egal. Also weißt du deswegen.
00:34:45
Raúl: Die Berliner Verkehrsgesellschaft hat mal einen Instagram Post gehabt. Wo stand Kind Leckt an der Haltestelle im Bus. Wenn es heute Nacht überlebt, wird es uns alle überleben. Dann kann es auch sein, dass wenn wir uns dann sagen wir mal in dem Alltag mit Viren dann doch durch das Drücken von Knöpfen und so weiter infizieren, wir aber auch gleichzeitig unser Immunsystem ausbauen und stärken.
00:35:10
Dr. Mark Benecke: Das ist auf jeden Fall so, nur es gibt halt Sachen, die da ist es besser, auch zum Schutz von Leuten, die halt ein schwächeres Immunsystem haben, einfach zum Beispiel weil sie schwer krank sind. Zum Beispiel die Leute, die ich erwähnt habe, die den ganzen Tag zu Hause hocken, weil sie nicht mehr aus dem Bett kommen oder liegen. Ich meine, die haben natürlich ein super schwaches Immunsystem, weil die kaum äußeren Reizen ausgesetzt sind. Die atmen halt kaum verschiedene Luft ein, die passen eben keine Knöpfe an und so und um die zu schützen, ist es dann halt schon besser sich zu impfen oder eben bei Bei mir ist das so, ich bin auch gegen alles geimpft, kannst du wirklich sagen. Weil dadurch, dass ich zum Beispiel früher noch in Regionen war, wo es Gelbfieber gab, Cholera und so und da will ich halt nicht erst den langsamen Immunisierung durchmachen, wenn ich da nur vier Wochen arbeite, weil wenn ich dann drei Wochen davon im Bett liege mit Cholera oder Diphterie oder sonst irgendwas, dann nützt das keinem was. Das heißt, dann lasse ich mich halt lieber impfen. Zum Vorjahr. Also so gesehen denke ich, dass mit Impfen schon besser dran bist. Es gibt auch noch ein Problem, was in deiner Frage drinsteckt. Es gab ja mal einen sogenannten Challenge, dass man die den Griff von der Rolltreppe ablecken sollte und das haben ein paar Leute gemacht und die haben dafür so bitter bezahlt. Das kannst du dir gar nicht vorstellen, weil was du dir da anfängst, wenn du den Griff von der Rolltreppe ablegst. Das dagegen ist dein Körper durch egal welches Immun Training niemals geschützt. Also das darf man wirklich nicht ausprobieren, das darf man nicht ausprobieren. Du wirst danach tatsächlich in die Situation kommen, die du gerade geschildert hast. Das dauert ja ein bisschen, das dauert ja ein, zwei Tage, drei Tage, bis das richtig losgeht. Aber was du dann erlebst, ist halt ein Sturm, den das beste Immunsystem nicht mehr so abpuffern kann, dass du hinterher sagst Haha, war lustig, jetzt habe ich mich immunisiert, sondern da wirst du sagen okay, das war eine scheiß Idee, das werde ich nie wieder tun.
00:36:55
Raúl: Scheiße, das ist so, was gibt es noch.
00:36:57
Dr. Mark Benecke: Doch Challenges gibt es reichlich. Es leider, leider auch solche, die leider Suizid Challenges sind. Also wo du auf jeden Fall stirbst. Am Ende gibt es leider auch. Da wird zum Glück nicht viel berichtet in den Zeitungen, weil das natürlich dann auch leider Ideen in die Köpfe der Menschen pflanzen könnte. Aber damit haben wir leider auch zu tun.
00:37:19
Raúl: Gibt es etwas, was du als Wissenschaftler aus der Corona Pandemie gelernt hast?
00:37:24
Dr. Mark Benecke: Ja, wir hatten ja den größten. Also der der Kollege Drosten hatte ja den bekanntesten Podcast und wir hatten den größten, meine Frau und ich, weil wir da Fremdwort frei gesprochen haben und immer die neuesten Studien ohne Fremdworte vorgestellt haben. Und ach, das ist auch noch ein Unterschied und nur auf Fragen der Leute eingegangen sind. Virus online de heißt ja, der ist auch noch online und da habe ich gelernt, dass du mit Wissenschaft leider nicht weiterkommst. Du musst den sozialen und politischen und kulturellen Zusammenhang verstehen. Beispiel Wenn Leute ängstlich sind, dann werden die ängstlich bleiben. Da kannst du dir noch so oft sagen, die Impfung hilft oder sonst irgendwas. Du musst halt auch auf die Ängste eingehen. Natürlich nicht jetzt psychologisch oder psychiatrisch. Das ist nicht mein Job, aber du musst sie ernst nehmen. Das heißt, wenn die sagen Ich habe aber jetzt so fürchterliche Angst, einen Brief an meine Oma zu schicken, weil ich glaube, dass meine Oma dann Corona kriegt, weil ich irgendwie immer Corona hatte, dann musst du halt drüber reden. Wie? Es übertragen sich Corona Viren über Briefe. Ist deine Oma? Wie alt ist deine Oma? Hat die irgendwelche fortbestehenden Erkrankungen? Zum Beispiel? Anfangs war das ja besonders bei übergewichtigen Leuten hat ihn Lungenerkrankung, hat ihn Immunschwäche und dann musste das halt alles abarbeiten. Also das habe ich gelernt. Da kommst du mit reinen wissenschaftlichen Das ist zwar immer noch wissenschaftlich, aber du musst zunächst mal verstehen, dass das jetzt eine sehr ängstliche Person ist, die fragt und dann muss da halt die einzelnen Angst Inhalte mit der Person durchgehen.
00:38:48
Raúl: Aber hast du nicht auch als zumindest als Bürger das Gefühl gehabt, dass diese diese dieser Satz Wir müssen die Sorgen und die Ängste der Bürger ernst nehmen oft dann auch dazu geführt hat, dass man eigentlich Dinge auch gar nicht wahrhaben wollte. Also das dann keine Ahnung wird den Nazis zu viel Raum gaben für Dinge, die eigentlich überhaupt nicht wissenschaftlich und diskutabel sein dürfen?
00:39:11
Dr. Mark Benecke: Also ich hatte mit den Nazis keine Probleme und den ganzen Spinnern, die haben halt mir ständig irgendwelche Todesdrohungen geschickt und der und und bei Telegrammen dann diese diese Stürme da angeleiert. Also dass unsere Webseiten überflutet wurden mit mit Hass und so auch einer der ganz bekannten Leute haben das mal gemacht. Deswegen gab es da wirklich sehr, sehr große Resonanz. Ich will es jetzt gar nicht Nazis nennen, sondern nennen wir sie mal Leute, die, die sich halt die, die nicht wissen, wie man Messungen bewertet, so nenne ich die jetzt mal und die auch sehr aggressiv und wütend aufgetreten sind. Und ich hatte mit denen insofern keine Probleme, weil ich halt ich meine, Todesdrohungen kriege ich öfter mal nicht, nicht oft, aber regelmäßig. Also da, das ist halt so, ich habe ja Hitlers Schädel unter anderem identifiziert in Moskau und so, und da kannst du dir vorstellen, was da los war. Also deswegen, da muss man sich halt überlegen, wie sehr man das an sich ranlässt. Dann das zweite ist die Ines hat also meine Frau, die hat eine sehr interessante Technik, die gibt am Anfang macht die das, wie ich das vorhin vorgemacht habe, mit den ängstlichen Leuten. Nazis sind ja auch nur ängstliche Leute, also die sind halt, das sind halt aggressive, ängstliche Arschlöcher. Mehr ist das ja auch nicht. Und die in der ersten Runde antwortet sie sachlich auf den sachlichen Kern der Frage Wenn ein sachlicher Kern vorhanden ist. Und erst wenn dann die Person nicht mehr darauf eingeht, sondern wieder mit irgendwas, was jetzt überhaupt nichts mehr damit zu tun hat, mit der sachlichen Antwort eingeht, dann hat sie abgebrochen. Und da muss ich sagen, das ist eine extrem erfolgreiche Technik. Ich kann jetzt nicht sagen, wie viel, aber wirklich, die große Mehrzahl der Leute wird auf einmal ansprechbar, weil auch ein ängstliches, aggressives Arschloch hat irgendeinen menschlichen Kern. Und der wird erstaunlicherweise dadurch getroffen, dass du das Du eben nicht so wie die das gerne hätten, ausflippt, besonders auch bei Trollen, sondern die, die, die freuen sich, wenn sie auch mal als Mensch angesprochen werden und ruhig und vernünftig angesprochen werden. Du darfst ja auch nicht vergessen, sehr viele von den Menschen, die so sind. Also ich sage es jetzt zum letzten Mal die aggressiven, ängstlichen Arschlöcher. Das hat ja einen Grund, warum die so sind. Und einer der Gründe dafür, dass sie so sind, ist halt häufig, dass sie erlebt haben, dass sie nur mit dieser wütenden, bösartigen, geifernden, beißenden, menschenverachtenden Tour überhaupt Aufmerksamkeit bekommen. Und wenn du das jetzt unterläufst, wofür du natürlich sehr starke Nerven brauchst, dann kann das manchmal auch funktionieren. Also insofern das also ich kann dir nicht sagen, ob irgendwem zu viel oder zu wenig Aufmerksamkeit gegeben wurde. Das kann ich dir nicht beantworten. Aber ich kann dir sagen, dass wir extrem gute Erfahrungen damit gemacht haben, bei der Sache zu bleiben.
00:41:58
Raúl: Das ist vielleicht ein ganz guter Rat, den man auch an die Politik weitergeben kann. Das ist es, was mir so ein bisschen zumindest jetzt nach dem dritten Jahr Corona so abhandengekommen zu sein scheint, was so Maßnahmen angeht, die vielleicht jetzt, wenn der Winter kommt, wir hätten machen müssen, So was wie Masken, Pflicht oder Homeoffice, Pflicht oder so, siehst du? Positiv in die Corona Welle entgegen. Oder glaubst du gern die Lage im Griff? Oder glaubst du das knallt noch mal richtig?
00:42:30
Dr. Mark Benecke: Also wir haben grundsätzlich auf der Erde überhaupt nichts im Griff. Nie. Wir sind ja – also alle Kulturen, die ausgestorben sind, sind ja durch veränderte Umweltbedingungen und mangelnde Anpassung ausgestorben. Das wird auch mit unserer jetzigen Kultur so passieren. Das ist ja also das ist überhaupt gar keine Frage.
00:42:45
Raúl: Die Frage ist nur, wann genau.
00:42:47
Dr. Mark Benecke: Die Frage ist wann. Und das ist im Grunde genommen auch kein Problem, weil wir haben halt die Zeit, die wir haben und in der Zeit können wir das machen, was wir tun können. Und das war schon immer so und das gilt für alle Lebewesen. Also das ist halt so, also im Griff haben wir, eigentlich haben wir gar nichts, sondern wir. Wir arbeiten in dem Spielraum, den wir haben, so und reagieren im Grunde genommen, weil wir ja eh nicht wissen, wie sich die Welt ändert in Zukunft wirtschaftlich von der vom Klima und von vielen anderen Dingen her oder von Infektionen, Erkrankungen. Und hier die multiresistenten Keimen, die demnächst kommen. Und so weiter. Also das kann ja eh keiner wissen. Aber ich muss sagen, ich war ja die gesamte Zeit unterwegs als einer der wenigen, weil ich, weil ich dienstlich halt häufig was erledigen musste. Ich habe auch viele Fotos gemacht von den leergefegten Städten Frankfurt am Main, Amsterdam, alles mögliche. Und in letzter Zeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Maßnahmen rein kulturell und politisch sind. Zum Beispiel in England ist es ja so, oder jetzt in New York, wo ich gerade herkomme, ist also in New York, ist ja seit einer Woche keine Pflicht und dergleichen mehr und in London schon länger. Und die Anzahl der Corona Erkrankten, die du auf der Straße ja sehr leicht bemerken kannst, wenn du so ein bisschen auf die heisere Stimme achtest und auf die, auf das, auf das Husten oder auch auf die laufende Nase. Also wenn man da ein bisschen drauf achtet, merkt man das ja sofort. Besonders wenn man wie ich und die Ines wir sind ja sehr, sehr oft im Zug und in großen Menschenmengen und in der Ubahn. Und so weiter. Also da, da merkst du das ja schon alleine deswegen, weil du dich da wegbewegen willst von den Leuten und die Städte. Nehmen wir mal New York und London, wo gar keine Pflicht mehr ist oder auch schon länger war. Die haben auch nicht mehr. Corona erkrankte auf der Straße. Also insofern muss ich sagen, ich bin da sehr ja, wie ich das vorhin schilderte, mit ich bin da die andere Seite der Medaille, wie beim Draußen, beim Kollegen draußen. Ich habe gelernt zu verstehen, dass das am Ende des Tages politische und kulturelle Maßnahmen sind. Und der Unterschied ist nicht so groß, wie man meinen würde. In Deutschland ist ja zum Beispiel noch zwei Masken Pflicht, eigentlich im Zug. Es halten sich aber auch nicht alle Leute dran und haben dann teilweise eben je nachdem wie voll der Zug ist, kann das Personal auch nichts mehr machen. Haben dann eben die OP Masken an, die eigentlich nichts bringen bei Corona und viele Leute mittlerweile husten auch nicht mehr in die Armbeuge. Das ist zum Beispiel auch jetzt seit ungefähr einem Monat so, dass die Leute wieder anfangen einfach in die Luft zu husten oder so so so, die Hand so einen halben Meter vom Mund weghalten und dann so tun als ob sie da rein müssen. Also ich bin da entspannt geworden und denke, das ist eine gesellschaftliche, kulturelle, politische Sache und in der Welt lebst du dann halt gerade und dann hat sich die Sache im Griff, ist kein ist, kein es ist keine Formulierung, die ich mittlerweile noch verwenden möchte.
00:45:33
Raúl: Du hast in einem anderen Interview in einem Vortrag mal von Todesengel gesprochen, die letztendlich in der in der Pflege früher zumindest sehr häufig anzufinden waren.
00:45:46
Dr. Mark Benecke: Immer noch immer noch.
00:45:48
Raúl: Genau auf das Thema wollte ich gerade kommen. Vielleicht kannst du kurz erzählen, was für dich ein Todesengel ist, was du damit meintest und warum es dieses Phänomen immer noch gibt.
00:45:58
Dr. Mark Benecke: Ja, Todesengel sind Pfleger und Pflegerinnen, die die Patienten und Patientinnen oder zu pflegenden Personen, die müssen ja gar keine Patienten sein, die können ja auch in der Pflegeeinrichtung, es gibt so Pflegeeinrichtungen, da kannst du einfach hingehen sagen okay, mir ist es jetzt egal, ich bin jetzt 708090, irgendwas, ich habe jetzt keinen Bock mehr, ich kann mich nicht richtig bücken und ich esse auch kaum noch was und so, ich gehe jetzt in so einer Einrichtung mit anderen Leuten, wo ich dann den ganzen Tag ein bisschen Programm und Unterstützung habe und dann kannst du langsam, wenn du dann pflegebedürftig wirst, im selben Haus, in dem du jetzt schon alle Leute kennst, in die Pflegeeinrichtung gehen. Und wenn du noch schwerer krank wirst, dann quasi in so einer Hospiz artigen Umgebung dann am Ende landest, kannst du auch da bleiben. Das gibt es also. Und in egal welcher Umgebung, also im normalen Seniorenheim, Seniorenheim in so einer Art, wie ich das gerade geschildert habe oder in irgend so einer Umgebung, wo Pflege stattfindet, auch häusliche Pflege. Sehr oft scheint also ein sehr starker Reiz zu bestehen, nicht nur die Leute zu bestehlen. Das ist sehr, sehr häufig oder zu betrügen, dass es auch sehr, sehr häufig, also denen das Geld abzuluchsen, Testamente umschreiben zu lassen, sondern eben auch die zu töten. Und das sind Todesengel, die das dann also heimlich machen, sodass das die so, dass das keiner merkt. Da gibt es sehr viele Abstufungen von es gibt welche, die kombinieren alles, also Betrug und töten, weil sie zum Beispiel nach der Testaments Änderung dann einfach sehr schnell meistens ein Haus oder so was haben wollen oder irgendwelche irgendwelche Geldwerte. Es gibt aber auch welche, die nur Spaß am Töten haben. Und dann gibt es noch eine dritte Gruppe. Das sind die, die Spaß an der Aufregung haben. Das ist wie Feuerwehrleute, die Scheunen anzünden, weil sie einfach mal wieder schön was löschen wollen. Das ist ja auch sehr, sehr verbreitet. Nicht sehr häufig, aber sehr regelmäßig, so muss ich sagen. Und das gibt es dann eben auch im Pflegebereich. Also die können sich dann auch als Retter aufspielen, Also die sorgen dafür, dass jetzt eine lebensbedrohliche Situation entsteht, was ja bei pflegebedürftigen Personen dann sehr leicht ist und sind dann gleichzeitig mitten im Geschehen, finden das sehr aufregend. Plus Sie sind auch die Retter, weil sie das sofort entdeckt haben oder Retterin. Dann gibt es aber auch die, die Spaß dran haben, dass die Patienten Patientin wirklich sterben. Also das ist so ein Machtgefälle, was die da auskosten und ausnutzen. Und die sehen halt gerne Leute sterben, weil sie weil sie halt innerlich total schwach sind und nach außen aber als liebevoll und fürsorglich auftreten möchten. Da kriegst du ja auch sehr viel Aufmerksamkeit für, ne? Und dann haben sie also das Beste aus allen Welten. Sie haben Aufregung, Tötung und gelten als besonders sozial und freundlich. Also mehr geht ja schon gar nicht mehr. Und da suhlen die sich also drin. Und diese Todesengel sind halt, wenn sie das. Wenn die das selten machen, sind die extrem unauffällig, weil die Pflegeeinrichtungen selber die Tendenz haben, solche Leute, wenn der Verdacht besteht, die heißen auch fast immer, die haben intern so Spitznamen. Ja, der schwarze Engel, der Todesengel. Da gibt es ganz viele Spitznamen, die, die häufig schon haben, eigentlich fast immer. Die werden dann weggelobt. Also da sagt man dann ja, passen Sie auf, die sind da irgendwelche Einsparungen, Umstrukturierung, irgendeine blöde Ausrede. Aber wir haben. Wir würden Ihnen also eine sehr gute Bewertung schreiben, wenn sie in andere Einrichtungen gehen oder so was. Und man kann ja dann auch eigentlich, man kann ja sogar dann auch zwischen also komplett in andere Einrichtungen gehen, beispielsweise aus dem alten Bereich in Krankenhausbereich oder so, und dann fällt das natürlich noch weniger auf, weil Pfleger und Pflegerinnen natürlich extrem gesucht sind. Und die, die sind also echt eine Plage, diese Todesengel wirklich.
00:49:21
Raúl: Aber du meintest in dem Vortrag mal, dass es dann mit der Anschaffung von neuen Dekubitus betten bzw Betten, die sich dann eben die dabei helfen, dass man weniger Dekubitus bekommt dadurch, dass sie sich bewegen und dann letztendlich die Druckstellen am Körper von Menschen, die sich nicht so gut bewegen können, reduziert werden. Dass dadurch aber auch diese Todesengel Zahl abgenommen.
00:49:45
Dr. Mark Benecke: Hat, nee, dadurch hat, dadurch hat die Anzahl nee, das ist was anderes. Das sind zwei Sachen gewesen im Altersheim. Ja, ich ja, ich habe so ich ich habe so Vorträge über Altersheim oder Pflege bezogene Fälle, da hat was anderes abgenommen. Da hat die Anzahl der Beschwerden der Angehörigen abgenommen. Wenn die Insekten auf den Wunden, also auf den von dir genannten Druckstellen wahrgenommen haben. Das war früher ein sehr, sehr großes Problem, weil das konnte durch Vernachlässigung passieren, also durch absichtliche oder schlampige Vernachlässigung oder eben auch dadurch, dass die Leute einfach mit Druckstellen gestorben sind, die nicht zu verhindern waren. Das kann man sich heute nicht mehr so vorstellen, aber früher war das so, dass beispielsweise man dann gesagt hat okay, also wir müssen diese Druckstellen verhindern. Die Leute sind aber nicht kooperativ, das heißt, sie werden jetzt einmal pro Stunde aufgeweckt, nachts, und dann drehen wir die, ob die das wollen oder nicht. Und dann hat man irgendwann gesagt Nee, also das Pflege, das geht nicht mehr, das, das ist ja kein Verhalten, wie man sich einer anderen Person gegenüber verhalten soll, dass man die einmal pro Stunde weg das ist ja wie Folter, wenn wenn die Person nicht geweckt werden möchte, dann müssen wir uns was anderes einfallen lassen, wie wir die Druckstellen verhindern. Und bevor das sowohl dieses zwangsweise drehen als auch diese. Von dir genannten Betten und dergleichen eingeführt wurden. Da gab es das, dass man diese Fälle hatte, wo dann sehr, sehr schnell Schmeißfliegen Larven auf den Druckstellen waren, bei den verstorbenen Leuten im Altersheim. Und das hat natürlich massive Beschwerden nach sich gezogen. Aber die Tiere können halt sehr, sehr schnell Eier ablegen und besonders wenn es warm ist und man auf die Angehörigen wartet, die dann Abschied von der Oma, dem Opa oder sonst wem nehmen wollen. Dann haben sich die Larven, dann sind die da schon sichtbar, weil weil die halt sehr schnell schlüpfen aus den Eiern.
00:51:24
Raúl: Das ist jetzt vielleicht noch ein größeres Thema, was wir da obendrauf jetzt legen. Wenn wir über Corona sprechen, dann habe ich mich in Form von zwei verschiedenen Vereinen und sehr stark dafür eingesetzt, dass wir in Deutschland über die Triage reden, also wie letztendlich bei Mangel von Hilfsmittel, Kapazitäten wie Atem, Geräten und oder Krankenbetten intensiv betten, wie da verteilt wird, wer dieses Bett bekommt. Und da gab es ja Empfehlungen von den Intensivmedizin erinnern, wo dann eben viele Menschen mit Behinderungen auch mit Verfassungsbeschwerde dagegen sich gewehrt haben, weil sie gesagt haben, das diskriminiert behinderte Menschen, wo einfach von vornherein davon ausgegangen wird, dass sie keine große Überlebenswahrscheinlichkeit hätten, auch wenn das vielleicht gar nicht stimmt und dann letztlich der Wert des Lebens eben letztendlich einfach anders bewertet wurde. Und was mich wirklich schockiert hat jenseits dieser Triage Frage war die Thematik der sogenannten versteckten Triage und das und das hat wirklich in mir etwas ausgelöst, wo ich dachte Oh mein Gott, wie oft passiert das, wie oft passiert ist das in Pflege oder Altersheim letztendlich? Das Pflegepersonal entscheidet, wer ins Krankenhaus auf das Intensivbett kommt, noch bevor ein Facharzt, der sich damit auskennt, diese Entscheidung trifft. Also diese versteckte Triage scheint viel häufiger vorzukommen und das ist auch kaum erfasst wissenschaftlich erfasst worden. Und das das so salopp in der Pressemitteilung, wo ja die restlichen wurden palliativ versorgt und palliativ versorgt bedeutet, die bleiben im Altersheim und sterben dann dort an Corona. Und das hat wirklich also waren für mich der intensivsten da sagen wir mal Thematiken, die ich in den letzten Jahren für mich erlebt habe, auch wenn ich nicht betroffen war. Kannst du das bestätigen oder mache ich da etwas größer als es vielleicht ist?
00:53:24
Dr. Mark Benecke: Ich würde es ein bisschen ausweiten, so würde ich eher sagen Also ich glaube, das Problem stellt sich so dar, wie du es geschildert hast. Aber wesentlich, wie soll man sagen.
00:53:37
Raúl: Nicht nur bei Corona.
00:53:38
Dr. Mark Benecke: Ja, ja, klar. Ja, ja. Also das ist ein größeres Feld, würde ich mal ungefähr sagen, wenn man sich so eine Blumenwiese vorstellt. Also wir haben jetzt über wir haben jetzt über die gelben Blumen auf der Wiese geredet, aber jetzt gibt es noch ganz viele andere Farben, so würde ich das mal sagen. Also wenn du mit also ich, ich arbeite ja auch manchmal mit Pfleger und Pflegerinnen und unterstütze die, dass sie halt bessere Arbeitsbedingungen haben und mehr Geld verdienen. Und so weiter. Aber auch, dass sie mal Ansprechpartner haben, wenn sie was Schlimmes erleben in der Pflege, weil weil dieses Sterben für sie ja auch oft unerwartet ist, für die jüngeren Pfleger und Pflegerinnen, Die machen sich das gar nicht klar, wie viel natürlich logischerweise gestorben wird in Pflege und Krankenhaus und Altersbereich und so und es ist also das ist so eine ganz verrückte Mischung. Es gibt, ich sage mal ein paar Beispiele, einfach um jetzt einfach so ein paar Blumen Farben da noch rein zu streuen in unsere Wiese. Also erstens, es gibt die sehr sozialen und sehr freundlichen und sehr menschenfreundlichen Pflegerinnen und Pfleger, die aus ihrer Sicht auch vielleicht medizinisch und wissenschaftlich richtig einschätzen, dass die Person tatsächlich so schwer krank ist, dass sie das nicht überleben kann, was da jetzt auch immer als Infektion kommt, das könnte auch nur sein, worüber wir vorhin schon geredet haben, oder egal war es, oder eine Lungenentzündung oder so und die dann aus aus einer langjährigen persönlichen Beziehung heraus mit dieser Person, die Sie zum Beispiel in so einem Langzeit Seniorenheim erlebt haben, wissen, dass die jetzt erkrankte Person das eigentlich lieber in diesem jetzt nahezu häuslichen Umfeld lieber versterben würde. Mit starker Morphin Pflastern meinetwegen oder sonst irgendwas, sodass sie da keine Schmerzen haben. Aber die, die wollen nicht mehr gerne auf die Intensivstation, wo auch eine geringe Überlebenswahrscheinlichkeit tatsächlich besteht. Jetzt würdest du natürlich, wenn ich das richtig verstehe, sagen Ja, aber das muss doch ein Arzt oder eine Ärztin entscheiden und nicht der Pfleger oder die Pflegerin. Und da, da muss ich sagen, das kann man so nicht wissen, weil es kann sein, dass ein langjährig persönlich gebundener Pfleger oder eine Pflegerin eine menschlich gesehen richtigere Entscheidung trifft als jetzt der Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin das treffen würde. In dem Fall, weil da, sagen wir mal, wir würden jetzt Wahrscheinlichkeit festlegen, Wir würden sagen Ja, wenn jemand eine 20 Prozentige Überlebenswahrscheinlichkeit hat, kommt er auf die Intensivstation. Wenn wir, wenn wir jetzt anfangen würden mit reagieren oder Wissenschaft oder so was, während der Pfleger oder die Pflegerin würde sagen, ich würde sagen, die Überlebenswahrscheinlichkeit ist fifty fifty. Sogar noch viel besser als aus meiner pflegerischen Erfahrung. Die Person bleibt aber trotzdem jetzt hier zur Palliativpflege. Soweit das jetzt in der pflegerischen Handlungs in dem Handlungsspielraum ist, was ja was ja passieren kann. Also das heißt, das ist sehr, sehr kniffelig und wie du schon gesagt hast, also du hast ja das, also das hast du nicht gesagt, sondern du hast von Wissenschaft geredet. Aber nehmen wir mal an, wir würden das jetzt rein wissenschaftlich angehen, dann besteht darin ja die große Gefahr. Je wissenschaftlicher du das prüfst, umso stärker lieferst du Zahlen für eine wissenschaftlich fundierte Tradierung. Weil wenn der Tag kommt, wo es keine Intensivbetten mehr gibt. Und den Tag haben wir jetzt alle erlebt, je nachdem, wo man auf der Welt war. Während Corona aber einige der zuhören Zuhörerinnen haben das vielleicht mitbekommen, dann stehst du ja so oder so vor der Entscheidung, ob du jetzt jemanden, wen du in das Bett legst oder nicht. Also das hast du dir nicht ausgesucht, Du hast an dem Tag Dienst und jetzt musst du dir überlegen, wen in deinem Bett rein legst. Und in solchen Fällen, das wissen wir aus anderen kulturellen Umgebungen, ist es natürlich jetzt bequem zu sagen Ja, ich habe hier eine wissenschaftliche Studie, ich ich muss es jetzt entscheiden. Das habe ich mir nicht ausgesucht, aber ich bin jetzt der, der es entscheidet. Also nehmen wir jetzt die wissenschaftliche Studie, die sagt bei dieser und jener Vorerkrankungen, Überlebenswahrscheinlichkeit, Altersstufe, Immunsystem, Zustand, Laborwerte. Entscheiden wir das jetzt. Und das ist eine faire Entscheidung. Und wie du ja, ja richtig andeutest, es gibt natürlich keine faire Entscheidung. Es gibt eine volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich faire Entscheidung. Ja klar, aber ja. Aber menschlich gibt es dann keine richtigen Entscheidungen mehr.
00:57:29
Raúl: Aber es gibt ja Leute, die dann vorschlagen, man könnte ja das Zufallsprinzip anwenden, dass man würfelt. Das wäre für alle Menschen gleich ungerecht oder gerecht.
00:57:38
Dr. Mark Benecke: Genau. Genau. Also das ist da sind wir wieder bei dem Punkt, den ich hier schon während des ganzen Podcasts dankenswerter Weise durch deine, durch deine freundlichen und gut vorbereiteten Fragen eben öfter mal anbringen kann. Es ist am Ende eine kulturelle Entscheidung. Also ich muss mir überlegen, wie möchte ich sein, in welcher Gesellschaft möchte ich leben? Wie soll die Welt funktionieren? Und danach entscheiden wir das dann? Ich kann da mal ein Beispiel aus der Vaterschaft Untersuchung sagen. Ich komme ja aus der Zeit, als die Untersuchung einer Vaterschaft noch geklärt wurde durch Gesichtsmerkmale, ob du irgendwann zu einer bestimmten Zeit überhaupt warst und Geschlechtsverkehr haben konntest. Solche Sachen. So wurde das gerichtlich festgelegt. Und dann kam die genetischen Fingerabdrücke und ab da wusste man mit hundert Prozentiger Sicherheit, wer der genetische Vater ist, da brauchte man das andere überhaupt nicht mehr. Und jetzt war das Problem, dass man, wenn man jetzt diese Untersuchungen ins Kriminalistische ausweitet und nicht ins rein Partnerschaftliche, muss man eine andere Mathematik anwenden, weil bei einer Vaterschaft Untersuchung hast du ja nur die Frage Ist dieser Mann der Vater? Ja oder nein? Bei einer kriminalistischen Untersuchung hast du eine Zigarettenkippe vom Fundort oder vom Tatort. Da musst du ja fragen, wer außer der Person, die wir in Verdacht haben, falls wir überhaupt eine Person im Verdacht haben, oder aus dieser Gruppe von Leuten, die wir Verdacht haben, vielleicht 100 Leute, wer kommt sonst noch in Betracht? Und dann hat man damals entschieden bei der Festlegung der mathematischen Formel, deswegen erzähle ich das rechtlich. Es war eine rechtliche Entscheidung, dass wir als Gesellschaft im damals bestehenden Deutschland nicht annehmen wollen, dass jeder Mensch in Deutschland ein Täter oder eine Täterin werden kann. Dann haben wir als Kriminalisten und Kriminalisten gesagt Aber das ist doch totaler Schwachsinn. Wir wissen, dass jeder Mensch Täter oder Täterin werden kann. Das wissen wir aus 5000 Jahren Kriminalgeschichte. Du kannst jeden Menschen an den Punkt bringen, wo er wo eine kriminelle Handlung begeht. Und dann hat man gesetzlich gesagt La la la la la, das ist nicht so! Wir nehmen jetzt als Gesellschaft an, dass die meisten Menschen niemals Täter oder Täterin werden können, wollen, dürfen und sollen. Und dann wurde das in die mathematische Formel mit eingebaut und dann war das so, also da siehst du schon dran. Das Würfeln wäre eine Möglichkeit zu reagieren, wäre eine Möglichkeit. Wissenschaftlich basierte Blutwerte und dergleichen wären eine Möglichkeit. Ignorieren ist eine Möglichkeit. Also du kannst.
00:59:59
Raúl: Aber in welcher Welt willst du leben? Als Mark Benecke, in der gewürfelt wird oder nicht lebt, nicht alles genau seziert wird.
01:00:08
Dr. Mark Benecke: Nein, es ist noch anders. Also dadurch, dass ich in so vielen verschiedenen Ländern arbeite. Also passe ich mich an die Umgebung an, in der ich da lebe. Weil die Gesellschaft besteht aus sehr vielen Menschen und sehr vielen Meinungen. Und diese Meinung, dieses Meinungsbild ist nicht von mir persönlich alleine abhängig. Ich kann dir mal ein Beispiel dazu sagen. Zum Beispiel bin ich in Thüringen gerne und oft und das ist ja das Bundesland, wo du jetzt äußerst konservative bis rechte gesellschaftliche Ausprägungen erleben kannst oder auch in Sachsen. Ich bin zum Beispiel auch sehr gerne in Sachsen und im Laufe der Jahre hat diese Technik, die ich gerade geschildert habe. Ich nehme hin, dass ich in einer gesellschaftlich kulturell politischen Umgebung da arbeite und lebe und sein möchte, wie du gefragt hast. Gerade gegeben ist. Und jetzt kann ich meinen Mikro Spielraum nutzen, um einfach nur vorbildlich zu handeln. Aus. Aus dem, wonach du mich jetzt gerade fragst wie möchte ich sein? Das heißt ich möchte maximale Menschenfreundlichkeit, maximale Offenheit, maximale Ehrlichkeit und dergleichen. Und das mache ich einfach vor. Und das hat dann dazu geführt, dass zum Beispiel in Thüringen zu meiner völligen Verblüffung die Polizei, also eine Polizeigewerkschaft, mich da zum Ehrenmitglied ernannt hat. Ausgerechnet in Thüringen, wo die wissen Also ich bin der tätowierte Liberale, der eigentlich gegen alles steht, was man so der Thüringer Polizei vielleicht nachsagen würde als aus Mensch von außen. Aber so sind die halt gar nicht. Das stimmt halt gar nicht. In Wirklichkeit gibt es da sehr viele demokratische, offene, liberale, freundliche Kräfte. Und das ist, das ist die der der Kraterrand, auf dem ich sein möchte, nämlich vorbildlich handeln in einer Umgebung, die jetzt nicht von mir erschaffen wurde, weil ich habe die Gesellschaft und das Bundesland und Deutschland und Peru und Kolumbien und Vietnam und die Philippinen und Kanada und die USA habe ich nicht erschaffen. Ich bin nicht der ich bin nicht der Boss oder der Babo da, sondern ich kann halt nur meine kleine, meine kleine vorbildliche Handlung durchführen. Das war’s.
01:02:08
Raúl: Bist du mit der Einstellung auch nach nach Russland gegangen, um den Schädel von Hitler zu untersuchen?
01:02:15
Dr. Mark Benecke: Nee, da war das sogar noch weniger. Da habe ich überhaupt gar keine. Da habe ich nur gedacht Lass dich mal überraschen, was da passiert. Also, da war ich völlig offen. Ja.
01:02:25
Raúl: Warum untersucht man denn den Fehler von Hitler? Was war dein Erkenntnisinteresse.
01:02:30
Dr. Mark Benecke: Also mein Erkenntnisinteresse war zunächst mal, dass ich einfach nur wie ein neugieriges Kind gesagt habe. Ach ja, prima, lass das mal angucken. Der Kollege Prokop, dessen Biografie ich geschrieben habe, das war der Leiter der Rechtsmedizin in Ostberlin. Der hatte dir mal ein paar Fotos angeguckt, und der hatte mir schon so ein paar dunkle Andeutungen gemacht, dass das da immer politische Probleme gibt bei jeder kriminalistischen Untersuchung, die mit irgendwas Politischem zusammenhängt. Und ich habe dann später auch gelernt, wie bitter er dafür bezahlen musste, weil er hat nämlich versucht, sich rauszuhalten. Und das wurde ihm dann aber zum Verhängnis. Ich habe seine Biografie geschrieben. Wenn das interessiert, der kann sich die kostet nicht viel, kann sich das Büchlein kaufen mit ganz vielen Bildern. Aber da war ich also schon ein bisschen vorgewarnt. Und deswegen habe ich mir gedacht Och, das machst du mit kindlicher Neugier, bereitet sich nicht vor, erwartest nichts, trägst da auch gar nichts groß mit rein, außer der Tatsachenfeststellung Halt. Ist das Hitlers Schädel oder nicht? Und als ich dann da war, ist was Überraschendes passiert. Dann sind die Leute vom FSB, also vom vom russischen Geheimdienst gekommen. Und ich hatte auch Unterlagen bekommen vom britischen Geheimdienst und es war ein US amerikanisches Team da, Fernsehteam von National Geographic und die alle zusammen haben dann kamen irgendwann zu getrennten Zeiten zu mir und haben irgendwann gesagt Sag mal, unter uns, ist das jetzt wirklich Hitlers Schädel? Und dann habe ich gesagt Wo, mal langsam, Wenn die Journalisten, die das recherchiert haben, wenn die Geheimdienste und wenn alle Leute jetzt ernsthaft das nicht wissen, dann ist also jetzt tatsächlich mal ausnahmsweise so, dass du auf jeden Fall mit der wissenschaftlichen Messtechnik ganz alleine auf jeden Fall was Sinnvolles bewirken kannst. Das habe ich aber erst vor Ort gemerkt.
01:04:05
Raúl: Was für eine Verantwortung auf dir lastete.
01:04:08
Dr. Mark Benecke: Genau, aber das wurde, das habe ich erst vor Ort gelernt. Also das würde ich für alle, die jetzt vielleicht gerne wissenschaftlich arbeiten wollen, so wie ich in allen Bereichen der Welt, also kulturellen Bereichen und auch räumlichen Bereichen, denen kann ich nur raten Ihr müsst da in das Wasser springen, was da gerade ist. Anderes Wasser ist da nicht. Es ist halt warm oder kalt oder voller Blutegel oder voller glitzernder Meerjungfrauen, die euch in den Abgrund reißen können. Das erfahrt ihr erst vor Ort.
01:04:36
Raúl: Aber, aber ist es jetzt Hitlers Schädel gewesen oder nicht?
01:04:40
Dr. Mark Benecke: Die Zähne sind auf jeden Fall echt. Ja.
01:04:43
Raúl: Man weiß es nicht. Nur die Zähne. Okay, ja, gut.
01:04:46
Dr. Mark Benecke: Aber das läuft dann halt ohne Zähne rum und ohne Gebiss und ohne Kiefer. Also daran wird man ihn dann leicht erkennen, dass der untere Teil des Kopfes fehlt.
01:04:54
Raúl: Aber wie ist das, wenn man keine Ahnung wo? Wo liegt er denn in so einer? In so einem Reagenz der nicht Reagenzglas, in so einem? In so einem Einmachglas?
01:05:08
Dr. Mark Benecke: Nee, also der die Leiche an sich, der also der. Der Rest der Leiche war ja in Magdeburg begraben. Dann ist ja in den 70er Jahren haben die das hat der KGB damals das ausgegraben und dann zu Asche verbrannt und dann haben die den da an den Flüsschen gestreut. Der war ja vorher schon ziemlich, also so angeschmiert von von weil die dann am Führerbunker da mit Benzin übergossen hatten und ein bisschen angezündet haben. Also dass der da, der ist der Großteil des Körpers weg, aber der, der das Schädel Stück das seitliche Schädel Stück liegt in so einer alten Disketten box. Also früher gab es so Datenspeicher, das waren Disketten und da hat man so eine alte Disketten Box genommen, da liegt das Schädel Stückchen drin und die Zähne liegen in so einem. Ich glaube das ist so eine alte Juwelier Schachtel oder sowas würde ich mal sagen.
01:05:48
Raúl: Aber einer überwacht von 400 Kilometer äh FSB Geheimdienst Mitarbeiter mit mit Maschinengewehr, oder?
01:05:55
Dr. Mark Benecke: Nö. Also als wir da waren. Wir waren ja während einer freundlichen Zeit da. Jetzt sind ja keine freundlichen Zeiten mehr. Aber wir als als das da saß unten saß da so ein 18-jähriger Typ, so ein Soldat, der da unten einfach den Eingang so, also der saß da an so einer Sperrholz Theke. Also das war jetzt nicht irgendwie, da waren keine Waffen oder Überwachungskameras oder so, nur du kommst halt sonst auch nicht rein. Du kannst da trotzdem nicht rein latschen, weil ich meine, egal ob der 18 ist oder nicht, der wird, der war auch jetzt nicht durchtrainiert oder so, aber der, der wird schon sagen tschuldigung mal, also sie dürfen hier nicht rein und im FSB selber, Du siehst keine Überwachung, aber ich meine, da kannst du auch nicht einfach rein latschen. Also ich glaube, das muss man sich so vorstellen. Du kannst auch nicht nachts um 3:00 in den Rewe rein latschen, da ist eine Glastür und die Glastür ist zu. Also wenn du nachts um drei einen Rewe willst, musst du halt mit einem Vorschlaghammer die Glastür einschlagen und das wird dann Aufmerksamkeit nach sich ziehen. Aber es ist jetzt nicht so, wie man sich das in einem Krimi vorstellt, dass das irgendwelche Beton Räume sind, die mit riesigen Riegeln verschlossen sind oder Überwachungskameras oder Maschinengewehre, das ist nicht so.
01:07:01
Raúl: Unser Aufzug ist fast da. Wir werden es auf einen weiteren Teil, wenn du möchtest, gerne erweitern können. Ja, war ja klar, ein ganzer Fragenkomplex noch gar nicht bearbeitet wurde.
01:07:15
Dr. Mark Benecke: Und dann müssen wir da Teil zwei machen. Das machen wir.
01:07:17
Raúl: Nein, ich würde die Gelegenheit nutzen, einen Cliffhanger hier einzubauen und mit dir letztendlich eigentlich nur noch eine Frage beantwortet Wollen wissen. Und zwar gibt es eine Organisation, für die du dich engagierst bzw für die sich andere im Bereich engagieren können, die du empfehlen kannst.
01:07:38
Dr. Mark Benecke: Nö, es ist persönlicher Geschmack, also muss jeder selber wissen. Das ist das, was ich vorhin auch meinte. Ich bin nicht der Boss von irgendeinem Land oder von irgendeiner Untersuchung oder von irgendeiner kulturellen Entscheidung. Und deswegen muss jeder selber wissen, ob er oder jede, ob sie sich beteiligen möchte oder nicht. Ich habe da ich habe da keine Hoffnungen, dass Menschen jetzt wirklich auf einen guten Rat hören oder so, Das muss aus den Menschen selber kommen.
01:08:03
Raúl: Und über Hoffnung und wie wir die Welt noch retten können und ob überhaupt, darüber reden wir dann gerne. Vielleicht im zweiten Teil, wenn du Zeit hast.
01:08:11
Dr. Mark Benecke: Ja, sehr gerne.
01:08:12
Raúl: Vielen Dank.
01:08:13
Dr. Mark Benecke: Ich danke dir.
01:08:14
Raúl: Wo steigst du jetzt aus?
01:08:16
Dr. Mark Benecke: Haben 250 Etage im Glitzer Labor mit blauem Licht und ganz vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und tollem Funding und Einhörnern.
01:08:29
Raúl: Genau. Sehr gut.
01:08:30
Dr. Mark Benecke: Jawohl.
01:08:31
Raúl: Dann vielen Dank.
01:08:32
Dr. Mark Benecke: Ich danke dir. Bis bald.
01:08:34
Raúl: Auf bald. Ja. Da. Danke fürs Mitfahren. Wenn ihr mögt und euch diese Folge Spaß gemacht hat. Bewerte diese Folge bei Apple, Podcast, Spotify oder wo auch immer ihr zuhört. Alle Links zur Folge, sowie die Menschen, die mich bei diesem Podcast unterstützen, findet ihr in den Shownotes. Schaut doch gerne mal rein. Wenn ihr meine Arbeit unterstützen möchtet, würde ich mich freuen, euch bei Steady zu begrüßen. Mit einer Steady Mitgliedschaft bekommt ihr exklusive Updates von mir und die Gelegenheit, mich zweimal im Jahr persönlich zu treffen. Im Aufzug ist eine Produktion von Schönheit Media. Ich freue mich auf das nächste Mal hier im Aufzug.
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Erwähnte Links:
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Mark Benecke ermittelt: Leben und Fälle des Rechtsmediziners Otto Prokop
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Dieser Podcast ist eine Produktion von Schønlein Media.
Produktion: Fabian Gieske , Anna Germek
Schnitt und Post-Produktion: Jonatan Hamann
Coverart: Amadeus Fronk